Die Umsetzung der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV im ...

INSTITUT FÜR FÖDERALISMUS, UNIVERSITÄT FREIBURG
INSTITUT DU FÉDÉRALISME, UNIVERSITÉ DE FRIBOURG
INSTITUTE OF FEDERALISM, UNIVERSITY OF FRIBOURG
Die Umsetzung der Rechtsweggarantie gemäss
Art. 29a BV im interkantonalen Recht
- Rechtsgutachten -
30. April 2007
Prof. Thomas Fleiner
Dr. iur. Daniela Ivanov
unter Mitarbeit von lic. iur. Marius Roth

INHALTSVERZEICHNIS
§ 1 AUSGANGSLAGE UND VORGEHEN.......................................................................................1
§ 2 DIE RECHTSWEGGARANTIE UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DAS KANTONALE RECHT...........3
A. Die Grundzüge der Justizreform ................................................................................................3
I. Die wesentlichen Merkmale des Bundesverwaltungsgerichts.............................................4
II. Das bundesrechtliche Rechtsmittelsystem..........................................................................5
1. Die Einheitsbeschwerde....................................................................................................5
1.1. Die Beschwerde in Zivilsachen .................................................................................................6
1.1.1. Anwendungsbereich ......................................................................................................6
1.1.2. Ausschluss und Einschränkungen .................................................................................7
1.2 Die Beschwerde in Strafsachen ................................................................................................7
1.2.1 Anwendungsbereich ......................................................................................................7
1.2.2. Ausschluss und Einschränkungen .................................................................................8
1.3 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.......................................................8
1.3.1. Anwendungsbereich und Beschwerdevoraussetzungen ...............................................8
1.3.2. Ausschluss und Einschränkungen .................................................................................8
2. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde.......................................................................10
III Zusammenfassung ...............................................................................................................12
B. Die Rechtsweggarantie im Allgemeinen..................................................................................13
I. Begriff.....................................................................................................................................13
1. Die Rechtsweggarantie als Grundrecht.........................................................................13
2. Verwandte Garantien .......................................................................................................13
3. Rechtsträger.....................................................................................................................14
II. In-Kraft-Treten und Übergangsrecht...................................................................................14
III. Geltungsbereich....................................................................................................................15
1. Der Begriff der „Rechtsstreitigkeit“...............................................................................16
2. Gerichtlich überprüfbare Rechtsakte ............................................................................17
2.1 Bemerkungen zum „verfügungsfreien Verwaltungshandeln“...................................................17
2.1.1 Begriff ..........................................................................................................................17
2.1.2 Der Rechtsschutz gegen verfügungsfreies Handeln....................................................18
2.2 Die bundesrechtliche Regelung gemäss dem neuen VGG .....................................................20
2.3 Die Bestimmung des Anfechtungsobjektes nach kantonalem Recht ......................................20
2.4 Der effektive Rechtsschutz als Schranke des kantonalen Entscheidungsspielraums.............21
C. Die einzelnen Auswirkungen der Rechtsweggarantie auf das kantonale Recht.................22
I. Die Schaffung richterlicher Behörden ................................................................................23
1. Der Begriff der richterlichen Behörde gemäss Art. 29a BV........................................23
1.1 Die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ..............................................................24
1.1.1 Kriterien für die Beurteilung der richterlichen Unabhängigkeit im Allgemeinen............24
1.1.2 Schiedsgerichte ...........................................................................................................26
1.1.3 Spezialgerichte und Berufsgerichtsbarkeiten...............................................................27
1.1.4. Rekurskommissionen ..................................................................................................28
1.2 Die Kognition...........................................................................................................................29
2. Zusätzliche Anforderung an die richterlichen Behörden gemäss BGG.....................29
2.1 „Obere“ Behörden ...................................................................................................................29
2.2 Doppelter Instanzenzug ..........................................................................................................30
2.3 Kognition .................................................................................................................................31
3. Die Bedeutung der Ausnahmen von der Einheitsbeschwerde für die
Rechtsweggarantie ..........................................................................................................31
D. Ausnahmen von der Rechtsweggarantie .................................................................................32
I. Ausnahmen von der Pflicht zur Schaffung richterlicher Instanzen gemäss BGG.........33
1. Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter .....................................................33
2. Behördliche Akte, welche die politischen Rechte der Stimmberechtigten
verletzen............................................................................................................................35
II. Der kantonale Entscheidungsspielraum bei der Festlegung von Ausnahmen
gemäss Art. 29a BV Satz 2 ...................................................................................................36
1. Gesetzliche Ausnahmenkataloge als Orientierungshilfe ............................................36
2. Ermessensentscheide .....................................................................................................38
I

E. Zusammenfassung.....................................................................................................................39
§ 3 INTERKANTONALE VEREINBARUNGEN...............................................................................41
A. Begriff und Gegenstand ............................................................................................................41
B. Einzelne Auswirkungen der NFA auf die interkantonale Zusammenarbeit .........................43
C. Arten von interkantonalen Vereinbarungen ............................................................................43
I. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen.................................................................................44
II. Rechtsetzende Vereinbarungen ..........................................................................................45
III. Mischformen..........................................................................................................................45
D. Interkantonale Organe ...............................................................................................................46
E. Der Rechtsschutz im interkantonalen Bereich .......................................................................49
I. Der Rechtsschutz auf Bundesebene...................................................................................50
1. Vor der Justizreform........................................................................................................50
1.1 Klage einer Vertragspartei ......................................................................................................50
1.2 Beschwerden von Privaten .....................................................................................................50
2. Nach der Justizreform .....................................................................................................51
2.1 Klage einer Vertragspartei ......................................................................................................51
2.2 Beschwerden von Privaten .....................................................................................................51
II. Der Rechtsschutz auf interkantonaler Ebene ....................................................................53
1. Die Auswirkungen der Rechtsweggarantie auf den interkantonalen
Rechtsschutz....................................................................................................................53
2. Rechtsschutzmodelle auf interkantonaler Ebene.........................................................55
2.1 Schiedsinstanzen....................................................................................................................55
2.1.1 Beispiele ......................................................................................................................55
2.1.2 Beurteilung dieses Modells im Lichte der Rechtsweggarantie.....................................57
2.2 Rekurskommissionen..............................................................................................................58
2.2.1 Beispiele ......................................................................................................................58
2.2.2 Merkmale interkantonaler Rekurskommissionen .........................................................63
2.2.3 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie..............................................................66
2.3 Verweis auf die Verfahrensordnung einer Vertragspartei........................................................69
2.3.1 Beispiele ......................................................................................................................69
2.3.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie..............................................................71
2.4 Die Aufstellung von Verfahrens- und Rechtsmittelvorschriften wird ganz oder teilweise den
Kantonen überlassen ..............................................................................................................72
2.4.1 Beispiele ......................................................................................................................72
2.4.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie..............................................................75
3. Sonderfälle........................................................................................................................76
3.1 Zweistufiges Streitschlichtungsverfahren ................................................................................76
3.2 Streitschlichtung durch Bundesbehörden................................................................................77
3.3 Verweis auf den „ordentlichen“ Rechtsweg.............................................................................78
3.3.1 Beispiel ........................................................................................................................78
3.3.2 Zuständigkeitsvorschriften bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten ..............................79
3.3.3 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie..............................................................80
4. Interkantonale Vereinbarungen ohne eigene Rechtsschutzbestimmungen .............80
4.1 Beispiele .................................................................................................................................80
4.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsschutzgarantie .....................................................................81
5. Zwischenfazit ...................................................................................................................85
6. Lösungsvarianten ............................................................................................................85
6.1. Interkantonale Rekurskommissionen ......................................................................................85
6.2. Verweis auf die Verfahrensordnung eines Vertragskantons ...................................................86
6.3 Vollzug durch die Kantone ......................................................................................................87
6.4 Interkantonale Vereinbarungen ohne Rechtsschutzbestimmungen ........................................87
F. Zusammenfassung.....................................................................................................................90
§ 4 ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN THESEN ..............................................................93
II

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Schema I: Unterarten der Einheitsbeschwerde ................................................................6
Schema II: Ausschluss und Einschränkungen der Einheitsbeschwerde .........................10
Schema III: Arten interkantonaler Vereinbarungen ..........................................................44
Schema IV: Rechtsschutz auf Bundesebene vor und nach der Justizreform ...................52
Schema IVa: Private / Organisationen .............................................................................................52
Schema IVb: Kantone / Interkantonale Organe................................................................................53
Schema V: Prüfschema ...................................................................................................54
Schema VI: Lösungsmodelle ............................................................................................55
Schema VII: Merkpunkte „richterliche Behörde“ ................................................................69
Schema VIII: Vereinfachtes Prüfungsschema ....................................................................84
Schema IX: Überblick über die Rechtsschutzsysteme .....................................................89
III

LITERATUR- UND MATERIALIENVERZEICHNIS
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VI

§ 1 AUSGANGSLAGE UND VORGEHEN
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektor-innen und -direktoren (KKJPD) beauftragte
das Institut für Föderalismus der Universität Freiburg i.Ue. (IFF) mit der Durchführung
einer Untersuchung betreffend die Umsetzung der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a
BV im Bereich des interkantonalen Rechts. Zu diesem Zweck erarbeitete das IFF ein entsprechendes
Konzept 1 , das Anfangs Oktober 2006 vom Vorstand der KKJPD genehmigt
wurde.
Gestützt auf dieses Konzept verpflichtete sich das IFF, ein Rechtsgutachten zu Handen der
KKJPD zu verfassen, dessen Schwerpunkt die Auswirkungen von Art. 29a BV auf die interkantonalen
Vereinbarungen bilden. Im Rahmen dieser Studie werden die Rechtsschutzbestimmungen
einer grösseren Auswahl von interkantonalen Vereinbarungen auf ihre Vereinbarkeit
mit der Rechtsweggarantie untersucht und ausgehend von diesen Ergebnissen abstrakte
Lösungsvorschläge für künftige interkantonale Vereinbarungen erarbeitet. Auf eine
vollständige Erfassung sämtlicher vorhandener interkantonaler Vereinbarungen wird verzichtet.
Für die vorliegende Studie werden in erster Linie multilaterale interkantonale Vereinbarungen
von nationaler und regionaler Bedeutung untersucht, unter Ausschluss der bilateralen Verträge.
Mit Blick auf Sinn und Zweck der Rechtsweggarantie werden hauptsächliche interkantonale
Vereinbarungen analysiert, die unmittelbar rechtsetzende Bestimmungen enthalten.
Per Ende 2006 wurde ein erster Zwischenbericht fertig gestellt, der die ersten Ergebnisse
der Untersuchung zusammenfasste und bereits einzelne Lösungsansätze für eine verfassungskonforme
Gestaltung des Rechtswegs im interkantonalen Bereich vermittelte.
Das vorliegende definitive Gutachten folgt im Wesentlichen dem Aufbau des Zwischenberichts,
doch wurde dieser wesentlich erweitert und ergänzt. Unter den Neuerungen sind insbesondere
die Anpassung an die neue Rechtslage (die meisten gesetzlichen Bestimmungen
sind erst am 1. Januar 2007 in Kraft getreten) sowie der Einbezug zusätzlicher interkantonaler
Vereinbarungen in die Analyse zu erwähnen. Zudem wurde die Darstellung der Ergebnisse
und Lösungsmodelle durch den Einbau von Tabellen und Abbildungen wesentlich vereinfacht
und übersichtlicher gestaltet.
Nach wie vor gliedert sich die Studie in zwei Hauptteile: In einem ersten Kapitel wird nach
einem kurzen Überblick über die Justizreform im Allgemeinen das Institut der Rechtsweggarantie
und deren Auswirkungen auf das kantonale Recht, insbesondere auf das Verfahren,
erläutert (§ 2). Das zweite Kapitel ist dem interkantonalen Recht gewidmet (§ 3): Nach einer
kurzen Einführung wird anhand zahlreicher Beispiele der Rechtsschutz im interkantonalen
Bereich skizziert. Anschliessend werden die verschiedenen Regelungen des Rechtsschutzes
auf ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsweggarantie überprüft und es werden Vorschläge für
eine verfassungskonforme Gestaltung des Rechtswegs im interkantonalen Bereich ausgearbeitet.
Die wesentlichen Ergebnisse der Studie werden im Rahmen eines Schlussfazits
knapp dargestellt (§ 4).
1 Vgl. das Konzept des IFF „Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV und Konkordatsrecht“ vom 26.
September 2006.
1

§ 2 DIE RECHTSWEGGARANTIE UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF
DAS KANTONALE RECHT
Die nachfolgenden Ausführungen sind dem Institut der Rechtsweggarantie im Allgemeinen
gewidmet. Die Einführung von Art. 29a in die Bundesverfassung erfolgte im Zuge der Justizreform,
welche eine Reihe von wesentlichen Änderungen, insbesondere im Bereich der Bundesrechtspflege,
bewirkte. Zwar stellen die Rechtsweggarantie und das bundesrechtliche
Rechtsmittelsystem zwei voneinander unterschiedliche Institute dar, doch wirken sich die
neu eingeführten Bundesgesetze in vielerlei Hinsicht auf den Spielraum der Kantone bei der
Umsetzung von Art. 29a BV in ihrer Rechtsordnung aus, so dass die Handhabung der
Rechtsweggarantie durch die Kantone nicht losgelöst von den neusten Entwicklungen der
Bundesrechtspflege betrachtet werden kann. Bevor auf das Institut der Rechtsweggarantie
eingegangen wird, ist es somit zunächst erforderlich, die wesentlichen Elemente der Bundesrechtspflegereform,
unter besonderer Berücksichtigung des bundesrechtlichen Rechtsmittelssystems,
zu skizzieren (lit. A). Im Anschluss an diese Einführung wird die Rechtsweggarantie
ausführlich erläutert (lit. B).
A. Die Grundzüge der Justizreform
Mit der Reform der Bundesrechtspflege wurden im Wesentlichen drei Ziele verfolgt: die Verbesserung
des Rechtsschutzes, die Entlastung des Bundesgerichts unter anderem mittels
richterlicher Vorinstanzen sowie die Schaffung der Grundlagen für ein einheitliches schweizerisches
Zivil- und Strafprozessrecht 2 .
Die Verankerung einer Rechtsweggarantie im Sinne eines qualifizierten Rechtsschutzes
durch ein unabhängiges Gericht wurde bereits in der Botschaft vom 20. November 1996 über
eine neue Bundesverfassung, welche eine Vorlage zur Neuordnung der Justiz enthielt, postuliert
3 . Die Bundesversammlung verabschiedete die Justizreform am 8. Oktober 1999 4 .
Schliesslich stimmten Volk und Stände der Reformjustiz und somit auch der Rechtsweggarantie
als Kernstück der Vorlage am 12. März 2000 zu 5 .
Gestützt auf diese Verfassungsgrundlage konnten das Bundesgerichtsgesetz (BGG 6 ), das
Strafgerichtsgesetz (SGG 7 ) sowie das Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG 8 ) erlassen werden.
Während das SGG bereits am 1. August 2003 in Kraft trat, sind das VGG und das BGG und
somit auch das Kernstück der Reform erst am 1. Januar 2007 rechtskräftig geworden (Näheres
dazu unten lit. B/II).
2 Vgl. WEISSENBERGER, S. 1492; zu den Gründen für die Bundesrechtspflegereform vgl. auch
PFISTERER, S. 267 ff.
3 Bundesbeschluss über die Reform der Justiz (Vorlage C), BBl 1997 I 640 ff.; vgl. auch KISS, S.
288.
4 Vgl. Bundesbeschluss über die Reform der Justiz vom 8. Oktober 1999, BBl 1999 8633 ff.
5 Vgl. Bundesbeschluss über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 12. März 2000, BBl 2000
2990 f.
6 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht, SR 173.110.
7 Bundesgesetz vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht, SR 173.71; gestützt darauf wurde
ein eigenständiges, unteres Strafgericht des Bundes geschaffen, das am 1. April 2004 seine Tätigkeit
aufnahm; ausführlich zu dessen Organisation und Zuständigkeiten vgl. KOLLER, Grundzüge,
S. 69 ff.
8 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht, SR 173.32.
3

Das Verwaltungsgerichtsgesetz regelt insbesondere die Zuständigkeiten, Organisation und
Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts. Darauf wird nachstehend kurz eingegangen (unten
Ziff. I). Das Bundesgerichtsgesetz ist an Stelle des Gesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) 9 getreten. Sein Kernstück bilden die Bestimmungen über das neue
Rechtsmittelsystem. Auch diese werden im Folgenden kurz erläutert (unten Ziff. II).
I. Die wesentlichen Merkmale des Bundesverwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgerichtsgesetz hat die Bildung eines allgemeinen Verwaltungsgerichts des
Bundes zum Gegenstand. Dieses ersetzt die rund 30 Rekurs- und Schiedskommissionen,
die richterliche Vorinstanzen des Bundesgerichts in der Bundesverwaltungsrechtspflege waren
oder als Gerichtsbehörden letztinstanzliche Entscheide fällten. Zudem übernimmt das
Bundesverwaltungsgericht auch Rechtspflegeaufgaben, die bisher dem Bundesrat
oblagen 10 .
Das Bundesverwaltungsgericht ist als allgemeines Verwaltungsgericht des Bundes konzipiert
und wird zur Rechtsmittelbehörde in jenen Fällen, in welchen Verfügungen von Departementen,
autonomen Anstalten und nicht richterlichen Kommissionen des Bundes zuvor direkt an
das Bundesgericht weitergezogen werden durften. Es kann entweder als Vorinstanz 11 oder
als letzte bzw. einzige Instanz entscheiden. Eine seiner wichtigsten Funktionen bildet die
Umsetzung der Rechtsweggarantie in den Bereichen des Bundesverwaltungsrechts, in denen
bisher eine Verwaltungsbehörde (der Bundesrat oder ein Departement) entscheidungsbefugt
waren 12 . Damit sollen die verfassungsrechtlichen Vorgaben gemäss Art. 29a BV (dazu
unten lit. B) auf der vorinstanzlichen Stufe des Bundesgerichts verwirklicht werden; diese
Neuerung hat dem Gesetzgeber unter anderem ermöglicht, im BGG die Sachverhaltskontrolle
im Rahmen der Einheitsbeschwerde generell einzuschränken und den bundesgerichtlichen
Rechtschutz in einzelnen Fällen etwas zurückzunehmen (vgl. Ziff. II/1 hiernach) 13 .
Durch die Einführung des Bundesverwaltungsgerichts wird der Rechtsmittelweg in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten somit vereinheitlicht, ohne jedoch den Instanzenzug zu erweitern
14 .
Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des VwVG, sofern nichts anderes bestimmt wird
(Art. 37 VGG). Gegen Verfügungen kantonaler Behörden ist die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht
grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen sind nur möglich, sofern ein Bundesgesetz
diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht (Art. 33 lit. i VGG). Dies ist allerdings selten
der Fall (vgl. z.B. Art. 166 Abs. 2 LWG 15 ). In gewissen Konstellationen räumt das VGG
dem Bundesverwaltungsgericht selbst die Befugnis ein, Beschwerden gegen kantonale Akte
zu beurteilen, so namentlich gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen in gewissen Bereichen
der Krankenversicherung (Art. 34 VGG). Die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts
können an das Bundesgericht weitergezogen werden, sofern das Gesetz seine Zuständigkeit
nicht ausschliesst (vgl. z.B. Art. 83 BGG und dazu Ziff. II/1/1.3). Ansonsten entscheidet
das Bundesverwaltungsgericht endgültig 16 .
9
Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943.
10
Vgl. WEISSENBERGER, S. 1492; siehe auch KOLLER, Grundzüge, S. 71 ff.
11
Vgl. die Aufzählung der Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts in Art. 33 VGG.
12
Dazu WEISSENBERGER, S. 1495 und 1500.
13
Vgl. KARLEN, S. 67.
14
KARLEN, S. 67.
15
Bundesgesetz über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz; SR 910.1).
16
WEISSENBERGER, S. 1510.
4

II. Das bundesrechtliche Rechtsmittelsystem
1. Die Einheitsbeschwerde
Zu den markantesten Neuerungen, die durch die Reform der Bundesrechtspflege bewirkt
wurden, gehört die Einführung der Einheitsbeschwerde. Diese vereinigt sämtliche bisherigen
Beschwerdearten des alten Rechts in einem einzigen Rechtsmittel und soll die Idee verwirklichen,
dass der höchstrichterliche Rechtsschutz nicht mehr nach Sachgebieten unterteilt ist,
sondern so weit wie möglich gebietsübergreifend auszugestalten ist. Für sachgebietsspezifische
Überlegungen bleibt nur noch im Rahmen der Einheitsbeschwerde selbst Raum. Das
neue Rechtsmittel erscheint in drei Formen, die sich nach der Grobunterteilung der Rechtsordnung
in die Hauptgebiete Privat-, Straf- und öffentliches Recht richten. Neu gibt es somit
die Einheitsbeschwerde in Zivilsachen, die Einheitsbeschwerde in Strafsachen sowie die
Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Diese stellen jedoch keine
eigenständigen Rechtsmitteltypen dar, sondern lediglich Unterarten des Einheitsrechtsmittels
17 . Die Abgrenzung zwischen den Beschwerden ergibt sich allein aus dem vom angefochtenen
Entscheid betroffenen Rechtsgebiet, unabhängig davon, ob es sich um kantonales oder
eidgenössisches Recht handelt.
Das neue Rechtsmittelkonzept des Bundes hat zur Folge, dass es nurmehr ein Beschwerdeweg
ans Bundesgericht zur Anfechtung von Entscheiden einer Vorinstanz gibt, unabhängig
von den Beschwerdegründen und der Vorinstanz. Die Einheitsbeschwerde eröffnet darüber
hinaus die Möglichkeit, sämtliche Rügen, die vor dem Bundesgericht überhaupt zulässig
sind, gleichzeitig vorzubringen. Dies gilt sowohl für behauptete Rechtsverletzungen als
auch für Beanstandungen an der Feststellung des massgeblichen Sachverhalts 18 . Die zulässigen
Beschwerdegründe werden in Art. 95-98 BGG aufgeführt. Gemäss diesen Bestimmungen
können folgende Rechtsverletzungen geltend gemacht werden:
- Bundesrecht;
- Völkerrecht;
- kantonale verfassungsmässige Rechte;
- kantonale Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und über Volkswahlen
und -abstimmungen;
- interkantonales Recht (Art. 95 BGG);
- ausländisches Recht (in engen Grenzen; vgl. Art. 96 BGG).
Die Einheitsbeschwerde dient grundsätzlich der Rechtskontrolle. Das Bundesgericht prüft die
unrichtige Feststellung des massgebenden Sachverhalts durch die Vorinstanz nur ausnahmsweise,
namentlich wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Ausgenommen sind Entscheide über die Zusprechung oder
Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung (Art. 105 Abs. 3
BGG) 19 . Dementsprechend kann die Feststellung des Sachverhalts – mit Ausnahme bestimmter
Teilgebiete des Sozialversicherungsrechts – nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die
Kognition des Bundesgerichts wird demnach beschränkt. Dies gilt für sämtliche Beschwerdearten
des BGG.
17 Zum Ganzen KARLEN, S. 22 f.; vgl. auch Art. 189 BV, welcher die Zuständigkeiten des Bundesgerichts
nicht nach Sachgebieten, sondern nach Beschwerdegründen umschreibt.
18 Zu Sinn und Zweck der Einheitsbeschwerde vgl. Schlussbericht der Expertenkommission Bundesrechtspflege,
S. 25 ff.; ferner KOLLER, Grundzüge, S. 75, 77; KARLEN, S. 37.
19 Ursprünglich sollte diese Bestimmung auch auf Geldleistungen der Invalidenversicherung anwendbar
sein; die Artikel wurden indessen bereits vor In-Kraft-Treten des BGG wieder geändert; vgl.
auch AEMISEGGER, S. 162.
5

Gemäss Art. 191 Abs. 3 BV kann das Gesetz für bestimmte Sachgebiete den Zugang zum
Bundesgericht ausschliessen. Von dieser Kompetenz wurde im Rahmen des BGG Gebrauch
gemacht; das Gesetz zählt für jede der drei Einheitsbeschwerden Fälle auf, in denen der
Rechtsweg ans Bundesgericht ausgeschlossen ist. Besonders umfangsreich ist der Ausnahmekatalog
von der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der an die
Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der heutigen Art. 97 ff. OG
erinnert. Liegt ein Ausschlussgrund vor, so bedeutet dies, dass Entscheide von Bundesbehörden
letztinstanzlich durch das Bundesverwaltungsgericht endgültig beurteilt werden, kann
doch gegen dessen Urteile die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ergriffen werden
(vgl. Ziff. 2 hiernach). Verfügungen letzter kantonaler Instanzen können jedoch mit subsidiärer
Verfassungsbeschwerde weitergezogen werden, sofern die Beschwerde in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten ausgeschlossen bleibt 20 .
Schema I: Unterarten der Einheitsbeschwerde
Entscheide in
Zivilsachen
Beschwerde in Zivilsachen
Entscheide in
Schuldbetreibungsund
Konkurssachen
Einheitsbeschwerde
Öffentlichrechtliche
Entscheide in
unmittelbarem
Zusammenhang
mit Zivilrecht
Beschwerde in Strafsachen
Entscheide in
Strafsachen
Bestimmte
Zivilansprüche
Grundtyp
Vollzug von
Strafen und
Massnahmen
Beschwerde in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten
Beschwerde
gegen Erlasse
Stimmrechts
-beschwerde
Internationale
Rechtshilfe in
Strafsachen
Im Folgenden werden die drei Grundtypen der Einheitsbeschwerde kurz umschrieben und je
die zulässigen Ausnahmen skizziert.
1.1. Die Beschwerde in Zivilsachen
1.1.1. Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der Beschwerde in Zivilsachen wird in Art. 72 BGG umschrieben.
Abgesehen von den zivilrechtlichen Angelegenheiten im engeren Sinne unterstellt der Gesetzgeber
auch bestimmte Bereiche öffentlich-rechtlicher Natur diesem Rechtsmittel, so die
Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a) sowie öffentlichrechtliche
Entscheide, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht stehen. Dazu
gehören namentlich solche über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheiden über
die Rechtshilfe in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1), über die Führung öffentlicher Register
(Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2) oder über die Entmündigung, die Errichtung von Beirat- und
Beistandschaften sowie die fürsorgerische Freiheitsentziehung (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6).
20 AEMISEGGER, S. 131 f.
6

Die Aufzählung in Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1-7 ist nicht abschliessend. Der Begriff „Zivilsache“
erfasst sowohl die streitigen als auch die nicht-streitigen Angelegenheiten 21 .
Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen
und des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 75 BGG).
1.1.2. Ausschluss und Einschränkungen
Der Zugang zum Bundesgericht in Zivilsachen wird in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt
bzw. ausgeschlossen. Eine erste wesentliche Einschränkung ist die Begrenzung des Streitwertes
in vermögensrechtlichen Streitigkeiten 22 . Das Abstellen auf den Streitwert ist ein bekanntes
Mittel, um den Zugang zu einer oberen Instanz auszuschliessen. Unter dem alten
Recht bestand beispielsweise für die Berufung eine Streitwertgrenze von 8'000 Franken (Art.
46 OG). Neu gelten gemäss Art. 74 Abs. 1 BGG folgende Streitwerte:
- 15'000 Franken in arbeits- und mietrechtlichen Streitigkeiten und
- 30'000 Franken in den übrigen Streitigkeiten.
Werden diese Schwellenwerte nicht erreicht, so besteht immer noch die Möglichkeit des
Weiterzugs ans Bundesgericht, sofern einer der folgenden Fälle eintritt (vgl. Art. 74 Abs. 2
BGG):
- es stellt sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (lit. a) 23 ;
- ein Bundesgesetz schreibt eine einzige kantonale Vorinstanz vor (lit. b);
- es handelt sich um Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen (lit. c) oder
- es stehen Entscheide des Konkurs- und Nachlassrichters zur Diskussion (lit. d).
Die zweite Ausnahme betrifft Entscheide im Markenrecht, die im Widerspruchsverfahren gegen
eine Marke getroffen worden sind. In diesen Fällen ist die Beschwerde in Zivilsachen
unzulässig (Art. 73 BGG; vgl. bereits Art. 100 Abs. 1 lit. w OG) 24 .
1.2 Die Beschwerde in Strafsachen
1.2.1 Anwendungsbereich
Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen neben den Strafsachen im engeren Sinne auch
Entscheide über Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln
sind sowie solche über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Art. 78 Abs. 2 BGG) 25 .
21 Vgl. BBl 2001 4306.
22 Zum Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit vgl. SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 74, N 1.
23 Wie dieser Begriff von der Praxis ausgelegt wird, bleibt zurzeit noch offen; Näheres dazu in BBl
2001 4309 f.: Die strittige Auslegung muss eine Norm betreffen, deren Verletzung vor Bundesgericht
gerügt wird; sodann muss die Frage der höchstrichterlichen Klärung bedürfen, entweder weil
die Rechtsprechung der Vorinstanzen uneinheitlich und widersprüchlich ist oder weil neue Gründe
für eine Praxisänderung bestehen oder aber, weil die Vorinstanz bewusst von der Praxis des Bundesgerichts
abgewichen ist; kritisch zur Aufzählung der Botschaft REEZ, S. 30 f.; vgl. ferner
SCHWEIZER, S. 223 f. und KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 18 zu Art. 191 BV; gemäss SPÜH-
LER/DOLGE/VOCK, Art. 74, N 6 ff. genügt es für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, nicht, dass die Vorinstanz von der Praxis des
Bundesgerichts abgewichen ist oder, dass eine Rechtsfrage noch nie höchstrichterlich entschieden
wurde; vielmehr spielten hier inhaltlich-materielle Kriterien im Zusammenhang mit der Auslegung
von Bestimmungen mit grundsätzlichem Inhalt eine Rolle.
24 Für die Beurteilung eines Entscheides im Rahmen der Widerspruchsklage gegen eine Marke ist
das Bundesverwaltungsgericht abschliessend zuständig; bei einer Abweisung des Widerspruchs
steht wiederum die Zivilklage offen, welches Urteil bis ans Bundesgericht weitergezogen werden
kann; vgl. BBl 4308; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 73, N 3.
25 Ausführlich dazu BBl 2001 4313.
7

Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und des Bundesstrafgerichts
(Art. 80 Abs. 1 BGG).
1.2.2. Ausschluss und Einschränkungen
Als einzige Ausnahme von der Zulässigkeit dieses Rechtsmittels sieht Art. 79 BGG Entscheide
der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, soweit es sich nicht um solche
über Zwangsmassnahmen handelt. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer wird in Art. 28
SGG geregelt. Diese entscheidet unter anderem über Beschwerden gegen Amtshandlungen
oder Säumnis des Bundesanwalts und der eidgenössischen Untersuchungsrichter in Bundesstrafsachen
(Abs. 1 lit. a), streitige Ausstandsbegehren gegen den Bundesanwalt sowie
gegen eidgenössische Untersuchungsrichter und ihre Gerichtsschreiber (Abs. 1 lit. c) oder
verschiedene Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten (Abs. 1 lit. e).
1.3 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
1.3.1. Anwendungsbereich und Beschwerdevoraussetzungen
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hat einen äusserst breiten Anwendungsbereich
(vgl. Art. 82 BGG). Sie erfasst zunächst die Streitsachen des öffentlichen
Rechts im engeren Sinne, unter Einschluss der politischen Rechte; zudem ist sie aber auch
Instrument der abstrakten Normenkontrolle und greift somit über den Bereich des öffentlichen
Rechts hinaus 26 . Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird demnach
künftig sowohl die Funktion der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch jene der
staatsrechtlichen Beschwerde übernehmen. Daher spielt es für deren Zulässigkeit keine Rolle,
ob sich der Beschwerdeführer auf öffentliches Recht des Bundes oder auf kantonales
Recht stützt.
Die Beschwerde ist zunächst zulässig gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts.
Da dieses als Vorinstanz des Bundesgerichts konzipiert wurde (vgl. oben Ziff. I), führt der
Instanzenzug in der Regel zum Bundesverwaltungsgericht, sofern Entscheide eidgenössischer
Behörden zur Diskussion stehen. Eine Anfechtung anderer Akte von Bundesinstanzen
kommt nur selten in Betracht. Das BGG nennt noch das Bundesstrafgericht sowie die unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen als mögliche Vorinstanzen des Bundesgerichts
(Art. 86 Abs. 1 lit. b und c). Gegen Entscheide kantonaler Behörden steht die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zur Verfügung, sofern diese letztinstanzlich
sind und die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unzulässig ist (Art.
86 Abs. 1 lit. d). Dabei ist insbesondere die Voraussetzung der Letztinstanzlichkeit von Bedeutung,
da die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht, wie bereits gesehen (oben Ziff.
I), in der Regel nicht gegen kantonale Entscheide erhoben werden kann.
Die Beschwerdelegitimation orientiert sich stark am ehemaligen Art. 103 OG: Der Beschwerdeführer
muss grundsätzlich durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt
sein und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung haben
(Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG). Neu ist hier der Ausdruck „besonders berührt“; damit beabsichtigte
der Gesetzgeber eine stärkere Einschränkung der Beschwerdelegitimation von
Drittpersonen als früher 27 .
1.3.2. Ausschluss und Einschränkungen
Art. 83 BGG enthält bezüglich der Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
einen sehr umfassenden Katalog von Materien, die der Beurteilung durch das Bun-
26 Vgl. KARLEN, S. 48.
27 KARLEN, S. 51 f.; im Einzelnen AEMISEGGER, S. 150 ff.
8

desgericht entzogen sind. Dieser orientiert sich an der Liste von Art. 99 und 100 OG, welche
die Fälle aufzählten, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen war.
Entscheidend ist dabei das Sachgebiet, nicht jedoch die Art des Entscheides. Ferner fällt auf,
dass es sich dabei um Entscheide handelt, die entweder eine starke politische Komponente
aufweisen bzw. solche, bei denen das Ermessen eine grosse Rolle spielt, oder auch um
Rechtsbereiche mit grossem Beschwerdeaufkommen 28 . Dazu gehören 29 :
- Entscheide auf dem Gebiet der inneren oder äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität,
des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht
nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt (lit. a);
- Entscheide über die ordentliche Einbürgerung (lit. b);
- Verschiedene Entscheide auf dem Gebiet des Ausländer- und des Asylrechts (lit. c und d)*;
- Entscheide über die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung von Behördenmitgliedern
oder von Bundespersonal (lit. e)*;
- Bestimmte Entscheide auf dem Gebiet des öffentlichen Beschaffungswesens (lit. f) 30 ;
- Entscheide auf dem Gebiet des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses, wenn sie eine nicht
vermögensrechtliche Angelegenheit, nicht aber die Gleichstellung der Geschlechter betreffen
(lit. g);
- Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe (lit. h)* 31 ;
- Entscheide auf dem Gebiet des Militär-, Zivil- und Zivilschutzdienstes (lit. i);
- Entscheide auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung, die bei zunehmender Bedrohung
oder schweren Mangellagen getroffen worden sind (lit. j);
- Entscheide betreffend Subventionen, auf die kein Rechtsanspruch besteht (lit. k) 32 ;
- Entscheide über die Zollveranlagung, wenn diese aufgrund der Tarifierung oder des Gewichts
der Ware erfolgt (lit. l);
- Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben (lit. m) 33 ;
- Bestimmte Entscheide auf dem Gebiet der Kernenergie (lit. n);
- Entscheide über die Typengenehmigung von Fahrzeugen auf dem Gebiet des Strassenverkehrs
(lit. o);
- Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Fernmeldeverkehrs (lit. p)*;
- Bestimmte Entscheide auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin (lit. q);
- Bestimmte Entscheide auf dem Gebiet der Krankenversicherung (lit. r);
- Bestimmte Entscheide auf dem Gebiet der Landwirtschaft (lit. s);
- Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen und anderen Fähigkeitsbewertungen, namentlich
auf den Gebieten der Schule, der Weiterbildung und der Berufsausübung (lit. t).
28
Vgl. auch AEMISEGGER, S. 133.
29
Die mit einem * markierten Ausnahmenkategorien sind gegenüber der früheren Verwaltungsgerichtsbeschwerde
neu; im Bereich des Ausländerrechts (lit. c) betrifft die Neuerung lediglich die
Ausnahmen von den Höchstzahlen (Ziff. 5).
30
Im Vergleich zum OG (Art. 100 Abs. 1 lit. x) sieht das BGG keinen vollständigen Ausschluss der
Beschwerdemöglichkeiten ans Bundesgericht mehr vor, sondern eine streitwertabhängige Regelung.
31
Diese Aufgabe wird künftig einzig dem Bundesverwaltungsgericht obliegen; vgl. SPÜH-
LER/DOLGE/VOCK, Art. 83, N 7; vorbehalten bleibt Art. 84 BGG über die internationale Rechtshilfe in
Strafsachen.
32
Gemeint sind Subventionen von Gemeinwesen jeder Stufe, auf die kein Rechtsanspruch besteht,
vgl. SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 83, N 8.
33
Vgl. dazu aber auch KLEY-STRULLER, Rechtsschutz, S. 290: Gemäss diesem Autor erfolge der
Ausschluss dieser Bereiche von der richterlichen Prüfung zu Unrecht, da der Gesetzgeber die genauen
inhaltlichen Voraussetzungen eines solchen Vorgehens umschreibt.
9

