Reihe III - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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N. 98 leibniz an rudolf christian von bodenhausen, 8./18. August 1692 365 Ich habe in dem problemate den Scherz nicht verstanden, sondern tout de bon geglaubet, man rede darinn den Analystis zu lob. Es waren in der gedruckten proposition unterschiedene Antipriscianen, die ich aber in dem so ich den Actis Eruditorum inseriren laßen, charitablement corrigirt. Schließe darauß daß mit H. Salvini nicht communiciret worden. Ich hätte nicht gemeinet, daß der jenige der Urheber des wercks sey, von dem ich es iezo vernehme zumahl wegen des styli und der affection des worths pusilli, so ich diesem 5 als einem berühmten und aestimirten mann nicht zugetrauet, welches aber zu verstehen gibt, daß er etwas piquirt seyn müße. Die denen ich es gezeiget, haben aus diesem worth ein wenig eitelkeit und aufschneiderey darunter vermuthet und ich selbsten glaubete es käme von einen jungen mann und musteo Geometra. Nachdem ich aber vernehme, wer der autor, halte ich es für ein klein ressentiment, in dem er uns damit piquiren wollen, die 10 uns für keine schlechte Geometras hielten, und doch dieses wohl unsolviret laßen würden. Die worth d e G e o m e t r i a p u r e H i s t o r i c a hätte ich auch nicht verstanden, noch fur einen Scherz aufgenommen, sondern ganz pro seriis gehalten. Daß dieser Mann gegen mich eine kleine bitterkeit habe, hätte ich nicht gemeinet. Ich habe mit ihm ganz candide gehandelt, und nicht nur gegenwärtig, sondern auch gegen 15 andere bey allen gelegenheiten bezeiget, daß ich ihn als einen meritirten mann nicht wenig schäze. Ich thue es auch noch würcklich ohngeacht seiner animosität, und versichere M. h. H. daß ich glaube er wiße mehr als er weiß, das ist[,] er wiße seine wißenschafft nicht in methodum zu bringen. Denn ich bin gewiß daß man auch eine eigne analysin ad formam methodi veterum machen kondte, die ihre besondere avantagen über die Algebram hätte, 20 ob sie ihr schohn in einigen andern dingen weichen muß, aber es fehlet diesen leuten die Ars 2 Artium, das ist die kunst, Künste zu machen. Sie haben eine gewiße routine, etwas auff ihre weise zu erfinden, so in der that analytisch ist, aber sie wißens selbst nicht[,] 2 〈In A am Rande von Bodenhausens Hand:〉 NB. 4 f. Schließe darauß ... worden erg. L 1 9 f. und ich selbsten . . . Geometra erg. L 1 3 Actis Eruditorum: vgl. Acta erud., Jun. 1692, S. 274–275. 4 corrigirt: Leibniz hat Korrekturen in das ihm übersandte Exemplar (LH XXXV 6,12 Bl. 29) eingetragen, die aber nicht alle beim Druck in den Acta erud. berücksichtigt worden sind. 13 worth: wörtlich heißt es ” in Geometriae pura Historia tantummodo versatus‘‘.

366 leibniz an rudolf christian von bodenhausen, 8./18. August 1692 N. 98 können also nicht damit weit kommen; haben so zu sagen nur eine analysin naturalem, wie die bauern eine arithmeticam naturalem, aber damit sollen sie keine kubische wurzel extrahiren. Ich schreibe sonst daher dem Euclidi, Apollonio, auch dem H. V. V. nicht nur eine Historische Geometri, sondern ein weit mehrers zu, aber seine Scholaren bleiben Historici nudi. 5 Die invention vom Tempel gefället mir nicht übel, und will daher nicht tadeln, daß ers nennet Augustissimum et perpetuo duraturum Nehmlich in scriptis geometrarum. Gewißlich, wenn dieß problema von ihm also vor 50 jahren zu zeiten des seel. Galilei und Torricellii wäre solviret worden, würde mans überaus hoch gehalten haben. Uber das bey=worth infarinato mus ich lachen; gehöhret zur crusca mehr als alla Tedesca. 10 Ich vergnüge mich mit dem mehl will andern die kleyen laßen. Ich suche uberall florem doctrinae, wer will sich das gemüth mit allen kleinigkeiten beladen? gnug daß man wiße alles da nothig zu finden, und vor dem vorkommenden zu urtheilen, inventio et judicium, ist gnug; was memoriae ist, uberlaße ich andern gern, wiewohl ich auch mehr im kopf haben muß als mir lieb ist. H. Salvini hat man mir als einen guthen Graecum gerühmt. 15 Ewig schade ist daß der Tollius kein judicium hat, der wäre der rechte Man für den GroßPrinzen geweßen und hatte die guthen stümper bey ihnen auf alle weise vexiren können. De locis solidis kondte wohl was guthes noch gesagt werden, nehmlich wer eine seriem schöhner theorematum gäbe, wie die veteres bereits gethan und angefangen. Ich gestehe 20 daß ich ganz nicht zufrieden mit dem was Fermatius, Cartesius, Schoten, de Wit, und andere in doctrina locorum gethan, sie demonstriren wohl, das oder jenes sey ein locus planus, was Apollonius dafür ausgeben, aber sie weisen nicht wie Apollonius oder andere für ihm auf den Catalogum locorum planorum gekommen; idemque est de solidis. Es stecket noch ein und anders in den veteribus verborgen, so verlohren. Ich sehe gar wohl 25 daß sie ihre Künste zurückgehalten, und daß wir sie nicht alle wißen. Hingegen wißen wir anderwerts mehr als sie, und wolte ich mit ihnen nicht gern tauschen. Bedancke mich wegen communicirter andern solution. Habe aber nicht zeit noch lust aniezo die gedancken darauff zu geben. Cur enim agam acta. 3 daher erg. L 1 9 überaus erg. L 1 20 und angefangen erg. L 1 21 f. und | all bricht ab, gestr. | andere L 1 28 f. lust (1) die geringste (2) aniezo die L 1 29 acta. | Komt mir vor als wenn ich mich 〈–〉 ausnehmen sollte. gestr. | L 1 28 solution: vgl. N. 92.

