Reihe III - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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04.05.2013 Aufrufe

einleitung XXXVII ” Weilen ich inzwischen aus ihren Actis ersehen daß H. Papin etwas gegen meine demonstration zu haben vermeinet, habe ich sein dubium in beykommenden mit guthen glimpf beantwortet; ohngeacht seine manier zu reden etwas ausnehmischer, da er doch mein ar- gument gar nicht eingenommen und auch in explicatione gravitatis sehr geirret, wie ich weiß.‘‘ Nach einer allgemeinen Zurückweisung der Papinschen Argumentationen, in der auch auf die Beweise seiner zukünftigen Dynamica verwiesen wurde, wendete sich Leib- niz im zwölften und letzten Punkt seiner De causa gravitatis den Angriffen Papins gegen ihn selbst zu. Um Logomachie zu vermeiden, definierte er Kraft (vis) indirekt: ” Itaque v i m i n a e q u a l e m habere . . . , quorum unum si surrogare liceret in alterius locum, oriri posset motus perpetuus mechanicus‘‘. Daraus folgerte Leibniz, daß die Kraft in den Körpern erhalten bleibe oder, was dasselbe sei, daß potentia und causa plena äquivalent seien; worin er sich der Zustimmung Papins sicher glaubte. Hieraus folgt nun aber nach Leibniz notwendig, daß die Kräfte dem Produkt aus Gewicht und Höhe (im Erdschwere- feld) proportional sind; denn anderenfalls — wie er in einem Gedankenexperiment zeigte — ergäbe sich die Möglichkeit eines motus perpetuus mechanicus, der als absurd ange- nommen wurde. Die Bedingung für die Gültigkeit dieser Leibnizschen Schlußfolgerung ist — logisch betrachtet — die in die Definition der Kraft aufgenommene vollständige Ersetzbarkeit der Körper und — physikalisch betrachtet — die vollständige Übertrag- barkeit der Kraft. Abschließend versuchte Leibniz die Quelle des Fehlers der Cartesianer darin nachzuweisen, daß viele Philosophen die Gesamtbewegung in der Welt für eine ewige und unveränderliche Größe halten. Papins Antwort erfolgte diesmal bereits nach fünf Monaten (vgl. I, 6 N. 135), wenn sie auch erst im Januarheft der Acta eruditorum von 1691 unter dem Titel Mechanicorum de viribus motricibus sententia im Druck erschien. Diesmal änderte Papin sein Argumen- tationsverfahren, indem er es bewußt dem Vorgehen seines Antagonisten anpaßte. Als erstes gab er seine Definition der Kraft (potentia, vis): ” Duorum corporum in motu illud habet plus potentiae, quod potest plus effectus producere: si vero neutrum sit ejusmodi, illa corpora habent vires aequales‘‘. Ergänzend bemerkte er, daß der Effekt weder durch den zurückgelegten Weg noch durch die Zeitdauer der Bewegung, sondern allein durch den zu überwindenen Widerstand gemesen würde. Auf der Grundlage dieser Vorausset- zungen widerlegte er dann die Leibnizschen Gedankenexperimente, wobei er vor allem die Möglichkeit einer vollständigen Übertragbarkeit der Kraft verneinte. In dieser Annahme sah er geradezu die Quelle des Leibnizschen Fehlers.

XXXVIII einleitung Jetzt ließ sich auch Leibniz mehr Zeit, denn er schickte erst am 16. August 1691 seinen Beitrag De legibus naturae et vera aestimatione virium motricium contra Cartesianos (Acta erud., Sept. 1691, S. 439–447) an Mencke (Brief nicht gefunden; vgl. aber Menckes Antwort I, 7 N. 169), und dies eine Woche, nachdem er einem Brief an F. Lucae (I, 6 N. 348) seinen ersten Brief an Haes (nicht gefunden) beigefügt hatte. Von Papins Vertrautem Haes erhoffte sich Leibniz offensichtlich nähere Informationen über Papins Aktivitäten, vielleicht sogar die Anbahnung eines direkten Kontaktes, und so fiel die Charakterisierung Papins im Brief an Lucae deutlich positiver aus als die, welche er 16 Monate vorher an Mencke geschrieben hatte: ” Ingeniosissimi Papini inventa et meditationes egregiae mihi a multis jam annis fuere notae‘‘. Leibniz versuchte in De legibus naturae vor allem Papins Argument der Nichtübertragbarkeit der vollständigen Kraft eines Körpers zu entkräften, indem er die bloße gedankliche Annahme ” unum in alterius locum substitui‘‘ für ausreichend erklärte. Er sei nicht verpflichtet, den ” modum a c t u efficiendi hanc substitutionem‘‘ aufzuweisen. Auch glaubte er, daß für den Fall, daß causa und effectus nicht äquivalent seien, die Weisheit des Schöpfers geschmälert würde. Den von Papin geforderten Nachweis einer vollständigen Kraftübertragung von einem Körper mit gößerer auf einen mit kleinerer Masse erbrachte er durch ein Gedankenexperiment. Die von Papin ebenfalls bestrittene Existenz eines Körpers von perfekter Härte verteidigte er formal: es komme nicht darauf an, daß es die perfekte Härte von Körpern tatsächlich gebe, sondern es genüge, daß sie ohne Widersprüche denkbar sei. Zudem könne die Abweichung von der perfekten Elastizität als beliebig klein angenommen werden. In der Folge stellte Leibniz neue Argumente für seine Auffassungen vor: er bemesse die ” quantitas effectus‘‘ nicht durch ” entibus modalibus sive incompletis‘‘, sondern durch ” substantiis seu realibus absolutis‘‘. Gleiche Kräfte lägen dann vor, wenn eine gleiche Anzahl von elastischen Federn mit gleicher Spannkraft in den gleichen Spannungszustand überführt werden könnten. Nur die ” realis virium mensura‘‘ werde der notwendigen Übertragbarkeit und Vergleichbarkeit der Gesetze der Natur und der ” Scientia aestimandi in universum‘‘ gerecht. Nach einem weiteren Brief Leibnizens an Haes von Ende November 1691 (vgl. N. 48) war es endlich soweit: Haes’ Antwortbrief (N. 58) enthielt den ersten Brief von Papin an Leibniz (vom 31. Januar 1692; N. 56) mit einer Beilage (N. 57), in der Papin seine Entgegnung auf Leibniz’ De legibus naturae niedergeschrieben hatte. Damit wurde die bisher öffentlich in den Acta eruditorum geführte Auseinandersetzung in den privaten Briefwechsel zwischen Leibniz und Papin verlagert. Auf Leibniz’ entsprechende Mitteilung