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde
nur zulässig, wenn bestimmte Fragen (z.B. Auslieferung, Beschlagnahme von Gegenständen
oder Vermögenswerten) Streitgegenstand bilden (Art. 84 BGG).
Schliesslich führte der Gesetzgeber auch im Rahmen dieser Beschwerde für bestimmte
Streitgegenstände und sofern vermögensrechtliche Angelegenheiten zur Diskussion stehen,
Wertgrenzen ein (Art. 85 BGG). Diese betragen auf dem Gebiet der Staatshaftung 30'000
Franken (Abs. 1 lit. a) und auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse
15'000 Franken (Abs. 1 lit. b). Gleich wie bei der Beschwerde in Zivilsachen ist die Beschwerde
– falls die Streitgrenzwerte unterschritten werden – dennoch zulässig, wenn sich
eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Abs. 2) 34 . Einzelne Autoren erachten die
Einführung von Streitwertgrenzen im öffentlichen Recht indessen als problematisch, da es in
der öffentlichen Rechtspflege nicht allein um die Durchsetzung subjektiver Rechte Privater
geht, sondern immer auch um das öffentliche Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven
Rechts 35 .
Schema II: Ausschluss und Einschränkungen der Einheitsbeschwerde
2. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
Die drei Einheitsbeschwerden werden um ein weiteres Rechtsmittel, die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
(Art. 113 ff. BGG), ergänzt. Diese war in der ursprünglichen Vorlage zur
Bundesrechtspflegereform nicht enthalten, sondern wurde erst nachträglich auf Vorschlag
der Arbeitsgruppe Bundesgerichtsgesetz eingeführt 36 .
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht in jenen Fällen zur Verfügung, in denen das
ordentliche Rechtsmittel der Einheitsbeschwerde ausgeschlossen ist. Insofern schliesst sie
dort eine Lücke, wo kantonale Entscheide aufgrund des Ausnahmekatalogs gemäss Art. 83
BGG oder weil die erforderlichen Streitwertgrenzen nicht erreicht werden (mit Ausnahme jener
Fälle, in denen sich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt), nicht mehr an das
34
Vgl. zum Ausnahmekatalog auch KARLEN, S. 48 ff.
35
So KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 13 zu Art. 191 BV.
36
Vgl. Bericht zu den Normvorschlägen der Arbeitsgruppe Bundesgerichtsgesetz vom 16. März 2004
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege.
10

Bundesgericht weitergezogen werden können 37 . Aufgrund der Subsidiarität ist sie nur zulässig,
sofern keine andere Beschwerde nach Art. 72-89 BGG möglich ist.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler
Instanzen 38 . Als kantonale Behörden gelten gemäss der bisherigen Rechtsprechung zur
staatsrechtlichen Beschwerde kantonale und interkantonale Organe, deren Zuständigkeit auf
kantonaler Hoheit beruht, kantonale Selbstverwaltungskörper, öffentlich-rechtliche Anstalten
und Stiftungen sowie Private, die mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet worden sind 39 . Für die
Anfechtung von Hoheitsakten der Bundesbehörden steht dieses Rechtsmittel nicht zur Verfügung,
womit der bundesrechtliche Rechtsschutz gegen Entscheide der erstinstanzlichen
Bundesgerichte nicht vollständig gewährleistet ist 40 . In Bezug auf die Rechtsweggarantie ist
dies grundsätzlich nicht von Belang, weil diese, wie bereits erläutert, durch den Zugang zum
Bundesverwaltungsgerichts gewährleistet wird.
Die möglichen Beschwerdegründe sind auf Verletzungen von verfassungsmässigen Rechten
beschränkt (Art. 116 BGG) 41 . Auch die Kognition des Bundesgerichts erstreckt sich nur auf
Rechtsfragen. Sachverhaltsverletzungen können nur berichtigt oder ergänzt werden, wenn
diese auf Rechtsverletzungen beruhen (Art. 118 BGG). Wie weit die Prüfungsbefugnis des
Bundesgerichts bezüglich Rechtsfragen reichen wird, ist zurzeit noch offen. Denkbar ist die
Beibehaltung der bisherigen Praxis, wonach die Auslegung und Anwendung von verfassungsmässigen
Rechten der Bundesverfassung und der kantonalen Verfassungen sowie
von völkerrechtlich garantierten Grundrechten mit freier Kognition, während die Auslegung
von Gesetzen und Verordnungen des Bundes und des betroffenen kantonalen und interkantonalen
Rechts nur auf Willkür geprüft wird 42 .
Enger umschrieben gegenüber der ordentlichen Einheitsbeschwerde ist schliesslich die Beschwerdelegitimation,
welche ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung
des angefochtenen Entscheides verlangt (Art. 115 BGG). Dies entspricht dem früheren
Art. 88 OG betreffend die staatsrechtliche Beschwerde 43 .
Bezüglich des kantonalen Instanzenzugs ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde deshalb
von Bedeutung, weil gemäss Art. 114 BGG die Vorschriften über die kantonalen Vorinstanzen
(Art. 75 und 86 BGG) sinngemäss auch für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gelten
44 .
37 Siehe dazu auch SCHWEIZER, S. 218 ff.
38 Die Möglichkeit der Anfechtung kantonaler Erlasse mittels subsidiärer Verfassungsbeschwerde
wäre nicht notwendig gewesen, da der Ausschlusskatalog gemäss Art. 83 BGG nur Entscheide
umfasst; es ist demnach stets möglich, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch kantonale
Erlasse mit Einheitsbeschwerde zu rügen; vgl. SCHWEIZER, S. 228.
39 Im Einzelnen SCHWEIZER, S. 229.
40 Vgl. auch KIENER, Bundesgerichtsgesetz, S. 149.
41 Solche Rechte können sich aus dem Verfassungsrecht des Bundes und der Kantone sowie aus
dem Völkerrecht ergeben, vgl. die Aufzählung bei SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 116, N 1 und 2; auch
hier ist die Analogie zur staatsrechtlichen Beschwerde offensichtlich; es kann somit im Wesentlichen
auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts in Bezug auf die verfassungsmässigen
Rechte verwiesen werden; vgl. auch SCHWEIZER, S. 234 f.; hingegen können Verletzungen von
Konkordats- und Staatsvertragsrecht nicht mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde gerügt werden,
wie dies unter der Herrschaft der staatsrechtlichen Beschwerde der Fall war; zum Ganzen vgl.
auch REEZ, S. 39.
42 Vgl. SCHWEIZER, S. 240.
43 Die Übernahme der Legitimationsvoraussetzungen für die staatsrechtliche Beschwerde entspricht
der klaren Absicht der Arbeitsgruppe Bundesgerichtsgesetz vom 16. März 2004, vgl. S. 2 des Berichts;
es bleibt indessen abzuwarten, wie das Bundesgericht die neuen Bestimmung anwenden
wird, insbesondere ob seine Praxis zur Willkürrüge und zum Gleichheitsgebot weiterhin massgebend
sein wird; vgl. dazu auch KIENER, Bundesgerichtsgesetz, S. 154.
44 Vgl. auch KARLEN, S. 69.
11

III Zusammenfassung
Die Reform der Bundesrechtspflege bezweckte unter anderem die Verbesserung des
Rechtsschutzes sowie die Entlastung des Bundesgerichts. Zu den wesentlichen Neuerungen
gehört zunächst die Schaffung eines allgemeinen Verwaltungsgerichts des Bundes als einzige
Instanz bzw. als Vorinstanz des Bundesgerichts gegen Entscheide von Bundesbehörden.
Eine seiner Hauptaufgaben bildet die Umsetzung der Rechtsweggarantie im Bundesverwaltungsrecht,
insbesondere in jenen Angelegenheiten, die bisher durch eine Verwaltungsbehörde
(Bundesrat oder Departement) beurteilt wurden. Auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
sind die Bestimmungen des VwVG anwendbar, sofern das VGG nichts
anderes vorsieht.
Die Justizreform hatte sodann wesentliche Änderungen des Rechtsmittelssystems auf Bundesebene
zur Folge: Sämtliche bisherigen Beschwerdearten wurden in einem einzigen
Rechtsmittel, der Einheitsbeschwerde, vereinigt. Diese kennt drei Unterarten, namentlich die
Einheitsbeschwerde in Zivilsachen, die Einheitsbeschwerde in Strafsachen und die Einheitsbeschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Für jede Unterart der Einheitsbeschwerde
sieht der Gesetzgeber verschiedene Ausnahmen vor; am umfangsreichsten ist der
Ausnahmekatalog von der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
Dieses neue Rechtsmittelkonzept hat zur Folge, dass es nurmehr ein Beschwerdeweg ans
Bundesgericht zur Anfechtung von Entscheiden einer Vorinstanz gibt, unabhängig von den
Beschwerdegründen und der Vorinstanz. Das Rechtsmittel dient in erster Linie der Rechtskontrolle,
weshalb die unrichtige Feststellung des massgeblichen Sachverhalts durch die
Vorinstanz nur ausnahmsweise überprüft wird.
Die Einheitsbeschwerde wurde nachträglich durch ein weiteres Rechtsmittel, die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde ergänzt, welche in jenen Fällen zur Verfügung steht, in denen das
ordentliche Rechtsmittel der Einheitsbeschwerde ausgeschlossen ist. Sie ist nur zulässig gegen
Entscheide letzter kantonaler Instanzen wegen Verletzungen verfassungsmässiger
Rechte.
Mit Blick auf die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV ist die Reform der Bundesrechtspflege
in verschiedener Hinsicht von Bedeutung: Zunächst bildet die Rechtsweggarantie ein
zentrales Element der Justizreform. Gleich wie Art. 29a BV stellt das BGG verschiedene Anforderungen
an die Organisation und Gestaltung des kantonalen Verfahrens, sodass der
kantonale Gesetzgeber beide Aspekte gemeinsam verwirklichen muss. Insofern wird der
kantonale Handlungsspielraum bei der Umsetzung von Art. 29a BV massgeblich durch das
Bundesrecht, insbesondere das BGG, bestimmt und eingeschränkt. Ferner liefern das BGG
wie auch das VGG wichtige Hinweise, die bei der Bestimmung der zulässigen Ausnahmen
von der Rechtsweggarantie als Orientierung dienen können. Diese Fragen werden unter anderem
in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert.
12

B. Die Rechtsweggarantie im Allgemeinen
Die nachfolgenden Ausführungen sind dem Institut der Rechtsweggarantie gewidmet. Nach
einer kurzen Umschreibung des Begriffs (Ziff. I) werden die wesentlichen Züge der Entwicklung
der Rechtsweggarantie dargestellt und es wird der Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens erläutert
(Ziff. II). Schliesslich wird ihr Geltungsbereich, unter Einbezug der eng damit verbundenen
künftigen Regelung des Anfechtungsobjektes, erörtert (Ziff. III).
I. Begriff
1. Die Rechtsweggarantie als Grundrecht
Der neue Art. 29a BV räumt jeder Person bei Rechtsstreitigkeiten einen grundrechtlichen
Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde ein 45 . Die Bestimmung lautet folgendermassen:
„Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche
Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen
ausschliessen“.
Die Rechtsweggarantie ist ein Verfahrensgrundrecht und wurde entsprechend in der Bundesverfassung
den Verfahrensgarantien zugeordnet. Sie enthält „nur“ das Recht auf einen
effektiven Zugang zu einem Gericht; weitere (begleitende) Verfahrens(grund)rechte ergeben
sich aus den übrigen Verfassungsbestimmungen 46 .
Es ist das erste Mal, dass der Schweizer Gesetzgeber einen derart umfassenden Anspruch
auf Zugang zu einem Gericht vorsieht. Die Aufnahme von Art. 29a in die Bundesverfassung
stellt eine neue Entwicklung und einen wesentlichen Fortschritt im Bereich des Individualrechtsschutzes
dar.
2. Verwandte Garantien
Die Rechtsfigur der Rechtsweggarantie war der schweizerischen Rechtsordnung nicht völlig
fremd. In gewissen Teilbereichen des Rechts wurde der Zugang zu einem Gericht bereits vor
der Einführung von Art. 29a BV verwirklicht. Dabei handelte es sich jedoch um keine umfassenden
Ansprüche auf richterliche Kontrolle, sondern lediglich um spezifische, auf bestimmte
Aspekte beschränkte Überprüfungsmöglichkeiten durch ein Gericht. Als Beispiel kann unter
anderem Art. 31 Abs. 4 BV bezüglich des Zugangs zum Gericht bei einem Freiheitsentzug
genannt werden. Auch wurde dem Bürger in Art. 113 Abs. 1 Ziff. 3 aBV, welcher dem Bundesgericht
die Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
zuwies, ein gerichtliches Verfahren zur Durchsetzung der ihm zustehenden verfassungsmässigen
Rechte zugesichert 47 .
45 Statt vieler KOLLER, Rechtsweggarantie, S. 314.
46 KLEY, St. Galler Kommentar, N 3 zu Art. 29a BV.
47 Im geltenden Verfassungsrecht existiert keine unmittelbar auf der Verfassung beruhenden Garantie
des Zugangs zum Bundesgericht mehr; eine solche besteht nur noch in einem sehr eingeschränkten
Bereich, namentlich im Zusammenhang mit Streitwertgrenzen und sofern sich eine Frage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt; vgl. KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 10 zu Art. 191 BV.
13

Der grösste Handlungsbedarf bestand seit jeher im Bereich des kantonalen öffentlichen
Rechts, weil die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Kantonen unterschiedlich ausgebaut war
(und wohl immer noch ist). In der Tat waren die Kantone nicht verpflichtet, Verwaltungsgerichte
einzusetzen, sondern es reichte ein verwaltungsinterner Rechtsschutz, der in der Regel
bei der Regierung als letzte kantonale Instanz endete 48 .
Eine wesentliche Änderung der Rechtslage bewirkte die Annahme von Art. 98a OG, welcher
eine Rechtsweggarantie im Bereich des Bundesverwaltungsrechts gewährleistete 49 . Die darin
enthaltene Verpflichtung, richterliche Behörden als letzte kantonale Instanzen einzusetzen,
sofern gegen deren Entscheide die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offen
stand, umfasste jedoch nicht auch das kantonale öffentliche Recht, so dass der Rechtsschutz
in diesem Bereich nach wie vor ungenügend war.
Von herausragender Bedeutung für die schweizerische Rechtsordnung ist insbesondere Art.
6 Ziff. 1 EMRK, welcher einen Anspruch auf Zugang zu einer richterlichen Behörde einräumt,
sofern Streitigkeiten über „civil rights“ zur Diskussion stehen 50 . Diese Garantie kommt dem
neuen Art. 29a BV am nächsten. Wird die Einführung einer umfassenden Rechtsweggarantie
angestrebt, so erweist sich indessen der Rechtsschutz gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK – selbst
bei einer extensiven Auslegung des Ausdrucks „civil rights“ (im Einzelnen dazu Ziff. III/I hiernach)
– als ungenügend, da nicht sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die individuelle Rechte tangieren,
von dieser Norm erfasst werden 51 .
Rechtsweggarantien sind ferner im übrigen Völkerrecht enthalten. Zu erwähnen ist in erster
Linie Art. 14 Ziff. 1 UNO-Pakt II, wonach jedermann das Recht hat, dass über eine gegen ihn
erhobene strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen
durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in
billiger Weise und öffentlich verhandelt wird 52 .
3. Rechtsträger
Träger der Rechtsweggarantie ist gemäss Wortlaut „jede Person“. Der Begriff ist in der Weise
zu verstehen, als alle natürlichen und juristischen Personen im Rahmen ihrer Parteifähigkeit
Träger dieses Grundrechts sein können. Bei den natürlichen Personen darf nicht auf die
Staatsangehörigkeit abgestellt werden 53 . Von den juristischen Personen können grundsätzlich
nur jene des Privatrechts Träger von Grundrechten sein. Gemäss Lehre und Rechtsprechung
können juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund ihrer Stellung als Teil
der Staatsgewalt, gegen deren Übergriffe Grundrechte gerade schützen sollen, nur ausnahmsweise
in Grundrechten berührt sein, namentlich dann, wenn sie sich auf dem Boden
des Privatrechts bewegen und durch einen staatlichen Akt wie eine Privatperson betroffen
werden. Insbesondere Gemeinden haben die Möglichkeit, sich gegenüber übergeordneten
Trägern der öffentlichen Gewalt zu berufen 54 .
II. In-Kraft-Treten und Übergangsrecht
Gemäss dem Bundesbeschluss vom 8. März 2005 über das vollständige Inkrafttreten der
Justizreform ist die Rechtsweggarantie zusammen mit dem BGG, am 1. Januar 2007, in
48
Vgl. dazu JAAG, S. 498 ff.; bestimmte Kantone wie Luzern oder Nidwalden begründeten bereits
sehr früh die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte durch Generalklauseln (mit Ausnahmen).
49
Vgl. TOPHINKE, S. 89 f.; BEUSCH, S. 714: Die Garantie gemäss Art. 98a OG reicht weniger weit als
jene gemäss Art. 29a BV, da sie keine umfassende Sachverhaltskontrolle verlangt.
50
BBl 1997 503; vgl. auch KÄLIN, S. 50 f.
51
Vgl. auch TOPHINKE, S. 90.
52
Vgl. KLEY, St. Galler Kommentar, N 1 und 2 zu Art. 29a BV.
53
KLEY, St. Galler Kommentar, N 5 zu Art. 29a BV.
54
Vgl. HÄFELIN/HALLER, N 294 ff.; BGE 103 Ia 58, E. 1.
14

Kraft getreten 55 . Für die Umsetzung der Rechtsweggarantie wurden keine speziellen Vorschriften
bzw. Übergangsregelungen erlassen.
In seiner ursprünglichen Fassung räumte Art. 130 BGG den Kantonen Fristen für den Erlass
von Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren
der Vorinstanzen ein. Diese betrugen für die Beschwerde in Zivil- und Strafsachen fünf und
für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zwei Jahre. Im Rahmen einer
bereits vor dessen In-Kraft-Treten erfolgten Teilrevision des BGG wurde Art. 130 modifiziert
56 : Neu sind die kantonalen Ausführungsbestimmungen über die Vorinstanzen in Strafsachen
auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens einer schweizerischen Strafprozessordnung
und jene über die Vorinstanzen in Zivilsachen auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens einer
schweizerischen Zivilprozessordnung zu erlassen. Zu diesen Bestimmungen gehören nach
dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers in beiden Fällen auch jene über die Gewährleistung
der Rechtsweggarantie i.S.v. Art. 29a BV (vgl. den neuen Art. 130 Abs. 1 und 2
BGG). Für die Verabschiedung kantonaler Ausführungsbestimmungen bezüglich der Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verfügen die Kantone über eine Frist von
zwei Jahren. Diese Frist wird wiederum auch für die Umsetzung der Rechtsweggarantie gelten
(vgl. den neuen Art. 130 Abs. 3). Da diese Änderung nun rechtskräftig geworden ist, gelten
nach dem ausdrücklichen Willen des Bundesgesetzgebers für die Umsetzung der
Rechtsweggarantie dieselben Übergangsfristen wie für die Umsetzung des BGG.
Diese Gesetzesänderung vermag hauptsächlich deshalb nicht zu befriedigen, weil Grundrechte
nach schweizerischem Verfassungsverständnis in der Regel unmittelbar anwendbar
sind 57 . Daher haben sie Vorrang vor dem Gesetzesrecht und sind in der Rechtsanwendung
grundsätzlich selbst dann durchzusetzen, wenn das Gesetzesrecht keine entsprechende
Regelung enthält oder deren Anwendung ganz oder teilweise ausschliesst. Die Rechtsweggarantie
hätte somit aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar nach ihrem In-Kraft-Treten
(am 1. Januar 2007) angewendet werden müssen.
Art. 190 BV statuiert indessen die Massgeblichkeit der Bundesgesetze. Insofern muss der
neue Art. 130 BGG und somit die darin festgelegten Übergangsfristen, ungeachtet einer allfälligen
Verfassungswidrigkeit, angewendet werden 58 . Es gilt aber auch zu beachten, dass
es sich dabei um Anpassungsfristen handelt; den Kantonen steht es frei, den ihnen eingeräumten
Zeitraum ganz auszuschöpfen oder ihre Rechtsordnung so früh wie möglich an die
Vorgaben von Art. 29a BV anzupassen.
III. Geltungsbereich
Der Zugang zu einem Gericht muss gemäss Wortlaut von Art. 29a BV bei „Rechtsstreitigkeiten“
gewährleistet werden. Die Rechtsweggarantie muss für die gesamte Rechtsordnung zur
Geltung kommen, weshalb ihr Anwendungsbereich sich sowohl auf das Zivil-, als auch auf
das Straf- und öffentliche Recht erstreckt. Um den Geltungsbereich der Rechtsweggarantie
erfassen zu können, muss somit zunächst der Begriff der „Rechtsstreitigkeit“ umschrieben
werden (Ziff. 1 hiernach). Zu beachten gilt auch, dass die schweizerische Rechtsweggarantie
nicht nur dort eine gerichtliche Beurteilung zusichern soll, wo Streitigkeiten zwischen Bürgern
und Staat zur Diskussion stehen, sondern auch in jenen Fällen, wo sich Private über Rechte
55
Verordnung vom 1. März 2006 über die Inkraftsetzung des Bundesgerichtsgesetzes und des Verwaltungsgerichtsgesetzes
sowie über die vollständige Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über
den Sitz des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (AS 2006 1069).
56
Vgl. Bundesgesetz über die Bereinigung und Aktualisierung der Totalrevision der Bundesrechtspflege
vom 23. Juni 2006, BBl 2006 5799 sowie die dazugehörende Botschaft, BBl 2006 3067.
57
So auch grundsätzlich die Rechtsweggarantie, vgl. KOLLER, Rechtsweggarantie, S. 315; vgl. auch
KLEY-STRULLER, Rechtsschutz, S. 324 f.
58
Zum Ganzen auch HANGARTNER, S. 143 ff.
15

und Pflichten streiten, die sich aus einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis (z.B. Vertrag)
ergeben 59 .
Eng damit verbunden ist die Definition des zulässigen Anfechtungsobjektes bzw. der einer
richterlichen Kontrolle zugänglichen Akten. In der Schweiz knüpft das Verwaltungsverfahren
an das Vorliegen einer Verfügung an. Eine konkrete Staatstätigkeit kann grundsätzlich nur
überprüft werden, wenn sie in der Form einer Verfügung ergeht. Andere Erscheinungsformen
des staatlichen Handelns wie Empfehlungen oder Informationshandlungen können in der
Regel nicht nachträglich auf ihre Rechtmässigkeit kontrolliert werden; vorbehalten bleiben
indirekte Anfechtungsmöglichkeiten wie Staatshaftungsklagen oder der Erlass von Feststellungsverfügungen
60 . Im Lichte der Einführung der Rechtsweggarantie gilt es somit unter anderem
auch zu prüfen, ob der Anfechtungsgegenstand wie bisher auf Verfügungen im Sinne
von Art. 5 VwVG beschränkt sein soll oder, ob auch andere Rechtsakte aus dem Bereich des
„verfügungsfreien Verwaltungshandelns“ auf ihre Übereinstimmung mit Art. 29a BV überprüft
werden können. Diesen Fragen wird im zweiten Teil der nachstehenden Ausführungen
nachgegangen (Ziff. 2 hiernach).
1. Der Begriff der „Rechtsstreitigkeit“
Unter „Rechtsstreitigkeit“ wird grundsätzlich ein Streit über Rechte und Pflichten von natürlichen
oder juristischen Personen verstanden, der in einem Verfahren ausgetragen werden
kann. Wann eine Streitigkeit rechtlich ausgetragen werden kann, legt die Rechtsordnung im
Allgemeinen und nicht etwa die Rechtsweggarantie selber fest 61 . Die jeweiligen Rechte und
Pflichten ergeben sich nicht aus der Rechtsweggarantie selber, sondern aus dem gesamten
Verfassungs-, Gesetzes- und Verordnungsrecht in allen Rechtsbereichen sowie aus privat-
oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen 62 .
Für die Auslegung des Begriffs „Rechtsstreitigkeit“ kann zunächst der Ausdruck „civil rights“,
der auf Deutsch mit „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ übersetzt wurde, gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK angerufen werden. Der Begriff ist missverständlich und darf nicht
derart ausgelegt werden, dass die Anwendbarkeit der Bestimmung lediglich auf die Zivilgerichtsbarkeit
beschränkt sei 63 . Eine abstrakte Definition des zivilrechtlichen Anspruchs im
Sinne dieser Bestimmung besteht indessen bislang nicht. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) versucht vielmehr in seiner Rechtsprechung, den Anwendungsbereich
von Art. 6 Ziff. 1 kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wie weit andere als aus einem privatrechtlichen
Rechtsverhältnis abgeleitete Streitigkeiten in den Anwendungsbereich dieser
Konventionsbestimmung fallen, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Analyse
des jeweils in Frage stehenden Rechts ab. Grundsätzlich werden alle Verfahren erfasst,
deren Ergebnis für „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ direkt entscheidend sind,
ungeachtet der Stellung der Parteien (natürliche oder juristische Personen), des Charakters
der für die Entscheidung ausschlaggebenden Rechtsvorschriften (Privatrecht oder öffentliches
Recht) und der zuständigen Entscheidinstanz (Zivilgericht oder Verwaltungsgericht).
Dabei genügt es, dass zwischen den jeweiligen Parteien des Verfahrens eine Meinungsverschiedenheit
besteht, deren Gegenstand zumindest u.a. „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“
umfasst, so dass das Ergebnis des Verfahrens für diese unmittelbare Auswirkungen
hat. So wurde die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK unter anderem bejaht bei
59 TOPHINKE, S. 90.
60 Vgl. MÜLLER, ZBl 1995, S. 536 f.
61 KÄLIN, S. 56; TOPHINKE, S. 92.
62 TOPHINKE, S. 92; vgl. auch PFISTERER, S. 275.
63 Für die Auslegung des Begriffes stellt der EGMR grundsätzlich auf den französischen Wortlaut
(droits et obligations de caractère civil) ab, mit dem Ziel, eine enge, nur auf das Privatrecht bezogene
Auslegung zu verhindern; vgl. auch KLEY-STRULLER, Art. 6 EMRK, S. 28 und ders., Rechtsschutz,
S. 113; siehe ferner SCHMUCKLI, S. 38 ff., welcher ausführlich auf die Bedeutung der Ausdrücke
„civil rights“ im englischen und „droits et obligations de caractère civil“ im französischem
Sprachgebrauch eingeht.
16

Streitigkeiten über Eigentumsrechte, Schadenersatzansprüchen gegen den Staat, sozialversicherungsrechtlichen
Ansprüchen, Gewerbebewilligungen oder Klagen betreffend immaterialgüterrechtliche
Ansprüche. In Bereichen wie Ausländerrecht, beamtenrechtliche Streitigkeiten,
bei bestimmten Fragen des Bildungswesens (z.B. Prüfungsresultaten) oder bei Massnahmen
betreffend die öffentliche und nationale Sicherheit wurde die Anwendbarkeit von Art.
6 Ziff. 1 EMRK jedoch abgelehnt bzw. diese ist zurzeit noch streitig 64 .
Der Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie muss jedoch weiter reichen als die zitierte
Bestimmung der EMRK und auch jene Materien erfassen, die heute nicht unter Art. 6 Ziff. 1
EMRK fallen. Eine über den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK hinausreichende
Rechtsweggarantie ist insbesondere im Verwaltungsrecht von Interesse, da hier nach wie
vor in zahlreichen Fällen nur ein verwaltungsinterner Beschwerdeweg vorgesehen ist 65 . Vom
Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie dürfen bestimmte, gesetzlich begründete Bereiche
ausgenommen werden. Die Ausnahmen richten sich nach Art. 29 Satz 2 BV (vgl. lit. D
hiernach).
2. Gerichtlich überprüfbare Rechtsakte
Im Folgenden gilt es zu untersuchen, ob nach In-Kraft-Treten der Rechtsweggarantie weiterhin
zulässig sein wird, das Anfechtungsobjekt auf Verfügungen zu beschränken bzw. ob der
neue Verfassungsartikel eine richterliche Überprüfung des so genannten verfügungsfreien
Verwaltungshandelns verlangen wird. Zu diesem Zweck wird zunächst die aktuelle Rechtslage
dargestellt (unten Ziff. 2.1), sodann die bundesrechtliche Lösung gemäss VGG erläutert
(unten Ziff. 2.2) und schliesslich werden Grundsätze erarbeitet, die den Kantonen bei der
Umsetzung der Rechtsweggarantie in ihrer Verfahrensordnung als Grundlage dienen können
(unten Ziff. 2.3 und 2.4).
2.1 Bemerkungen zum „verfügungsfreien Verwaltungshandeln“
2.1.1 Begriff
Unter den Begriff „verfügungsfreies Verwaltungshandeln“ wird eine Vielzahl staatlicher Akte
subsumiert, die nicht in der Form von Verfügungen ergehen. Es zeichnet sich dadurch aus,
dass es grundsätzlich nicht auf die Erzielung von Rechtswirkungen, sondern primär auf die
Herbeiführung eines Taterfolges ausgerichtet ist; dabei können gleichwohl Rechte von Privaten
berührt werden 66 . Darunter fallen unter anderem die Errichtung von Verwaltungsgebäuden,
verschiedene Anwendungsfälle des Opportunitätsprinzips durch die Polizei bzw. die
Strafverfolgungsbehörden, Handlungen der Polizei wie Einsatzbefehle oder polizeiliche Kontrollen
67 , Warnungen, Empfehlungen, Informationen der Behörden 68 , statistische Erhebungen
sowie verschiedene Tathandlungen der Verwaltung z.B. im Bereich der Leistungsverwal-
64 Vgl. Zum Ganzen FROWEIN/PEUKERT, N 15 ff. zu Art. 6 EMRK mit zahlreichen Beispielen, insbesondere
N 51 und 52; weitere Hinweise finden sich bei KLEY-STRULLER, Art. 6 EMRK, S. 28 ff. (insbesondere
der Negativkatalog, S. 33 f.); vgl. auch ders., Rechtsschutz, S. 114 ff.
65 Vgl. auch KÄLIN, S. 50 f.; KOLLER, Grundzüge, S. 64; für das Steuerrecht vgl. BEUSCH, S. 715: So
fallen reine Steuerverfahren (eigentliche Steuerveranlagungen, Steuerbezug oder Steuererlass)
zurzeit nicht unter den Begriff „civil rights“, weil sie zum Kernbereich öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten
gehören; vgl. auch SCHMUCKLI, S. 39, welcher zu Recht darauf hinweist, dass dem Grundsatz
des „fair trial“ insbesondere im Bereich des Verwaltungsrechts Rechnung getragen werden
müsste.
66 Vgl. BGE 130 I 369, E. 6.1; KÖLZ, VRG ZH, N 9 zu § 19.
67 Als Realakt wurde beispielsweise die Anordnung eines Gemeinderates betreffend den Beizug der
Kantonspolizei im Hinblick auf eine unbewilligte Demonstration (Einsatzbefehl) bezeichnet, vgl.
BVR 2006, S. 488; ebenfalls zu den Realakten gehört die Sicherung der Zufahrtswege nach Davos
zum Schutz des Weltwirtschaftsforums, vgl. BGE 130 I 369, E. 6.1.
68 Vgl. dazu unter anderem VPB 70 (2006) Nr. 21, S. 353.
17

tung. Schliesslich gehören dazu auch unverbindliche Vereinbarungen zwischen Privaten und
Behörden 69 .
2.1.2 Der Rechtsschutz gegen verfügungsfreies Handeln
Die Lehre weist seit langem auf das im Bereich des verfügungsfreien Verwaltungshandelns
bestehende Rechtsschutzdefizit hin
.
70 . Dem ungenügenden Rechtsschutz gegen verfügungsfreies
Verwaltungshandeln versuchte das Bundesgericht, unter anderem durch eine extensive
Auslegung des Verfügungsbegriffes entgegenzuwirken. So wurde beispielsweise eine
Grundsatzerklärung des Bundesamtes für Polizeiwesen, die in allgemeiner Weise die künftige
Haltung der Behörde festlegte, als Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG qualifiziert 71 . Ebenfalls
als Verfügung bezeichnet wurden Beanstandungen der Lebensmittelpolizeibehörden
mit Bezug auf die Deklaration eines Lebensmittels als „light“ bzw. „kalorienreduziert“, weil
dies im Ergebnis einem Verbot, die Anpreisung weiterzuverwenden, gleichkam, selbst wenn
ein solches Verbot nicht ausdrücklich verfügt worden war 72 . Für die Anfechtbarkeit von Realakten
kann im Übrigen auf die Praxis der Gerichte im Zusammenhang mit Verwaltungsverordnungen
abgestellt werden: Gemäss der herrschenden Auffassung sind diese anfechtbar,
soweit sie Aussenwirkungen auf die Rechtsstellung der Bürger entfalten und gestützt auf sie
keine Verfügung erlassen werden kann, deren Anfechtung möglich und dem Bürger zumutbar
ist 73 . Handlungen von Behörden können im Übrigen ganz allgemein angefochten werden,
sofern diese geeignet sind, die politischen Rechte der Stimm- und Wahlberechtigten zu
verletzen 74 . Auch die Kantone sehen zum Teil in ihren Erlassen über die Verwaltungsrechtspflege
verschiedene Möglichkeiten zur Anfechtung anderer Akte als Verfügungen vor 75
Schliesslich erfasst das Schutzsystem der EMRK zum Teil auch das verfügungsfreie Staatshandeln,
soweit sich daraus faktische Grundrechtsbeschränkungen ergeben 76 . Dies ist jedoch
selten der Fall. Vielmehr kommt im Rahmen der EMRK in erster Linie die Berufung auf
Art. 13 EMRK in Frage. Diese Bestimmung verpflichtet die rechtsanwendenden Behörden
69
Vgl. HANGARTNER, S. 146; RICHLI, S. 1427; für weitere Beispiele siehe auch JAAG, S. 508 und zur
Anfechtbarkeit der verschiedenen Formen verfügungsfreien Verwaltungshandelns KÖLZ, VRG ZH,
N 9 ff. zu § 19: So gelten beispielsweise behördliche Äusserungen, die sich an bestimmte Personen
richten, ohne aber Rechtsbeziehungen zu diesen verbindlich festzulegen wie Mitteilungen oder
Auskünfte oder behördliche Handlungen ohne Rechtswirkungen wie das Abfassen von Berichten
oder Expertisen, nicht als anfechtbare Verfügungen; anders verhält es sich bei Androhungen, die in
einem späteren Verfahren rechtliche Folgen haben können wie die Androhung einer Wegweisung
aus einer Schule, wenn diese im Schulreglement als Disziplinarstrafe vorgesehen ist.
70
Vgl. THOMAS FLEINER, Wem Gott ein Amt gibt, gibt er auch Verstand, in Das Menschenbild im
Recht, Freiburg 1990, S. 141 ff., welcher die richterliche Kontrolle in unserer Verwaltungstradition
mit jener in den Common-Law-Staaten vergleicht: Letztere kennen die Bindung an einen Verwaltungsakt
nicht, sondern der Einzelne kann unter anderem den Vollzug oder die Unterlassung einer
Verwaltungsmassnahme verlangen (S. 165 ff.); vgl. auch ders., Independence, S. 49 f.; vgl. ferner
MÜLLER, ZBl 1995, S. 537; ferner JAAG, S. 508 f.
71
Vgl. BGE 114 Ib 190, E. 1a.
72
BGE 117 Ib 441, E. 1 c-d, 2; nicht als Verfügungen qualifiziert wurden hingegen Empfehlungen der
Kartellkommission, vgl. BGE 113 Ib 90; weitere Beispiele finden sich bei RICHLI, S. 1429.
73
Vgl. bezüglich der Weisungen der Sanitätsdirektion des Kantons Zug über den straflosen Schwangerschaftsabbruch
BGE 114 Ia 452, E. 1a.
74
Siehe z.B. BGE 117 Ia 41, E. 5a.
75
Vgl. den kurzen Überblick bei RICHLI, S. 1431.
76
Vgl. RICHLI, S. 1433; vgl. auch BGE 121 I 87, E. 1b; MÜLLER, ZBl 1995, S. 546 ff.; ferner BGE 130 I
369: Die polizeiliche Hinderung des Zugangs nach Davos anlässlich des Weltwirtschaftsforums berührt
sowohl die persönliche Freiheit eines Journalisten, als auch die Meinungs-, Informations- und
Pressefreiheit; unter Umständen kann ein Anspruch auf richterliche Kontrolle gestützt auf Art. 6
Ziff. 1 EMRK aus der Tatsache abgeleitet werden, dass gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung
auch bestimmte Akte der Verwaltung als „civil rights“ bezeichnet werden können, sofern sie
entscheidende Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der Konvention zeitigen (vgl.
betreffend die nachträglich Bestreitung einer Obduktion durch die Angehörigen des Verstorbenen,
BGE 127 I 115, E. 5b).
18

