Reihe III - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
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einleitung XLV ein um die Sonne rotierender Ätherwirbel, der die Bewegung der Planeten bewirkt. Diese Bewegung läßt sich in eine Kreisbewegung ( circulatio harmonica‘‘) und in eine radiale ” Bewegung der Himmelskörper ( motus paracentricus‘‘) zerlegen, so daß sich aus der Kom- ” bination der beiden Komponenten sowohl die elliptischen Planetenbahnen als auch die beiden ersten Keplerschen Gesetze ergeben. Leibniz war der Auffassung, daß ihm durch die Einführung der harmonischen Kreisbewegung erstmals eine physikalische Begründung der Keplerschen Planetengesetze gelungen war. Er konnte sich mit Newtons Auffassung der Schwerkraft und mit einer ausschließlich durch Gravitation bewirkten Planetenbewegung nicht anfreunden. Statt dessen zog er die Annahme eines Äthers und cartesischer Wirbel vor. Zugleich stellte er Ähnlichkeiten zwischen seinen Vorstellungen von der Zentrifugalkraft eines rotierenden Äthers und Huygens’ Erklärung des Gravitationsgesetzes fest. Die Schwerkraft sollte nach Leibniz die gleiche Ursache haben wie die Anziehung zwischen den Planeten bzw. zwischen schweren Körpern, nämlich rotierende Ätherwirbel. Sein Verständnis der Schwerkraft führte ihn auch zur Annahme von Anziehungsstrahlen, die er sich analog zu Lichtstrahlen vorstellte und deren reziprok quadratisches Entfernungsgesetz analog zum photometrischen Entfernungsgesetz gebildet wurde. An Huygens schrieb er (N. 69): selon cette maniere d’expliquer la pesanteur, par la force centrifuge ” d’un fluide tres subtil, on peut concevoir comme des rayons d’attraction‘‘. Seine Wirbeltheorie ermöglichte Leibniz auch eine Erklärung weiterer Phänomene wie der runden Form der Erdkugel bzw. der Wassertropfen sowie der Parallelität‘‘ der Achsen der Erde ” und der übrigen Planeten. Für Huygens hingegen war Leibniz’ Theorie unverständlich (N. 90): ” je ne vois pas comment vous pouvez comprendre qu’un semblable mouvement Materiae ambientis puisse causer et la rondeur des goutes d’eau, et la Pesanteur du plomb vers la Terre, ou des Planetes vers le soleil . . . Je ne vois pas non plus comment la cause que je donne de la Pesanteur, puisse coincider avec l’attraction que vous concevez par des rayons emanants du centre‘‘. Weder das veröffentlichte Tentamen noch Leibniz Ausführungen in seinen Briefen konnten ihn von der Nachvollziehbarkeit der Leibnizschen Theorie überzeugen. Obwohl Huygens weiterhin mehr als skeptisch blieb, setzte Leibniz unbeirrt seine Bemühungen fort, eine Äquivalenz bzw. Übereinstimmung zwischen den widerstreitenden Systemen aufzuweisen. Er glaubte fest daran, daß die sehr unterschiedlichen Auffassungen in Einklang gebracht werden konnten, und bezog dabei die Newtonsche Position ausdrücklich mit ein (N. 106): ” Il faudra examiner quelle explication est la meilleure, ou si on les peut concilier. Le même se peut dire à l’egard de l’explication de Mons. Neu-
XLVI einleitung ton des Ellipses‘‘. Huygens blieb jedoch bei seiner Ablehnung. Trotz einiger zugestandenermaßen positiver Aspekte der Wirbeltheorie war er von der Unübertrefflichkeit seiner eigenen Theorie überzeugt (N. 123). Mit der Leibnizschen Wirbeltheorie seien zwar einige Phänomene (wie z. B. die Tatsache, daß die Planeten sich im gleichen Sinn drehen) leicht zu erklären, für andere hingegen, wie die konstante Exzentrizität der Planetenbahnen, die Beschleunigung bzw. Verlangsamung eines Himmelskörpers oder die Bewegung der Kometen durch rotierende Wirbel, würde die Erklärung erschwert. Leibniz räumte diese Schwierigkeiten zwar ein, verteidigte aber die Möglichkeit, die konkurrierenden Systeme in Einklang zu bringen (N. 140). Newton gegenüber äußerte er sich ähnlich konziliant (N. 139): ” Mirificum est quod invenisti Ellipses Keplerianas prodire, si tantummodo attractio sive gravitatio et trajectio in planeta concipiantur, tametsi enim eo inclinem, ut credam haec omnia fluidi ambientis motu sive effici sive regi, analogia gravitatis et magnetismi apud nos; nihil tamen ea res dignitati et veritati inventi tui detraxerit.