XXXV<strong>III</strong> einleitung<br />

Jetzt ließ sich auch <strong>Leibniz</strong> mehr Zeit, denn er schickte erst am 16. August 1691<br />

seinen Beitrag De legibus naturae et vera aestimatione virium motricium contra Cartesianos<br />

(Acta erud., Sept. 1691, S. 439–447) an Mencke (Brief nicht gefunden; vgl. aber<br />

Menckes Antwort I, 7 N. 169), und dies eine Woche, nachdem er einem Brief an F. Lucae<br />

(I, 6 N. 348) seinen ersten Brief an Haes (nicht gefunden) beigefügt hatte. Von Papins<br />

Vertrautem Haes erhoffte sich <strong>Leibniz</strong> offensichtlich nähere Informationen über Papins<br />

Aktivitäten, vielleicht sogar die Anbahnung eines direkten Kontaktes, und so fiel die<br />

Charakterisierung Papins im Brief an Lucae deutlich positiver aus als die, welche er 16<br />

Monate vorher an Mencke geschrieben hatte: ” Ingeniosissimi Papini inventa et meditationes<br />

egregiae mihi a multis jam annis fuere notae‘‘. <strong>Leibniz</strong> versuchte in De legibus<br />

naturae vor allem Papins Argument der Nichtübertragbarkeit der vollständigen Kraft<br />

eines Körpers zu entkräften, indem er die bloße gedankliche Annahme ” unum in alterius<br />

locum substitui‘‘ für ausreichend erklärte. Er sei nicht verpflichtet, den ” modum a c t u<br />

efficiendi hanc substitutionem‘‘ aufzuweisen. Auch glaubte er, daß für den Fall, daß causa<br />

und effectus nicht äquivalent seien, die Weisheit des Schöpfers geschmälert würde. Den<br />

von Papin geforderten Nachweis einer vollständigen Kraftübertragung von einem Körper<br />

mit gößerer auf einen mit kleinerer Masse erbrachte er durch ein Gedankenexperiment.<br />

Die von Papin ebenfalls bestrittene Existenz eines Körpers von perfekter Härte verteidigte<br />

er formal: es komme nicht darauf an, daß es die perfekte Härte von Körpern tatsächlich<br />

gebe, sondern es genüge, daß sie ohne Widersprüche denkbar sei. Zudem könne die Abweichung<br />

von der perfekten Elastizität als beliebig klein angenommen werden. In der Folge<br />

stellte <strong>Leibniz</strong> neue Argumente für seine Auffassungen vor: er bemesse die ” quantitas<br />

effectus‘‘ nicht durch ” entibus modalibus sive incompletis‘‘, sondern durch ” substantiis<br />

seu realibus absolutis‘‘. Gleiche Kräfte lägen dann vor, wenn eine gleiche Anzahl von<br />

elastischen Federn mit gleicher Spannkraft in den gleichen Spannungszustand überführt<br />

werden könnten. Nur die ” realis virium mensura‘‘ werde der notwendigen Übertragbarkeit<br />

und Vergleichbarkeit der Gesetze der Natur und der ” Scientia aestimandi in universum‘‘<br />

gerecht.<br />

Nach einem weiteren Brief <strong>Leibniz</strong>ens an Haes von Ende November 1691 (vgl. N. 48)<br />

war es endlich soweit: Haes’ Antwortbrief (N. 58) enthielt den ersten Brief von Papin an<br />

<strong>Leibniz</strong> (vom 31. Januar 1692; N. 56) mit einer Beilage (N. 57), in der Papin seine Entgegnung<br />

auf <strong>Leibniz</strong>’ De legibus naturae niedergeschrieben hatte. Damit wurde die bisher<br />

öffentlich in den Acta eruditorum geführte Auseinandersetzung in den privaten Briefwechsel<br />

zwischen <strong>Leibniz</strong> und Papin verlagert. Auf <strong>Leibniz</strong>’ entsprechende Mitteilung

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