dazu, gegen einen konkreten die Konvention verletzenden Staatsakt eine im Sinne der Konvention
wirksame Beschwerdemöglichkeit zu gewährleisten. Diese Anforderungen erfüllt weder
die Aufsichtsbeschwerde noch ein nachträgliches Staatshaftungsverfahren: Während
eine Behörde nicht verpflichtet ist, auf eine Aufsichtsbeschwerde einzutreten, hängt das
Staatshaftungsverfahren in der Regel von vornherein vom Vorligen eines Schadens oder einer
immateriellen Unbill ab, was nicht in jedem Fall gegeben ist 77 . Entscheidend ist indessen,
dass die Beschwerdeinstanz nicht zwingend ein Gericht zu sein braucht, weshalb aus Art. 13
EMRK keine Rechtsweggarantie im Zusammenhang mit Realakten abgeleitet werden
kann 78 . Die Tatsache, dass informelle Handlungen nicht als Verfügungen betrachtet werden,
führt schliesslich gemäss Rechtsprechung auch dazu, dass eine integrale Anwendung des
massgeblichen Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht notwendig ist 79 .
In einem neueren Urteil hat sich das Bundesgericht mit den verschiedenen Abwehrmöglichkeiten
der Bürger, namentlich auch im Zusammenhang mit Realakten, auseinandergesetzt.
Es hat unter anderem festgehalten, dass zum Zweck eines hinreichenden Grundrechtsschutzes
im Anschluss an gewisse Realakte ein Anspruch auf ein entsprechendes Feststellungsurteil
geltend gemacht werden könne. Wenn das Rechtsschutzbedürfnis es gebiete,
könne eine Rechtswegmöglichkeit allenfalls selbst dann bestehen, wenn keine förmliche Verfügung
vorliege, was auch bei Realakten, durch welche der Staat in Grundrechte eingreift, in
Frage kommen könne. Ferner hielt das Bundesgericht ausdrücklich fest, dass die Rechtsschutzansprüche
in solchen Fällen nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Kantonen
bestehen müssen. Die Kantone seien verpflichtet, den Rechtsschutz und Rechtsmittelmöglichkeiten
gegen allfällige Nichteintretensentscheide zu gewährleisten 80 .
Trotz der verschiedenen Lösungsansätze ist der Rechtsschutz bei verfügungsfreiem Verwaltungshandeln
kaum in konsequenter Weise gewährleistet. Daher wird in der Lehre gefordert,
einen effizienten Rechtsschutz zumindest gegen solche Realakte einzuführen, die in Grundrechte
eingreifen oder durch das öffentliche Recht eingeräumte Rechte verletzen 81 . Dies ist
insbesondere der Fall, sofern Empfehlungen, Informationen, Warnungen oder Aufklärungsvorschriften
der Behörden oder Dienstanweisungen mit Aussenwirkungen zur Diskussion
stehen. Nicht verlangt wird ein umfassender Schutz gegen sämtliches verfügungsfreie Handeln
der Behörden, da nicht jeder Realakt die Rechtsstellung von Personen tangiert. Auch
besteht nicht immer die Möglichkeit, einen anfechtbaren Hoheitsakt zu erlassen, da bestimmte
Handlungen sofort vollzogen werden müssen 82 .
Als mögliche Lösungen kommen der Erlass einer Feststellungsverfügung oder die Erweiterung
des Anfechtungsobjektes in Frage. So kann beispielsweise dem Bürger, der die Rechtmässigkeit
eines Realaktes bestreitet, die Möglichkeit eingeräumt werden, bei der zuständigen
Behörde eine Feststellungsverfügung zu verlangen, womit über die Rechtmässigkeit des
jeweiligen Realaktes befunden wird. Wird diese bejaht, so kann der Bürger diesen Entscheid
wie eine gewöhnliche Verfügung an die nächste Instanz weiterziehen. Dasselbe Vorgehen
eignet sich für die Weigerung der Behörde, eine entsprechende Feststellungsverfügung zu
77
Sofern durch den jeweiligen Realakt ein finanzieller Schaden entstanden ist, steht den Betroffenen
jedoch das Staatshaftungsverfahren zur Verfügung; KÖLZ, VRG ZH, N 10 zu § 19.
78
So auch BGE 128 I 167, E. 4.5.
79
BGE 130 I 369, E. 6.1.
80
Vgl. zum Ganzen BGE 128 I 167, E. 4.5, mit zahlreichen Hinweisen.
81
MÜLLER, ZBl 1995, S. 538, welcher darauf hinweist, dass auch formell unverbindliches staatliches
Handeln durchaus gewisse mittelbar oder unmittelbar wirkende Zwänge und Bindungen zur Folge
haben kann, die gemessen an ihrem faktisch verpflichtenden Charakter verfügungsähnlich sind
und daher auch nach Rechtsschutzmöglichkeiten rufen; so auch VPB 70 (2006) Nr. 21, S. 353:
Gemäss diesem Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für Heilmittel muss sich der
Betroffene gegen einen Realakt im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens bei einer verwaltungsunabhängigen
Instanz wehren können, wenn er durch die Auswirkungen der Empfehlung in grundrechtlich
geschützten Positionen beeinträchtigt werden kann.
82
Zum Ganzen RICHLI, S. 1434 ff. mit zahlreichen Hinweisen.
19

erlassen 83 . Denkbar wären auch Mischlösungen: So plädiert JAAG dafür, am geltenden Verfügungsbegriff
festzuhalten, aber in begründeten Fällen auch formlose Handlungen als Anfechtungsobjekte
zuzulassen, was seiner Auffassung nach eine Aushöhlung bzw. Strapazierung
des Verfügungsbegriffes verhindern würde 84 . Ferner sind Generalklauseln denkbar,
welche dem Einzelnen ein Recht zur Erhebung eines Rechtsmittels in jenen Fällen einräumen,
in denen nicht bereits gemäss besonderer gesetzlicher Anordnung Beschwerde oder
Klage erhoben werden kann 85 . Längerfristig wäre jedoch ein definitiver Abschied vom Anfechtungsobjekt
in Erwägung zu ziehen und unabhängig von einem solchen bei Grundrechtsverletzungen
jede Klage (nicht nur Beschwerden) zuzulassen.
2.2 Die bundesrechtliche Regelung gemäss dem neuen VGG
Auf Bundesebene wird auch nach In-Kraft-Treten der Justizreform primär an der Verfügung
als Anfechtungsobjekt festgehalten. Dieser Grundsatz wurde für das Bundesverwaltungsgericht
in Art. 31 VGG verankert, wonach dieses Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5
VwVG beurteilt. Gleichzeitig führt der neue, durch Anhang Ziff. 10 VGG eingefügte Art. 25a
VwVG, welcher den Titel „Verfügung über Realakte“ trägt, einen Anspruch des Einzelnen
ein, unter bestimmten Voraussetzungen, den Erlass einer Feststellungsverfügung zu verlangen.
Gemäss dieser Bestimmung kann, wer ein schutzwürdiges Interesse hat, von der Behörde,
die für Handlungen zuständig ist, welche sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen
und Rechte oder Pflichten berühren, verlangen, dass die Behörde die widerrechtlichen
Handlungen unterlässt, einstellt oder widerruft, dass die Folgen widerrechtlicher Handlungen
beseitigt werden oder dass die Widerrechtlichkeit der Handlung festgestellt wird (Abs. 1). Die
Behörde entscheidet durch Verfügung (Abs. 2). Diese Bestimmung ist indessen nicht auf das
kantonale Verfahren anwendbar. Für die Kantone ist sie nur insofern von Bedeutung, als
diese Bundesverwaltungsrecht anwenden 86 .
2.3 Die Bestimmung des Anfechtungsobjektes nach kantonalem Recht
Gemäss der herrschenden Lehre räumt die Rechtsweggarantie keinen schrankenlosen Zugang
zum Gericht ein, sondern dieser kann nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozessordnung
erfolgen. Dies bedeutet, dass das Eintreten auf ein Rechtsmittel von der Einhaltung
der üblichen Sachurteilsvoraussetzungen abhängig gemacht werden darf, wozu unter anderem
die Bejahung der Beschwerdelegitimation, die Einhaltung der Beschwerdefrist, aber
auch das Vorliegen eines gültigen Anfechtungsobjektes gehört 87 .
Die Kantone sollen bei der Umsetzung der Rechtsweggarantie grundsätzlich frei bleiben, die
der richterlichen Kontrolle zugänglichen Rechtsakte im Rahmen der jeweiligen Prozessgesetzgebung
selber zu definieren 88 . Insofern ist es nach wie vor zulässig, als Anfechtungsobjekte
lediglich Verfügungen (und keine Realakte) vorzusehen 89 . Diese Auffassung wird von
einem Teil der Lehre grundsätzlich abgelehnt 90 . Eine automatische Ausweitung des Anwendungsbereichs
von Art. 29a BV auf jegliches verfügungsfreies Verwaltungshandeln kann je-
83
Siehe auch JAAG, S. 509.
84
JAAG, S. 510, mit zahlreichen Hinweisen.
85
Vgl. HANGARTNER, S. 147; vgl. auch die Vorschläge von MÜLLER, ZBl 1995, S. 549 ff.
86
TOPHINKE, S. 95 f.
87
Vgl. unter anderem TOPHINKE, S. 93; KLEY, St. Galler Kommentar, N 6 zu Art. 29a BV; KISS, S. 291
f.
88
MÜLLER, ZBJV 2004, S. 173; vgl. auch PFISTERER, S. 321.
89
Vgl. aber Ziff. 2.4 hiernach.
90
Vgl. HANGARTNER, S. 146; WALDMANN, S. 750.
20

doch ausgeschlossen werden. Diese Auslegung wird im Übrigen auch durch die parlamentarischen
Debatten unterstützt 91 .
Eine Ausnahme macht die Lehre bezüglich Feststellungsverfügungen: Der Zugang zu einem
Gericht muss gewährleistet werden bei Beschwerden gegen Feststellungsverfügungen, welche
die Verwaltung nach der Praxis des Bundesgerichts erlassen muss, wenn verfügungsfreies
Verwaltungshandeln in schützenswerte Rechtspositionen eingreift bzw. Rechte und
Pflichten von Personen berührt 92 . Eine Einschränkung des kantonalen Ermessensspielraums
kann sich indessen aus Sinn und Zweck der Rechtsweggarantie ergeben. Dies ist nachstehend
zu erläutern.
2.4 Der effektive Rechtsschutz als Schranke des kantonalen Entscheidungsspielraums
Die Entscheidungsfreiheit der Kantone ist nicht absolut, sondern durch Sinn und Zweck der
Rechtsweggarantie beschränkt. Den Kantonen obliegt insbesondere die Pflicht, einen wirksamen
Rechtsschutz des Bürgers gegen Rechtsakte, die in seine Rechte eingreifen, zu gewährleisten.
Bezogen auf die Rechtsweggarantie bedeutet der Grundsatz der Effektivität,
dass der Einzelne nicht nur ein formales Recht und die theoretische Möglichkeit hat, ein Gericht
anzurufen. Vielmehr hat er einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame
Kontrolle der Rechts- und Tatsachenfragen. Der Grundsatz der Effektivität bedeutet auch,
dass der Gesetzgeber zur Schaffung der notwendigen Strukturen, um den Rechtsstaat zu
verwirklichen, verpflichtet ist. Dies lässt sich über eine entsprechende Organisation der Justiz,
des Verfahrens und der Ressourcen erreichen 93 . Dabei darf der Gesetzgeber den Zugang
zum Gericht weder in grundsätzlicher Weise ausschliessen noch in unzumutbarer Weise
erschweren oder behindern, beispielsweise durch die Ausgestaltung des Verfahrens, namentlich
der Sachurteilsvoraussetzungen, durch zu hohe Kostenvorschüsse oder sehr kurze
Rechtsmittelfristen. Daher müssen prozessuale Voraussetzungen wie Legitimation, Fristbestimmungen
oder vorsorgliche Massnahmen mit dem Effektivitätsgrundsatz bzw. mit besonderen
Verfahrensgrundrechten vereinbar sein 94 .
Es ist sinnvoll, die Eröffnung des Rechtswegs vom Vorliegen bestimmter (Eintretens)-
Voraussetzungen wie Beschwerdelegitimation oder Beschwerdefristen abhängig zu machen.
Dies liegt in erster Linie im Interesse der Funktionsfähigkeit der Gerichte sowie der Rechtssicherheit.
Die Zulässigkeit prozessualer Schranken muss indessen an der Wirksamkeit des
Rechtsschutzes gemessen werden. Da die Rechtsweggarantie auch einen effektiven
Rechtsschutz verlangt, gilt es im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweiligen Verfahrensvorschriften
geeignet sind, den Rechtsschutz zu behindern oder sogar zu vereiteln. Auf keinen Fall
darf der Kerngehalt der Rechtsweggarantie durch das Prozessrecht ausgehöhlt werden 95 . Zu
beachten gilt in diesem Zusammenhang auch, dass der Rechtsschutz im öffentlichen Recht
bereits dadurch eingeschränkt ist, dass die Rechtsmittelinstanzen grundsätzlich nur Beschwerden
(nachträglich) beurteilen, nicht aber Klagen auf Vornahme eines Verwaltungsaktes.
Diese Überlegungen gelten auch für die Umschreibung des zulässigen Anfechtungsobjektes:
Eine starre Beschränkung desselben (beispielsweise auf Verfügungen) kann unter Umständen
einen wirksamen Rechtschutz im Sinne von Art. 29a BV beeinträchtigen. Der Zugang
91
Vgl. KÄLIN, S. 57; KISS, S. 291 f.; BEUSCH, S. 735; vgl. auch die deutliche Erklärung des Berichterstatters
der Kommission im Ständerat: „Mit der Rechtsweggarantie wird nicht die Anfechtbarkeit
von sogenannten Realakten, die nicht gesetzliche Rechte oder Pflichten von Personen betreffen,
verlangt“, zitiert nach KISS, a.a.O; vgl. auch TOPHINKE, S. 94.
92
KÄLIN, S. 57; KISS, S. 292; TOPHINKE, S. 95.
93
Vgl. auch PFISTERER, S. 273 f.
94
Zum Ganzen KLEY-STRULLER, Rechtsschutz, S. 12 und TOPHINKE, S. 92; vgl. dazu auch BEUSCH, S.
733 f.
95
In diesem Sinne auch WALDMANN, S. 751 f.; so auch PFISTERER, S. 274.
21

zum Gericht muss jedes Mal gewährleistet werden, wenn Rechte und Pflichten zwischen
Bürgern und Staat oder zwischen Privaten strittig sind oder der Staat in Grundrechte eingreift.
Ob die jeweilige Anordnung in der Form einer Verfügung erfolgt, darf nicht allein ausschlaggebend
sein. Dabei können die Kantone selber entscheiden, ob sie einen Realakt, der
Rechte oder Pflichten von Personen berührt, als Anfechtungsobjekt zulassen oder ob sie den
Betroffenen – analog zu Art. 25a VwVG – einen Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung
einräumen 96 . Es darf namentlich nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Kantone
– trotz der ihnen eingeräumten Freiheit bei der Umsetzung der Rechtsweggarantie – den
Rechtsschutz zu verbessern und nicht einzuschränken haben.
Nicht zu vergessen ist schliesslich die Tatsache, dass eine unterschiedliche Umschreibung
des zulässigen Anfechtungsobjektes durch den kantonalen Gesetzgeber auch dazu führen
kann, dass die Tragweite der Rechtsweggarantie je nach Kanton eine andere ist 97 . Zu wünschen
wäre eine einheitliche gesamtschweizerische Anwendung der Rechtsweggarantie.
Die konkrete Umsetzung der Rechtsweggarantie obliegt auch den Gerichten. Es bleibt somit
abzuwarten, wie das Anfechtungsobjekt neu gehandhabt wird. Immerhin muss im Rahmen
der Rechtsweggarantie der Weg zu einem Gericht grundsätzlich jedes Mal offen stehen,
wenn durch verfügungsfreies Handeln der Verwaltung der Einzelne in geschützten Rechtspositionen
verletzt wird. Aus der Ausgestaltung der Rechtsweggarantie als Grundrecht lässt
sich ableiten, dass diese primär den Individualrechtsschutz gewährleisten muss, nicht jedoch
eine umfassende Gerichtskontrolle jeglicher Rechtsanwendung 98 . Insofern ist eine Erweiterung
deren Anwendungsbereich auf sämtliches verfügungsfreies Handeln weder verlangt
noch erforderlich; eine richterliche Überprüfung muss nur dann gewährleistet werden, wenn
Rechte und Pflichten des Bürgers tangiert werden. Diese können sich wiederum aus der gesamten
Rechtsordnung ergeben.
C. Die einzelnen Auswirkungen der Rechtsweggarantie
auf das kantonale Recht
Die Umsetzung der Rechtsweggarantie wirkt sich unmittelbar auf die Gestaltung des kantonalen
Verfahrens aus und fordert verschiedene Anpassungen der Prozessrechtsgesetzgebung.
Der dafür benötigte Aufwand wird voraussichtlich im Bereich des öffentlichen Rechts
am grössten sein und insbesondere davon abhängen, wie stark die Verwaltungsgerichtsbarkeit
in den verschiedenen Kantonen ausgebaut ist 99 .
Wichtigste Folgen der Gewährleistung der Rechtsweggarantie für die Kantone sind einerseits
die Schaffung der erforderlichen richterlichen Instanzen sowie die verfassungskonforme
Gestaltung deren Organisation, Zuständigkeiten und Verfahren (nachstehend Ziff. I) und andererseits
die Bezeichnung der gesetzlichen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie (nachstehend
Ziff. II). Diese beiden Aspekte sollen im Folgenden einzeln erläutert werden.
96 Vgl. TOPHINKE, S. 94 f.; vgl. auch WALDMANN, S. 751, welcher ebenfalls gegen einen generellen
Ausschluss der Realakte vom Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie plädiert; keine Verletzung
der Rechtsweggarantie liege seiner Auffassung nach vor, sofern der von einem Realakt in
seinen Rechten Betroffene den Erlass einer Feststellungsverfügung provozieren kann und sofern
ihm gegen diese Verfügung der Zugang zu einer richterlichen Behörde offen steht.
97 Vgl. auch MÜLLER, ZBJV 2004, S. 174, der allerdings eine unterschiedliche Handhabung der
Rechtsweggarantie durch die Kantone als zulässig erachtet.
98 Siehe auch TOPHINKE, S. 89.
99 Vgl. die Überlegungen für den Kanton Bern bei DAUM, S. 6 ff.; der Autor rechnet mit einem erheblichen
Aufwand für die Anpassung der kantonalen Gesetzgebung.
22

I. Die Schaffung richterlicher Behörden
Art. 29a BV verpflichtet die Kantone zur Schaffung richterlicher Behörden, die über Rechtsstreitigkeiten
im Sinne der obigen Ausführungen (oben lit. B/III/1) urteilen. In engem Zusammenhang
mit dieser Bestimmung steht der ebenfalls im Rahmen der Justizreform eingeführte
Art. 191b BV. Danach bestellen die Kantone richterliche Behörden für die Beurteilung von
zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sowie von Straffällen (Abs. 1). Diese
Bestimmung wurde unter anderem auch erlassen, um die Rechtsweggarantie in jenem Bereich,
der in die Zuständigkeit der Kantone fällt, zu verwirklichen. Sie bildet Grundlage für die
Pflicht der Kantone, in allen Angelegenheiten richterliche Behörden zu bezeichnen 100 . Die
Vorschrift ist insbesondere für das Gebiet des kantonalen öffentlichen Rechts von Bedeutung,
weil hier eine entsprechende Verpflichtung nicht bestand 101 . Von Interesse, insbesondere
im interkantonalen Bereich, ist ferner Art. 191b Abs. 2 BV, wonach die Kantone gemeinsame
richterliche Behörden einsetzen können (vgl. dazu auch § 3/E/II/2.2.2).
Welche Anforderungen die richterlichen Instanzen zu erfüllen haben, ergibt sich zunächst
aus der Auslegung des Verfassungstextes (vgl. Ziff. 1 hiernach). Weitere Vorgaben sind dem
BGG zu entnehmen, wobei diese nur insofern von Bedeutung, als die Beschwerde ans Bundesgericht
zulässig ist (vgl. Ziff. 2 hiernach). Zu bemerken gilt schliesslich, dass der Begriff
der „richterlichen Behörde“ im Sinne von Art. 191b BV grundsätzlich mit jenem gemäss Art.
29a BV übereinstimmt 102 .
1. Der Begriff der richterlichen Behörde gemäss Art. 29a BV
Für die Auslegung des offen formulierten Begriffs „richterliche Behörde“ gemäss Art. 29a BV
kann grundsätzlich auf die Definition der richterlichen Behörde im Sinne von Art. 30 BV und 6
Ziff. 1 EMRK abgestellt werden.
Ein Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV ist eine zur Rechtsprechung zuständige, unabhängige,
unparteiische und unbefangene, nur dem Recht verpflichtete Behörde 103 . Nicht massgebend
sind deren Bezeichnung oder der Umstand, dass diese neben der Rechtsprechung auch andere
Funktionen ausübt.
Die Voraussetzung der Gesetzmässigkeit ist zu bejahen, wenn Zuständigkeit und Organisation
der Behörde generell-abstrakt in einem formellen Gesetz geregelt werden, was beispielsweise
bei den ausdrücklich durch Art. 30 Abs. 1 Satz 2 BV untersagten Ausnahmegerichten
nicht der Fall ist. Dieser Grundsatz liegt im Interesse der Voraussehbarkeit der Entscheide
und der Rechtssicherheit 104 . Ein Gericht ist dann zuständig, wenn es in seiner gesetzmässigen
Zusammensetzung 105 die ihm in einem formellen Gesetz zugewiesenen Aufgaben
der Rechtsprechung erfüllt 106 . Schliesslich zeichnet sich ein Gericht dadurch aus,
dass es befugt ist, zwingende Entscheide zu treffen, die nicht von einer anderen nicht richterlichen
Behörde zu Lasten einer Partei geändert werden dürfen 107 .
100
Vgl. KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 2 ff. zu Art. 191b BV.
101
KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 6 zu Art. 191b BV.
102
KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 13 zu Art. 191b BV.
103
Vgl. HOTZ, N 9 zu Art. 30 BV; zur richterlichen Unabhängigkeit vgl. Ziff. 1.1 hiernach.
104
Vgl. dazu FLEINER, Independence, S. 16 und 27 ff.; vgl. bezüglich des kantonalen Versicherungsgerichts
des Kantons Wallis BGE 129 V 196; das Vorliegen einer formellen gesetzlichen Grundlage
wurde i.c. bejaht.
105
Der Anspruch auf eine ordentliche Zusammensetzung des Spruchkörpers wird beispielsweise verletzt,
wenn eine richterliche Behörde (i.c. kantonale Rekurskommission) in Abwesenheit eines Mitglieds
entscheidet, sofern die Besetzung der Behörde im formellen Gesetz derart geregelt wird,
dass kein Raum für derogatorische Vorschriften bleibt; BGE 129 V 335.
106
HOTZ, N 10 und 11 zu Art. 30 BV; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1191; vgl. auch FRO-
WEIN/PEUKERT, N 122 zu Art. 6.
107
AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1194 mit Hinweisen.
23

Nach einhelliger Auffassung der Lehre verlangt Art. 29a BV keine klassischen Gerichte der
traditionellen Gerichtsorganisation 108 . Auch andere Behörden, namentlich Rekurskommissionen
109 , die als Spezialverwaltungsgerichte arbeiten, können den verfassungsmässigen Vorgaben
genügen. Ferner können auch (private) Schiedsgerichte bzw. Schiedskommissionen
110 oder berufsständische Organe wie beispielsweise die Anwalts-, Notariats- oder Ärztekammer
die Anforderungen an eine richterliche Behörde erfüllen, sofern ihre Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit gewährleistet sind 111 . Keine richterlichen Behörden stellen klarerweise
verwaltungsinterne Instanzen oder Kantonsregierungen, die Bundesverwaltung oder der
Bundesrat 112 .
Über die Besetzung der jeweiligen Behörde schweigt sich Art. 29a BV aus. Es ist jedoch zusammen
mit der Lehre davon auszugehen, dass auch eine Besetzung durch einen Einzelrichter
die verfassungsmässigen Anforderungen erfüllt 113 . Dies bedeutet wiederum auch,
dass der Rechtsschutz in hinreichender, verfassungskonformer Weise gewährleistet wird,
wenn der Zugang zu irgend einer, auch unterinstanzlichen richterlichen Behörde, welche die
zitierten Anforderungen erfüllt, sichergestellt wird; nicht erforderlich ist die Beurteilung durch
das Bundesgericht 114 . In diesem Sinne gilt es festzuhalten, dass die Rechtsweggarantie keine
Rechtsmittelgarantie ist und demnach auch keinen doppelten richterlichen Instanzenzug
verlangt.
1.1 Die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
Die richterliche Unabhängigkeit wurde erst im Rahmen der Justizreform auf Verfassungsstufe
verankert. Der neu eingeführte Art. 191c BV hält folgendes fest:
Die richterlichen Behörden sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem
Recht verpflichtet.
Zwar gehörte die richterliche Unabhängigkeit bereits zum materiellen Verfassungsrecht,
doch wurde sie bisher aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung abgeleitet. Für das Bundesgericht
war eine entsprechende Garantie auf Gesetzesstufe in Art. 21 Abs. 3 OG enthalten.
Sie gilt nun für alle richterlichen Behörden 115 . Auf kantonaler Ebene ist die richterliche Unabhängigkeit
in den meisten Verfassungen verankert 116 .
Als Verfassungsnorm verpflichtet die Bestimmung sowohl den Gesetzgeber als auch alle
Personen, die richterliche Funktionen ausüben. Die Unabhängigkeit der richterlichen Behörden
konkretisiert sich nach den gleichen Gesichtspunkten wie die Unabhängigkeit der Gerichte,
auf die Art. 30 Abs. 1 BV einen grundrechtlichen Anspruch gewährleistet 117 .
1.1.1 Kriterien für die Beurteilung der richterlichen Unabhängigkeit im Allgemeinen
Die richterliche Unabhängigkeit versteht sich zunächst als (institutionelle) Unabhängigkeit
von den übrigen Staatsgewalten (Legislative und Exekutive) sowie von den Parteien. Im
108
So auch Art. 191b BV, vgl. NUSPLIGER, N 25.
109
So z.B. die Berner Bodenverbesserungskommission, vgl. BGE 124 I 255 ff.; ferner auch die Rekurskommission
für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern, BGE 121 II 127 E. 2; weitere Beispiele
finden sich bei KIENER, Unabhängigkeit, S. 316 (Fn 371).
110
Vgl. z.B. BGE 119 Ia 81 insb. E. 3 betreffend die Walliser Schiedskommission für arbeitsrechtliche
Streitigkeiten.
111
AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1192; KIENER, Unabhängigkeit, S. 316 f.
112
Vgl. auch TOPHINKE, S. 89; vgl. auch BIAGGINI, S. 1159.
113
KISS, S. 294 f.; KLEY, St. Galler Kommentar, N 7 zu Art. 29a BV.
114
So bereits die Botschaft zur BV 1996, BBl 1997 503 f.; vgl. auch KÄLIN, S. 54.
115
Vgl. HOTZ, St. Galler Kommentar, N 4 zu Art. 191c BV.
116
Vgl. Art. 73 Abs. 2 KV ZH, Art. 26 Abs. 1 und 97 Abs. 1 KV BE oder Art. 28 und 126 KV VD.
117
HOTZ, St. Galler Kommentar, N 4 und 5 zu Art 191c BV.
24

Vordergrund steht hier die institutionell-organisatorische Unabhängigstellung und Verselbständigung
der Justiz im Staat mit dem Zweck, das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die
Justiz sicherzustellen 118 . Dies bedeutet, dass die Gerichtsmitglieder bei der Ausübung ihrer
richterlichen Funktionen weder weisungsgebunden sind noch Rechenschaft abzulegen haben
119 . Mit der richterlichen Unabhängigkeit zu vereinbaren sind jedoch die Aufsichtsfunktionen
anderer Staatsgewalten über die Gerichte, weil hier keine Kontrolle der Rechtsprechung
stattfindet.
Die funktionelle Unabhängigkeit zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus, namentlich
durch Selbständigkeit in der Rechtsprechung (insbesondere im Sinne einer Weisungsunabhängigkeit)
sowie die Unmöglichkeit von Urteilskorrekturen durch nicht richterliche Behörden
120 . Für die Beurteilung der Unabgängigkeit können verschiedene Kriterien herangezogen
werden, namentlich die Wahl der Gerichtsmitglieder. Von Bedeutung sind zudem die
Dauer der Amtszeit sowie die Unabsetzbarkeit bzw. die Unmöglichkeit der Amtsenthebung
während dieser Dauer; dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass die Richter auf eine feste
Amtszeit gewählt werden und während dieser Dauer weder von anderen Staatsgewalten
noch von den Parteien Anweisungen erhalten. Schliesslich müssen genügend Garantien gegen
äussere Beeinflussungen vorhanden sein. Ebenfalls von Bedeutung ist der äussere
Schein, d.h. ob das Gericht nach dem äusseren Erscheinungsbild als unabhängig bezeichnet
werden kann. Im Übrigen ist es grundsätzlich im Einzelfall zu prüfen, wie weit diese Anforderungen
reichen müssen. Eine eher kürzere Amtsdauer kann sich beispielsweise dadurch
rechtfertigen, dass das Gericht auch aus Vertretern einer bestimmten Berufsgruppe wegen
121
ihrer besonderen Sachkunde berufen
werden .
Hinsichtlich der Richterwahl sind mehrere Varianten möglich. In Frage kommen Volkswahlen,
Parlamentswahlen oder spezielle Richterwahlausschüsse, wobei Letzteres in der
Schweiz selten der Fall ist. Bei den erstinstanzlichen Gerichten bestehen in der Schweiz in
der Regel Volkswahlen auf Vorschlag der politischen Parteien (mit einzelnen wenigen Ausnahmen).
Parlamentswahlen existieren hauptsächlich bei den Gerichten zweiter Instanz, wobei
auch hier in einzelnen Kantonen Volkswahlen stattfinden. Nach der Rechtsprechung des
EGMR ist es ebenfalls zulässig, dass die Mitglieder eines Gerichts von einem Exekutivorgan
ernannt werden, solange sie dem Gericht als weisungsunabhängige Personen angehören 122 .
Eine Richterwahl durch die Exekutive ist in der Schweiz meistens bei den besonderen Verwaltungsgerichten
(Rekurs- und Schiedskommissionen) die Regel 123 . So wurden die Mitglieder
eidgenössischer Rekurskommissionen durch den Bundesrat gewählt 124 . Richterwahlen
durch Exekutivbehörden sind grundsätzlich unproblematisch, wenn Sicherungen bestehen,
dass die Richter von fortdauernden Bindungen an die Wahlbehörde befreit sind und sofern
genügend Schranken zur Sicherstellung der institutionellen und personellen Unabhängigkeit
eingebaut werden. Gegenüber Parlamenten haben kleinere, überblickbare Gremien den Vorteil,
weniger abhängig von zufällig zustande gekommenen Mehrheiten zu sein und durch die
klare Zuordnung von Verantwortung können hier die Chancen, kompetente Richter zu wäh-
118
Vgl. dazu KIENER, Unabhängigkeit, S. 226 f.
119
FROWEIN/PEUKERT, N 124 zu Art. 6; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1196; KÖLZ, Kommentar aBV,
N 47 zu Art. 58 aBV; KIENER, Unabhängigkeit, S. 39.
120
Zum Ganzen KIENER, Unabhängigkeit, S. 235 ff.
121
Ausführlich dazu AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1197 ff.; FROWEIN/PEUKERT, N 126 ff.; HOTZ, N 12
zu Art. 30 BV.
122
KÖLZ, Kommentar aBV, N 47 zu Art. 58 aBV; SCHMUCKLI, S. 74; FLEINER, Independence, S. 21:
Wichtig erscheint im Sinne eines Minimalstandards, dass die Richter nicht aufgrund ihrer Rechtsprechung
ihres Amtes enthoben werden dürfen, dass sie keine Weisungen der Exekutive befolgen
müssen und schliesslich, dass kein richterliches Urteil durch die Exekutive aufgehoben werden
kann.
123
Vgl. auch KIENER, Unabhängigkeit, S. 258.
124
Vgl. Art. 7 der inzwischen aufgehobenen Verordnung über Organisation und Verfahren eidgenössischer
Rekurs- und Schiedskommissionen; die Verordnung galt für die in deren Anhang 1 aufgeführten
Rekurs- und Schiedskommissionen.
25

len, erhöht werden 125 . Schliesslich gilt es festzuhalten, dass kein Wahlverfahren völlige Unabhängigkeit
gewährleisten kann, sei es seitens der Wahlbehörde oder der gewählten Gerichtsmitglieder.
Die Art der Bestellung richterlicher Instanzen, namentlich, dass dadurch organisatorisch-institutionelle
Abhängigkeiten zum Wahlorgan entstehen können, vermag für
sich allein genommen die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz nicht in Frage zu stellen.
Wesentlich erscheint vielmehr die Versicherung, dass die gewählten Mitglieder ihr Amt frei
von Weisungen und anderen Einwirkungen ausüben können 126 . Wichtig ist es deshalb auch,
dass das zur Anwendung kommende Verfahren transparent ist und die Wahl nach sachgerechten
Kriterien erfolgt.
Zur richterlichen Unabhängigkeit gehört neben der institutionellen Unabhängigkeit auch die
persönliche Unbefangenheit, die Unparteilichkeit. Befangenheit ist nach Lehre und Rechtsprechung
anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit
eines Richters zu erwecken 127 . Dabei genügt der Anschein der Befangenheit.
Die Gründe hierfür können verschieden sein, wie z.B. ein eigenes Interesse am Ausgang des
Verfahrens, eine enge Beziehung zu einer Partei, eine Vorbefassung mit der zu beurteilenden
Streitsache oder ein äusserer Druck, dem der Richter ausgesetzt ist, beispielsweise
durch die öffentliche Meinung oder Einflussnahme durch Staatsorgane 128 . Die Umstände,
welche die Befangenheit des Richters begründen könnten, müssen konkret sein und in objektiver
Weise gerechtfertigt erscheinen; subjektive Befürchtungen der Parteien reichen dagegen
nicht aus 129 . Im Gegensatz zur Unabhängigkeit betrifft die Unparteilichkeit die subjektive
Seite des Richters: Er soll über den Parteien stehen und seine Entscheidungen ohne
Rücksicht auf die Person sachgemäss und nach bestem Wissen und Gewissen treffen 130 .
Die Unparteilichkeit kann subjektiv oder objektiv beurteilt werden. Im ersten Fall gilt es festzustellen,
was der Richter in seinem Innersten denkt oder empfindet, wobei es des Nachweises
der tatsächlichen Befangenheit bedarf. Indessen genügt es nicht, zu beweisen, dass der
Richter subjektiv nicht befangen war; es bedarf vielmehr einer objektiven Betrachtungsweise:
Danach hat der Richter in den Ausstand zu treten, sofern bereits der Anschein einer Befangenheit
besteht, d.h. sofern nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
dass der Richter unvoreingenommen ist. Der Nachweis einer tatsächlichen Befangenheit
muss nicht erbracht werden 131 . Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
liegt somit bereits dann vor, wenn bei objektiver Betrachtung der Sachlage der Anschein
einer – möglicherweise gar nicht vorhandener – Voreingenommenheit des Richters
erweckt wird 132 .
1.1.2 Schiedsgerichte
Damit die Unabhängigkeit von Schiedsgerichten bejaht werden kann, muss sichergestellt
werden, dass die Parteien hinsichtlich ihres Einflusses auf die Zusammensetzung gleichgestellt
werden 133 . Die Schiedsgerichte müssen gleich wie staatliche Gerichte mit unparteiischen
und unabhängigen Richtern besetzt werden, so dass hier dieselben Prinzipien gelten,
die im Zusammenhang mit Ablehnungsbegehren gegen staatliche Richter entwickelt
wurden 134 . Darüber hinaus gilt der Grundsatz, dass keiner Partei bei der Bestellung des
Schiedsgerichts ein überwiegender Einfluss zukommen darf. Unter Bezugnahme auf das
125
KIENER, Unabhängigkeit, S. 259.
126
Vgl. zum Ganzen KIENER, Unabhängigkeit, S. 255 ff.
127
KÖLZ, Kommentar aBV, N 56 zu Art. 58 aBV
128
Vgl. HOTZ, N 13 zu Art. 30 BV; KÖLZ, Kommentar aBV, N 17 zu Art. 58 aBV.
129
Im Einzelnen KIENER, Unabhängigkeit, S. 60 ff.
130
Vgl. auch FROWEIN/PEUKERT, N 129 zu Art. 6.
131
Zum Ganzen AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, N 1204 ff.
132
KÖLZ, Kommentar aBV, N 18 zu Art. 58 aBV.
133
Auer/Malinverni/Hottelier, N 1201 f.
134
Vgl. hinsichtlich der Unabhängigkeit von Mitgliedern eines kantonalen Schiedsgerichts Urteil des
EVG vom 29.7.2004, K 29/04.
26

Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit hielt das Bundesgericht bezüglich Schiedsgerichte
fest, dass wer sich dem Urteil eines Schiedsgerichts unterwirft, unmittelbar oder mittelbar
Einfluss auf die Besetzung des Gerichts haben muss, wobei der Anspruch auf richtige Besetzung
des Schiedsgerichts unverzichtbar ist 135 .
1.1.3 Spezialgerichte und Berufsgerichtsbarkeiten
Sonder- oder Spezialgerichte stellen generell-abstrakt normierte, nach sachlichen Gesichtspunkten
eingerichtete richterliche Instanzen dar, mit einer nach dem Streitgegenstand eingeschränkten
Zuständigkeit, die aber nicht individuell geprägt sein darf; sie rechtfertigen sich
namentlich dort, wo der Beizug von mit Spezialkenntnissen ausgestatteten Richtern oder die
paritätische Besetzung des Spruchkörpers als geboten erscheint 136 . Häufigste Beispiele bilden
Handels-, Miets- oder Arbeitsgerichte. Auch Steuer- und Militärgerichte können dazu gezählt
werden. Sondergerichte sind von Ausnahmegerichten 137 strikt zu unterscheiden. Massgebend
für die Bezeichnung dieser Instanzen als richterliche Behörden ist allein, dass sie
den Anforderungen von Art. 30 Abs. 1 BV und 6 Ziff. 1 EMRK erfüllen, wobei die Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit im Vordergrund stehen 138 .
Häufig werden Sondergerichte nicht nur mit Berufsrichtern, sondern auch mit Angehörigen
verschiedener Berufsgattungen besetzt. Dies ist mit der richterlichen Unabhängigkeit durchaus
vereinbar. Auch Beamte oder Vertreter verschiedener Berufsgruppen können richterliche
Funktionen ausüben, sofern ein Schutz gegen äussere Einflüsse gewährleistet wird. Werden
Beamte mit richterlichen Befugnissen betraut, ist es darauf zu achten, dass sie sich im Hinblick
auf ihre Pflichten bzw. die Organisation ihres Amtes nicht in einer untergeordneten Position
zu einer Partei befinden 139 .
Berufsgerichtsbarkeiten (z.B. Standesbehörden, Berufsaufsichtsbehörden) können ebenfalls
hinreichende Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bieten. Grundsätzlich können
in solchen Fällen die für Schiedsgerichte geltenden Kriterien angewendet werden: Danach
kann die Unabhängigkeit einer Standesbehörde nur dann bejaht werden, wenn die
Standesvertreter im Spruchkörper nicht in der Mehrzahl sind, sondern die Mitwirkung von
aussenstehenden Dritten ein Korrektiv der abhängigkeitsbegründenden Umstände schafft.
Insofern erachtete der Strassburger Gerichtshof die Unabhängigkeit von Standesorganen
selbst dann als gegeben, wenn diese ganz oder teilweise mit Angehörigen des betreffenden
Berufsstandes besetzt und in der Regel durch diese gewählt werden 140 .
Die Tatsache, dass Vertreter eines bestimmten Berufsstandes Mitglieder in einer richterlichen
Behörde sind, verletzt den Grundsatz der Unabhängigkeit solange nicht, als es sich
dabei nicht um weisungsgebundene Funktionäre handelt. Das Bundesgericht hat beispielsweise
entschieden, dass eine kantonale Aufsichtskommission über die Gesundheitsberufe,
die vom Departementsvorsteher präsidiert wird und aus Beamten und Medizinalpersonen
besteht, nicht als Gericht betrachtet werden kann 141 . Neben organisatorischen und personellen
Kriterien, namentlich hinsichtlich Wahlart, Amtsdauer und sonstiger Stellung des betreffenden
Organs, müssen auch dessen Funktionen und Aufgaben untersucht werden, um klar
stellen zu können, ob dieses als unabhängiges Gremium bezeichnet werden kann. Dabei gilt
es stets zu beachten, dass eine richterliche Behörde in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
135
KÖLZ, Kommentar aBV, N 23 f. zu Art. 58 aBV; ausführlich zu dieser Frage auch KIENER, Unabhängigkeit,
S. 118 ff.; ferner auch BIAGGINI, S. 1162 f.
136
Vgl. dazu KÖLZ, Kommentar aBV, N 70 ff. zu Art. 58 aBV; KIENER, Unabhängigkeit, S. 120; vgl. ferner
BGE 124 I 255 E. 4; HÄFELIN/HALLER, N 850.
137
Darunter versteht man Gerichte, die für einzelne bestimmte Fälle geschaffen werden.
138
KLEY, St. Galler Kommentar, N 7 zu Art. 29a BV; TOPHINKE, S. 91.
139
KÖLZ, Kommentar aBV, N 47 zu Art. 58 aBV.
140
Vgl. dazu KIENER, Unabhängigkeit, S. 127 f.
141
Unpubliziertes Urteil des Bundesgerichts vom 23.12.1994, zitiert in: BGE 123 I 87 E. 4c; vgl. auch
die dort erwähnten Beispiele.
27

zwischen zwei Parteien (dem Bürger einerseits und der Verwaltung andererseits) zu entscheiden
hat. Sie muss eine unabhängige Beurteilung zwischen dem von der Verwaltung
geltend gemachten und wahrgenommenen öffentlichen Interesse und dem Privatinteresse
gewährleisten. Eine Behörde, die aufgrund ihrer Stellung zwar als von der Verwaltung unabhängig
erscheint, jedoch generelle und umfassende Aufsichtsbefugnisse wahrnimmt, Inspektionen
durchführt und Disziplinarmassnahmen ergreifen kann, kommt eher einer Verwaltungsbehörde
als einer richterlichen Instanz nahe 142 .
1.1.4. Rekurskommissionen
In einer Vielzahl von Verwaltungsangelegenheiten setzen die Kantone spezielle Rekurskommissionen
ein, namentlich im Bau-, Steuer- oder Schulrecht. Es stellt sich die Frage, ob
diese Gremien richterliche Behörden darstellen.
Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage bildet die von den Kantonen bei der
Schaffung dieser Behörden verfolgte Absicht. Sofern Rekurskommissionen als spezielle
Verwaltungsgerichte eingesetzt werden, wie dies sinngemäss bei den eidgenössischen Rekurskommissionen,
die nun durch das Bundesverwaltungsgericht abgelöst wurden, der Fall
war, gelten für sie dieselben Voraussetzungen bezüglich Unabhängigkeit wie für die Sondergerichte.
Ob die Rekurskommissionen als spezielle Verwaltungsgerichte entscheiden, beurteilt
sich für die einzelnen Kommissionen gesondert, anhand der ihre Stellung regelnden Bestimmungen
143 . Massgebend ist die Tatsache, ob sie die spezifischen Anforderungen nach
Art. 30 BV und 6 Ziff. 1 EMRK erfüllen. Ergibt sich aus den gesamten Umständen, dass eine
Rekurskommission aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht als richterliche Behörde
konzipiert wurde, so dass es in institutioneller Hinsicht an der erforderlichen Unabhängigkeit
fehlt, kommt ihr die gleiche Stellung wie einer mit der Rechtspflege betrauten Verwaltungsbehörde
zu 144 . In einem älteren Urteil setzte sich das Bundesgericht bereits mit den Voraussetzungen
auseinander, die eine Rekurskommission zu erfüllen hat, damit sie als „gerichtsähnlich“
betrachtet werden kann. Demnach muss der richterliche Charakter bejaht werden,
wenn die jeweilige Rekurskommission eine hinreichende Unabhängigkeit von der Verwaltung,
insbesondere von der Verwaltungsspitze hat. Zwar könnten Rekurskommissionen von
der Kantonsregierung bestellt werden, doch müssten sie weisungsungebunden entscheiden
können. So würde es an der erforderlichen Unabhängigkeit fehlen, sofern eine Rekurskommission
von einem Regierungsrat präsidiert würde, dies selbst wenn dieser nicht dem Departement
vorsteht, das Beschwerde geführt hat 145 .
Eine besondere Kategorie von Rekurskommissionen bilden die interkantonalen Rekurskommissionen,
die durch verschiedene interkantonale Vereinbarungen (in der Regel) als Rekursorgan
eingesetzt werden. Trotz offensichtlicher Gemeinsamkeiten unterscheiden sich
solche Gremien von den herkömmlichen Rekurskommissionen in verschiedener Hinsicht.
142
Somit wurde eine Notariatskommission nicht als richterliche Behörde qualifiziert, vgl. BGE 123 I 87.
143
In vielen Kantonen waren die Rekurskommissionen die Vorgänger eigentlicher Verwaltungsgerichte,
vgl. FLEINER, Grundzüge, S. 214.
144
Zum Ganzen KÖLZ, VGR ZH, N 81 ff. zu § 19, insb. N 86; in Bezug auf den Kanton Zürich kommt
der Verfasser zum Schluss, dass die kantonalen Baurekurskommissionen (vgl. BGE 120 Ia 19, E.
4a) und die Steuerrekurskommissionen grundsätzlich als „gerichtsähnliche“ Instanzen konzipiert
wurden, nicht jedoch die Schul- und Universitätsrekurskommissionen; als „gerichtsähnliche“ Behörde
bezeichnete das Bundesgericht auch die Rekurskommission der Evangelisch-Reformierten
Landeskirche des Kantons Aargau: Diese sei als eigentliches Gericht konzipiert und übe ausschliesslich
rechtsprechende Funktionen aus, ohne dabei an die Weisungsgewalt einer übergeordneten
Instanz gebunden zu sein; vgl. BGE 127 I 128, E. 4; als Spezialverwaltungsgerichte und
nicht als Rekurskommissionen amtieren die Schätzungskommissionen in Enteignungsstreitigkeiten;
sie werden vom Verwaltungsgericht gewählt und verfügen über richterliche Unabhängigkeit.
145
Vgl. BGE 103 Ib 372 bezüglich der Zürcher Rekurskommission für Grunderwerb durch Personen
im Ausland; i.c. wurde der richterliche Charakter verneint.
28

Auf diese spezielle Problematik wird im Rahmen der Ausführungen zu den interkantonalen
Vereinbarungen ausführlich eingegangen (vgl. § 3/E/II/2.2.2).
1.2 Die Kognition
Art. 29a BV verlangt eine umfassende Kontrolle der Rechts- und Sachverhaltsfragen 146 . Eine
allfällige Beschränkung der Kognition, wie sie beispielsweise im Anwendungsbereich der
staatsrechtlichen Beschwerde der Fall war, läuft dem Postulat nach einem effektiven
Rechtsschutz zuwider (dazu oben lit. B/III/2.4). Für die Gewährleistung der Rechtsweggarantie
ist es somit erforderlich, dass zumindest einmal eine richterliche Behörde Sachverhalt und
Rechtsfragen frei prüfen kann. Eine Angemessenheitsprüfung wird hingegen nicht zwingend
gefordert 147 . Ferner ist die heute übliche Zurückhaltung der richterlichen Behörden namentlich
bei der Überprüfung unbestimmter Gesetzesbegriffe, die den anwendenden Behörden
gewisse Entscheidungsbefugnisse einräumen oder bei der Beurteilung von Sachverhalten
von hoher technischer Komplexität, mit Art. 29a BV vereinbar. Dies könnte beispielsweise
bei der Beurteilung von Beschwerden gegen Prüfungsergebnisse eine Rolle spielen 148 .
2. Zusätzliche Anforderung an die richterlichen Behörden gemäss BGG
Wie bereits angeführt, wird Art. 29a BV erfüllt, sofern die betreffende Rechtsstreitigkeit vor
irgendeine richterliche (auch untere) Instanz mit voller Kognition getragen werden kann. Sofern
auf Bundesebene eine der Beschwerden ans Bundesgericht zulässig ist, werden die
Kantone zudem verpflichtet, obere Gerichte als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts
einzusetzen. Im Rahmen der Beschwerden in Zivil- und Strafsachen entscheiden diese
als Rechtsmittelinstanzen 149 . Diese Anforderung gilt selbst in jenen Fällen, in welchen das
Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt. Damit wird klar gestellt, dass nicht
jede richterliche Instanz den Anforderungen des BGG entspricht. Schliesslich ist die Verpflichtung,
obere Gerichte einzusetzen, auch in jenen Fällen massgebend, in welchen nicht
die ordentliche Einheitsbeschwerde, sondern die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zur
Anwendung kommt (vgl. dazu oben lit. A/II/2) 150 . Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass die
Vorschriften des BGG über den kantonalen Instanzenzug auf beinah sämtliche Verfahren vor
kantonalen Behörden anwendbar sein werden. Es ist zurzeit nicht klar, wie die Kantone diese
Vorgaben umsetzen werden. Eine Lösung würde darin bestehen, dass die Kantone ihre
(richterlichen) Instanzen im Hinblick auf eine mögliche subsidiäre Verfassungsbeschwerde
dazu verpflichten müssen, zu prüfen, ob ein verfassungsmässiges Recht verletzt sei und ob
der Sachverhalt auf der Verletzung eines solchen Rechts beruht 151 .
2.1 „Obere“ Behörden
Es fragt sich zunächst, was unter eine „obere Behörde“ zu verstehen ist. Der Begriff wurde
vom Gesetzgeber bereits in Art. 48 Abs. 1 OG im Zusammenhang mit der Zulassung der Berufung
verwendet. Die Bestimmungen des BGG können somit in diesem Sinne ausgelegt
werden 152 .
146
Vgl. bereits BBl 1997 523.
147
Vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 2P.51/2006 vom 20. März 2006, E. 3.2, wo das Bundesgericht
festhält, dass sich aus der Rechtsweggarantie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Rechtsmittel mit
Angemessenheitsprüfung ableiten lasse.
148
Zur Frage der Kognition vgl. KISS, S. 293 f.; KLEY, St. Galler Kommentar, N 6 zu Art. 29a BV; KÄ-
LIN, S. 55; TOPHINKE, S. 91.
149
Vgl. Art. 75 Abs. 2 BGG für die Beschwerde in Zivilsachen, Art. 80 Abs. 2 BGG für die Beschwerde
in Strafsachen und Art. 86 Abs. 2 BGG für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
150
AUER, S. 123 f.; AEMISEGGER, S. 136.
151
So PFISTERER, S. 298 f.
152
Vgl. auch AUER, S. 123.
29

Als „obere“ Behörde gilt eine Behörde, die hierarchisch keiner anderen Instanz unterstellt ist
und gegen deren Entscheide auf kantonaler Ebene kein ordentliches Rechtsmittel mit umfassender
Kognition mehr offen steht. Es muss sich grundsätzlich um eine Instanz handeln,
die aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in etwa einem Kantonsgericht (in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten einem Verwaltungsgericht) entspricht. Daneben können die
Voraussetzungen des oberen Gerichts auch Sondergerichte oder Rekurskommissionen erfüllen,
sofern sie keiner anderen Rechtsmittelbehörde unterstellt sind. Nicht als Vorinstanzen
im Sinne des BGG gelten (zumindest nationale) Schiedsgerichte 153 . Dabei ist es nicht massgebend,
ob die Behörden als einzige oder als zweite kantonale Instanz entscheiden. Keine
oberen Gerichte stellen in der Regel Friedensrichter oder Bezirksgerichte dar 154 . Somit ist
die Einheitsbeschwerde gegen Entscheide unterer Instanzen nicht zulässig 155 .
Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es, obere Gerichte einzusetzen. Oberste Gerichte,
d.h. solche, die sämtlichen anderen Instanzen übergeordnet sind, werden nicht verlangt. Die
Botschaft zur Bundesrechtspflege enthält jedoch präzisierende Hinweise und spricht von einer
„höchsten kantonalen Instanz“. Die „obere Instanz“ müsse das obere Gericht eines Kantons
sein. Gibt es davon in einem Kanton mehrere, sei das oberste Gericht als oberes Gericht
zu bezeichnen 156 . Für den Bereich des öffentlichen Rechts bedeutet dies grundsätzlich
eine Aufwertung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 157 . Um den verfassungsmässigen Anforderungen
gemäss Art. 29a BV zu genügen, muss das Verwaltungsgericht über eine freie Kognition
bezüglich Sachverhalts- und Rechtsfragen verfügen, da dessen Vorinstanzen in der
Regel keine richterlichen, sondern Verwaltungsbehörden sind.
Eine Ausnahme vom Erfordernis, obere Gerichte einzusetzen, machte der Gesetzgeber im
Bereich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten: So besteht eine derartige
Pflicht nicht, soweit nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden
der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Die Botschaft nennt als Beispiel
Art. 146 DBG, wonach der Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht anfechtbar ist 158 . Diese Ausnahmen sind von
geringer praktischer Bedeutung.
2.2 Doppelter Instanzenzug
Einen doppelten Instanzenzug verlangt das Gesetz nur in Zivil- und Strafsachen (Art. 75 Abs.
2 bzw. Art. 80 Abs. 2 BGG), wobei bezüglich der Beschwerde in Zivilsachen Ausnahmen zulässig
sind (Art. 75 Abs. 2 BGG). Der doppelte Instanzenzug bedeutet, dass die letzte kantonale
Instanz zwingend als Rechtsmittelinstanz entscheidet, sei es gegenüber einem unteren
Gericht, sei es gegenüber einer Verwaltungsbehörde. Insofern darf das Prinzip des doppelten
Instanzenzugs nicht mit einem doppelten gerichtlichen Instanzenzug verwechselt werden;
Letzteren verlangt das BGG nicht.
Ausnahmen vom Erfordernis des doppelten Instanzenzugs macht der Bundesgesetzgeber
nur bei der Beschwerde in Zivilsachen. Sie werden in Art. 75 Abs. 2 BGG abschliessend aufgezählt.
Demzufolge können obere Gerichte als einzige kantonale Instanzen entscheiden,
sofern
- ein Bundesgesetz eine einzige kantonale Instanz vorschreibt, wie dies beispielsweise im Immaterialgüterrecht
der Fall ist (vgl. z.B. Art. 76 Abs. 1 des Patentgesetzes);
153
BBl 2001 4311.
154
Vgl. dazu JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band
II, Bern 1990, N 1.2.3 zu Art. 48 OG.
155
Anders noch Art. 48 Abs. 2 OG.
156
BBl 2001 4326; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 86, N 6.
157
Vgl. PFISTERER, S. 295 und 309.
158
BBl 2001 4326.
30

- Handelsgerichte als einzige kantonale Instanzen entscheiden, da hier ein besonderes Fachwissen
erforderlich ist 159 ;
- Klagen mit einem Streitwert von mindestens 100'000 Franken nach dem kantonalen Recht
und mit Zustimmung aller Parteien direkt beim oberen Gericht eingereicht werden.
2.3 Kognition
Wie bereits dargestellt, kann das Bundesgericht im Rahmen der Einheitsbeschwerde keine
freie, umfassende Prüfung des Sachverhalts vornehmen, wie sie von Art. 29a BV gefordert
wird, sondern beschränkt sich auf eine Rechtskontrolle (vgl. oben lit. A/II/1). Dies gilt ebenfalls
in Bezug auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Hinsichtlich der Vorinstanzen des
Bundesgerichts hält Art. 111 Abs. 3 BGG fest, dass diese mindestens die Rügen gemäss
Art. 95-98 BGG prüfen müssen. Eine umfassende Kontrolle des Sachverhalts ist darin nach
dem Gesagten nicht vorgesehen. Die durch die Verfassung gestellten Anforderungen an die
Überprüfungsbefugnis der richterlichen Behörden müssen demnach durch die Kantone gewährleistet
werden, denn nur auf diese Weise erwächst dem Rechtsuchenden aus der Beschränkung
der Kognition kein Nachteil 160 . Dies wird im Übrigen auch in Art. 110 BGG festgehalten:
Danach müssen die Kantone gewährleisten, dass in jenen Fällen, in denen sie als
letzte kantonale Instanz ein Gericht einzusetzen haben, dieses selbst oder eine vorgängig
zuständige andere richterliche Instanz den Sachverhalt frei prüft und das massgebende
Recht von Amtes wegen anwendet 161 .
Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass in sämtlichen Fällen, in denen die Einheitsbeschwerde
ans Bundesgericht zulässig ist, die Kantone dafür zu sorgen haben, dass eine
kantonale Vorinstanz des Bundesgerichts eine umfassende Prüfung von Rechts- und Sachverhaltsfragen
vornimmt. Eine entsprechende Pflicht müsste im Übrigen auch direkt gestützt
auf Art. 29a BV angenommen werden.
3. Die Bedeutung der Ausnahmen von der Einheitsbeschwerde für die
Rechtsweggarantie
Die Ausnahmen von der Einheitsbeschwerde beschränken sich auf die Regelung jener Fälle,
in denen der Rechtsweg ans Bundesgericht nicht offen steht. Sie sagen indessen nichts über
die Notwendigkeit einer richterlichen Kontrolle i.S.v. Art. 29a BV aus. Für die Kantone bedeutet
das Vorliegen einer Ausnahme von der Einheitsbeschwerde, dass sie nicht verpflichtet
sind, obere Gerichte als Vorinstanzen des Bundesgerichts einzusetzen. Sofern die jeweilige
Streitigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 29a BV fällt und keine Ausnahme von der
Rechtsweggarantie möglich ist, müssen die Kantone – ungeachtet der Zulässigkeit der Beschwerde
ans Bundesgericht – einen verfassungskonformen Rechtsschutz sicherstellen.
Demzufolge sind die den Zugang zum Bundesgericht einschränkenden Ausschlussklauseln
mit Blick auf die Rechtsweggarantie zulässig, wenn ansonsten der Zugang zu irgendeiner
richterlichen Behörde im Sinne von Art. 30 BV mit umfassender Sachverhalts- und Rechtsfragenkognition
möglich ist 162 .
159
Die Regelung der Zuständigkeiten der kantonalen Handelsgerichte überlässt der Gesetzgeber den
Kantonen und verzichtet damit auf eine eigenständige Umschreibung des Begriffs der handelsrechtlichen
Streitigkeit; vgl. AUER, S. 127.
160
In diesem Sinne auch AUER, S. 123.
161
Vgl. auch AUER, S. 129.
162
Vgl. auch BEUSCH, S. 734.
31

D. Ausnahmen von der Rechtsweggarantie
Die Rechtsweggarantie wird, wie jedes andere Grundrecht, zunächst durch ihren Schutzbereich
limitiert. Wie es sich bereits aus ihrer Definition ergibt, ist der Anwendungsbereich der
Rechtsweggarantie auf Rechtsstreitigkeiten beschränkt, d.h. auf Streitigkeiten über Rechte
und Pflichten des Einzelnen (vgl. auch die Ausführungen unter lit. B/III/1). Sofern keine
Rechte und Pflichten des Individuums durch einen Entscheid tangiert werden, muss der
betreffende Rechtsakt grundsätzlich nicht von einem Gericht kontrolliert werden. Ferner
muss ein Gericht auf ein Rechtsmittel nur eintreten, sofern sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen
erfüllt sind. In Fällen, in denen keine Rechtsstreitigkeit zur Diskussion steht oder eine
Sachurteilsvoraussetzung fehlt, muss die richterliche Kontrolle nicht gewährleistet werden,
da sie nicht von der Rechtsweggarantie erfasst werden. Somit kann in solchen Situationen
nicht von Ausnahmen von der Rechtsweggarantie die Rede sein 163 .
Als „echte“ Ausnahmen können demgegenüber Fälle bezeichnet werden, in denen grundsätzlich
vor einem Gericht anfechtbare Entscheide zur Diskussion stehen, bei welchen jedoch
spezifische Gründe vorliegen, die einen Ausschluss der richterlichen Beurteilung rechtfertigen
164 . Art. 29a Satz 2 BV enthält eine entsprechende Ermächtigung an die Kantone, in
bestimmten Ausnahmefällen die richterliche Beurteilung auszuschliessen. Die Kantone dürfen
die Ausnahmen – im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben – selbständig regeln.
Die Fälle, in denen Materien von der richterlichen Beurteilung ausgenommen werden dürfen,
sind weniger zahlreich als es auf den ersten Blick erscheinen könnte: Zunächst dürfen, wo
das BGG richterliche Behörden als kantonale Instanzen vorschreibt, wegen des Vorrangs
des Bundesrechts keine kantonalen Ausnahmen eingeführt werden. Ferner ist es nicht zulässig,
jene Rechtsstreitigkeiten, die in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK oder
14 Abs. 1 UNO-Pakt II bzw. anderer für die Schweiz verbindlicher völkerrechtlicher Garantien
fallen, von der gerichtlichen Beurteilung auszunehmen. Die Gültigkeit der Ausnahmen nach
schweizerischem Recht misst sich somit in jedem Fall auch an den völkerrechtlichen Vorschriften,
die Rechtsweggarantien enthalten 165 .
Ferner sind die Kantone allgemein gehalten, von dieser Kompetenz mit Blick auf Sinn und
Zweck dieses Grundrechts einen zurückhaltenden Gebrauch zu machen. Ausnahmen von
der Rechtsweggarantie haben sich am Wesen der Rechtsweggarantie zu orientieren, bedürfen
einer qualifizierten Begründung und sind als Einzelregelungen zu gestalten 166 . Grundsätzlich
darf der kantonale Gesetzgeber nur für das kantonale Recht Ausnahmen von der
Rechtsweggarantie vorsehen 167 .
Im Folgenden sollen Umfang und Tragweite der kantonalen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie
untersucht werden. In einem ersten Schritt werden zwei Fälle erläutert, in denen
der Bundesgesetzgeber die Kantone ausdrücklich dazu ermächtigt, die Beurteilung durch
eine richterliche Behörde auszuschliessen (unten Ziff. I). Anschliessend wird untersucht, wie
weit der Ermessensspielraum der Kantone bei der Festlegung der übrigen Ausnahmen reicht
und nach welchen Kriterien dieses Ermessen auszuüben ist (unten Ziff. II).
163 Vgl. auch KÄLIN, S. 58.
164 Vgl. KÄLIN, S. 58; BEUSCH, S. 737.
165 KISS, S. 290; BBl 1997 524; BEUSCH, S. 737 f.
166 KISS, S. 290 f.; vgl. auch HANGARTNER, S. 154.
167 BBl 1997 524.
32

I. Ausnahmen von der Pflicht zur Schaffung richterlicher Instanzen
gemäss BGG
Von der Verpflichtung, richterliche Behörden als letzte kantonale Instanzen vorzusehen, lässt
das BGG zwei Ausnahmen zu, welche beide die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
betreffen. Einerseits ist es gemäss Art. 86 Abs. 3 BGG möglich, für Entscheide
mit vorwiegend politischem Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare
Vorinstanz des Bundesgerichts einzusetzen (Ziff. 1 hiernach). Andererseits ist es
den Kantonen gestützt auf Art. 88 Abs. 2 erlaubt, gegen behördliche Akte, welche die politischen
Rechte der Stimmberechtigten in kantonalen Angelegenheiten verletzen können, lediglich
ein Rechtsmittel vorzusehen; dieses muss nicht zwingend vor einem Gericht geltend
gemacht werden können (Ziff. 2 hiernach). In beiden Fällen handelt es sich um „Kann-
Vorschriften“. Den Kantonen steht es frei, eine richterliche Kontrolle vorzusehen. Wie noch
zu zeigen ist, sind diese Ausnahme restriktiv zu handhaben und gegen die Interessen der
Betroffenen auf Zugang zu einem Gericht abzuwägen.
1. Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter
Gemäss Art. 86 Abs. 3 BGG können die Kantone für Entscheide mit vorwiegend politischem
Charakter anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des
Bundesgerichts einsetzen.
Für die Auslegung des Begriffs „Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter“ kann zunächst
die aus dem französischen Recht bekannte Theorie der „actes de gouvernement“ herangezogen
werden. Damit sind Akte der Regierung gemeint, die ihrer Natur nach einer gerichtlichen
Kontrolle entzogen sind („échappant par leur nature au contrôle des
tribunaux“) 168 . Darunter fallen zunächst alle Akte, welche die Beziehungen zwischen
Regierung und Parlament betreffen wie Gesetzesinitiativen oder Bekanntmachungen und
Inkraftsetzungen von Erlassen 169 . Ferner können dazu Akte im Bereich der internationalen
Beziehungen wie Verhandlungen über Staatsverträge und deren Ratifikation oder
Kündigung, Handlungen von Diplomaten oder Akte im Bereich der Kriegsführung gehören 170 .
In der Lehre wird auch die Auffassung vertreten, dass es unzulässig sei, Akte unterer
Verwaltungsbehörden von der richterlichen Beurteilung überhaupt auszunehmen 171 . Dieser
Schluss erscheint jedoch nicht als zwingend, sofern eine bestimmte Materie ihrem Wesen
nach für eine richterliche Beurteilung ungeeignet ist. Damit ein Rechtsakt der richterlichen
Beurteilung entzogen wird, muss es sich aber um einen grundlegenden politischen Entscheid
handeln, der in der Regel von der Regierung oder dem Parlament ausgeht 172 . Der
überwiegende politische Charakter darf nicht leichtfertig bejaht werden und es darf
keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass alle Entscheide von Regierung und Parlament
einen vorwiegend politischen Charakter im Sinne von Art. 86 Abs. 3 BGG aufweisen und
173
somit der richterlichen
Überprüfung entzogen bleiben dürfen .
Eine Aufzählung der in der Schweiz anerkannten „actes de gouvernement“ fand sich bislang
in Art. 100 lit. a OG, welcher bestimmte Sachgebiete vom Anwendungsbereich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ausnahm. Dazu gehörten Verfügungen auf dem Gebiet der inneren
oder äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes, der
Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe sowie der übrigen auswärtigen Angelegenheiten
174 . Anders als gemäss der bisherigen Regelung wird der Begriff „auswärtige
168
Vgl. dazu KLEY-STRULLER, Rechtsschutz, S. 267 f
169
Vgl. KÄLIN, S. 58.
170
So zumindest für das französische Recht; vgl. KLEY-STRULLER, Rechtsschutz, S. 268 ff.
171
KLEY, St. Galler Kommentar, N 12 zu Art. 29a BV.
172
TOPHINKE, S. 99; vgl. auch FLEINER, Grundzüge, S. 242.
173
Vgl. TOPHINKE, S. 98.
174
Zu Sinn und Zweck der Ausnahmen unter altem Recht vgl. auch FLEINER, Grundzüge, S. 245 ff.
33

Angelegenheiten“ nach Art. 32 Abs.1 lit. a VGG die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit
und humanitäre Hilfe nicht mehr erfassen 175 . Als „actes de gouvernement“ können ferner der
Beschluss, einen an sich nicht referendumspflichtigen Erlass dem fakultativen Referendum
zu unterstellen oder die Anrufung der Dringlichkeitsklausel bezeichnet werden 176 . Weitere
Beispiele von zulässigen Ausnahmen können sinngemäss dem VGG entnommen werden,
weil hier der Bundesgesetzgeber bestimmte Bereiche der richterlichen Überprüfung entzogen
hat 177 . Zu diesen Materien zählen beispielsweise die Genehmigung zur Errichtung und
Führung einer Fachhochschule, Verfügungen auf dem Gebiet der Kernenergie wie z.B. die
Rahmenbewilligungen von Kernanlagen, Verfügungen über Erteilung, Änderung oder Erneuerung
von Infrastrukturkonzessionen von Eisenbahnen oder Verfügungen über die Erteilung
von Konzessionen für Spielbanken (Art. 32 Abs. 1 VGG) 178 . Die Gründe für den Ausschluss
der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht liegen auch hier im politischen Charakter
der Entscheide 179 sowie darin, dass die zuständigen Behörden über einen erheblichen
Ermessensspielraum verfügen, der die richterliche Überprüfung erschwert. Derartige Argumentationen
sind indessen nicht unumstritten 180 .
Dieselben Grundsätze können für die Bezeichnung der kantonalen „actes de gouvernement“
herangezogen werden. Es handelt sich wiederum um Akte, welche die Beziehungen zwischen
den obersten Staatsorganen oder die innere Sicherheit der Kantone (Massnahmen
der Kantone, die unter die Polizeigeneralklausel fallen und als solche der Verwaltungsgerichtsbarkeit
entzogen bleiben) oder aussenpolitische Angelegenheiten berühren. Ebenfalls
zu den Entscheiden mit vorwiegend politischem Charakter wurden im Schlussbericht der Expertenkommission
Richtpläne 181 , die Erteilung des Bürgerrechts 182 oder Begnadigungen gezählt
183 . Es liegt sodann auf der Hand, dass auch auf kantonaler Ebene der politische Charakter
nur unter restriktiven Voraussetzungen angenommen werden darf. Im Vordergrund
steht eine Abwägung zwischen den Interessen des Einzelnen, dass bei Streitigkeiten über
seine Rechte und Pflichten ein Gericht angerufen werden kann und den Interessen des Gemeinwesens,
dass bei politischen Grundsatzentscheiden ein oberstes Staatsorgan abschliessend
entscheiden kann. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Rechtsweggarantie
als Grundrecht gestaltet ist; sofern Entscheide nicht in Rechte des Einzelnen eingreifen,
können sie nicht der Rechtsweggarantie unterliegen und es muss demnach auch kein Gericht
angerufen werden können.
175
Dazu BBl 2001 4388.
176
Vgl. KLEY, St. Galler Kommentar, N 14 ff. zu Art. 29a BV.
177
Zum Ganzen TOPHINKE, S. 99 f.
178
Kritisch dazu HANGARTNER, S. 152: Diese Verfügungen seien von grosser Tragweite und beträfen
einen Bereich mit erhöhter Korruptionsgefahr.
179
Vgl. BBl 2001 4388; die Ausnahmen von der Rechtsweggarantie auf dem Gebiet der Kernenergie
und bei der Erteilung von Konzessionen über Spielbanken begründet der Bundesrat mit ihrer vorwiegend
politischen Natur, die einer richterlichen Überprüfung entgegenstehe.
180
Vgl. aber auch HANGARTNER, S. 152 f., welcher zu Recht auf die Notwendigkeit richterlicher Kontrollen
in Bereichen, in denen die Verwaltung über Entscheidungsspielräume verfügt, hinweist, da
hier die Gefahr unfairer und ungleicher Behandlungen grösser sei, als bei detailliert und klar geregelten
Materien.
181
Vgl. aber PFISTERER, S. 303 f., welcher unter bestimmten Voraussetzungen für eine richterliche
Prüfung von Richtplänen plädiert.
182
Dazu auch Ziff. II/1 hiernach.
183
Zum Ganzen KÄLIN, S. 59; gemäss TOPHINKE, S. 102 f., habe der Einzelne bei Begnadigungen Anspruch
auf einen willkürfreien und rechtsgleichen Entscheid, der die Verfahrensrechte gewährleistet,
weshalb solche Akte grundsätzlich von der Rechtsweggarantie erfasst seien; andererseits sei
die Begnadigung ein höchst politischer Akt, weshalb der Ausschluss der richterlichen Beurteilung
als gerechtfertigt erscheine; diese Auffassung kann indessen nur solange vertreten werden, als
Begnadigungen den öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und nicht den Strafsachen zugeordnet
wird, da von der Einheitsbeschwerde in Strafsachen keine Ausnahmen aufgrund des überwiegend
politischen Charakters zulässig sind; vgl. dazu auch KLEY, St. Galler Kommentar, N 19 zu Art. 29a
BV, mit zahlreichen Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung.
34

Im Bereich der interkantonalen Beziehungen sind kantonale „actes de gouvernement“ zwar
möglich (z.B. Kündigung eines kantonalen, völkerrechtlichen Vertrags), wegen der bundesstaatlichen
Kompetenzverteilung jedoch kaum von Bedeutung. Von Interesse könnten zunächst
Akte wie Beitritt zu oder Austritt aus einer interkantonalen Vereinbarung sein. So besteht
beispielsweise zwischen den cantons romands eine Vereinbarung über die Aushandlung,
Ratifikation, Ausführung und Änderung der interkantonalen Verträge und der Vereinbarungen
der Kantone mit dem Ausland, welche gemeinsame Bestimmungen über diese Gegenstände
enthält. Insbesondere regelt sie die Intervention der kantonalen Parlamente bei
diesen Fragen (vgl. Art. 1). Derartige Handlungen finden aber in erster Linie auf innerkantonaler
Ebene stattfinden und haben in der Regel einen rein innerkantonalen Charakter. Es ist
im Übrigen fraglich, ob diese Vereinbarung geeignet ist, in die Rechtstellung der Bürger einzugreifen,
da sie in erster Linie die Kantone anspricht und verpflichtet; doch selbst wenn dies
der Fall wäre, könnten die Kantone den Zugang zu einem Gericht bei den in der Vereinbarung
normierten Akte der Behörden unter Berufung auf die Theorie der „actes de gouvernement“
ausschliessen.
Im Rahmen dieser Studie stellt sich aber auch die Frage, ob bestimmte Akte interkantonaler
Organe sowie solche, die kantonale Behörden gestützt auf eine interkantonale Vereinbarung
erlassen, zu den „actes de gouvernement“ gezählt werden dürfen, um somit der richterlichen
Überprüfung entzogen zu werden. Zu denken ist namentlich an Entscheide interkantonaler
Organe, die in Anwendung von Konkordaten erfolgen, welche die interkantonale Zusammenarbeit
beispielsweise in polizeilichen Angelegenheiten zum Gegenstand haben. In solchen
Fällen könnte der überwiegend politische Charakter durchaus bejaht werden. Als Beispiel
können Entscheide der Organe der Vereinbarung über die interkantonalen Polizeieinsätze
(IKAPOL) vom 14. März 2006 genannt werden. Im Bereich der inneren Sicherheit kann
ferner die Vereinbarung zwischen den Kantonen über die interkantonale Hilfeleistung durch
den Zivilschutz bei Katastrophen und in Notlagen vom 13. Mai 2005 erwähnt werden; diese
hat jedoch primär rechtsgeschäftlichen Charakter. Betreffend die Rechte und Pflichten der
Schutzdienstleistenden wird auf die Bestimmungen des BZG 184 verwiesen (Art. 7 der Vereinbarung).
Die übrigen zitierten Ausnahmen wie Einbürgerungen, Richtpläne oder Begnadigungen, die
ebenfalls als vorwiegend politisch qualifiziert werden können, spielen im interkantonalen Bereich
kaum eine Rolle. Dasselbe gilt für das Ausländer- und Asylrecht, wo die Kantone bislang
keine entsprechenden Vereinbarungen geschlossen haben.
2. Behördliche Akte, welche die politischen Rechte der Stimmberechtigten
verletzen
Gemäss Art. 88 Abs. 2 BGG sehen die Kantone gegen behördliche Akte, welche die politischen
Rechte der Stimmberechtigten in kantonalen Angelegenheiten verletzen können, ein
Rechtsmittel vor (Satz 1). Zu denken ist beispielsweise an den Eingriff einer Gemeindebehörde
in einen Abstimmungswahlkampf. In einem solchen Fall reicht die Möglichkeit aus, ein
Rechtsmittel bei einer kantonalen Verwaltungsbehörde zu erheben. Dieses Rechtsmittel
muss nicht notwendigerweise vor einem Gericht geltend gemacht werden können; dies wird
ausdrücklich der künftigen Auslegung der Rechtsweggarantie überlassen 185 . Der Bundesgesetzgeber
war in diesem Fall der Auffassung, dass solche Akte einen überwiegend politischen
Charakter haben, weshalb er den Kantonen die Möglichkeit einräumte, hier eine Ausnahme
von der Rechtsweggarantie zu gewähren; schliessen die Kantone derartige Akte tatsächlich
aus, so ist dagegen die Beschwerde ans Bundesgericht unmittelbar zulässig, die
jedoch nicht den Anforderungen gemäss Art. 29a BV entspricht 186 . Als Beispiele können den
184
Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz (Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz;
SR 520.1).
185
Vgl. auch TOPHINKE, S. 105; BBl 2001 4327.
186
BBl 2001 4327.
35