‘‘ In engem Zusammenhang mit der Theorie der Planetenbewegung stehen auch die Fragen nach Natur und Bewegung von Kometen im Sonnensystem. Sie wurden erörtert in Leibniz’ Briefwechsel mit Newton (N. 194), E. Halley (N. 80), E. Weigel und A. Vagetius (N. 189). Leibniz hielt insbesondere die Kometenschweife für reine Lichterscheinungen, während andere ihnen einen materiellen Charakter zubilligen wollten. Weitere himmelskundliche Themen sind Huygens’ Arbeiten über Nebensonnen (N. 9 u. N. 13) und Vagetius Veröffentlichung über Sonnenflecken (N. 129, N. 135 u. N. 181). In Leibniz’ Korrespondenz mit Huygens wurde auch die Gestalt der Erde erörtert. Im Vordergrund steht hier Leibniz’ kritische Bewertung des im Jahre 1691 erschienenen Buchs von J. C. Eisenschmidt Diatribe de figura telluris elliptico-sphaeroide, in welchem der Autor eine elliptisch-sphäroidische Erdgestalt postuliert. Im Gegensatz zu Newton und Huygens ging er von einem Massenüberschuß an den Polen statt am Äquator aus. Am 8. Januar 1692 (N. 53) und am 19. Februar 1692 (N. 62) erforschte Leibniz Huygens’ Meinung dazu. Obwohl dieser nur den kurzen Bericht über das Werk in den Acta eruditorum gelesen hatte, bezweifelte auch Huygens die Richtigkeit von Eisenschmidts Schlußfolgerung (N. 65 vom 15. März 1692): ” Il me semble qu’il bastit sur un fondement fort peu seur, savoir les differentes mesures qui ont esté faites du globe Terrestre. Car on sçait combien different entre eux les observateurs qui ont travaillé sous le mesme Climat. On observe d’ailleurs que Jupiter est Elliptique dans le sens de M r Newton et de moy, et la raison le veut, au lieu qu’il n’y en a point pour la figure Elliptique de M r Eysenschmid‘‘. Huygens hegte somit erhebliche Zweifel an der Hypothese von Eisenschmidt, behielt
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einleitung XLV<br />
ein um die Sonne rotierender Ätherwirbel, der die Bewegung der Planeten bewirkt. Diese<br />
Bewegung läßt sich in eine Kreisbewegung ( circulatio harmonica‘‘) und in eine radiale<br />
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Bewegung der Himmelskörper ( motus paracentricus‘‘) zerlegen, so daß sich aus der Kom-<br />
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bination der beiden Komponenten sowohl die elliptischen Planetenbahnen als auch die<br />
beiden ersten Keplerschen Gesetze ergeben. <strong>Leibniz</strong> war der Auffassung, daß ihm durch<br />
die Einführung der harmonischen Kreisbewegung erstmals eine physikalische Begründung<br />
der Keplerschen Planetengesetze gelungen war. Er konnte sich mit Newtons Auffassung<br />
der Schwerkraft und mit einer ausschließlich durch Gravitation bewirkten Planetenbewegung<br />
nicht anfreunden. Statt dessen zog er die Annahme eines Äthers und cartesischer<br />
Wirbel vor. Zugleich stellte er Ähnlichkeiten zwischen seinen Vorstellungen von der Zentrifugalkraft<br />
eines rotierenden Äthers und Huygens’ Erklärung des Gravitationsgesetzes<br />
fest. Die Schwerkraft sollte nach <strong>Leibniz</strong> die gleiche Ursache haben wie die Anziehung<br />
zwischen den Planeten bzw. zwischen schweren Körpern, nämlich rotierende Ätherwirbel.<br />
Sein Verständnis der Schwerkraft führte ihn auch zur Annahme von Anziehungsstrahlen,<br />
die er sich analog zu Lichtstrahlen vorstellte und deren reziprok quadratisches Entfernungsgesetz<br />
analog zum photometrischen Entfernungsgesetz gebildet wurde. An Huygens<br />
schrieb er (N. 69): selon cette maniere d’expliquer la pesanteur, par la force centrifuge<br />
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d’un fluide tres subtil, on peut concevoir comme des rayons d’attraction‘‘. Seine Wirbeltheorie<br />
ermöglichte <strong>Leibniz</strong> auch eine Erklärung weiterer Phänomene wie der runden<br />
Form der Erdkugel bzw. der Wassertropfen sowie der Parallelität‘‘ der Achsen der Erde<br />
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und der übrigen Planeten.<br />
Für Huygens hingegen war <strong>Leibniz</strong>’ Theorie unverständlich (N. 90): ” je ne vois<br />
pas comment vous pouvez comprendre qu’un semblable mouvement Materiae ambientis<br />
puisse causer et la rondeur des goutes d’eau, et la Pesanteur du plomb vers la Terre, ou<br />
des Planetes vers le soleil . . . Je ne vois pas non plus comment la cause que je donne<br />
de la Pesanteur, puisse coincider avec l’attraction que vous concevez par des rayons<br />
emanants du centre‘‘. Weder das veröffentlichte Tentamen noch <strong>Leibniz</strong> Ausführungen in<br />
seinen Briefen konnten ihn von der Nachvollziehbarkeit der <strong>Leibniz</strong>schen Theorie überzeugen.<br />
Obwohl Huygens weiterhin mehr als skeptisch blieb, setzte <strong>Leibniz</strong> unbeirrt seine<br />
Bemühungen fort, eine Äquivalenz bzw. Übereinstimmung zwischen den widerstreitenden<br />
Systemen aufzuweisen. Er glaubte fest daran, daß die sehr unterschiedlichen Auffassungen<br />
in Einklang gebracht werden konnten, und bezog dabei die Newtonsche Position<br />
ausdrücklich mit ein (N. 106): ” Il faudra examiner quelle explication est la meilleure, ou<br />
si on les peut concilier. Le même se peut dire à l’egard de l’explication de Mons. Neu-