366 leibniz an rudolf christian von bodenhausen, 8./18. August 1692 N. 98<br />

können also nicht damit weit kommen; haben so zu sagen nur eine analysin naturalem,<br />

wie die bauern eine arithmeticam naturalem, aber damit sollen sie keine kubische wurzel<br />

extrahiren. Ich schreibe sonst daher dem Euclidi, Apollonio, auch dem H. V. V. nicht<br />

nur eine Historische Geometri, sondern ein weit mehrers zu, aber seine Scholaren bleiben<br />

Historici nudi.<br />

5 Die invention vom Tempel gefället mir nicht übel, und will daher nicht tadeln, daß<br />

ers nennet Augustissimum et perpetuo duraturum Nehmlich in scriptis geometrarum.<br />

Gewißlich, wenn dieß problema von ihm also vor 50 jahren zu zeiten des seel. Galilei<br />

und Torricellii wäre solviret worden, würde mans überaus hoch gehalten haben. Uber<br />

das bey=worth infarinato mus ich lachen; gehöhret zur crusca mehr als alla Tedesca.<br />

10 Ich vergnüge mich mit dem mehl will andern die kleyen laßen. Ich suche uberall florem<br />

doctrinae, wer will sich das gemüth mit allen kleinigkeiten beladen? gnug daß man wiße<br />

alles da nothig zu finden, und vor dem vorkommenden zu urtheilen, inventio et judicium,<br />

ist gnug; was memoriae ist, uberlaße ich andern gern, wiewohl ich auch mehr im kopf<br />

haben muß als mir lieb ist. H. Salvini hat man mir als einen guthen Graecum gerühmt.<br />

15 Ewig schade ist daß der Tollius kein judicium hat, der wäre der rechte Man für den<br />

GroßPrinzen geweßen und hatte die guthen stümper bey ihnen auf alle weise vexiren<br />

können.<br />

De locis solidis kondte wohl was guthes noch gesagt werden, nehmlich wer eine seriem<br />

schöhner theorematum gäbe, wie die veteres bereits gethan und angefangen. Ich gestehe<br />

20 daß ich ganz nicht zufrieden mit dem was Fermatius, Cartesius, Schoten, de Wit, und<br />

andere in doctrina locorum gethan, sie demonstriren wohl, das oder jenes sey ein locus<br />

planus, was Apollonius dafür ausgeben, aber sie weisen nicht wie Apollonius oder andere<br />

für ihm auf den Catalogum locorum planorum gekommen; idemque est de solidis. Es<br />

stecket noch ein und anders in den veteribus verborgen, so verlohren. Ich sehe gar wohl<br />

25 daß sie ihre Künste zurückgehalten, und daß wir sie nicht alle wißen. Hingegen wißen wir<br />

anderwerts mehr als sie, und wolte ich mit ihnen nicht gern tauschen.<br />

Bedancke mich wegen communicirter andern solution. Habe aber nicht zeit noch lust<br />

aniezo die gedancken darauff zu geben. Cur enim agam acta.<br />

3 daher erg. L 1 9 überaus erg. L 1 20 und angefangen erg. L 1 21 f. und | all bricht ab,<br />

gestr. | andere L 1 28 f. lust (1) die geringste (2) aniezo die L 1 29 acta. | Komt mir vor als wenn<br />

ich mich 〈–〉 ausnehmen sollte. gestr. | L 1<br />

28 solution: vgl. N. 92.

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