Materialien referendumsfähige Beschlüsse des Parlaments oder die Ungültigerklärung einer
Volksinitiative entnommen werden 187 .
Bei der Handhabung dieser Ausnahmeregelung gilt es zu beachten, dass die politischen
Rechte und damit auch das Recht auf freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe
in der Bundesverfassung ausdrücklich gewährleistet sind. Dabei handelt es sich durchaus
um einen der richterlichen Kontrolle zugänglichen Bereich, bei dem der politische Charakter
nicht zwingend in den Vordergrund steht. Sofern keine politischen Akte der Regierung oder
des Parlaments im Sinne der obigen Erwägungen zur Diskussion stehen, müsste auch hier
Art. 29a BV Anwendung finden 188 . Auch dieser Ausnahmetatbestand bleibt im interkantonalen
Bereich grundsätzlich ohne Bedeutung.
II. Der kantonale Entscheidungsspielraum bei der Festlegung von
Ausnahmen gemäss Art. 29a BV Satz 2
Die oben umschriebenen Ausnahmen stellen zwei Anwendungsfälle von Art. 29a Satz 2 BV
dar. In diesen Bereichen sind die Kantone von Bundesrechts wegen ermächtigt, den Anspruch
auf richterliche Beurteilung auszuschliessen. Diese Fälle sind indessen nicht abschliessend,
sondern den Kantonen steht es frei, weitere Ausnahmen vorzusehen. Es stellt
sich somit die Frage, wie weit diese Befugnis reicht bzw. nach welchen Kriterien die Kantone
die ihnen zur Verfügung stehenden Freiräume ausüben dürfen.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Ausnahmen kann gemäss Botschaft zur Bundesrechtspflegereform
untersucht werden, ob der zur Diskussion stehende Entscheid justiziabel
ist und ob Rechte und Pflichten des Einzelnen tangiert werden. Im Vordergrund steht erneut
der überwiegend politische Charakter eines Entscheides, wie beispielsweise bestimmte Regierungsakte
oder Beschlüsse des Parlamentes, die spezielle Ausgestaltung der demokratischen
Mitwirkungsrechte in einem Kanton und damit verbundene Argumente der Gewaltenteilung
189 . Zu den nicht justiziablen Materien gehören somit wiederum die als „actes de gouvernement“
bezeichneten Akte 190 . Die Justiziabilität kann aber auch in anderen Fällen verneint
werden, namentlich wenn kein Rechtsanspruch in der Sache besteht oder die Behörden
über erhebliche Ermessensspielräume verfügen. Auf eine fehlende Justiziabilität muss
jedoch nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen geschlossen werden. JAAG weist zu
Recht darauf hin, dass es kaum Sachgebiete gibt, die der Überprüfung durch ein Verwaltungsgericht
absolut entzogen sein müssen; dies gilt selbst für jene Bereiche, in denen ein
Ermessens- und Beurteilungsspielraum besteht 191 .
1. Gesetzliche Ausnahmenkataloge als Orientierungshilfe
Für die Beurteilung der Zulässigkeit von Ausnahmen von der Rechtsweggarantie kann auch
der Ausnahmekataloge des VGG als Orientierung herangezogen werden. Die Tatsache,
dass ein Sachbereich der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht entzogen wurde,
kann darauf hindeuten, dass in der Sache kein Rechtsanspruch besteht bzw. dass es sich
um Entscheide mit vorwiegend politischem Inhalt handelt wie z.B. im Bereich der inneren
und äusseren Sicherheit des Landes (Art. 32 Abs. 1 lit. a) oder auf dem Gebiet der Kernenergie
(Art. 32 lit. e VGG). Es versteht sich von selbst, dass diese Ausnahmen nicht telles
quelles, sondern nur sinngemäss auf das kantonale Recht übertragen werden dürfen. Die
zulässigen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie beurteilen sich allein im Lichte von Art.
187
Vgl. auch KISS, S. 290.
188
So auch TOPHINKE, S. 106.
189
BBl 1997 524.
190
Vgl. dazu oben Ziff. I/1.
191
JAAG, S. 514; der Autor schlägt allenfalls eine Beschränkung der Kognition statt der überprüfbaren
Materien vor.
36

29a Satz 2 BV und es ist Aufgabe der Kantone, unter Berücksichtigung des übergeordneten
Rechts, die Ausnahmen festzulegen und im Einzelfall zu prüfen, ob ein Entscheid justiziabel
ist 192 .
Wie bereits gesehen, finden sich Ausnahmekataloge auch im BGG, insbesondere in Art. 83,
welcher den Ausschluss von der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten regelt.
Dieser ist umfassender als jener gemäss VGG hinaus. Sofern sich die Kantone bei der
Festlegung der zulässigen Ausnahmen auch von diesen Ausnahmen leiten lassen wollen,
gilt es folgendes zu berücksichtigen: Die Kantone müssen eine richterliche Kontrollinstanz
selbst in jenen Fällen vorsehen, in denen Entscheide gestützt auf Art. 83 BGG nicht an das
Bundesgericht weitergezogen werden können 193 . Dies kann unter anderem dadurch begründet
werden, dass die Ausnahmen von der Rechtsweggarantie und jene vom Zugang zum
Bundesgericht unterschiedlich motiviert sind: Während Erstere solche Materien von der richterlichen
Beurteilung ausnehmen wollen, die sich für eine solche nicht eignen (denen also an
der erforderlichen Justiziabilität fehlt), soll mittels Ausnahmen von der Beschwerde ans Bundesgericht
eine Entlastung desselben erzielt werden. Der Zugang zum Bundesgericht kann
in bestimmten Fällen gerade deswegen ausgeschlossen werden, weil eine verfassungsmässige
Kontrolle bereits auf unterer Stufe erfolgt 194 .
Der Ausnahmekatalog gemäss BGG schliesst auch solche Fälle ein, die einer richterlichen
Beurteilung grundsätzlich zugänglich sind bzw. sein sollten. Zu denken ist beispielsweise an
ordentliche Einbürgerungen (vgl. Art. 83 lit. b BGG): Gemäss der jüngsten Praxis des Bundesgerichts
unterliegen Entscheide über die Erteilung des Bürgerrechts der richterlichen
Kontrolle, weshalb es hier nicht mehr von einer mangelnden Justiziabilität ausgegangen
werden darf, so dass die Ausnahme von der Rechtsweggarantie nicht als gerechtfertigt erscheint
195 . Ebenfalls der richterlichen Beurteilung zugänglich sind Entscheide auf dem Gebiet
des öffentlichen Beschaffungswesens gemäss Art. 83 lit. f BGG 196 oder solche über das
Ergebnis von Prüfungen und anderen Fähigkeitsbewertungen, namentlich auf den Gebieten
der Schule, der Weiterbildung und der Berufsausübung (Art. 83 lit. t BGG). Im Zusammenhang
mit Prüfungsauswertungen gilt es aber zu beachten, dass eine gerichtliche Kontrolle
bereits im Rahmen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK in einem bestimmten Umfang möglich war. Unterschieden
wird zwischen den formellen Fragen der Rechtmässigkeit des Verfahrens und
dem materiellen Teil einer Prüfung, d.h. ob ein Kandidat die gesetzlichen Anforderungen erfüllt
und die erforderlichen Kenntnisse aufweist. Soweit es um materielle Fragen geht, liegt
gemäss der Rechtsprechung der EGMR keine justiziable Streitigkeit im Sinne der Konvention
vor und kann die richterliche Kontrolle unterbleiben. Das Bundesgericht prüft im Rahmen
einer staatsrechtlichen Beschwerde über die Bewertung von Examensfragen die Handha-
192 Vgl. auch WEISSENBERGER, S. 1509: Soweit Verfügungen in den Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung
fallen, ist die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht dennoch zulässig, sofern
sie von der Rechtsweggarantie gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (und wohl auch gemäss Art. 29a BV)
erfasst werden.
193 Vgl auch SCHWEIZER, S. 217.
194 Vgl. KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 11 zu Art. 191b BV.
195 Vgl. dazu BGE 129 I 232 E. 3.3, wonach die Erteilung des Bürgerrechts alle Merkmale einer Verfügung
aufweist; zumindest das Diskriminierungsverbot und die Einhaltung der Verfahrensgarantien
können in diesem Fall gerichtlich überprüft werden; gleicher Ansicht auch TOPHINKE, S. 101; vgl.
auch Art. 50a E-BüG (BBl 2005 6957): Gemäss Entwurf zur Änderung des Bürgerrechtsgesetzes
sollen die Kantone verpflichtet werden, Gerichtsbehörden einzusetzen, die als letzte kantonale Instanzen
Beschwerden gegen ablehnende Entscheide über ordentliche Einbürgerungen beurteilen;
vgl. auch BBl 2005 6948 und die dort zitierte Auffassung von EHRENZELLER, wonach Einbürgerungen
einen „Doppelcharakter“ hätten, namentlich seien sie einerseits politische Akte und andererseits
individuell-konkrete Rechtsanwendungs- bzw. Verwaltungsakte.
196 Diese werden von der Einheitsbeschwerde ausgenommen, wenn bestimmte Schwellenwerte nicht
erreicht werden oder wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt; dies ändert
indessen nichts daran, dass es sich durchaus um Entscheide über Rechtstreitigkeiten im Sinne
von Art. 29a BV handeln kann und dass eine richterliche Beurteilung von Verfassungs wegen
gefordert werden kann.
37

ung der einschlägigen kantonalen Vorschriften auf Willkür hin, auferlegt sich indessen besondere
Zurückhaltung bei der materiellen Beurteilung und schreitet erst dann ein, wenn sich
die Behörde von sachfremden oder offensichtlich unhaltbaren Erwägungen hat leiten lassen,
so dass ihr Entscheid unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar und
somit als willkürlich erscheint 197 . Mit Blick auf die Rechtsweggarantie müsste an dieser Praxis
zumindest festgehalten werden.
Demnach dürfen die Kantone aus der Tatsache, dass eine Materie der Beurteilung durch das
Bundesgericht entzogen ist nicht automatisch darauf schliessen, dass sie, ohne die Verfassung
zu verletzen, den Zugang zu einer richterlichen Behörde ausschliessen dürfen.
Schliesslich gilt es zu beachten, dass unter anderem in den zitierten Fällen verfassungsmässige
Rechte tangiert werden können, so dass zumindest die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
auf Bundesebene zulässig sein kann und die Kantone somit so oder so verpflichtet
sind, obere Gerichte als Vorinstanzen des Bundesgerichts einzusetzen 198 .
2. Ermessensentscheide
Ermessensentscheide stellen eine weitere Kategorie potentieller Ausnahmen von der
Rechtsweggarantie dar. Dazu gehören beispielsweise Entscheide über Bewilligungen oder
Konzessionen ohne Rechtsanspruch, über Subventionen oder die bereits erwähnten Ergebnisse
von Prüfungen. In diesen Fällen ist eine gerichtliche Überprüfung in einem bestimmten
Umfang möglich. So kann der Richter durchaus die Einhaltung der jeweiligen Verfahrensvorschriften
oder die richtige Ausübung des Ermessens (Ermessensüberschreitung bzw. -
unterschreitung) kontrollieren. Allenfalls muss sich das Gericht in solchen Fällen die übliche
Zurückhaltung bei der Handhabung der Kognition auferlegen, was, wie bereits gesehen,
nicht gegen die Anforderungen von Art. 29a BV verstösst (vgl. oben lit. A/II/1). Eine Angemessenheitskontrolle
durch die richterliche Behörde wird im Rahmen der Rechtsweggarantie
ohnehin nicht verlangt. Ausnahmen von der Gewährung des Gerichtszugangs können sich
allenfalls wiederum bei Entscheiden mit überwiegend politischem Charakter rechtfertigen;
dies mag bei bestimmten Konzessionen oder Subventionen der Fall sein, weniger jedoch bei
Ergebnissen von Prüfungen 199 .
In Bezug auf Ermessensentscheide wie auch in Gebieten, in denen kein Rechtsanspruch
besteht, ist bei der Verweigerung des Gerichtszugangs stets Vorsicht geboten. Ein Teil der
Lehre vertritt zu Recht die Auffassung, dass weder ein fehlender Rechtsanspruch noch das
Bestehen von pflichtgemäss auszuübendem Ermessen (wie dies in Einbürgerungsfällen vorkommt)
per se fehlende Justiziabilität bedeuten. Selbst in solchen Fällen tritt das Bundesgericht
(bereits heute) zumindest auf die Rüge der Verletzung kantonaler und bundesverfassungsrechtlicher
Garantien ein. Es müsste in diesen Fällen zumindest geprüft werden können,
ob im Rahmen der Auslegung und Ermessensausübung die Grundrechte und verfassungsmässigen
Prinzipien beachtet worden sind 200 .
197
Vgl. statt vieler BGE 131 I 467 E. 2.9 und 3.1 mit zahlreichen Hinweisen; nach der Rechtsprechung
ergibt sich ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Examensentscheiden aus Art. 6 Ziff. 1
EMRK somit nur soweit formelle Aspekte angefochten werden, da nur hier das Vorliegen von zivilrechtlichen
Streitigkeiten bejaht wird; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 2P.55/2006 vom 5. Juli
2006, E. 2.2.
198
Vgl. oben lit. C/I/2.1.
199
Vgl. dazu auch TOPHINKE, S. 107.
200
BEUSCH, S. 738 f. und insbesondere mit Bezug auf das Ermessen S. 742 ff.; es gilt namentlich zu
beachten, dass Ermessen nicht mit Willkür gleichzusetzen ist; vielmehr hat die über Ermessen verfügenden
Behörde im Rahmen des Gesetzes unter Beachtung der massgebenden Verfahrensvorschriften,
der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts sowie der Grundrechte zu entscheiden,
vgl. FLEINER, Grundzüge, S. 128 ff.; siehe ferner JAAG, S. 514, welcher zumindest für eine
Willkürüberprüfung plädiert (eine solche würde jedoch die Vorgaben von Art. 29a BV nicht einhalten).
38

E. Zusammenfassung
Die Verankerung von Art. 29a BV in der Bundesverfassung bildet Teil der Justizreform und
hängt eng mit dieser zusammen: Sowohl die neue Verfassungsbestimmung als auch das
durch das neue Bundesgerichtsgesetz eingeführte Rechtsmittelsystem stellen Anforderungen
an die Kantone, insbesondere hinsichtlich der Behördenorganisation, der Zuständigkeiten
und des Verfahrens. Für die Umsetzung der Rechtsweggarantie ist daher die Kenntnis
der durch die Justizreform bewirkten Neuerungen im Bereich des bundesrechtlichen Rechtsschutzes
unerlässlich. Zu den grundlegenden Änderungen gehört einerseits die Einführung
eines Bundesverwaltungsgerichts als allgemeines Verwaltungsgericht des Bundes und als
Vorinstanz des Bundesgerichts. Dieses ersetzt unter anderem die bisherigen Rekurskommissionen
des Bundes und setzt die Rechtsweggarantie in den Bereichen des Bundesverwaltungsrechts
um. Andererseits hatte die Reform der Bundesrechtspflege zur Folge, dass
auf Bundesebene nurmehr ein einziges Rechtsmittel zur Verfügung steht, die Einheitsbeschwerde.
Zusätzlich steht die nachträglich eingeführte subsidiäre Verfassungsbeschwerde
wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zur Verfügung.
Der neue Art. 29a BV räumt natürlichen und juristischen Personen bei Rechtsstreitigkeiten
einen grundrechtlichen Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde ein. Die
Rechtsweggarantie muss von Bund und Kantonen in der gesamten Rechtsordnung, d.h. in
der Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechtspflege umgesetzt werden. Für die Verwirklichung der
Rechtsweggarantie auf kantonaler Ebene sind die Kantone zuständig, wobei zu beachten ist,
dass die Bundesgesetzgebung, insbesondere das BGG, verbindliche Vorgaben enthält, die
den kantonalen Handlungsspielraum einschränken.
Unter den Begriff „Rechtstreitigkeiten“ fallen grundsätzlich Streitigkeiten über Rechte und
Pflichten von natürlichen und juristischen Personen. Hinsichtlich des zulässigen Anfechtungsobjektes
ist es mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass eine automatische
Ausweitung auf Realakte, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war, so dass die Kantone bei
der Bestimmung des Anfechtungsobjektes grundsätzlich frei sind. Ihr Handlungsspielraum
wird jedoch durch Sinn und Zweck der Rechtsweggarantie beschränkt, die allgemein eine
Verbesserung des Rechtsschutzes anstrebt. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die
Rechtsweggarantie einen wirksamen Rechtsschutz bezweckt, weshalb es den Kantonen
verwehrt ist, diesen Schutz durch die Umschreibung des Sachurteilsvoraussetzungen oder
zu strenge Verfahrensvorschriften zu verhindern oder auszuschalten. Demnach muss der
Rechtsschutz gegen Realakte immer dann möglich sein, wenn diese individuelle Rechte oder
Pflichten berühren. Dabei ist es Sache der Kantone zu entscheiden, ob sie einen entsprechenden
Schutz durch die Erweiterung des Anfechtungsobjektes auf Realakte oder –
analog zum Bund – die Einräumung eines Anspruchs auf Erlass einer Feststellungsverfügung
sicherstellen wollen.
Die Umsetzung von Art. 29a BV hat bedeutende Auswirkungen auf die Gestaltung des Verfahrens
und der Behördenorganisation. Bedeutendste Konsequenz bildet die Verpflichtung
der Kantone, im Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie richterliche Instanzen einzusetzen
und deren Organisation, Zuständigkeiten und Verfahren verfassungskonform zu regeln.
Als richterliche Behörden gelten nicht nur „traditionelle“ Gerichte, sondern auch Schiedsgerichte,
Spezial- oder Sondergerichte, Rekurskommissionen oder Berufsgerichtsbarkeiten. Die
Anforderungen an die richterlichen Behörden im Sinne von Art. 29a BV richten sich grundsätzlich
nach Art. 30 BV. Von der richterlichen Behörde wird eine freie Prüfung von Sachverhalts-
und Rechtsfragen verlangt, nicht jedoch eine Angemessenheitskontrolle. Die Überprüfung
durch eine (auch unterinstanzliche) richterliche Behörde reicht; nicht verlangt wird ein
doppelter Instanzenzug bzw. ein doppelter richterlicher Instanzenzug. Sofern gegen kantonale
Entscheide die Beschwerde ans Bundesgericht (einschliesslich der subsidiären Verfassungsbeschwerde)
zulässig ist, müssen die Kantone obere Gerichte als Vorinstanzen des
39

Bundesgerichts einsetzen. Bei den Beschwerden in Zivil- und Strafsachen haben diese – mit
gewissen Ausnahmen – als Rechtsmittelinstanz zu entscheiden.
Die Kantone dürfen – unter den strengen Voraussetzungen von Art. 29a BV Satz 2 – den
Zugang zum Gericht ausschliessen. Das BGG ermächtigt sie in zwei bestimmten Fällen, andere
als richterliche Instanzen als Vorinstanzen des Bundesgerichts einzusetzen. Diese
Ausnahmen betreffen Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter sowie bestimmte
Entscheide in Stimmsachen. Weitere Ausnahmen können die Kantone selber festlegen, wobei
Zurückhaltung geboten ist. Ein zulässiges Kriterium für die Festlegung von Ausnahmen
kann die fehlende Justiziabilität sein. Die Fälle, in denen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie
möglich sind, dürfen indessen nicht mit jenen verwechselt werden, in denen der Zugang
zum Bundesgericht ausgeschlossen bleibt: Die Tatsache, dass ein Bereich der Beurteilung
durch das Bundesgericht entzogen ist, bedeutet nicht, dass die Anforderungen gemäss
Rechtsweggarantie nicht eingehalten werden müssen. Ob Ausnahmen im Sinne von Art. 29a
BV zulässig sind, entscheiden die Kantone unter Berücksichtigung der der Rechtsweggarantie
zugrunde liegenden Kriterien. Dieser Ausnahmekatalog kann aber als Orientierung bei
der Auslegung der zulässigen Ausnahmen gemäss Art. 29a BV herangezogen werden.
Die Rechtsweggarantie muss auch im Bereich der interkantonalen Vereinbarungen umgesetzt
werden. Sofern individuelle Rechte und Pflichten tangiert werden, muss der Rechtsschutz
im interkantonalen Bereich mit den Anforderungen von Art. 29a BV in Einklang gebracht
werden. Wie dies erreicht werden kann, ist Gegenstand des zweiten Teils dieses Gutachtens.
Die Regelung der Ausnahmen im Sinne von Art. 29a BV Satz 2 ist im interkantonalen
Bereich von untergeordneter Bedeutung, da die Materien, die der richterlichen Beurteilung
entzogen werden könnten, meistens nicht Gegenstand interkantonaler Vereinbarungen
bilden. Von Bedeutung können in diesem Zusammenhang allenfalls die Vereinbarungen im
Bereich der inneren Sicherheit, namentlich solche über die polizeiliche Zusammenarbeit oder
über die Kooperation in Notlagen.
40

§ 3 INTERKANTONALE VEREINBARUNGEN
Dieser zweite Teil der vorliegenden Studie ist dem interkantonalen Recht gewidmet. In einem
ersten Schritt werden Begriff und Gegenstand der interkantonalen Vereinbarung kurz erläutert
(lit. A), unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Neugestaltung des Finanzausgleichs
(lit. B). Sodann werden die verschiedenen Arten von interkantonalen Vereinbarungen
skizziert (lit. C) und es wird auf die interkantonalen Organe als besonderes Institut des interkantonalen
Rechts eingegangen (lit. D). In einem zweiten Schritt gilt es den Rechtsschutz im
interkantonalen Bereich zu analysieren (lit. E). Zu diesem Zweck werden zunächst die bundesrechtlichen
Rechtsmittel vor und nach der Reform der Bundesrechtspflege geschildert.
Anhand ausgewählter Vereinbarungen werden sodann verschiedene Rechtsschutzmodelle
auf interkantonaler Ebene dargestellt und auf ihre Vereinbarkeit mit der Rechtsweggarantie
untersucht. Schliesslich werden Lösungsvorschläge für eine verfassungskonforme Ausgestaltung
des Rechtsschutzes im Bereich der interkantonalen Vereinbarungen erarbeitet.
A. Begriff und Gegenstand
Interkantonale Vereinbarungen sind öffentlich-rechtliche Vereinbarungen, die zwei oder mehrere
Kantone über einen in ihren Kompetenzbereich fallenden Gegenstand schliessen 201 . Die
entsprechende Verfassungsgrundlage liefert Art. 48 BV.
Gegenstand einer interkantonalen Vereinbarung können sämtliche Materien bilden, die in die
Zuständigkeit der Kantone fallen. Grundsätzlich kann die interkantonale Zusammenarbeit
alle Formen des staatlichen Handelns erfassen, d.h. sowohl die Rechtssetzung als auch die
Rechtsanwendung und die Rechtsprechung 202 . Nicht zulässig sind Verträge, die den Interessen
des Bundes oder eines anderen Kantons zuwiderlaufen (Art. 48 Abs. 3 BV). Vereinbarungen
mit politischem Inhalt dürfen aufgrund der bundesstaatlichen Treuepflicht (Art. 44
Abs. 2 BV) nicht abgeschlossen werden, wenn sie den Bundesfrieden bedrohen können 203 .
Innerhalb der bundesstaatlichen Normhierarchie nimmt das interkantonale Recht eine Zwischenstellung
zwischen dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht ein, wobei das interkantonale
dem kantonalen zugeordnet wird. Da der Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts auch im Verhältnis zum interkantonalen Recht voll und ganz zum Zuge
kommt, dürfen Konkordatsbestimmungen dem Bundesrecht nicht widersprechen 204 . Im Verhältnis
zum kantonalen Recht, ist in der Regel von einem Vorrang des interkantonalen
Rechts auszugehen 205 .
Die Regelung des Abschluss- und Beitrittsverfahrens richtet sich grundsätzlich nach kantonalem
Recht und kann demzufolge von Kanton zu Kanton anders sein. Unterschiedlich weit
reichen z.B. die Kompetenzen der kantonalen Parlamente sowie die Mitwirkungsrechte der
Stimmbürger. In der Regel sind interkantonale Vereinbarungen durch die Parlamente – zumindest
– zu genehmigen. Im Bereich des interkantonalen Rechts kommt es jedoch in den
201
Vgl. HÄFELIN/HALLER, N 1267.
202
Zur Problematik der gemeinsamen Erfüllung von Rechtsprechungsaufgaben vgl. lit. E/II/2.2.2 hiernach.
203
KNAPP, N 9 ff. zu Art. 48; ABDERHALDEN, S. 10.
204
Ausführlich dazu BRUNNER, S. 121 ff.
205
So ausdrücklich der noch nicht rechtskräftige Art. 48 Abs. 5 BV; vgl. auch HÄFELIN, Kommentar
aBV, N 58 zu Art. 7 aBV.
41

meisten Fällen zu einer Einschränkung der parlamentarischen Entscheidungsbefugnisse im
Bereich der Gesetzgebung 206 .
Die Ziele der interkantonalen Zusammenarbeit sind zahlreich: Sie reichen von der Regelung
von Grenz- und Kollisionsfragen über die Koordination einer bestimmten Verwaltungstätigkeit,
die regionale oder gesamtschweizerische Rechtsvereinheitlichung, die Errichtung gemeinsamer
Anstalten bis zur Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe 207 . Dementsprechend
kann das Erscheinungsbild der verschiedenen interkantonalen Vereinbarungen sehr unterschiedlich
sein.
Bis heute fällt es schwer, sich einen vollständigen und zuverlässigen Überblick über die bestehenden
interkantonalen Vereinbarungen zu verschaffen. Dies ist in erster Linie auf die
unterschiedliche Publikationspraxis der Kantone und das Fehlen eines gesamtschweizerischen
Publikationsorgans für interkantonales Recht zurückzuführen. In der Tat fällt die Veröffentlichung
des interkantonalen Rechts in die alleinige Zuständigkeit der Kantone. Auf die
Publikation solcher Konkordate in der AS, die sämtlichen Kantonen zum Beitritt offen stehen
oder für die ein besonderes Interesse besteht, wurde im revidierten Publikationsgesetz des
Bundes verzichtet 208 . Das Problem der ungenügenden Veröffentlichung stellt sich insbesondere
bei Vereinbarungen bilateraler Natur, obwohl diese bislang die Mehrheit bilden. Nur selten
finden sich in der Literatur einzelne Hinweise auf die mögliche Anzahl der Konkordate;
diese bieten jedoch keine Gewähr für Vollständigkeit. So sind gemäss einer Studie 75% aller
Konkordate bilateraler Natur. Zu den Fachbereichen führt die Untersuchung aus, dass die
meisten Konkordate die Sachgebiete Finanzen und Steuern sowie Bildung, Wissenschaft,
Kultur betreffen (jeweils 22 %). Weitere 16 % der abgeschlossenen Vereinbarungen fallen in
den Bereich Staatsorganisation, Justiz und Polizei, 15 % in jenen der Infrastruktur, Verkehr
und Umwelt, 13 % betreffen das Gebiet Wirtschaft und Landwirtschaft und 11 % jenes der
Gesundheit 209 . Diese Angaben lassen keine zuverlässigen Schlüsse über die Bedeutung
bzw. Gewichtung der verschiedenen Kategorien zu. So ist namentlich die Vielzahl der Konkordate
im Bereich Steuern und Finanzen in erster Linie auf die äusserst zahlreichen Gegenrechtsvereinbarungen
zurückzuführen, die jedoch (insbesondere auch für die Bedürfnisse
der vorliegenden Studie) lediglich von geringer Bedeutung sind.
Die Ergebnisse der zitierten Studie betreffend die Sachgebiete stimmen im Wesentlichen mit
den im Rahmen des vorliegenden Gutachtens gewonnenen Erkenntnissen überein. Dabei
gilt es zu berücksichtigen, dass vorliegend lediglich interkantonale Vereinbarungen untersucht
werden, die von nationaler oder zumindest regionaler Bedeutung sind, unter Ausschluss
der bilateralen Verträge. Folgt man diesen Kriterien, so kommt (sowohl zahlenmässig
als auch mit Blick auf ihre Bedeutung) den Konkordaten im Bereich der Bildung am meisten
Gewicht zu, was nicht zuletzt auf die umfassenden Rechtsetzungsbefugnisse der Erziehungsdirektorenkonferenz
(EDK) zurückzuführen ist (zur Rolle der interkantonalen Organe
vgl. lit. D hiernach); auch liegt es auf der Hand, dass Vereinbarungen aus dem Bereich Bildung
geeignet sind, Rechte und Pflichten des Einzelnen zu berühren. Diese werden gefolgt
von jenen auf dem Gebiet Justiz und Polizei. Letztere erfassen die verschiedenen Arten der
polizeilichen Zusammenarbeit, den gemeinsamen Straf- und Massnahmenvollzug oder die
interkantonale Rechtshilfe. Weniger zahlreich, jedoch ebenfalls stark zu gewichten sind die
interkantonalen Vereinbarungen im Bereich Wirtschaft. Zu denken ist hier an solche betreffen
die Jagd und Fischerei, die landwirtschaftliche Berufsbildung oder die Durchführung und
Aufsicht von Lotterien.
206
Ausführlich zum Ganzen BRUNNER, S. 155 ff.; HÄFELIN, Kommentar aBV, N 67 f. zu Art. 7aBV.
207
Vgl. die Beispiele bei HÄFELIN, Kommentar aBV, N 29 zu Art. 7 aBV.
208
Vgl. Art. 4 PublG, welcher lediglich die Publikation von bestimmten Verträgen zwischen Bund und
Kantonen vorschreibt.
209
Vgl. BOCHSLER/SCIARINI, S. 29 f.: Die Autoren schätzen die Anzahl der Konkordate auf rund 760
42
(Stand: 2005).

B. Einzelne Auswirkungen der NFA auf die interkantonale
Zusammenarbeit
Durch die am 28. November 2004 von Volk und Ständen angenommene Neugestaltung des
Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) 210 soll unter
anderem die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich ausgebaut werden. Die
Kantone werden unter bestimmten Voraussetzungen zur Zusammenarbeit verpflichtet werden
können. Der neue Art. 48a BV 211 sieht namentlich die Möglichkeit vor, Konkordate in bestimmten,
abschliessend umschriebenen Bereichen, für alle Kantone allgemein verbindlich
zu erklären oder die Kantone zur Beteiligung an interkantonalen Verträgen zu verpflichten.
Sämtliche Bereiche sind mit einem Lastenausgleich verbunden. Folgende Sachgebiete werden
durch die Verfassungsbestimmung erfasst: der Straf- und Massnahmenvollzug, das
Schulwesen hinsichtlich der in Art. 62 Abs. 4 genannten Bereiche, die kantonalen Hochschulen,
Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung, die Abfallbewirtschaftung, die Abwasserreinigung,
der Agglomerationsverkehr, die Spitzenmedizin und Spezialkliniken sowie
die Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden 212 .
Auf Gesetzesstufe verpflichtet Art. 13 lit. f FiLaG 213 die Kantone, die Grundzüge der Zusammenarbeit
mit Lastenausgleich in den erwähnten Bereichen in einer Rahmenvereinbarung
festzulegen. Der Mindestinhalt der Vereinbarung wurde ebenfalls gesetzlich festgelegt. Eine
entsprechende interkantonale Vereinbarung wurde bereits von den Kantonen verabschiedet
214 . Darin wird unter anderem auch das interkantonale Streitbeilegungsverfahren, das für
alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich
zur Anwendung kommt, geregelt. Gestützt auf die in dieser Rahmenvereinbarung
aufgeführten Grundsätze können die Kantone für die einzelnen Aufgabenbereiche Zusammenarbeitsverträge
schliessen 215 .
Es ist zu erwarten, dass die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung bestimmter Konkordate
die interkantonale Zusammenarbeit stärken und die Anzahl der Vereinbarungen von
gesamtschweizerischer Bedeutung erhöhen wird.
C. Arten von interkantonalen Vereinbarungen
Die interkantonalen Vereinbarungen werden üblicherweise in solche rechtsgeschäftlicher
und solche rechtsetzender Art unterteilt. Diese Unterscheidung bezieht sich primär auf den
Inhalt. Viele interkantonale Verträge stellen jedoch Mischformen, die beide Elemente kombinieren,
dar.
Die praktische Bedeutung dieser Unterteilung darf nicht überbewertet werden. Für die Bedürfnisse
der vorliegenden Studie erscheint eine (auch nur grobe) Abgrenzung zwischen
rechtsetzenden und rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen dennoch als sinnvoll, da die
Rechtsweggarantie nur in Fällen zum Zuge kommt, in denen Rechte und Pflichten von Priva-
210
Bundesbeschluss zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen
Bund und Kantonen (NFA), BBl 2003 6591; mit einem In-Kraft-Treten der Reform vor 2008 ist nicht
zu rechnen.
211
Die Bestimmung ist nur teilweise in Kraft getreten; rechtswirksam ist lediglich Abs. 1 lit. b und c.
212
Im Einzelnen Botschaft NFA, BBl 2002 2354 ff.
213
Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich vom 3. Oktober 2003, SR 613.2.
214
Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (Rahmenvereinbarung,
IRV) vom 24. Juni 2005.
215
Zur über zehnjährigen Entstehungsgeschichte der Interkantonalen Rahmenvereinbarung vgl. WAL-
TER MOSER, Interkantonale Rechtsetzung am Beispiel der Rahmenvereinbarung über die interkantonale
Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (IRV), in LeGes 1/2006, S. 43 ff.
43

ten tangiert werden. Schliesslich ist der Rechtsschutz – wie noch zu zeigen sein wird – unterschiedlich,
je nachdem ob die jeweilige Vereinbarung überwiegend rechtsgeschäftlich oder
rechtsetzend ist.
Die folgende Abbildung soll diese Unterteilung veranschaulichen:
Schema III: Arten interkantonaler Vereinbarungen
I. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen
Rechtsgeschäftliche Verträge begründen konkrete Rechtsverhältnisse zwischen zwei oder
mehreren Kantonen, indem sie in vertraglicher Weise gegenseitige Rechte und Pflichten umschreiben.
Dadurch können die Kantone gemeinsam und in koordinierter Weise verschiedene
Aufgaben wahrnehmen. Auch können mittels rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen gemeinsame
Institutionen (Lehranstalten, Stiftungen, weitere autonome öffentlich-rechtliche
Anstalten) errichtet werden.
Beispiele von Vereinbarungen vorwiegend rechtsgeschäftlicher Natur:
- Konkordat über die Schulkoordination (Bereinigte Gesetzessammlung des Kantons Solothurn
[BGS] 411.211)
- Interkantonale Vereinbarung betreffend die gemeinsame Durchführung von Lotterien (BGS
513.633.1)
- Vereinbarung vom 9. März 2001 über die Aushandlung, Ratifikation, Ausführung und Änderung
der interkantonalen Verträge und der Vereinbarungen der Kantone mit dem Ausland
(Systematische Gesetzessammlung des Kantons Freiburg [SGF] 121.4)
- Interkantonale Vereinbarung vom 3. Juni 1971 über die Kontrolle der Heilmittel (SGF
821.20.1)
- Konkordat vom 30. Juni 1964 über die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (SGF
911.2.1)
- Vereinbarung über die Konferenz der Kantonsregierungen vom 8. Oktober 1993 (Gesetzessammlung
des Kantons Obwalden [GS OW] 174.11)
44

- Interkantonale Vereinbarung über die Gründung einer interkantonalen Umweltagentur vom 1.
Juni 2003 (GS OW 780.7); i.c. erhielt die Unternehmung die Rechtsform einer Aktiengesellschaft
nach Art. 762 OR (vgl. Art. 3 der Vereinbarung)
- Verwaltungs-Vereinbarung über die Kosten interkantonaler Polizeieinsätze gemäss Art. 16 der
Bundesverfassung (Systematische Gesetzessammlung des Kantons Basel-Landschaft [SGS]
145.37)
- Aus neuster Zeit: Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich
(Rahmenvereinbarung, IRV) vom 24. Juni 2005 (GS OW 174.2).
II. Rechtsetzende Vereinbarungen
Mittels rechtsetzender Verträge werden inhaltlich übereinstimmende generell-abstrakte Regelungen
getroffen, in einem bestimmten, zu den kantonalen Kompetenzen gehörenden Bereich.
Dadurch kann beispielsweise eine Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt werden. Die
rechtsetzenden Vereinbarungen werden ihrerseits wiederum in zwei Unterkategorien unterteilt:
unmittelbar rechtsetzende Verträge, die Private und rechtsanwendende Organisationen
der beteiligten Kantone direkt berechtigen oder verpflichten, und mittelbar rechtsetzende
Verträge, die keine direkt anwendbaren generell-abstrakten Normen enthalten, sondern lediglich
die beteiligten Kantone dazu auffordern, ihr internes Recht nach den Bestimmungen
des Vertrags zu gestalten. Auch hier sind Mischformen möglich 216 . Den unmittelbar rechtsetzenden
Konkordaten gleichzustellen sind Vereinbarungen mit organisationsrechtlichem Inhalt,
die interkantonale Organe und Organisationen für die Regelung und den Vollzug bestimmter
Materien einsetzen, denn sie begründen nicht nur Rechte und Pflichten der beteiligten
Kantone, sondern wirken sich direkt auf die Rechtsunterworfenen aus 217 .
Beispiele von Vereinbarungen vorwiegend rechtsetzender Natur:
- Konkordat über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe in Zivilsachen vom 26. April, 8./9.
November 1974 (BGS 225.31)
- Konkordat über die Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten
vom 10. Dezember 1901 (BGS 225.61)
- Konkordat über die Vollstreckung von Zivilurteilen vom 10. März 1977 (BGS 232.31)
- Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen (BGS
329.22)
- Interkantonale Übereinkunft über den Viehhandel (Viehhandelskonkordat, BGS 926.731)
- Konkordat vom 22. Mai 1978 über die Ausübung und die Beaufsichtigung der Jagd (SGF
922.4)
- Konkordat über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ-Konkordat) vom 15. Dezember
2000 (GS OW 415.33)
III. Mischformen
Zahlreiche interkantonale Vereinbarungen lassen sich nicht genau in solche rechtsgeschäftlicher
und solche rechtsetzender Art unterteilen, sondern verbinden Merkmale beider Kategorien.
Einerseits enthalten sie Bestimmungen, deren Adressaten die beteiligten Kantone
sind, andererseits weisen sie Vorschriften auf, die sich auf die Rechtsstellung von Privaten
auswirken.
Beispiele von gemischten Vereinbarungen:
- Konkordat über die polizeiliche Zusammenarbeit in der Nordwestschweiz (BGS 511.541):
Grundsätzlich werden in erster Linie die Konkordatsparteien verpflichtet oder berechtigt; einzelne
Bestimmungen können sich indessen auf die Rechtstellung der Polizeibeamten auswirken
(disziplinarische Unterstellung, Verantwortlichkeit, Versicherung).
216 Im Einzelnen HÄFELIN/HALLER, N 1282 ff. und HÄFELIN, Kommentar aBV, N 35 f. zu Art. 7 aBV.
217 Vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 5.11.2003, VB.2003.00077, E. 4c/aa.
45

- Konkordat zwischen den Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Ausschluss
von Steuerabkommen vom 19. Dezember 1948 (BGS 614.171.1): Die Vereinbarung
kann als gemischt bezeichnet werden, weil einzelne Bestimmungen sich zumindest indirekt
auf die Rechtsstellung der Steuerpflichtigen auswirken; so kann es beispielsweise sein, dass
ein Konkordatskanton – unter Verletzung der Konkordatsbestimmungen – einem Bürger gegenüber
eine Verfügung erlässt.
- Konkordat über Errichtung und Betrieb einer interkantonalen Polizeischule Hitzkirch vom 25.
Juni 2003 (GS OW 510.3)
- Regionales Schulabkommen 2000 (RSA 2000) über die gegenseitige Aufnahme von Auszubildenden
zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg,
Luzern, Solothurn und Zürich (BGS 411.241): Dabei handelt es sich hauptsächlich um eine
rechtsgeschäftliche Vereinbarung, die grundsätzlich nur die beteiligten Kantone verpflichtet;
jedoch hält Art. 2 Abs. 1 fest, dass Auszubildende aus den Abkommenskantonen (im Rahmen
der Ausbildungskapazitäten) solchen aus dem Standortskanton rechtlich gleichgestellt sind,
insbesondere hinsichtlich Aufnahme, Promotion, Ausschluss sowie Schul- bzw. Studiengebühren.
Diese Bestimmung räumt somit auch Privaten bestimmte Ansprüche ein, so dass die
Vereinbarung eher den „gemischten“ Verträgen zuzuordnen wäre.
- Ebenfalls als Mischform kann die Interkantonale Universitätsvereinbarung vom 20. Februar
1997 (BGS 411.261), da sie in erster Linie die Kantone verpflichtet, andererseits jedoch sich
auf die Rechtsstellung der Studienanwärter auswirkt, indem ihnen ein Anspruch auf Gleichbehandlung
bei Zulassungsbeschränkungen einräumt (vgl. Art. 10).
D. Interkantonale Organe
Zahlreiche interkantonale Vereinbarungen setzen interkantonale Organe ein, denen verschiedene
Aufgaben zugewiesen werden. Wie weit diese Befugnisse reichen, hängt von der
jeweiligen Vereinbarung ab. Das wichtigste Gremium bildet in der Regel ein in den meisten
Fällen Konkordatskonferenz genanntes Organ, welches aus Vertretern sämtlicher mit der
jeweiligen Materie betrauten Vertragsparteien zusammengesetzt ist. Die verschiedenen Konferenzen
sind unterschiedlich organisiert und verfügen über unterschiedlich weit reichende
Kompetenzen. Sehr weitgehend institutionalisiert ist beispielsweise die Erziehungsdirektorenkonferenz
(EDK), die über ausgedehnte Befugnisse verfügt und unter anderem auch die
Kompetenz hat, Reglemente zu erlassen 218 . Weiter Organe können Vorstände, Konkordatskommissionen,
Sekretariate sowie Rekurskommissionen sein.
Interkantonale Organe werden hauptsächlich mit Vollzugs-, Verwaltungs- aber auch Rechtsprechungsaufgaben
betraut. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass sie bei der Ausübung ihrer
Funktionen in einem bestimmten Umfang gesetzgeberische Aufgaben wahrnehmen dürfen;
deren Reichweite ist (noch) umstritten. Gemäss herrschender Auffassung ist es den
Kantonen untersagt, wesentliche Rechtsetzungsbefugnisse an interkantonale Organe zu übertragen.
Dies bezieht sich in erster Linie auf solche Materien, die in einem formellen Gesetz
geregelt werden müssen (Primärnormen). Durch den Ausschluss entsprechender Kompetenzen
sollen Verletzungen des Demokratieprinzips sowie die Umgehung des kantonalen
Gesetzesreferendums verhindert werden. Den Kantonen ist es hingegen erlaubt, interkantonalen
Gremien die Rechtsetzung zu Fragen des Vollzugs sowie zu sekundären oder technischen
Materien zu überlassen 219 .
Das vollständige In-Kraft-Treten von Art. 48 Abs. 4 BV wird eine Erweiterung der Kompetenzen
der interkantonalen Organe herbeiführen. Künftig werden interkantonale Organe durch
interkantonale Verträge zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen ermächtigt werden kön-
218 Vgl. auch BOCHSLER/SCIARINI, S. 26.
219 Vgl. z.B. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 5.11.2003, VB.2003.00077, E. 4a:
In diesem Entscheid hielt das Gericht fest, dass die Anforderungen für die Anerkennung von Berufsabschlüssen
nicht bzw. nicht im Einzelnen in einem formellen Gesetz geregelt werden müssen,
weshalb die Übertragung entsprechender Befugnisse an die EDK zumindest unter diesem Gesichtspunkt
als zulässig erscheint; vgl. auch HÄFELIN, Kommentar aBV, N 86 zu Art. 7 aBV.
46

nen, die einen Vertrag umsetzen. Voraussetzung wird allerdings sein, dass der Vertrag innerkantonal
im gleichen Verfahren genehmigt worden ist, das für die Gesetzgebung gilt und,
dass der Vertrag die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt. Die Vorschriften
über die Gesetzesdelegation finden analoge Anwendung. Dabei wird es zu beachten sein,
dass kantonale Organe (Regierungen oder Parlamente) nicht mehr Gesetzgebungskompetenzen
übertragen dürfen, als sie selbst nach kantonalem Recht haben 220 .
In der Praxis finden sich zahlreiche Konkordate, welche den Organen (insbesondere den
Konkordatskonferenzen) Kompetenzen zum Erlass von Reglementen und / oder Richtlinien
einräumen. Darüber hinaus sind diese Organe befugt, konkrete Anwendungsakte (Entscheide
oder Verfügungen) gestützt auf das betreffende Konkordat und die dazu gehörenden
Reglemente zu erlassen. Diesen Befugnissen kommt im Zusammenhang mit der Umsetzung
der Rechtsweggarantie eine besondere Bedeutung zu, da der Bürger – sofern die übrigen
Voraussetzungen erfüllt sind – die Möglichkeit erhalten muss, diese Entscheide vor einer
richterlichen Behörde im Sinne von Art. 29a BV anzufechten. Eine abstrakte Normenkontrolle
(interkantonaler Vereinbarungen oder der Erlasse interkantonaler Organe) wird jedoch nicht
ausdrücklich verlangt. Die zahlreichen Empfehlungen, die von interkantonalen Organen abgegeben
werden dürfen, führen dazu, dass die Frage nach dem zulässigen Anfechtungsobjekt
(Verfügungen und / oder Realakte) auch im Bereich des interkantonalen Rechts durchaus
von Interesse ist.
Die nachstehenden Beispiele vermitteln einen kurzen Überblick über die Kompetenzen verschiedener
interkantonaler Organe; ausgewählt wurden interkantonale Vereinbarungen, die
den interkantonalen Organen sehr umfassende Kompetenzen einräumen.
Beispiel 1:
Interkantonale Vereinbarung zum Abbau technischer Handelshemmnisse (Systematische
Sammlung des Aargauischen Rechts [SAR] 950.050)
Die Vereinbarung setzt ein interkantonales Organ ein, das sich aus Vertretern der an der Vereinbarung
teilnehmenden Kantone zusammensetzt. Die Mitglieder werden jeweils von den Kantonsregierungen
aus ihrer Mitte bezeichnet (Art. 3 IVTH). Seine Kompetenzen reichen sehr weit: Es ist unter
anderem zuständig für den Erlass von Vorschriften bezüglich Anforderungen an Bauwerke, von Richtlinien
zum Vollzug von Vorschriften über das Inverkehrbringen von Produkten sowie von Vorschriften
über das Inverkehrsbringen von Produkten. Die jeweiligen Vorschriften sind für die Kantone verbindlich
(Art. 4-7 IVTH). Damit verfügt das interkantonale Organ IVTH über einen umfassenden Handlungsspielraum.
Es handelt sich im Wesentlichen um Normen, die in der Regel auf Verordnungsstufe
geregelt würden. So erklärte das interkantonale Organ gestützt auf Art. 6 Abs. 1 IVTH am 10. Juni
2004 die Brandschutznorm und 18 Brandschutzrichtlinien per 1. Januar 2005 für alle Kantone für verbindlich
221 .
Beispiel 2:
Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen (SAR
400.700)
Gemäss Art. 5 obliegt der Vollzug der Vereinbarung der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK); im
Bereich des Gesundheitswesens wird die Vereinbarung von der Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK)
vollzogen. Zugleich ist die Erziehungsdirektorenkonferenz Anerkennungsbehörde und erlässt in der
Regel auch die Anerkennungsreglemente (Art. 4 und 6 Abs. 2).
Gestützt auf diese Kompetenzen verabschiedete die Erziehungsdirektorenkonferenz verschiedene
Reglemente, darunter das Reglement über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen
(Maturitäts-Anerkennungsreglement, MAR, BGS 411.253), das Reglement für die Anerkennung der
Diplome der höheren Fachschulen für Soziale Arbeit (BGS 411.254) oder das Reglement über die
Anerkennung der Lehrdiplome in Schulischer Heilpädagogik (BGS 411.255).
220
HÄFELIN/HALLER, N 1293 ff.; ABDERHALDEN, S. 11; vgl. auch den noch nicht rechtskräftigen Art. 48
Abs. 4 BV.
221
Zu den Kompetenzen des interkantonalen Organs IVTH vgl. auch GEORG GANZ, Erfolgreiche interkantonale
Gesetzgebung: Einheitliche Brandschutzbestimmungen, in LeGes 1/2006, S. 79 ff., 84 ff.
47

Beispiel 3:
Konkordat vom 22. Oktober 1984 über den Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen
und jungen Erwachsenen in den westschweizerischen Kantonen und im Kanton Tessin (SGF
342.1) 222
Gemäss Art. 3 bilden die Konferenz der in Straf- und Massnahmenvollzugsangelegenheiten zuständigen
kantonalen Behörden (Konferenz), das Sekretariat der Konferenz, die Konkordatskommission
sowie die Westschweizerische Kommission der Schutzaufsichtsämter die Konkordatsorgane. Gemäss
Art. 4 des Konkordats gehören die Ausarbeitung von Reglementen zur Anwendung des Konkordats,
die Herausgabe von Richtlinien für die Konkordatskantone zur Harmonisierung des Straf- und Massnahmenvollzugs
oder der Erlass von Verfügungen zu den Aufgaben der Konferenz. Sie setzt sich zusammen
aus einem Vertreter jedes westschweizerischen Kantons (Art. 5 Abs. 1).
Gestützt auf diese Bestimmungen erliess die Konferenz eine Reihe von Empfehlungen 223 im Bereich
des Straf- und Massnahmenvollzugs, so z.B. die Empfehlung vom 27. Oktober 2006 über den Vollzug
von Strafen in Form der Halbgefangenschaft (SGF 342.13); vgl. ferner Empfehlung vom 27. Oktober
2006 über die Organisation der Grundausbildung und Fortbildung, des Studiums, der beruflichen Ausbildung
und der Weiterbildung der Gefangenen (SGF 342.14). Solche „Empfehlungen“ sind nicht als
verbindliche Erlasse konzipiert, sondern als „Einladung“ an die Kantone, ihre Gesetzgebung anzupassen.
Da sie „Aussenwirkungen“ entfalten können, sind sie grundsätzlich wie Verwaltungsverordnungen
zu behandeln.
Beispiel 4:
Konkordat über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ-Konkordat) vom 15. Dezember
2000 (GS OW 415.33)
Gemäss Art. 13 sind der Konkordatsrat bestehend aus den für die Bildung zuständigen Regierungsmitgliedern
der Konkordatskantone, die Direktion, der Beirat sowie die Geschäftsprüfungskommission
die Organe der PHZ. Dem Konkordatsrat kommen auch Rechtsetzungsaufgaben zu:
Art. 15 Zuständigkeiten
(..)
Rechtsetzung
j. erlässt das Statut der PHZ, in dem insbesondere die Organisation, Einzelheiten zur
Finanzierung und zum Rechnungswesen, die Zuständigkeiten der Direktion sowie jene
der Schulleitungen der Teilschulen geregelt sind;
k. erlässt eine Verordnung über das Lehrpersonal gemäss Art. 8;
l. erlässt eine Verordnung über die Rechte und Pflichten der Studierenden;
m. erlässt auf Antrag der Direktion Zulassungsbeschränkungen gemäss Art. 10 Abs. 2;
n. erlässt die Verordnungen über die Diplome und Zertifikate im Sinne von Art. 11 und
genehmigt die Studienpläne.
Gestützt darauf erliess der Konkordatsrat unter anderem das Statut der Pädagogischen Hochschule
Zentralschweiz (PHZ-Statut) vom 13. September 2002 (GS OW 415.332), das Aufnahmereglement
der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ-Aufnahmereglement) vom 13. September 2002
(GS OW 415.333) oder die Verordnung über die Studiengebühren an der Pädagogischen Hochschule
Zentralschweiz (PHZ-Gebührenverordnung) vom 13. März 2003 (GS OW 415.334).
222 Dieses Konkordat wurde durch das Konkordat vom 10. April 2006 über den Vollzug von Strafen
und Massnahmen an Erwachsenen und jungen Erwachsenen in den Westschweizer Kantonen
(Concordat sur l'exécution des peines privatives de liberté et des mesures concernant les adultes
et les jeunes adultes dans les cantons latins [Concordat latin sur la détention pénale des adultes])
abgelöst, welches zurzeit noch nicht für alle Kantone in Kraft getreten ist.
223 Der Begriff „Empfehlung“ ist neu; vor dem 1. Januar 2007 hiessen die Erlasse der Konferenz in der
Regel „Reglemente“, vgl. z.B. Reglement vom 27. Oktober 2003 über den stufenweisen Strafvollzug
sowie den Massnahmenvollzug an Gewohnheitsverbrechern (alt: SGF 342.13) oder das Reglement
vom 10. Oktober 1988 über die Krankenpflegestation des Gefängnisses von La Chaux-de-
Fonds (alt: SGF 342.14); es ist offenbar vorgesehen, die neuen „Empfehlungen“ durch ein Reglement
der Konferenz zu ersetzen (Art. 18 der Empfehlung vom 27. Oktober 2006 über den Vollzug
von Strafen in Form der Halbgefangenschaft); in der Zwischenzeit werden die lateinischen Kantone
„eingeladen“, ihre kantonalen Regelungen über die Halbgefangenschaft anzupassen.
48

Beispiel 5:
Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen
(RB TG 341.1)
Gestützt auf Art. 2 des Konkordates nimmt die Strafvollzugskommission als oberstes Organ, bestehend
aus je einem Regierungsmitglied der beteiligten Kantone, zahlreiche Aufgaben wahr. Dazu gehört
die Ausübung der Aufsicht über die Anwendung und Auslegung des Konkordats und die Entscheidung
in Streitfällen, der Erlass von Richtlinien im Vollzugsbereich oder die Erteilung von Bewilligungen
an privat geführte Einrichtungen, bestimmte Strafen und Massnahmen zu vollziehen. Wichtig
können hier auch die Aufgaben der von der Strafvollzugskommission zu bestellenden Fachkommission
zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern. Diese kann dazu Empfehlungen abgeben
(vgl. Art. 6 des Konkordates).
Beispiel 6:
Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich (GS OW 415.32)
§ 18 der Vereinbarung zählt die zahlreichen Kompetenzen des Hochschulrates auf. Dieser setzt sich
zusammen aus je einem Mitglied der Konkordatskantone mit Ausnahme des Kantons, der den Präsidenten
stellt, welcher Anspruch auf zwei Mitglieder hat (§ 14). Unter anderem bestimmt er die
Schwerpunkte in der Aus- und Weiterbildung, legt die einzelnen Ausbildungsgänge fest und entscheidet
über deren Durchführung, schliesst verschiedene Verträge ab, entscheidet über die Anstellung der
Mitglieder der Schulleitung und des Lehrkörpers sowie über die Entlassung von Mitarbeitern aus disziplinarischen
und anderen wichtigen Gründen; ferner erlässt er Vorschriften über die Aufnahme in die
Hochschule, über die Promotion und Prüfungen, entscheidet über Zulassungsbeschränkungen, erlässt
Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Studierenden, legt die Studiengelder und Gebühren
fest oder statuiert über Rekurse gegen Verfügungen nachgeordneter Instanzen der Hochschule.
E. Der Rechtsschutz im interkantonalen Bereich
Im interkantonalen Bereich ist die Ausgestaltung des Rechtsschutzes und des Verfahrens je
nach Vereinbarung verschieden. In vielen Fällen verzichten die Konkordate auf den Erlass
eigener Rechtsschutzbestimmungen.
Bei denjenigen Vereinbarungen, die Verfahrens- und Rechtsschutzbestimmungen enthalten,
muss nach geltendem Recht zwischen der interkantonalen und der Bundesebene unterschieden
werden: Auf interkantonaler Ebene können die Vertragsparteien für die Konfliktlösung
eigene Gremien wie beispielsweise Rekurskommissionen einsetzen oder auf die
Rechts- und Verfahrensordnung einer Vertragspartei verweisen. Für die Wahl der Streitschlichtungsinstanz
ist es unter anderem von Bedeutung, ob die jeweilige Vereinbarung
rechtsgeschäftlich oder rechtsetzend ist.
Vor der Justizreform bestanden auf Bundesebene lediglich zwei Rechtsmittel: Die staatsrechtliche
Klage und die staatsrechtliche Beschwerde. Erstere stand nur Vertragsparteien,
Letztere nur Privaten zu. Dieser Beschwerdeweg wurde durch die neuen Rechtsmittel gemäss
BGG abgelöst, was verschiedene Anpassungen auf inter- und innerkantonaler Ebene
erforderlich macht. Bevor jedoch auf den Rechtsschutz im interkantonalen Bereich als Kernstück
der vorliegenden Ausführungen eingegangen wird, sollen zunächst die bundesrechtlichen
Vorschriften vor und nach der Justizreform geschildert werden (Ziff. I hiernach). Dieses
Vorgehen wird bewusst gewählt, da die Vorgaben des BGG an die Kantone, wie bereits gesehen,
erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung des kantonalen bzw. interkantonalen
Rechtsschutzsystems zeitigen. Anhand verschiedener konkreter Beispiele wird anschliessend
das Rechtsmittelsystem auf interkantonaler Ebene dargestellt und auf seine Kompatibilität
mit Art. 29a BV untersucht. Schliesslich werden Vorschläge für eine Anpassung an die
Anforderungen der Rechtsweggarantie erarbeitet und es werden Lösungsmodelle skizziert
(Ziff. II).
49

I. Der Rechtsschutz auf Bundesebene
1. Vor der Justizreform
Auf Bundesebene hing die Wahl des zulässigen Rechtsmittels davon ab, ob eine Vertragspartei
(ein Kanton) oder der einzelne Bürger klagte bzw. Beschwerde führte.
1.1 Klage einer Vertragspartei
Wollte eine Vertragspartei gegen eine andere Vertragspartei oder gegen ein interkantonales
Organ vorgehen, so stand ihr nur das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Klage gemäss Art.
83 lit. b OG zur Verfügung. Damit konnten Verletzungen der interkantonalen Vereinbarung
geltend gemacht werden. Die Parteien konnten indessen auch vereinbaren, auf die Erhebung
der staatsrechtlichen Klage zu verzichten und allfällige Streitigkeiten aus dem betreffenden
Konkordat von einem Schiedsgericht beurteilen zu lassen.
Beispiel 1:
Art. 22 der Interkantonalen Universitätsvereinbarung vom 20. Februar 1997
Das Bundesgericht entscheidet gemäss Artikel 83 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes
über die Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 19431) auf staatsrechtliche Klage über Streitigkeiten,
die sich aus dieser Vereinbarung zwischen Kantonen ergeben können; vorbehalten
bleibt Artikel 21.
Beispiel 2:
Art. 7 des Konkordates über die Schulkoordination (BGS 411.211)
Bei Streitigkeiten, die sich aus dem Konkordat zwischen Kantonen ergeben, entscheidet auf
Klage hin das Bundesgericht.
1.2 Beschwerden von Privaten
Privaten stand das Instrument der staatsrechtlichen Klage nicht zur Verfügung. Sie konnten
ihre Rügen auf Bundesebene lediglich mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
von Konkordaten gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG geltend machen. Beschwerdeberechtigt
waren natürliche und juristische Personen, sofern sie durch den interkantonalen Vertrag persönlich
berechtigt oder verpflichtet waren, nicht aber, wenn nur Rechte und Pflichten der beteiligten
Kantone begründet wurden. Dabei war es unerheblich, ob der Beschwerdeführer
Kantonseinwohner oder Kantonsfremder war. Anfechtungsobjekt waren interkantonale
Rechtsetzungs- wie auch Rechtsanwendungsakte. Analog zu kantonalen Erlassen konnten
ferner auch interkantonale Verträge wegen Verletzungen verfassungsmässiger Rechte der
Bürger mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. In beiden Fällen stand die
staatsrechtliche Beschwerde auch gegen Erlasse interkantonaler Organe zur Verfügung 224 .
224 HÄFELIN/HALLER, N 1301 ff.; HÄFELIN, Kommentar aBV, N 98 ff. zu Art. 7 aBV.
50

Beispiel 1:
Art. 10 Abs. 1 der Interkantonalen Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen
vom 18. Februar 1993 (BGS 411.251) 225
Die Reglemente und die Entscheide der Anerkennungsbehörden können von den betroffenen
Privaten gemäss Artikel 84 Absatz 1 literae a und b des Bundesgesetzes über die Organisation
der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 beim Bundesgericht mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten werden.
Beispiel 2:
Art. 23 Abs. 2 des Reglements über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen
(Maturitäts-Anerkennungsreglement, MAR, BGS 411.253)
Beschwerdeentscheide der Plenarversammlung [der EDK] können vom gesuchstellenden Kanton
durch staatsrechtliche Klage an das Bundesgericht (Art. 83 Bst. b des Bundesgesetzes
über die Bundesrechtspflege; OG) weitergezogen werden. Für die betroffenen Schulträger steht
die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 84 Bst. a und b OG) zur Verfügung.
2. Nach der Justizreform
2.1 Klage einer Vertragspartei
Sofern eine Vertragspartei gegen eine andere klagen möchte, unterscheidet sich der
Rechtsmittelweg nach In-Kraft-Treten des BGG nicht wesentlich vom bisherigen. Die staatsrechtliche
Klage wurde durch die Klage gemäss Art. 120 BGG ersetzt. Von Bedeutung in
diesem Zusammenhang ist insbesondere dessen Abs.1 lit. b, wonach der Bund als einzige
Instanz zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen
oder zwischen Kantonen beurteilt. Unter den Begriff „öffentlich-rechtliche Streitigkeiten“ fallen
alle Arten von Streitigkeiten, d.h. auch solche aus interkantonalen Verträgen 226 .
Die Klage gemäss BGG übernimmt im Wesentlichen die Grundzüge der staatsrechtlichen
Klage. Auch unter neuem Recht wird nur Bund und Kantonen, nicht aber Privaten, Parteistellung
zukommen. Bei Streitigkeiten zwischen den Kantonen treten die Kantone, handelnd
durch die Kantonsregierungen, oder interkantonale Organe als Partei auf 227 .
2.2 Beschwerden von Privaten
Hinsichtlich des Beschwerderechts von Privaten und anderen Organisationen gilt es zunächst
festzuhalten, dass interkantonale Akte grundsätzlich kantonalen gleichgesetzt werden.
Demzufolge kann der Einzelne einerseits rechtsetzende interkantonale Vereinbarungen
und Erlasse interkantonaler Organe gestützt auf Art. 82 lit. b BGG mit Einheitsbeschwerde
(Einheitsbeschwerde gegen Erlasse) anfechten. Als Beschwerdegründe kommen namentlich
Verletzungen von Bundes- oder Völkerrecht durch interkantonale rechtsetzende Akte in Frage
(Art. 95 lit. a und b BGG). Nach wie vor ist es möglich, Verletzungen verfassungsmässiger
Rechte durch interkantonales Recht zu rügen. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
steht gegen Erlasse im Allgemeinen nicht zur Verfügung und ist somit auch gegen interkantonale
Erlasse ausgeschlossen; der Rechtsweg ans Bundesgericht im Rahmen dieses
Rechtsmittels wird nur für die Anfechtung von Entscheiden letzter kantonaler Instanzen eröffnet
228 .
225
Diese Bestimmung soll im Hinblick auf die Einführung der Rechtsweggarantie revidiert werden; ein
entsprechender Entwurf liegt bereits vor; vgl. dazu unten Ziff. II/2.2, Beispiel 4.
226
Vgl. SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 120, N 8.
227
Zum Ganzen SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Art. 120, N 4 und 9 ff.
228
Vgl. auch MÄCHLER, S. 459 f.
51

Die Beschwerdevoraussetzungen und die Kognition des Bundesgerichts richten sich grundsätzlich
nach den obigen Ausführungen (vgl. § 2/A/II/1). Es gilt indessen zu beachten, dass
in bestimmten Fällen eine Ausweitung der Beschwerdelegitimation stattfinden kann: Werden
aufgrund einer interkantonalen Vereinbarung auch Verwaltungstätigkeiten vorgenommen, die
sich auf Personen mit Wohnsitz ausserhalb des eigenen Gebiets auswirken und gelangt in
der Sache das Recht des Standortkantons zur Anwendung, so können auch Personen mit
Wohnsitz ausserhalb des Standortkantons von allfälligen Erlass- und Erlassänderungen, die
gegen eine interkantonale Vereinbarung verstossen, zumindest virtuell betroffen sein. Daher
müsste bei kantonalem Gesetzes- und Verordnungsrecht, das aufgrund einer interkantonalen
Vereinbarung auf Personen aus anderen Kantonen angewendet wird, der Kreis der Beschwerdeberechtigten
ausgeweitet werden 229 .
Neben der Einheitsbeschwerde gegen kantonale Erlasse kommt im interkantonalen Bereich
auch die Einheitsbeschwerde gegen Entscheide wegen Verletzung von Konkordaten zum
Zuge (vgl. Art. 95 lit. e BGG). Das Bundesgericht prüft die Anwendung sämtlicher interkantonalen
Vereinbarungen, die Privaten Rechte gewähren oder Pflichten auferlegen. Gegen Entscheide
ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ebenfalls zulässig, sofern die übrigen
Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 2/A/II/2) 230 .
Stark vereinfacht kann der Rechtsschutz auf Bundesebene vor und nach der Justizreform
folgendermassen dargestellt werden:
Schema IV: Rechtsschutz auf Bundesebene vor und nach der Justizreform
Schema IVa: Private / Organisationen
229 Vgl. MÄCHLER, S. 460 f.
230 MÄCHLER, S. 461.
52

Schema IVb: Kantone / Interkantonale Organe
II. Der Rechtsschutz auf interkantonaler Ebene
Nach einem kurzen Überblick über die sich aus der Rechtsweggarantie ergebenden Anforderungen
an das interkantonale Rechtsschutzsystem (Ziff. 1) werden im Folgenden anhand
zahlreicher Beispiele die Hauptkategorien von Rechtsschutzbestimmungen gemäss interkantonalem
Recht erläutert. Gleichzeitig werden die verschiedenen Varianten auf ihre Verträglichkeit
mit Art. 29a BV untersucht (Ziff. 2).
1. Die Auswirkungen der Rechtsweggarantie auf den interkantonalen
Rechtsschutz
Aus dem Wesen der Rechtsweggarantie als Grundrecht lässt sich erkennen, dass die
Rechtsweggarantie grundsätzlich nur Privaten zugute kommen kann. Daher sind rechtsgeschäftliche
Vereinbarungen, die lediglich die Vertragsparteien berechtigen oder verpflichten
für die Umsetzung der Rechtsweggarantie von geringerer Bedeutung. Im Vordergrund stehen
demnach die unmittelbar rechtsetzenden Vereinbarungen, die Privaten Rechte einräumen
oder Pflichten auferlegen können.
Allein durch die Einführung der Einheitsbeschwerde (vgl. § 2/A/II/1) kann die Rechtsweggarantie
gemäss Art. 29a BV im interkantonalen Bereich nicht gewährleistet werden. Dies liegt
einerseits in der eingeschränkten Kognition des Bundesgerichts im Rahmen sämtlicher Unterarten
der Einheitsbeschwerde; andererseits spielen die Ausnahmekataloge gemäss BGG
(insbesondere Art. 83) sowie die Verankerung von Streitwertgrenzen eine sehr wichtige Rolle,
da sie den Zugang zum Bundesgericht begrenzen bzw. ausschliessen. In diesen Bereichen
obliegt die Umsetzung der Rechtsweggarantie vollständig den Kantonen. Dies kann
namentlich auf dem Gebiet der Bildung von Bedeutung sein, da Beschwerden ans Bundesgericht
gegen Prüfungsergebnisse unzulässig sind 231 . Demzufolge sind die Kantone gestützt
auf Art. 29a BV – sofern keine zulässige Ausnahme von der Rechtsweggarantie vorliegt –
verpflichtet, Privaten bei Rechtsstreitigkeiten aus interkantonalen Vereinbarungen den Zugang
zu einer richterlichen Behörde zu gewähren, die über eine umfassende Kognition sowohl
hinsichtlich der Sachverhalts- als auch der Rechtsfragen verfügt. Sofern eine der Beschwerden
ans Bundesgericht zulässig ist, sind die Kantone zudem gehalten, obere Gerichte
als letzte kantonale Instanzen einzusetzen, die zumindest die im BGG enthaltenen Anforderungen
erfüllen.
231 Vgl. auch MÄCHLER, S. 466 f.
53

Ob das Rechtsmittelsystem jeweils den verfassungsmässigen Voraussetzungen entspricht
bzw. ein Anpassungsbedarf entsteht, kann mit Hilfe des nachstehenden Schemas überprüft
werden:
Schema V: Prüfschema
54
Interkantonale
Vereinbarungen
Rechtsgeschäftlich Mischformen
Rechtsetzend
Klage
nach Art .120 BGG
(Direktprozess)
Ja
Kein
Anpassungsbedarf
Liegt eine zulässige
Ausnahme vor?
Ja
Kein
Anpassungsbedarf
Unmittelbar
rechtsetzend
Art. 29a BV
grundsätzlich
anwendbar
Ja
Sind diese mit Art.
29a BV vereinbar?
Nein
Bestehen eigene
Rechtsschutzbestimmungen?
Nein
Nein
Vorschläge für eine
Anpassung an Art.
29a BV
Mittelbar
rechtsetzend
Art. 29a BV
grundsätzlich
nicht anwendbar

2. Rechtsschutzmodelle auf interkantonaler Ebene
Der Rechtsschutz im interkantonalen Bereich ist eher dürftig ausgebaut. Zahlreiche interkantonale
Vereinbarungen kennen keine Rechtsschutzvorschriften oder sie beschränken sich
auf die Regelung der Streitschlichtung zwischen den Vertragsparteien (staatsrechtliche Klage,
Schiedsverfahren). Um herauszufinden, ob in solchen Fällen Anpassungen an die
Rechtsweggarantie erforderlich sind, muss primär wiederum auf die Unterscheidung zwischen
rechtsetzenden und rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zurückgegriffen werden
(vgl. oben Abbildung V; zu den interkantonalen Vereinbarungen ohne eigene Rechtsschutzbestimmungen
vgl. auch unten Ziff. 4).
Verschiedene interkantonale Vereinbarungen bzw. die entsprechende Ausführungsgesetzgebung
enthalten jedoch auch eigene Rechtsschutzbestimmungen. Der Unterscheidung zwischen
rechtsetzenden und rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen folgend, sehen rechtsetzende
Verträge häufiger ein eigenes Rechtsschutzverfahren vor, das Privaten Rechtsmittel
einräumt. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen schreiben in der Regel, wenn überhaupt, nur
für die beteiligten Parteien ein Rechtsmittel vor. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang
die Tatsache, dass auch gemischte Verträge, die aber vorwiegend rechtsgeschäftlichen
Charakter haben, in den meisten Fällen sich damit begnügen, ein Rechtsmittel für die
Parteien vorzusehen. An wen Private ihre Ansprüche richten können, bleibt dabei offen.
Zu den häufigsten Lösungen gehört bei den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen die Beurteilung
durch eine Schiedsinstanz. Bei den rechtsgeschäftlichen Verträgen ist sowohl die
Überprüfung durch ein interkantonales Organ (z.B. eine interkantonale Rekurskommission)
als auch der Verweis auf die Rechtsordnung einer Vertragspartei möglich. Daneben existieren
auch Mischformen, die Elemente verschiedener Lösungsmodelle kombinieren oder Varianten,
die sich in keine der angegebenen Hauptkategorien subsumieren lassen.
Die wichtigsten Lösungsmodelle können wie folgt dargestellt werden:
Schema VI: Lösungsmodelle
In der Folge sollen die verschiedenen Modelle anhand von Beispielen veranschaulicht werden
und auf ihre Kompatibilität mit der Rechtsweggarantie untersucht.
2.1 Schiedsinstanzen
2.1.1 Beispiele
Beispiel 1
Art. 9 Interkantonale Vereinbarung über die Beiträge an die Ausbildungskosten in der beruflichen
Grundbildung (Berufsfachschulvereinbarung, BFSV) vom 22. Juni 2006 (die Vereinbarung
wird zurzeit noch von den Kantonen ratifiziert):
55

1
Für allfällige sich aus der Anwendung oder Auslegung dieser Vereinbarung ergebende Streitigkeiten
zwischen den Vereinbarungskantonen wird ein Schiedsgericht eingesetzt.
2
Dieses setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen, welche durch die Parteien bestimmt werden.
Können sich die Parteien nicht einigen, so wird das Schiedsgericht durch den Vorstand
der EDK bestimmt.
3
Die Bestimmungen des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 19692 finden
Anwendung.
4
Das Schiedsgericht entscheidet endgültig.
Beispiel 2
Art. 21 der Interkantonalen Universitätsvereinbarung vom 20. Februar 1997:
Eine von der Kommission Universitätsvereinbarung eingesetzte Schiedsinstanz entscheidet
endgültig über strittige Fragen betreffend die Studierendenzahl, die Zuordnung der Studierenden
zu einer der drei Fakultätsgruppen und die Zahlungspflicht eines Kantons.
Beispiel 3
Art. 14 des Regionalen Schulabkommens 2000 (RSA 2000) über die gegenseitige Aufnahme von
Auszubildenden zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Luzern,
Solothurn und Zürich (BGS 411.241).
Die Konferenz der Abkommenskantone [Schiedsinstanz] entscheidet endgültig über allfällige
Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung oder Auslegung des Abkommens ergeben. Vorbehalten
bleiben die entsprechenden Bestimmungen der Interkantonalen Vereinbarungen FHV,
FSV und BSV.
In diesem Beispiel wird keine spezielle Schiedsinstanz eingesetzt, sondern die Streitschlichtung obliegt
der Konferenz der Abkommenskantone, die sich aus je einer Vertretung der Kantone zusammensetzt,
die dem Abkommen beigetreten sind (Art. 15).
Beispiel 4:
Art. 17 der Interkantonalen Fachhochschulvereinbarung (FHV) ab 2005 vom 12. Juni 2003
1
Die Konferenz der Vereinbarungskantone setzt eine Schiedsinstanz mit sieben Mitgliedern
ein. Sie bestimmt deren Präsidentin oder Präsidenten.
2
Die Schiedsinstanz entscheidet in einer Besetzung von drei Mitgliedern, von denen sich keines
aus den direkt betroffenen Kantonen befinden darf.
3
Die Schiedsinstanz entscheidet endgültig über strittige Fragen betreffend
a die Zahl der Studierenden,
b. den massgebenden Wohnsitz,
c. die Zahlungspflicht der Kantone.
4
Die Bestimmungen des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. März 1969 (SR
279) finden Anwendung.
Beispiel 5
Die Rolle einer Schiedsinstanz übernimmt im Grunde genommen auch die durch das Konkordat über
den Ausschluss von Steuerabkommen (SGF 636.1) eingesetzte „Konkordatskommission“, die von
der Finanzdirektorenkonferenz gewählt wird, sofern sie auf Beschwerde hin eine Entscheidung zu treffen
hat 232 . Ihre Entscheide werden ebenfalls als endgültig bezeichnet und sind von der Konkordatskommission
zu vollziehen; vgl. Art. 4:
1 Die Aufsicht über die Durchführung des Konkordates und die Entscheidung über Zuwiderhandlungen
gegen das Konkordat wird einer von der Finanzdirektorenkonferenz gewählten
Konkordatskommission übertragen.
2 Die Finanzdirektorenkonferenz regelt das Wahlverfahren, die Entschädigungen der Mitglieder
der Kommission, das Verfahren vor der Konkordatskommission und die Kostentragung für deren
Entscheidungen.
3 Stellt ein Konkordatskanton fest, dass ein anderer Konkordatskanton oder einer seiner Bezirke,
Kreise oder Gemeinden einen Steuerpflichtigen nicht in Übereinstimmung mit den vorstehenden
Regeln besteuert oder der vereinbarten Meldepflicht nicht nachkommt, so erhebt er
Beschwerde bei der Konkordatskommission. Diese stellt nach Durchführung eines kontradiktorischen
Verfahrens fest, ob eine Verletzung des Konkordates vorliegt.
232 So auch SCHMIDT, S. 182.
56

4 Wird durch Entscheid der Konkordatskommission festgestellt, dass die Behörden oder Beamten
eines Kantons, seiner Bezirke, Kreise oder Gemeinden die Bestimmungen des Konkordates
verletzt haben, so wird der dem Konkordat widersprechende Verwaltungsakt aufgehoben.
Überdies hat der fehlbare Kanton eine von der Konkordatskommission auszufällende Busse
zu bezahlen.
2.1.2 Beurteilung dieses Modells im Lichte der Rechtsweggarantie
Spezielle Schiedsgremien, meistens Schiedsinstanzen genannt, werden durch rechtsgeschäftliche
Vereinbarungen zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien
eingesetzt. In der Regel handelt es sich dabei um besondere Organe, die sich von der Konferenz
der Kantonsvertreter unterscheiden. Ausnahmsweise kann aber auch die Konferenz
der Abkommenskantone als „Schiedsinstanz“ amten, wie dies beim Regionalen Schulabkommen
2000 (RSA 2000) über die gegenseitige Aufnahme von Auszubildenden zwischen
den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Luzern, Solothurn und
Zürich (oben Beispiel 3) der Fall ist.
Einzelne Konkordate schreiben vor, dass die Schiedsinstanz endgültig entscheidet, womit
die staatsrechtliche Klage an das Bundesgericht ausgeschlossen wird 233 . Der vollständige
Ausschluss des Rechtswegs ans Bundesgericht wird allerdings von einem Teil der Lehre als
unzulässig erachtet 234 . Dem kann nach der vorliegenden Auffassung nicht zugestimmt werden:
Sofern die Kantone für die Beilegung von Konkordatsstreitigkeiten unter sich die Einsetzung
eines Schiedsgerichts vereinbaren, unterwerfen sie sich der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit.
Die Bestellung eines Schiedsgerichts bedeutet dem Wesen des Schiedsgerichts
nach einen Verzicht auf ordentliche Rechtsmittel 235 .
Da Schiedsinstanzen grundsätzlich zwecks Streitschlichtung zwischen den Vertragsparteien
eingesetzt werden, eignen sie sich insbesondere für rechtsgeschäftliche Vereinbarungen. Ob
sie sämtliche Voraussetzungen erfüllen, die gemäss Art. 29a BV an richterliche Behörden
gestellt werden, ist unerheblich, da die Rechtsweggarantie zwischen den Konkordatskantonen
nicht gewährleistet werden muss. Ist die „Schiedsinstanz“ aber auch befugt, über Rechte
oder Pflichten von Privaten zu statuieren, muss sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügen. In diesem Fall gilt es noch zu unterscheiden, ob die Schiedsinstanz als „echtes“
Schiedsgericht konzipiert wurde oder, ob es sich dabei um ein anderes Streitschlichtungsgremium
handelt. Damit Schiedsgerichte die Anforderungen an eine unabhängige richterliche
Instanz erfüllen, müssen sie von den Verfahrensparteien bestimmt werden und zwar
derart, dass eine Einflussnahme einer Partei auf den Ausgang des Verfahrens grundsätzlich
ausgeschlossen werden kann (vgl. auch die Ausführungen unter § 2/C/I/1.1.2). Da interkantonale
Schiedsinstanzen in der Regel durch die Konkordatsparteien bezeichnet werden,
können sie gegenüber Privaten, die keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung haben,
nicht als echte Schiedsgerichte auftreten. Allenfalls gilt es zu überlegen, ob die jeweilige
Schiedsinstanz in Bezug auf Private die Rolle gewöhnlicher Rechtsmittelbehörden spielen
könnte. Damit die betreffende Instanz jedoch als richterliche Behörde bezeichnet werden
kann, müsste sie die Anforderungen gemäss Art. 30 BV erfüllen, namentlich eine unabhän-
233 Vgl. z.B. Art. 17 Abs. 3 i.V.m. Art. 18 der Interkantonalen Fachhochschulvereinbarung (FHV) ab
2005 vom 12. Juni 2003; vgl. aber auch Art. 21 und 22 der Interkantonalen Universitätsvereinbarung
vom 1. April 1998 (LS 415.17), wo grundsätzlich auf die staatsrechtliche Klage ans Bundesgericht
verwiesen wird, während einzelne Fragen (betreffend die Studienzahl, die Zuordnung der Studierenden
zu den Fakultätsgruppen und die Zahlungspflicht eines Kantons) der Beurteilung durch
eine Schiedsinstanz überlassen wird.
234 Vgl. ULRICH HÄFELIN, Kommentar aBV, N 104 zu Art. 7 aBV, mit Bezug unter anderem auf das
Konkordat über den Abschluss von Steuerabkommen.
235 SCHMIDT, S. 64 und 69 und zur Endgültigkeit des Schiedsspruches S. 188 f.: Die Zuständigkeit des
Bundesgerichts wäre beispielsweise gegeben bei einem Streit über formelle Mängel, namentlich
über die Verbindlichkeit, Gültigkeit, Auslegung oder Rechtskraft der Schiedsgerichtsurteile oder
wenn die Schiedsinstanz in einem allfälligen Revisionsverfahren keine Gewähr für eine einwandfreie
Entscheidung des Rechtsstreites bietet.
57

gige und unparteiische richterliche Instanz sein, was vermutlich in den meisten Fällen nicht
der Fall sein wird.
Zur Erläuterung können zwei Beispiele angeführt werden: Im Rahmen der oben zitierten Berufsfachschulvereinbarung
(oben Beispiel 1) wurde ein „echtes Schiedsgericht“ eingesetzt,
das durch die Parteien bestimmt wird. „Parteien“ können gemäss Wortlaut nur die Vereinbarungskantone
sein, so dass eine Beurteilung allfälliger Ansprüche von Drittbetroffenen durch
dieses Gremium ausgeschlossen bleibt. Im Falle des zitierten Schulabkommens (RSA 2000;
vgl. oben Beispiel 3) handelt es sich bei der „Schiedsinstanz“ offensichtlich nicht um ein
Schiedsinstanz in herkömmlichem Sinne; vielmehr übernimmt die Konferenz der Konkordatskantone
unter anderen Aufgaben auch die Streitschlichtung. Eine besondere Behörde
wurde zu diesem Zweck demnach nicht eingesetzt. Es gilt indessen festzuhalten, dass dieses
Abkommen sich auf die Rechtstellung von Privaten auswirken kann. So räumt es beispielsweise
Auszubildenden – im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten – einen Anspruch
auf Gleichberechtigung ein. Ferner hält es fest, dass Auszubildende bei Verlegung des
Wohnsitzes der Eltern in einen anderen Abkommenskanton für die Dauer von höchstens
zwei Jahren das bisherige Angebot weiterhin besuchen dürfen (Art. 13 Abs. 1). Sobald persönliche
Rechte und Pflichten berührt sind, muss aber der Zugang zu einem Gericht im Sinne
von Art. 29a BV gewährleistet werden, sofern keine Ausnahme gestützt auf den zweiten
Satz dieser Bestimmung zulässig ist. Dies ist im zitierten Beispiel offensichtlich nicht der Fall.
Das als „Schiedsinstanz“ bezeichnete Organ erfüllt die an richterliche Behörden gestellten
Anforderungen nicht: Es fehlen sowohl Vorschriften über das Verfahren als auch solche über
die Unabhängigkeit. Es ist im Übrigen schwer vorstellbar, wie die Konferenz als unabhängiges
Gremium im Sinne von Art. 29a BV bezeichnet werden könnte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Schiedsinstanzen primär geeignete Streitschlichtungsbehörden
zwischen den Konkordatsparteien sind. Für Private stellen diese keine
„echten“ Schiedsgerichte dar, dies hauptsächlich weil die Rechtsuchenden keinen Einfluss
auf ihre Bestellung und Zusammensetzung haben. Ob die als Schiedsinstanzen bezeichneten
Behörden den Privaten gegenüber als richterliche Behörden im Sinne von Art. 30 BV auftreten
können, ist fraglich, da diese Gremien in den wenigsten Fällen die Voraussetzung der
Unabhängigkeit erfüllen werden. Sobald sich aber eine (selbst rechtsgeschäftliche bzw. gemischte)
interkantonale Vereinbarung auf die Rechtsstellung von Privaten auswirkt, muss
diesen der Zugang zu einem Gericht im Sinne von Art. 29a BV offen stehen. Die Lösungsvarianten
für diese Konstellation entsprechen jenen, die in Fällen, in denen die jeweilige Vereinbarung
keine eigenen Rechtsschutzbestimmungen enthält, zur Verfügung stehen. Es wird
somit auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen (vgl. Ziff. 4 hiernach).
2.2 Rekurskommissionen
Bestimmte interkantonale Vereinbarungen setzen Rekurskommissionen ein, die entweder als
Rekursbehörden im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens oder als einzige Instanz entscheiden.
Ausgehend von einzelnen Beispielen aus dem interkantonalen Recht (unten Ziff.
2.2.1) wird im Folgenden das Institut der interkantonalen Rekurskommission näher erläutert
(unten Ziff. 2.2.2) und auf seine Konformität mit der Rechtsweggarantie untersucht (unten
Ziff. 2.2.3).
2.2.1 Beispiele
Beispiel 1
Art. 16 Interkantonale Vereinbarung vom 3. Juni 1971 über die Kontrolle der Heilmittel (SGF
821.20.1)
1
Die Rekurskommission beurteilt Rekurse gegen Befunde der Interkantonalen Kontrollstelle
im Rahmen ihrer Aufgaben gemäss Artikel 13 Abs. 1, 2 und 5.
2
Sie besteht aus dem Präsidenten und sechs weiteren Mitgliedern sowie vier Ersatzmitgliedern.
Ihr ist ein Sekretär beigegeben.
58

3
Die Mitglieder und Ersatzmitglieder dürfen weder dem Vorstand noch den Fachkommissionen
und Begutachtungskollegien angehören.
4
Bei der Wahl der Mitglieder und der Ersatzmitglieder ist darauf zu achten, dass die für die Begutachtung
von Präparaten und für die Herstellungskontrolle massgebenden Fachrichtungen
vertreten sind. Der Präsident und der Sekretär müssen Juristen sein.
5
Die Amtsdauer der Mitglieder, der Ersatzmitglieder und des Sekretärs beträgt vier Jahre. Wiederwahl
ist zulässig.
6
Bei Beratungen und Abstimmungen haben der Präsident und vier weitere Mitglieder mitzuwir-
ken.
Art. 13 Abs. 1, 2 und 5, worauf im Abs. 1 verwiesen wird, hat sodann folgenden Inhalt:
1 Die Interkantonale Kontrollstelle untersucht, begutachtet und registriert die bewilligungspflichtigen
Heilmittel. Die Untersuchung und Begutachtung kann periodisch wiederholt werden.
2 Sie teilt den Kantonen den Befund mit und beantragt die zu bewilligende Verkaufsart oder die
Abweisung des Heilmittels. Die Begutachtung bezieht sich auf Zusammensetzung, Art der Reklame
und Preis.
(…)
5 Sie führt auf Verlangen eines Herstellers im Einvernehmen mit dem Bund und in Zusammenarbeit
mit den für die Heilmittelkontrolle zuständigen kantonalen Behörden Inspektionen von
Betrieben oder Unternehmen für fremde Staaten durch, welche solche Inspektionen als Bedingung
für die Einfuhr vorschreiben. Massgebend sind dabei grundsätzlich die in dieser Vereinbarung
und in den entsprechenden Ausführungsbestimmungen festgelegten Anforderungen.
Beispiel 2
Konkordat über Errichtung und Betrieb einer interkantonalen Polizeischule Hitzkirch vom 25.
Juni 2003 (GS OW 510.3)
F. Unabhängige Rekurskommission
Art. 17 Zusammensetzung
1 Die unabhängige Rekurskommission besteht aus fünf Mitgliedern sowie einem nicht stimmberechtigten
Sekretariat. Die Funktion als Mitglied der Rekurskommission ist nebenamtlich.
2 Jedes Konkordatsmitglied kann eine Person für die Rekurskommission vorschlagen. Die Konkordatsbehörde
(oberste vollziehende Behörde bestehend aus je einem Mitglied der Exekutiven
der Konkordatsmitglieder) wählt daraus eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden, vier
Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder. Die Zugehörigkeit zur Konkordatsbehörde, zum Schulrat,
zur Schuldirektion oder zum vollamtlichen Lehrkörper der IPH schliesst die Wahl in die Rekurskommission
aus.
3 Die Leitung der Rekurskommission muss einer Person mit abgeschlossener juristischer Ausbildung
übertragen werden. Mindestens zwei Mitglieder müssen Angehörige eines Polizeikorps
eines Konkordatsmitglieds sein.
4 Die Mitglieder sind für vier Jahre gewählt und können wiedergewählt werden. Die Wahl erfolgt
per 1. Januar, erstmals im Jahr der Schuleröffnung.
5 Das Sekretariat wird von der Schule zur Verfügung gestellt.
6 Die Konkordatsbehörde regelt die Entschädigung der Mitglieder der Rekurskommission.
Art. 18 Zuständigkeit
Die unabhängige Rekurskommission entscheidet über Beschwerden gegen Verfügungen der
Konkordatsbehörde, der Schuldirektion sowie des Schulrats. Sie ist in ihrem Entscheid nicht
weisungsgebunden. Sie hat volle Kognition.
Art. 19 Entscheidverfahren
1
Die Rekurskommission hat ihren Sitz in Hitzkirch.
2
Die Rekurskommission ist beschlussfähig, wenn mindestens drei stimmberechtigte Mitglieder
an der Sitzung teilnehmen.
3
Enthält weder dieses Konkordat noch das Schulstatut eine besondere Regelung, so gilt das
Verwaltungsverfahrensrecht des Kantons Luzern analog.
Art. 20 Weiterziehung
1 Gegen Entscheide der Rekurskommission kann innert 30 Tagen beim Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden. Es findet das Verwaltungsverfahrensrecht
des Kantons Luzern Anwendung.
59

2 Entscheide betreffend Verfügungen über den Schulausschluss von Auszubildenden der
Konkordatsmitglieder sind bei der zuständigen Verwaltungsjustizbehörde des anstellenden
Konkordatsmitglieds anzufechten. Es findet das Verfahrensrecht des betroffenen Konkordatsmitglieds
Anwendung.
Beispiel 3
Interkantonale Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung
von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten vom 7. Januar
2005:
Rekurskommission
Art. 8 Zusammensetzung
1
Die Rekurskommission besteht aus fünf Mitgliedern, wovon je zwei Mitglieder aus der welschen
und deutschen Schweiz sowie ein Mitglied aus der italienisch sprachigen Schweiz
stammen. Die Wahl erfolgt für eine Amtsdauer von 4 Jahren, Wiederwahl ist möglich.
2
Die Kommissionsmitglieder dürfen weder Mitglied eines Organs noch Angestellte von Lotterie-
oder Wettunternehmen, Spielbanken, Fabrikations- und Handelsbetrieben der Spielbedarfsbranche
oder von diesen nahestehenden Unternehmen und Körperschaften sein.
Die Rekurskommission wird durch die Fachdirektorenkonferenz als oberstes Vereinbarungsorgan und
auf Vorschlag der Kantone gewählt. Dasselbe Gremium bezeichnet deren Präsidenten und genehmigt
das Budget, den Geschäftsbericht und die Jahresrechnung der Rekurskommission (Art. 4 Abs. 2 lit. c
und f der Vereinbarung).
Art. 9 Organisation
1 Die Rekurskommission erlässt ein Geschäftsreglement, das von der Fachdirektorenkonferenz
[oberstes Vereinbarungsorgan bestehend aus je einem Regierungsvertreter jedes Kantons;
Art. 4 Abs. 1 der Vereinbarung] zu genehmigen ist. Darin regelt sie insbesondere die
Einzelheiten ihrer Organisation, der Zuständigkeiten des Präsidiums und der Entschädigungen.
2 Die Rekurskommission unterbreitet der Fachdirektorenkonferenz jährlich einen Geschäftsbericht
mit Jahresrechnung und einen Budgetentwurf zur Genehmigung.
Art. 10 Zuständigkeit
Die Rekurskommission ist letztinstanzliche interkantonale richterliche Behörde.
Art. 13 Verfahrensrecht
Soweit diese Vereinbarung nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren für Verfügungen
und andere Entscheide der Vereinbarungsorgane nach dem Bundesgesetz über das
Verwaltungsverfahren (VwVG).
Art. 23 Rechtsschutz
1 Gegen Verfügungen und Entscheide der Vereinbarungsorgane, die gestützt auf diese Vereinbarung
oder auf deren Folgeerlasse getroffen werden, kann bei der Rekurskommission
Beschwerde erhoben werden.
2 Das Verfahren vor der Rekurskommission richtet sich nach dem Verwaltungsgerichtsgesetz
des Bundes (VVG), soweit diese Vereinbarung nichts anderes bestimmt. Bis Inkrafttreten
des VVG sind die Bestimmungen des VwVG analog anwendbar.
3 Die Verfahrenskosten der Rekurskommission sind in der Regel so festzulegen, dass sie die
Kosten decken. Ungedeckte Kosten der Rekurskommission werden durch die Lotterie- und
Wettkommission getragen.
Beispiel 4
Art. 10 Abs. 2 Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen
vom 18. Februar 1993 (noch nicht in Kraft)
2 Gegen Entscheide der Anerkennungsbehörden kann von betroffenen Privaten binnen 30
Tagen seit Eröffnung bei einer vom Vorstand der jeweiligen Konferenz eingesetzten Rekurskommission
schriftlich und begründet Beschwerde erhoben werden. Die allgemeinen
Verfahrensgrundsätze des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember
1968 finden sinngemäss Anwendung. Entscheide der Rekurskommissionen können
gemäss Artikel 84 Absatz 1 literae a und b des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspfle-
60

ge vom 16. Dezember 1943 beim Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten
werden.
3 Der Vorstand der jeweiligen Konferenz regelt die Zusammensetzung und die Organisation
der Rekurskommission in einem Reglement.
Diese Bestimmung ist noch nicht in Kraft und wurde im Hinblick auf die Einführung der Rechtsweggarantie
erlassen. Gestützt darauf wurde ein Entwurf für ein Reglement über die Rekurskommission der
EDK und der GDK erarbeitet, welches Organisation und Zusammensetzung derselben regelt 236 . Gemäss
Art. 1 Abs. 2 dieses Reglements entscheidet die Rekurskommission insbesondere über Beschwerden
gegen Entscheide der EDK und der GDK betreffend die Anerkennung von ausländischen
Ausbildungsabschlüssen sowie über Beschwerden gegen andere Entscheide im Sinne der Diplomanerkennungsvereinbarung,
sofern diese beschwerdefähig sind. Zur Zusammensetzung, zur Wahl und
zum Verfahren enthält der Reglementsentwurf folgende Bestimmungen:
Art. 2 Zusammensetzung und Wahl
1 Die Rekurskommission besteht aus mindestens 15 Mitgliedern und setzt sich zusammen aus
a. einer Präsidentin oder einem Präsidenten,
b. zwei Vizepräsidentinnen oder zwei Vizepräsidenten je aus den Bereichen Bildung und
Gesundheit und
c. je mindestens 2 Expertinnen und Experten aus den Berufsfeldern Chiropraktik, Osteopathie,
Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Vorschulstufe/Primarstufe, Sekundarstufe I,
Maturitätsstufe), Schulische Heilpädagogik, Logopädie und Psychomotoriktherapie.
Die Mitglieder der Rekurskommission einschliesslich des Präsidenten oder der Präsidentin
sowie der zwei Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten werden gemeinsam vom Vorstand
der EDK und vom Vorstand der GDK gewählt.
2 Die Präsidentin oder der Präsident sowie die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten verfügen
über eine juristische Ausbildung sowie über Berufserfahrung im Bereich von Rechtsmittelverfahren.
3 Die Wahl erfolgt für die Dauer von vier Jahren. Eine Wiederwahl ist möglich.
Art. 3 Unabhängigkeit
1 Die Mitglieder der Rekurskommission sind in ihrer Tätigkeit unabhängig.
2 Die Unabhängigkeit und die Vertrauenswürdigkeit der Rekurskommission darf durch Ausübung
der Erwerbstätigkeit, durch allfällige Nebenerwerbstätigkeiten oder ehrenamtliche Tätigkeiten
der Mitglieder der Rekurskommission nicht beeinträchtigt werden.
Art. 4 Geheimhaltung
Die Mitglieder der Rekurskommission unterliegen dem Amtsgeheimnis.
Art. 5 Entschädigung der Mitglieder
Für die Festlegung der Entschädigungen der Mitglieder der Rekurskommission gilt die Spesenregelung
der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.
Art. 9 Geschäftsstelle
Das Generalsekretariat der EDK amtet als Geschäftsstelle der Rekurskommission. Es organisiert
die Sitzungen einschliesslich der Protokollführung bei mündlichen Beratungen.
Art. 10 Verfahrensrecht
Für das Rekursverfahren gilt, soweit das vorliegende Reglement keine anderen Bestimmungen
enthält, sinngemäss das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes.
Beispiel 5
Vereinbarung über die Ostschweizerische Maturitätsschule für Erwachsene vom 1. Januar
1990
Art. 7 Rekurskommission
a) Zusammensetzung, Wahl und Konstituierung
1
Die Rekurskommission besteht aus je einem Vertreter der Vereinbarungspartner.
2
Die Vertreter werden durch die Regierungen auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt.
3
Die Mitglieder der Rekurskommission dürfen nicht in anderer Stellung für die Maturitätsschule
tätig sein.
236 Entwurf vom 20. Oktober 2006.
61

4 Die Rekurskommission konstituiert sich selbst.
Art. 8
b) Aufgaben
Die Rekurskommission beurteilt Rekurse gegen Verfügungen und Entscheide der Aufsichtskommission.
Art. 9 Verfahrensrecht
Das Rekursverfahren richtet sich nach den Vorschriften über die Verwaltungsrechtspflege des
Sitzkantons.
Art. 16 Disziplinarrecht
1
In Disziplinarsachen wird das Disziplinarrecht des Sitzkantons angewendet. Disziplinarbehörde
ist die Wahlbehörde.
2
Disziplinarmassnahmen können innert vierzehn Tagen bei der Rekurskommission angefochten
werden. Verweise sind nicht weiterziehbar.
3
Besondere von der Aufsichtskommission erlassene Disziplinar- und Ordnungsvorschriften
für die Studenten bleiben vorbehalten.
Beispiel 6
Art. 42 der Convention intercantonale créant la Haute école spécialisée santé-social de Suisse
romande (C-HES-S2; Recueil systématique de la législation vaudoise [RSV] 419.93)
1
Les recours des candidates et candidats et des étudiantes et étudiants sont soumis en première
instance à l'instance cantonale du canton-siège du site de formation concerné.
2
Les décisions prises sur recours par l'instance cantonale peuvent être attaquées auprès
d'une commission de recours, créée par le Comité stratégique.
Die Regelung des Rechtsschutzes ist hier zweistufig 237 , wobei die interkantonale Rekurskommission
erst als zweitinstanzliche Behörde entscheidet. Abs. 1 überlässt es dem Standortkanton, eine
Rechtsmittelbehörde einzusetzen, ohne jedoch zu spezifizieren, ob es sich dabei um eine richterliche
oder Verwaltungsbehörde handeln soll bzw. kann. Gemäss Abs. 2 wird als zweite Instanz eine interkantonale
Rekurskommission eingesetzt.
Über die Auslegung dieser Bestimmung existiert eine Richtlinie des Vorstandes der HES-S2 vom 5/6.
Juni 2006, die aus einem einzigen Artikel mit folgendem Wortlaut besteht:
1
Peuvent faire l'objet d'un recours auprès de l'instance cantonale les décisions prises par les
sites de formation envers les candidates et candidats et les étudiantes et étudiants, notamment
au sujet de l'admission, de la promotion, des examens, de la certification finale et toute
mesure pouvant conduire à l'exclusion de la formation.
2
L'article 5 de la loi fédérale sur la procédure administrative est applicable par analogie pour
la définition de la décision au sens de l'alinéa 1 er ci-dessus.
Struktur und Organisation der kantonalen Behörde, welche die im betreffenden Kanton gelegenen Bildungsstandorte
erfasst, liegen im Ermessen der Kantone (Art. 26 Abs. 1 HES-S2). Dabei kann es sich
beispielsweise um die Erziehungsdirektion des jeweiligen Kantons handeln.
Die Organisation, Zuständigkeit und Verfahren der interkantonalen Rekurskommission (Commission
de recours HES-S2) werden in einem entsprechenden Reglement geregelt (Règlement de la commission
de recours HES-S2 vom 21. Februar 2003). Diese besteht aus drei ständigen und zwei Ersatzmitgliedern,
die über eine juristische Ausbildung verfügen und vom strategischen Komitee (Comité
stratégique) gewählt werden. Das Comité stratégique setzt sich seinerseits aus sieben Regierungsmitgliedern
zusammen, welche die Konkordatskantone vertreten und stellt somit das oberste Organ
der Vereinbarung dar.
Composition
Art. 3
1 La Commission est formée de trois membres titulaires et deux membres suppléants disposant
d'une formation juridique, nommés par le Comité stratégique.
237 Die Vereinbarung hätte auch unter die Sonderfälle angeführt werden können (Ziff. 3 hiernach).
Aufgrund der wichtigeren Stellung der Rekurskommission wird dieses Beispiel jedoch in diesem
Kapitel angeführt.
62

2
La Commission se constitue elle-même. Elle désigne son Président et son Vice-Président.
3
La période de fonction, renouvelable, est de six ans.
4
Le Comité stratégique nomme également un greffier et un greffier suppléant, sur préavis de
la Commission.
Compétence
Art. 5 La Commission connaît des recours formés contre les décisions prises sur recours en
première instance par les instances cantonales des sites de formation concernés (art. 52 de la
Convention).
Procédure
Art. 6 Toutes les questions de procédure non réglées par les dispositions qui suivent le sont
en application analogique de la loi fédérale sur la procédure administrative.
Motifs de recours
Art. 7 Les motifs suivants peuvent être invoqués:
a) la violation du droit, y compris l'excès ou l'abus du pouvoir d'appréciation;
b) la constatation inexacte ou incomplète des faits pertinents.
Beispiel 7
Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH; SAR 425 050)
§ 22. Rekurskommission
1. Zusammensetzung und Konstituierung
1 Die Rekurskommission umfasst drei Mitglieder, die jeweils auf eine gemeinsame Amtsdauer
von vier Jahren oder für deren Rest gewählt werden.
2 Die Mitglieder dürfen nicht in anderer Weise für die Hochschule tätig sein.
3 Die Rekurskommission konstituiert sich selbst.
§ 23.
2. Zuständigkeit
Die Rekurskommission behandelt Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide des
Hochschulrates.
§ 24. Verfahren
Beschwerdebefugnis und Verfahren richten sich nach den einschlägigen Vorschriften des
Sitzkantons.
Die Rekurskommission wird in diesem Fall vom Hochschulrat gewählt (vgl. § 18 Ziff. 22 der Vereinbarung).
Auch die Entschädigung der Rekurskommission wird durch den Hochschulrat festgelegt (§ 18
Ziff. 23).
2.2.2 Merkmale interkantonaler Rekurskommissionen
Art. 191b BV ermächtigt die Kantone, gemeinsame richterliche Behörden einzusetzen. Die
Bestimmung wurde zwar erstmals mit der Justizreform eingeführt, doch stellt sie keine echte
Neuerung dar, da die Kantone bereits zuvor über eine entsprechende Kompetenz verfügten,
die nun auf Verfassungsstufe lediglich bestätigt wurde 238 . Durch die Aufnahme dieser Norm
in die Bundesverfassung wird es aber auch deutlich, dass die interkantonale Zusammenarbeit
auch im Justizbereich stattfinden bzw. intensiviert werden kann 239 . Gemeinsame richterliche
Behörden haben in Bezug auf die interkantonale Zusammenarbeit unter anderem auch
den Vorteil der erhöhten Organunabhängigkeit gegenüber den übrigen Gewalten der einzelnen
Kantone 240 .
238
Vgl. KISS/KOLLER, St. Galler Kommentar, N 17 zu Art. 191b BV; NUSPLIGER, N 26; BRUNNER, S.
186; diese Auffassung war indessen umstritten und wurde von verschiedenen Autoren abgelehnt,
vgl. u.a. HÄFELIN, Kommentar aBV, N 31 zu Art. 7 aBV; die Schaffung einer klaren gesetzlichen
Grundlage für die interkantonale Kooperation im Rahmen der Rechtsprechung ist deshalb sehr zu
begrüssen.
239
So auch NUSPLIGER, N 26.
240
So auch BRUNNER, S. 186.
63

Interkantonale Rekurskommissionen stellen jedoch besondere Gremien dar und unterscheiden
sich sowohl hinsichtlich ihres Charakters als interkantonales Organ als auch ihrer Wahl
von herkömmlichen Rekurskommissionen. Auch ist ihr Tätigkeitsbereich auf die Anwendung
eines einzigen Erlasses (des jeweiligen Konkordats) beschränkt. Bezüglich ihrer Zusammensetzung
gleichen sie gewöhnlichen Spezialgerichten, die auch aus Vertretern einer spezifischen
Branche bzw. Berufsgattung bestehen. Bei der Untersuchung der Frage, ob solche
Gremien die Anforderungen an richterliche Instanzen im Sinne von Art. 29a BV erfüllen,
müssen diese Besonderheiten berücksichtigt werden.
Sofern Rekurskommissionen sämtliche Voraussetzungen erfüllen, können sie als richterliche
Instanzen anerkannt werden. Dies bedeutet, dass die jeweilige Rekursbehörde auf einer gesetzlichen
Grundlage beruht, welche auch ihre Zuständigkeit und Organisation sowie das
Verfahren regelt. Zudem muss es sich um eine unabhängige und unparteiische Behörde im
Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV handeln. Damit dem Postulat an einem effektiven gerichtlichen
Rechtsschutz (im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK) entsprochen wird, muss schliesslich die jeweilige
Rekurskommission auf kantonaler Ebene entweder endgültig oder als Vorinstanz des
Verwaltungsgerichts entscheiden; dies ist indessen nicht der Fall, wenn der von einer unabhängigen
richterlichen Instanz gefällte Entscheid durch eine obere nicht richterliche Behörde
(z.B. den Regierungsrat) mit voller Kognition überprüft werden kann 241 . Sofern ihre Entscheide
auf kantonaler Ebene keinem ordentlichen Rechtsmittel mehr unterliegen, können interkantonale
Rekurskommissionen grundsätzlich als obere Gerichte im Sinne des BGG betrachtet
werden können (vgl. auch § 2/C/I/2.1).
Im Folgenden werden einzelne Aspekte, die im Zusammenhang mit interkantonalen Behörden
von besonderer Bedeutung sind, erläutert.
2.2.2.1 Gesetzliche Grundlage
Eine Behörde beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, sofern sie gestützt
auf ein kantonales Gesetz oder auf eine rechtsetzende interkantonale Vereinbarung geschaffen
wurde, die zumindest der Genehmigung durch das Kantonsparlament unterliegt. Ebenfalls
in einem zumindest vom Kantonsparlament zu genehmigenden Erlass müssen die
Grundzüge über ihre Zuständigkeit, Stellung, Organisation und Wahl enthalten sein 242 . Zudem
obliegt es den Kantonen, das vor der jeweiligen Rekurskommission anwendbare Verfahrensrecht
festzulegen.
2.2.2.2 Unabhängigkeit im Allgemeinen
Wie alle richterlichen Behörden müssen auch die interkantonalen Rekurskommissionen institutionell
und personell unabhängig sein. Die Unabhängigkeit stellt das Hauptmerkmal richterlichen
Gremien dar. Interkantonale Rechtspflegeorgane müssen in erster Linie von den Kantonsregierungen
und -parlamenten der Konkordatskantone unabhängig sein. Dies bedeutet,
dass sie sich aus weisungsunabhängigen Vertretern der Konkordatskantone zusammensetzen
müssen, die für eine fixe Amtsdauer eingesetzt werden 243 .
Ob eine interkantonale Rekurskommission als unabhängig gelten kann, beurteilt sich auch
nach dem Wahlverfahren. Dieser Aspekt ist hier deshalb von besonderer Bedeutung, weil im
interkantonalen Bereich besondere Wahlgremien bestehen, die sich von denjenigen unterscheiden,
welche die Mitglieder der ordentlichen Gerichte wählen bzw. ernennen. Daher wird
diese Frage nachstehend eingehend erörtert (Ziff. 2.2.2.3 hiernach).
2.2.2.3 Die Wahl interkantonaler Kommissionen im Besonderen
241
Vgl. BGE 120 Ia 19 E. 4 bezüglich der Zürcher Baurekurskommission.
242
Vgl. MÄCHLER, S. 468.
243
Vgl. auch MÄCHLER, S. 469.
64

Ein wesentlicher Unterschied zwischen herkömmlichen und interkantonalen Rekurskommissionen
bildet das Wahlverfahren. In vielen Fällen erfolgt die Wahl durch das oberste Organ
der interkantonalen Vereinbarung (in der Regel die Konkordatskonferenz). Dies ist gemäss
der vorliegenden Auffassung verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern hinreichende Garantien
für deren Unabhängigkeit vorhanden sind. Fachdirektorenkonferenzen bestehen aus den
Vertretern sämtlicher Kantone, so dass ein Mitwirkungsrecht aller Konkordatsparteien gewährleistet
ist und eine übermässige Einflussnahme einer Partei, zumindest formell, ausgeschlossen
werden kann. Auch hat der einzelne von der jeweiligen Vereinbarung potentiell
betroffene Bürger die Gewissheit, dass sein Kanton bzw. ein Vertreter desselben bei der
Wahl des Gremiums mitgewirkt hat, was die Legitimität dieses Rekursorgans erhöht. Im Übrigen
besteht in einzelnen Fällen auch ein Vorschlagsrecht der einzelnen Kantone. Die Unabhängigkeit
der jeweiligen Rekurskommission könnte jedoch in Frage gestellt werden, wenn
sie über Entscheide des Wahlorgans zu urteilen hätte. Letzteres ist namentlich der Fall bei
der zitierten Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich (oben Beispiel 7):
Wie bereits erläutert, wird dort die Rekurskommission durch den Hochschulrat gewählt, welcher
oberstes Organ der Vereinbarung ist. Die Rekurskommission hat indessen die Aufgabe,
Beschwerden gegen Verfügungen und Entscheide des Hochschulrates zu behandeln; bei
dieser Sachlage scheidet sie als unabhängiges Gremium aus.
Als weitere Variante ist die Wahl der Rekurskommission durch ein anderes Organ der Vereinbarung,
beispielsweise durch deren Vorstand, denkbar. Diese Lösung ist selten. Als Beispiel
kann der bereits zitierte, noch nicht rechtskräftige, Art. 10 der Interkantonalen Vereinbarung
über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen genannt werden (vgl. oben Beispiel
4). Die einzusetzende Rekurskommission der EDK und der GDK soll – im Gegensatz zu den
meisten anderen interkantonalen Rekurskommissionen – nicht durch das oberste Konkordatsorgan,
sondern durch die Vorstände der EDK und GDK bezeichnet werden. Es stellt sich
somit die Frage, ob eine derartige Wahl das Kriterium der Unabhängigkeit erfüllt.
Eine Wahl durch den Konkordatsvorstand erscheint nicht von vornherein als unzulässig.
Massgebend sind vielmehr Struktur und Organisation der jeweiligen interkantonalen Vereinbarung:
Diese muss Gewähr dafür bieten, dass die Unabhängigkeit der Rekurskommission
nicht beeinträchtigt wird. Im besonderen Fall der Rekurskommission EDK / GDK kann diesbezüglich
Folgendes festgehalten werden: Die vom Vorstand einzusetzende Rekurskommission
beurteilt Beschwerden gegen Entscheide des Generalsekretariats der EDK bzw. GDK
betreffend die nachträgliche gesamtschweizerische Anerkennung kantonaler Diplome bzw.
die Anerkennung ausländischer Berufsdiplome. Gemäss Statuten werden sowohl der Vorstand
als auch der Generalsekretär durch die Plenarversammlung (d.h. die Versammlung
aller Mitglieder; vgl. Art. 6 der Statuten) eingesetzt (Art. 7 Abs. 2 lit. a des Statutes), so dass
es sich dabei grundsätzlich um zwei voneinander unabhängige Behörden handelt. Somit
können Entscheide in eigener Sache grundsätzlich ausgeschlossen werden. Zudem bestehen
zahlreiche Vorschriften, welche die Unabhängigkeit der Rekurskommission gewährleisten
sollen, namentlich die ausdrückliche Verankerung der Unabhängigkeit im Konkordat, die
Aufnahme von Unvereinbarkeitsvorschriften oder die Wahl auf feste Amtszeit.
Bei dieser Gesamtbetrachtung erscheint die Bezeichnung der Mitglieder der Rekurskommission
durch den Konkordatsvorstand als verfassungskonform, sofern deren Unabhängigkeit
gewährleistet ist. Dennoch ist gemäss der vorliegenden Auffassung der Wahl von Rekurskommissionen
durch die Gesamtheit der Konkordatsmitglieder (namentlich durch die Konferenz),
allenfalls auf Vorschlag der Kantone, der Vorrang einzuräumen. Dies wird damit begründet,
dass Rekurskommissionen, die durch Vertreter sämtlicher Konkordatsparteien bezeichnet
werden, eine grössere Legitimität besitzen als solche, die lediglich durch eine kleinere
Zahl von Konkordatskantonen bestimmt werden. Die zweite Variante begünstigt namentlich
eine verstärkte Einflussnahme bestimmter Konkordatsmitglieder auf die Zusammensetzung
der Rekursbehörde.
65

Als Alternativen für die Wahl interkantonaler Rekurskommissionen kämen die für Gerichte
üblichen Wahlverfahren in Frage. Die Volks- und Parlamentswahlen bieten nach der in der
Schweiz herrschenden Auffassung zwar am meisten Gewähr für demokratische Legitimation
bzw. eine Orientierung an sachgerechten Auswahlkriterien 244 , doch ist es fraglich, ob diese
Wahlformen mit Blick auf die Besonderheiten interkantonaler Gremien geeignet sind. Eine
Volkswahl erscheint als zu kompliziert und aufwendig, da sie wohl in sämtlichen Konkordatskantonen
durchgeführt werden müsste. Auch eine Parlamentswahl müsste die Legislativen
sämtlicher Konkordatsparteien mit einbeziehen, was allenfalls durch die Bildung einer interparlamentarischen
Wahlkommission, bestehend aus Vertretern sämtlicher beteiligter Kantone,
erreicht werden könnte. Ein solches Verfahren ist theoretisch möglich, aus der Sicht der
Rechtsweggarantie indessen nicht unbedingt erforderlich. Schliesslich gilt es auch hier, dass
die Bezeichnung der Mitglieder einer Rekurskommission durch den Regierungsrat erfolgt, für
sich allein nicht reicht, um Zweifel an der Unabhängigkeit des Gremiums zu erwecken, wobei
dem interkantonalen Charakter Rechung zu tragen ist 245 . Da die Konkordatskonferenzen in
der Regel aus Regierungsvertretern der beteiligten Kantone zusammengesetzt sind, ist die
Wahl interkantonaler Rekurskommissionen durch die Konferenz in einem gewissen Umfang
eine Wahl durch die Exekutiven der Konkordatsmitglieder.
Die Wahl interkantonaler Rekurskommissionen ist nicht das entscheidende Kriterium für die
Beurteilung des richterlichen Charakters im Sinne von Art. 29a BV, sofern diese transparent
und nach sachlichen Kriterien erfolgt. Wichtig ist vielmehr, dass die übrigen Anforderungen
gemäss Art. 30 BV erfüllt sind, namentlich die Aufnahme von Unvereinbarkeitsregeln, die
feste Amtsdauer, die Unabsetzbarkeit während der Amtsperiode sowie die Weisungsunabhängigkeit.
Im gleichen Sinne lautet auch die Praxis des EGMR: Danach müssen für die Beurteilung
der Unabhängigkeit einer Rekurskommission das Wahlverfahren, die Amtsdauer
der Mitglieder, das Vorliegen eines Schutzes gegen äussere Einflüsse sowie das äussere
Erscheinungsbild einbezogen werden 246 . Schliesslich muss die Besetzung des Gremiums
den Parteien im Voraus bekannt sein, damit sie allfällige Ausstandsbegehren einreichen können
247 . Auch hat die Vereinbarung auf das anwendbare Verfahren zu verweisen.
2.2.3 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, welche Voraussetzungen interkantonale Rekurskommissionen
erfüllen müssen, damit sie als richterliche Behörden anerkannt werden
können. Diese Kriterien können herangezogen werden, um die Konformität der verschiedenen
interkantonalen Rechtspflegebehörden mit der Rechtsweggarantie im Einzelfall zu prüfen.
In den oben zitierten Beispielen erfüllen die Rekurskommissionen grundsätzlich die an richterliche
Behörden gestellten Anforderungen. Ein gutes Beispiel für einen verfassungskonformen
Verfahrens- und Rechtsmittelweg bildet das erwähnte Konkordat über Errichtung und
Betrieb einer interkantonalen Polizeischule Hitzkirch vom 25. Juni 2003 (vgl. oben Beispiel
2). Die unabhängige Rekurskommission, die für die Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten zuständig
ist, wird von der Konkordatsbehörde als oberste vollziehende Behörde, bestehend
aus je einem Mitglied der Exekutiven der Konkordatsmitglieder, gewählt. Sie setzt sich teilweise
aus Angehörigen der betreffenden Berufsgruppe (i.c. Polizeikorps) zusammen, was –
wie bereits erläutert – bei richterlichen Behörden durchaus zulässig ist (vgl. § 2/C/I/1.1.3).
Die Unabhängigkeit der Rekurskommission wird ausdrücklich statuiert und auch in institutio-
244
Dabei gilt es auch hier zu berücksichtigen, dass Parlamente politische Behörden sind, bei welchen
verschiedene Abhängigkeiten bestehen, weshalb bezweifelt werden darf, ob sich die Wahl immer
nach sachlichen Kriterien richtet; vgl. KIENER, Unabhängigkeit, S. 256 ff.; vgl. ferner FLEINER, Independence,
S. 26.
245
Vgl. BGE 119 V 375, E. 4a.
246
Dazu VPB 65 (2001) Nr. 126 bezüglich der eidgenössischen Kommission für ausländische Entschädigungen.
247
Zu den verschiedenen Kriterien vgl. auch BEUSCH, S. 729 f.
66

neller Hinsicht gewährleistet 248 . Eine feste Amtsdauer von vier Jahren mit Möglichkeit der
Wiederwahl ist ebenfalls vorgesehen. Schliesslich hält das Konkordat ausdrücklich fest, dass
die Rekurskommission nicht weisungsgebunden ist. Sie verfügt über volle Kognition. Bezüglich
des Verfahrens wird auf das Recht eines Vertragskantons (i.c. Luzern) verwiesen. Somit
stellt die Rekurskommission eine richterliche Behörde im Sinne von Art. 30 BV dar, die mit
voller Kognition entscheidet. Bereits aus diesem Grund genügt das Konkordat den Anforderungen
von Art. 29a BV. Die Vereinbarung sieht sogar einen doppelten (richterlichen) Instanzenzug
vor, indem sie gegen Entscheide der Rekurskommission die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ans Luzerner Verwaltungsgericht zulässt (Art. 20 Abs. 1). Vorbehalten bleiben
Entscheide betreffend Verfügungen über den Schulausschluss von Auszubildenden der
Konkordatsmitglieder; diese sind bei der zuständigen Verwaltungsjustizbehörde des anstellenden
Kantonsmitglieds anzufechten (Art. 20 Abs. 2). Diese wird in der Regel das Verwaltungsgericht
des Kantons sein, welcher die auszubildende Person angestellt hat 249 . Sofern
diese Instanz über die erforderliche Kognition verfügt, erfüllt sie die Anforderungen gemäss
Art. 29a BV:
Ebenfalls mit Art. 29a BV vereinbar ist nach der vorliegenden Auffassung die Regelung gemäss
der Interkantonalen Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung
von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten
(oben, Beispiel 3). Auch hier wird eine auf feste Amtsdauer gewählte Rekurskommission
eingesetzt, deren Mitglieder unabhängig sein müssen. Sie wird durch die Fachdirektorenkonferenz
als oberstes Vereinbarungsorgan und auf Vorschlag der Kantone gewählt. Das Konkordat
bezeichnet die Rekurskommission im Übrigen als letztinstanzliche richterliche interkantonale
Behörde (vgl. Art. 10), was darauf hindeutet, dass die entsprechenden Bestimmungen
im Hinblick auf die Einführung der Rechtsweggarantie erlassen wurden. Die Beschwerde
vor der Rekurskommission kann gemäss Art. 23 gegen Verfügungen und Entscheide
der Vereinbarungsorgane erhoben werden, die gestützt auf diese Vereinbarung oder
deren Folgeerlasse getroffen werden, wobei sich das Verfahren nach dem Verwaltungsgerichtsgesetz
des Bundes richten wird. Die Rekurskommission erfüllt somit die Anforderungen
an eine richterliche Behörde. Damit die Regelung mit der Rechtsweggarantie im Einklang
steht, müsste noch die volle Kognition der Rekursbehörde bezüglich Sachverhalts- und
Rechtsfragen ausdrücklich statuiert werden. Eine entsprechende Vorschrift ist indessen nicht
vorhanden.
Die Verfassungskonformität kann ferner bei der im Rahmen der HES-S2-Vereinbarung eingesetzten
Rekurskommission bejaht werden, da diese grundsätzlich die Merkmale einer richterlichen
Instanz aufweist. Zwar bestehen keine Hinweise darauf, dass die Rekurskommission
nicht als unabhängiges Gremium qualifiziert sein sollte, doch fehlt es an einer ausdrücklichen
Bestimmung, welche die Unabhängigkeit festhält. Hinsichtlich der Kognition erfüllt sie
die Voraussetzungen von Art. 29a BV.
Wie bereits angedeutet, erfüllt auch die im Rahmen der Interkantonalen Vereinbarung über
die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen geplante Rekurskommission EDK / GDK die
Anforderungen, die an richterliche Behörden gestellt werden (vgl. oben Bsp. 4 und Ziff.
2.2.2). Als problematisch erscheint einzig die Vorschrift, wonach das Generalsekretariat der
EDK als Geschäftsstelle der Rekurskommission amtet. Gemäss Art. 9 des Reglementsentwurfs
der Rekurskommission organisiert das Generalsekretariat die Sitzungen einschliesslich
der Protokollführung bei mündlichen Beratungen. Die Erläuterungen zum Reglement über
die Rekurskommission halten ausdrücklich fest, dass diese Regelung die Unabhängigkeit
der Rekurskommission nicht tangieren darf, weshalb das Generalsekretariat als Geschäfts-
248 Zur Unabhängigkeit der Rekurskommission vgl. auch die Botschaft des RR BL an den Landrat
betreffend Konkordat über die Errichtung und den Betrieb einer Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch,
S. 14.
249 Botschaft des RR BL, S. 14.
67

stelle ausschliesslich administrative Aufgaben wahrnimmt 250 . Trotz diesen Ausführungen erscheint
aufgrund dieser Lösung eine unrechtmässige Einflussnahme seitens des Generalsekretariats
als Entscheidbehörde auf die Tätigkeit der Rekursbehörde zumindest als möglich,
weshalb gemäss der vorliegenden Auffassung derartige Regelungen vermieden werden
sollten und Rekurskommissionen – soweit möglich – über eigene Geschäftsstellen verfügen
sollte. Wie bereits erläutert, braucht es, um die Unabhängigkeit einer richterlichen Behörde in
Frage zu stellen, keine tatsächliche Beeinflussung einer Behörde durch eine andere, sondern
der Anschein einer solchen reicht.
Als Gegenbeispiel kann folgende Bestimmung angeführt werden:
Art. 18 Reglement der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) über die Interkantonale
Chiropraktorenprüfung (LS 811.152.1):
1
Gegen Entscheide der Prüfungskommission kann der betroffene Kandidat oder die betroffene
Kandidatin innerhalb von 30 Tagen an den Vorstand der SDK rekurrieren.
2
Die Rekurse sind schriftlich begründet und mit einem Antrag versehen beim Zentralsekretariat
der SDK einzureichen.
3
Auf das Rekursverfahren finden im Übrigen die bundesrechtlichen Bestimmungen über die
Verwaltungsrechtspflege sinngemäss Anwendung.
Dieser interkantonale Erlass ist vorwiegend unmittelbar rechtsetzender Natur. Die einzige
Rechtsschutzbestimmung schreibt vor, dass Entscheide der Prüfungskommission beim Vorstand
der SDK angefochten werden können. Diese Behörde erfüllt indessen die Voraussetzungen
an eine richterliche Instanz und somit auch die Anforderungen gemäss Art. 29a BV
nicht. Examensresultate sind per se nicht notwendigerweise der richterlichen Kontrolle entzogen
(vgl. oben § 2/D/II/1). Zumindest die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht zur
Verfügung, sofern die Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind. Daher müsste eine vorgängige
Kontrolle durch eine richterliche Behörde auf kantonaler bzw. interkantonaler Ebene
stattfinden. Diese Rechtsschutzbestimmung erfüllt diese Anforderungen nicht.
Ebenfalls nicht als unabhängige Behörde muss ferner die Rekurskommission gemäss der
Interkantonalen Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich (oben Beispiel
7), da sie, wie bereits erläutert, die Rechtmässigkeit von Verfügungen und Entscheiden jener
Behörde, die sie gewählt hat, zu beurteilen hat (vgl. bereits oben Ziff. 2.2.2). Dies gilt trotz
der Tatsache, dass ihre Mitglieder auf eine feste Amtszeit gewählt werden und nicht in anderer
Weise für die Hochschule tätig sein dürfen.
Sofern eine interkantonale Vereinbarung rechtsetzenden Charakter hat und das als Rekursorgan
eingesetzte interkantonale Behörde die Kriterien einer richterlichen Behörde nicht aufweist,
muss das Konkordat eine Weiterzugsmöglichkeit für die Entscheide dieser Rekursinstanz
vorsehen und zwar an eine Behörde, welche die Voraussetzungen von Art. 29a BV
erfüllt, beispielsweise an das Verwaltungsgericht einer Vertragspartei.
250 Vgl. Kommentar zu Art. 9 des Reglements über die Rekurskommission der EDK und der GDK.
68

Schema VII: Merkpunkte „richterliche Behörde“
Merkpunkte für die Bezeichnung interkantonaler Rekurskommissionen als „richterliche Behörden“
im Sinne von Art. 29a BV:
- Gesetzliche Grundlage
- Zuständigkeits- und Organisationsvorschriften
- Verfahrensvorschriften
- Im Voraus bekannte Zusammensetzung
- Freie Kognition bezüglich Sachverhalts- und Rechtsfragen
- Unabhängigkeit
Wahl
Zusammensetzung
Fixe Amtsdauer
Unabsetzbarkeit während der Amtsdauer
Weisungsunabhängigkeit
Unparteilichkeit
- Unmöglichkeit der Überprüfung der Urteile durch nicht richterliche Behörden
2.3 Verweis auf die Verfahrensordnung einer Vertragspartei
2.3.1 Beispiele
Beispiel 1:
Art. 24 des Konkordates über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ-Konkordat)
vom 15. Dezember 2001 (GS OW 415.33)
1 Gegen Entscheide, welche die Rechtsstellung der Studierenden betreffen und die von Organen
der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz oder einer Teilschule gestützt auf dieses
Konkordat oder dessen Folgeerlasse getroffen werden, wie namentlich die Zulassung
zur PHZ und das Bestehen der Diplomprüfungen, kann gestützt auf das Verwaltungsrechtspflegegesetz
des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 Verwaltungsbeschwerde beim zuständigen
Departement des Kantons Luzern geführt werden.
2 Gegen Entscheide des zuständigen Departements des Kantons Luzern ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig, sofern sie das Verwaltungsrechtspflegegesetz des
Kantons Luzern nicht ausschliesst. Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen dieses
Gesetzes.
3 Im Übrigen gilt die Verwaltungsrechtspflegegesetzgebung des Sitzkantons für Entscheide
von Organen der PHZ sowie jene des Standortkantons für Entscheide von Organen der Teilschulen.
Beispiel 2:
Art. 58 der Aufnahme- und Prüfungsordnung der Hochschule für Wirtschaft Luzern (SRL 522)
1 Gegen Entscheide im Zusammenhang mit dieser Verordnung kann nach den Vorschriften
des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972
beim Bildungsdepartement des Kantons Luzern schriftlich und begründet Verwaltungsbeschwerde
geführt werden.
2 Die Beschwerdefrist beträgt 20 Tage.
Derartige Bestimmungen finden sich oft in Erlassen interkantonaler Organe aus dem Bereich der Bildung.
Als weitere Beispiele können auch Art. 13 der Interkantonalen Vereinbarung über die Fahrlehrer-Prüfungskommission
vom 26. Oktober 1994 (SAR 991.050) oder Art. 27 des Prüfungsreglements
der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ-Prüfungsreglement; RB UR 10.2921) erwähnt
werden.
69

Beispiel 3:
Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen vom 5.
November 1992
Art. 18:
Wenn das anwendbare Recht ein Rechtsmittel gegen einen Entscheid vorsieht, muss dieser
die Rechtsmittelbelehrung, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist angeben.
Art. 19:
1
Die Rechtsmittelschrift muss in der Sprache der ersuchten oder in derjenigen der ersuchenden
Behörde abgefasst werden.
2
Bei der Behörde des ersuchten Kantons können nur die Beschwerdegründe betreffend
Gewährung und Ausführung der Rechtshilfe geltend gemacht werden. In allen anderen Fällen,
namentlich bei Einwendungen materieller Art, muss das Rechtsmittel bei der zuständigen
Behörde des ersuchenden Kantons eingereicht werden; Artikel 18 ist sinngemäss
anwendbar.
In diesem Beispiel wurde der Rechtsweg gespaltet; dies wurde vom Bundesgericht als verfassungsmässig
und für den Bürger zumutbar erachtet 251 .
Beispiel 4:
Konkordat über die Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht vom 19. April 2004
Anwendbares Recht
Artikel 24 Allgemein
Wo dieses Konkordat nichts anderes bestimmt, ist das Recht des Standortkantons anwendbar.
Das gilt insbesondere für die Bereiche Submission, Datenschutz und Archiv.
Artikel 25 Rechtspflege
Das Verfahren für den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung von Verfügungen und Entscheiden
der ZBSA sowie das Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Vorschriften des
Eidgenössischen Rechtes und den Vorschriften des Standortkantons.
Beispiel 5
Art. 13 der Vereinbarung über den Ausbau und Betrieb der Interkantonalen Försterschule Maienfeld
(IFM; Rechtsbuch TG 412.637)
Anwendbares Recht
Das Gesetz über das Verfahren in Verwaltungs- und Verfassungssachen des Kantons Graubünden
wird sachgemäss angewendet.
Beispiel 6
Art. 4 der Interkantonalen Vereinbarung zwischen den Kantonen Glarus, Schwyz, St.Gallen und
Zürich über das Linthwerk
Anwendbares Recht
1
Soweit diese Vereinbarung nichts anderes bestimmt, gilt das Recht des Kantons St.Gallen,
namentlich in Bezug auf die Haftung des Werkes, seiner Organe und seines Personals.
2
Verfügungen der Organe des Linthwerkes können mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons St.Gallen angefochten werden, soweit diese Vereinbarung nichts anderes vorsieht.
Betreffend den Ausbau von Werkanlagen enthält die Vereinbarung eine weitere Rechtsschutzbestimmung
(Art. 18). Auch hier wird auf das Recht der Vertragskantone verwiesen und es wird die Möglichkeit
des Weiterzugs ans Verwaltungsgericht festgehalten:
1
Die Regierung entscheidet nach eigenem Recht im gleichen Verfahren über:
a) alle erforderlichen Bewilligungen, unter Vorbehalt der Zuständigkeit von Bundesbehörden;
b) Einsprachen.
2
Dagegen kann beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden.
Unter „Regierung“ wird jene des Vereinbarungskantons verstanden, auf dessen Gebiet sich das Projekt
oder wesentliche Teile davon befinden.
251 Vgl. BGE 120 Ia 113.
70

2.3.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie
Ob der Verweis auf die Verfahrensordnung einer Vertragspartei mit der Rechtsweggarantie
im Einklang steht, beurteilt sich nach der Rechtsordnung, worauf verwiesen wird. Sofern diese
an die Anforderungen von Art. 29a BV angepasst wurde, sind derartige interkantonale
Rechtsschutzbestimmungen verfassungskonform. Im oben angeführten Beispiel 1 wurde ein
doppelter Instanzenzug vorgesehen, wobei das Verwaltungsgericht als zweite Instanz statuiert,
sofern seine Zuständigkeit durch das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz nicht
ausgeschlossen wird. Damit eine derartige Bestimmung Art. 29a BV entspricht, müssten insbesondere
die Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichts überprüft und, wenn nötig, erweitert
werden. Ebenfalls auf ihre Verfassungskonformität zu untersuchen ist die Kognition des
Verwaltungsgerichts. Dieselben Überlegungen gelten auch für die interkantonale Vereinbarung
über das Linthwerk, wonach Entscheide der Organe des Linthwerkes an das St. Galler
Verwaltungsgericht angefochten werden können (oben Beispiel 6). Verfassungskonforme
Verwaltungsrechtspflegebestimmungen werden schliesslich in den Beispielen 1 (Abs. 3) und
5 vorausgesetzt, da in diesen Fällen ganz allgemein auf die Verwaltungsrechtspflegegesetzgebung
eines Kantons verwiesen wird. Damit diese Rechtsschutzbestimmungen mit der
Rechtsweggarantie im Einklang stehen, muss somit die gesamte kantonale Verwaltungsrechtspflege
die Anforderungen von Art. 29a BV erfüllen.
Im zitierten Beispiel 2 steht den Betroffenen nur die Verwaltungsbeschwerde beim Bildungsdepartement
des Kantons Luzern zur Verfügung. Dieser stellt, wie bereits erwähnt, keine
richterliche Behörde dar. Sofern der Rechtsweg bei einer Verwaltungsbehörde aufhört, ist
dies mit Art. 29a BV nicht vereinbar. Um die Verfassungskonformität sicherzustellen, müsste
der Entscheid des Departementes beispielsweise an das kantonale Verwaltungsgericht weitergezogen
werden können 252 . Es gilt indessen zu berücksichtigen, dass namentlich im Kanton
Luzern, Schul-, Berufs- und andere Fähigkeitsprüfungen der Beurteilung durch das Verwaltungsgericht
(noch) entzogen sind (vgl. § 9 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege,
SRL 40). Im Beispiel 3 muss schliesslich ermittelt werden, welche Behörde
nach kantonalem Recht zuständig ist und anschliessend untersucht, ob diese den verfassungsrechtlichen
Anforderungen entspricht.
Das Konkordat über die Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (oben Bsp. 4) hat zunächst
die Aufsicht über die BVG-Einrichtungen zum Gegenstand; ferner steht es den Vertragspartnern
frei, die Aufsicht über die klassischen Stiftungen gemäss Art. 80 ff. ZGB dem
Konkordat zu unterstellen (Art. 2 Abs. 2 und 3 des Konkordates). Aufsichtsbehörde ist die
Geschäftsstelle des Konkordates (vgl. § 2 der Ausführungsbestimmungen über die berufliche
Vorsorge bzw. § 2 der Ausführungsbestimmungen betreffend die Aufsicht über die Stiftungen
vom 16. September 2005). Hinsichtlich des Verfahrens (einschliesslich des Rechtsmittelverfahrens)
hält die Vereinbarung fest, dass dieses sich zum einen nach den Bestimmungen
des Bundesrechts, d.h. des BVG, FZG und der dazugehörigen Verordnungen und zum anderen
nach der Gesetzgebung des Standortkantons der Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht
(ZBSA) richtet 253 . Dabei ist das zuständige Gericht des Standortkantons der ZBSA
auch Rechtsmittelbehörde bei der von ihr beaufsichtigten klassischen Stiftungen und im Änderungs-
oder Aufhebungsverfahren bei den kommunalen klassischen Stiftungen 254 .
Die Vereinbarung kann sich sowohl auf die Rechtsstellung der beaufsichtigten Institutionen
(in vielen Fällen juristische Personen des Privatrechts) als auch auf jene natürlicher Personen
(z.B. der Mitarbeiter; vgl. Art. 14 des Konkordats) auswirken. Zudem beurteilt die Aufsichtsbehörde
als Beschwerdeinstanz Streitigkeiten betreffend das Recht der versicherten
252 Zur Justiziabilität von Prüfungsresultaten vgl. § 2/D/II/1.
253 Diese stellt eine öffentlich-rechtliche Anstalt der Konkordatskantone mit eigener Rechtspersönlichkeit,
deren Sitz sich in Luzern befindet (vgl. Art. 1 des Konkordates).
254 So gemäss Botschaft der Zentralschweizer Regierungskonferenz zum Konkordat über die Zentralschweizer
BVG- und Stiftungsaufsicht vom 13. Mai 2004, S. 20.
71

Person auf Information gemäss Art. 65a und 86b BVG (§ 9 der Ausführungsbestimmungen
über die berufliche Vorsorge) 255 . Die Vereinbarung hat durchaus rechtsetzenden Charakter,
weshalb der Zugang zum Gericht gewährleistet werden muss.
Gemäss Art. 74 BVG können Verfügungen der Aufsichtsbehörden mit Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht angefochten werden 256 . Wie bereits erläutert, hält das Verfahren
vor dem Bundesverwaltungsgericht die durch die Rechtsweggarantie gestellten Vorgaben
ein. Sofern sie die Kantone auch die klassischen Stiftungen nach Art. 80 ff. ZGB den Bestimmungen
des Konkordates unterstellen, richtet sich das Verfahren für den Erlass, die Abänderung
oder die Aufhebung von Verfügungen und Entscheiden der ZBSA sowie das
Rechtsmittelverfahren nach den Vorschriften des Standortkantons. Als Rechtsmittelinstanz
wurde das Obergericht des Kantons Luzern bezeichnet (vgl. § 11 der Ausführungsbestimmungen
betreffend die Aufsicht über die Stiftungen). Es liegt auf der Hand, dass dieses eine
richterliche Behörde im Sinne von Art. 30 BV darstellt. Damit die Anforderungen von Art. 29a
BV eingehalten werden, müsste zudem das Obergericht oder eine unterinstanzliche richterliche
Behörde Sachverhalt und Rechtsfragen frei prüfen.
Der Verweis auf die Verfahrensordnung einer Vertragspartei hat den Vorteil, dass erfahrene
(Gerichts-)Behörden – gemeint sind in erster Linie die kantonalen Verwaltungsgerichte – mit
der Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten betraut sind. Auch braucht das jeweilige Konkordat
nicht mehr, selber Bestimmungen über die Zuständigkeiten und die Organisation der richterlichen
Behörden vorzusehen, wie dies beispielsweise bei interkantonalen Rekurskommissionen
der Fall ist. Als nachteilig mag die Tatsache sein, dass das bezeichnete Gericht für Bürger
aus anderen Konkordatskantonen weniger unabhängig erscheint als ein interkantonales
Organ.
2.4 Die Aufstellung von Verfahrens- und Rechtsmittelvorschriften wird ganz oder
teilweise den Kantonen überlassen
2.4.1 Beispiele
Beispiel 1
Art. 15 der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) vom
15. März 2001
1
Gegen Verfügungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers ist die Beschwerde an eine
unabhängige kantonale Instanz zulässig. Diese entscheidet endgültig.
1bis
Als durch Beschwerde selbständig anfechtbare Verfügungen gelten:
a) die Ausschreibung des Auftrags;
b) der Entscheid über Aufnahmen einer Anbieterin oder eines Anbieters in eine ständige
Liste gemäss Art. 13 lit. e;
c) der Entscheid über Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im selektiven Verfahren;
d) der Ausschluss aus dem Verfahren;
e) der Zuschlag, dessen Widerruf oder der Abbruch des Vergabeverfahrens.
Als Beschwerdegründe gelten Rechtsverletzungen sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts, nicht jedoch die Unangemessenheit (Art. 16). Die unabhängige
Instanz wird von den Kantonen bestimmt. So obliegt diese Aufgabe im Kanton Solothurn beispielsweise
der Kantonalen Schätzungskommission (§ 31 des Gesetzes über öffentliche Beschaffungen
[Submissionsgesetz] vom 22. September 1996, BSG 721.54). In den meisten Kantonen, so auch
in Freiburg, sind die Entscheide über öffentliche Beschaffungen mit Beschwerde an das Verwaltungs-
255 Vgl. § 10 der Ausführungsbestimmungen über die berufliche Vorsorge und die darin aufgezählten
Entscheidungskompetenzen der Aufsichtsbehörde.
256 Unter altem Recht konnte gegen Entscheide der Aufsichtsbehörde Beschwerde bei der Eidgenössischen
Beschwerdekommission BVG geführt werden, vgl. § 14 der Ausführungsbestimmungen
des Konkordatsrats über die berufliche Vorsorge.
72

gericht anfechtbar (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Februar 1998 über das öffentliche Beschaffungswesen;
SGF 122.91.1) 257 .
Beispiel 2
Die Interkantonale Übereinkunft über den Viehhandel (Viehhandelskonkordat; SAR 396.100) überlässt
den Erlass von Ausführungsbestimmungen den Kantonen. Diese können namentlich Zuständigkeiten
und Rechtsmittel regeln.
Im Kanton Solothurn beispielsweise entscheidet das Volkswirtschafts-Departement mit Zustimmung
des Bundesamtes für Veterinärwesen über die Erteilung der Patente (vgl. § 4 der Verordnung über die
Ausübung des Viehhandels, BGS 926.733). Gegen die Verweigerung oder den Entzug des Patents
steht dem Betroffenen das Beschwerderecht an das Verwaltungsgericht offen (§ 14 der zitierten Verordnung).
Im Kanton Aargau obliegt der Vollzug der Übereinkunft und der zugehörigen Ausführungsvorschriften
dem Departement Gesundheit und Soziales. Gegen dessen Verfügungen kann beim Regierungsrat
Beschwerde geführt werden (§ 8 Vollziehungsverordnung über die Ausübung des Viehhandels,
SAR 396.111).
Beispiel 3
Art. 51 Konkordat vom 19. Mai 2003 über die Fischerei im Neuenburgersee (SGF 923.5)
1
Die Kantone bezeichnen die Verwaltungsbehörden und die Dienststellen, die mit
dem Vollzug dieses Konkordats beauftragt sind; sie regeln das Verfahren, das sie befolgen
müssen.
2
Die Beschlüsse dieser Behörden und Dienststellen können gemäss den von den Kantonen
erlassenen Vorschriften Gegenstand einer Beschwerde sein.
Beispiel 4
Konkordat vom 18. Oktober 1996 über die Sicherheitsunternehmen (SGF 559.6): Die konkordatseigenen
Straf- und Verwaltungsbestimmungen beschränken sich auf die Ahndung von Übertretungen
(Art. 22 und 23). Die Verfolgung richtet sich nach dem jeweiligen internen Recht der Kantone. Im Übrigen
obliegt die Anwendung des Konkordats den Parteien, die selbständig das Verfahren regeln, die
zuständigen Behörden bezeichnen und die Gebühren sowie auch die Rechtsmittel und das Beschwerdeverfahren
festlegen (Art. 25).
Im Kanton Freiburg wurden die verfahrensrechtlichen Aspekte folgendermassen gelöst: Die Erteilung
von Bewilligungen obliegt dem Amt für Gewerbepolizei (Art. 3 des Ausführungsbeschlusses vom 15.
Dezember 1998 zum Konkordat über die Sicherheitsunternehmen; SGF 559.61). Als Rechtsmittel gegen
die in Anwendung des Konkordates und des Ausführungsbeschlusses getroffenen Entscheide
steht die Beschwerde gemäss dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege offen (Art. 15 des Ausführungsbeschlusses);
dies bedeutet auch, dass Entscheide auf kantonaler Ebene letztinstanzlich der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen.
Beispiel 5:
Interkantonale Vereinbarung über die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee (GS SZ 784.322.1):
Artikel 3 Vollzugsorgane
1 Die Uferkantone vollziehen die Vereinbarung auf ihrem Gebiet.
2 Die für die Schifffahrt zuständigen Ämter setzen sich für die einheitliche Handhabung der
Vorschriften ein. Sie überwachen die Entwicklung der Schifffahrt und stellen Anträge an die
Schifffahrtskommission.
Beispiel 6:
Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen
(RB TG 341.1):
Durchführung der Vollzüge
Art. 9
1 Die beteiligten Kantone verpflichten sich, die von ihnen zu vollziehenden Freiheitsstrafen
und freiheitsentziehenden Massnahmen in den Konkordatsanstalten zu vollziehen.
257 Vgl. auch die Hinweise bei JAAG, S. 502.
73

2 Der Vollzug richtet sich nach den Vorschriften für die einzelnen Vollzugseinrichtungen.
Sie werden von dem Kanton erlassen, der die Vollzugseinrichtung führt. Sie sind
von der Strafvollzugskommission zu genehmigen.
Zuständigkeit
Art. 10
1 Der einweisende Kanton:
a. bestimmt im Einzelfall die geeignete Vollzugseinrichtung;
b. koordiniert die Planung des gesamten Vollzugs einschliesslich der Probezeit nach der
Entlassung aus der Vollzugseinrichtung; er stellt der Vollzugseinrichtung, der Bewährungshilfe
und den anderen am Vollzug beteiligten Stellen die zur Aufgabenerfüllung
erforderlichen Informationen und Unterlagen zu;
c. entscheidet über Vollzugsöffnungen wie die Bewilligung von Urlaub, die Verlegung in
den offenen Vollzug, den Vollzug in Form des Arbeits- sowie des Wohn- und Arbeitsexternats,
die bedingte Entlassung sowie die Unterbrechung des Vollzugs. Er kann
die Kompetenz für die Bewilligung von Urlaub sowie des Wohn- und Arbeitsexternats
der Leitung der Vollzugseinrichtung delegieren.
2 Die Vollzugseinrichtung:
a. übernimmt die zugewiesenen Personen im Rahmen ihrer Aufnahmefähigkeit und entlässt
sie nach den Anordnungen des einweisenden Kantons;
b. erstellt innerhalb der Vorgaben des einweisenden Kantons zusammen mit der eingewiesenen
Person den Vollzugsplan;
c. bezieht die Bewährungshilfe oder Fachstellen bei Bedarf mit ein, insbesondere bei der
Vorbereitung der Entlassung;
d. erstattet dem einweisenden Kanton Bericht, wenn er es verlangt, bei besonderen Vorkommnissen
wie schweren Disziplinarverstössen, Unfall oder Tod der eingewiesenen
Person und mit der Überweisung von Gesuchen.
Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch im Konkordat vom 10. April 2006 über den Vollzug von
Strafen und Massnahmen in den Westschweizer Kantonen (Concordat sur l'exécution des peines
privatives de liberté et des mesures concernant les adultes et les jeunes adultes dans les
cantons latins [Concordat latin sur la détention pénale des adultes]):
Exécution des peines et mesures dans les établissements concordataires
Compétences
74
Art. 17
1 Le canton de jugement exerce, à moins qu'il ne les ait expressément déléguées à un autre
canton, toutes les compétences légales relatives à l'exécution de la peine ou de la mesure.
2 Il statue notamment sur :
a) la libération définitive ou conditionnelle;
b) le travail externe et le logement externe;
c) les congés et les différentes autorisations de sortie;
d) l'interruption d'une peine ou d'une mesure;
e) la suppression, respectivement la levée d'une mesure;
f) la renonciation à faire exécuter une peine ou une mesure;
g) la réintégration;
h) le renvoi de l'exécution d'une peine ou d'une mesure;
i) le transfert dans un autre établissement.
3 Il est également compétent en matière d'assistance de probation et d'assistance sociale, s'il
n'a pas délégué celles-ci à l'autorité du canton dans lequel la personne détenue se rendra
après sa libération.
Plan d'exécution de la peine et de la mesure
Art. 18
1 Dans le but de développer le comportement social de la personne détenue, tout en protégeant
la collectivité publique, un plan d'exécution de la peine et un plan de traitement pour
l'exécution de la mesure sont établis, sous réserve des dispositions sur l'internement à vie.
2 La Conférence fixe les conditions et les modalités d'application. 3 Sont réservées la compétence,
la procédure et la responsabilité des cantons en matière de plan d'exécution de la
peine et de la mesure.

Statut des personnes détenues
Art. 19
Les personnes détenues placées dans un établissement concordataire sont soumises aux
prescriptions légales et réglementaires du canton où l'établissement a son siège, notamment
en matière disciplinaire.
2.4.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie
In der Regel enthalten jene interkantonalen Vereinbarungen, welche die Regelung des
Rechtsschutzes, der Zuständigkeiten und des Verfahrens den Konkordatsparteien überlassen
nur wenige konkrete Vorgaben an die Kantone. Eine Ausnahme bildet beispielsweise die
IVöB (oben Beispiel 1): In diesem Fall werden bestimmte Entscheide des Auftraggebers als
selbstständig anfechtbare Verfügungen bezeichnet; dagegen steht die Beschwerde an eine
unabhängige kantonale Instanz offen, die endgültig entscheidet. Ferner zählt die IVöB die
möglichen Beschwerdegründe, namentlich Rechtsverletzungen sowie die unrichtige oder unvollständige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, selbst auf, so dass die Anforderungen
an die Kognition der unabhängigen Instanz ebenfalls erfüllt sind. Es ist somit davon
auszugehen, dass die Rechtsschutzbestimmungen der IVöB vor Art. 29a BV standhalten.
Derart detaillierte Vorschriften sind jedoch selten; in der Regel werden die Kantone pauschal
angewiesen, diese Aspekte zu regeln (vgl. oben Beispiele 2-4). Auch das zitierte Konkordat
über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (oben Beispiel 6) kann zu jenen Vereinbarungen
gezählt werden, die detailliertere Vorschriften enthalten, was insbesondere bei
der Zuteilung von Zuständigkeiten ersichtlich wird. Zudem müssen die von den Kantonen
erlassenen Vollzugsvorschriften durch die Strafvollzugskommission genehmigt werden. Das
Concordat latin sur la détention pénale des adultes (oben Beispiel 6) beauftragt ebenfalls die
Kantone mit dem Vollzug. Betreffend das Statut der eingewiesenen Personen verweist es
auf das Recht jenes Kantons, in welchem die betreffende Anstalt ihren Sitz hat.
Allgemeine Anweisungen an die Kantone, das Verfahren und den Vollzug selber zu regeln,
ohne ihnen klare diesbezügliche Vorgaben zu machen, können ebenfalls mit den Anforderungen
der Rechtsweggarantie im Einklang stehen. Es gilt in diesen Fällen jedoch zu beachten,
dass jeder Kanton sein eigenes Recht anwendet, namentlich bezüglich Zuständigkeiten
und Verfahren. Die Verfassungskonformität hängt demnach wiederum von der Gestaltung
der jeweiligen kantonalen Rechtsordnung ab. In erster Linie gilt es auch hier zu prüfen, ob
die zur Diskussion stehende Vereinbarung unmittelbar rechtsetzende Bestimmungen enthält.
Dies ist namentlich der Fall beim zitierten Konkordat über die Fischerei im Neuenburgersee
(oben Beispiel 3), beispielsweise betreffend die Ausstellung von Fischereipatenten. Diesbezüglich
müsste den Betroffenen der Zugang zu einer richterlichen Behörde eröffnet werden
258 . Ebenfalls einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein sollten die in den Ausführungsbestimmungen
enthaltenen Vorschriften über die Ausübung der Patentfischerei sein
(vgl. Reglement vom 21. Oktober 2003 über die Ausübung der Patentfischerei in den Jahren
2007, 2008 und 2009, SGF 923.12). Dieselben Überlegungen gelten auch für das ebenfalls
zitierte Konkordat über die Sicherheitsunternehmen (oben Beispiel 4). Auch dort hängt die
verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsschutzes davon ab, ob die Kantone ihre
Rechtsordnung im Allgemeinen den Anforderungen von Art. 29a BV angepasst haben. Der
Zugang zu einem Gericht muss hier beispielsweise bezüglich der Verweigerung oder des
Entzugs von Bewilligungen (z.B. Betriebsbewilligungen gemäss Art. 8, Bewilligungen für die
Anstellung von Personal gemäss Art. 9, Ausübungsbewilligungen gemäss Art. 10 oder Bewilligungen
für den Einsatz von Hundes gemäss Art. 10) durch die zuständige kantonale Behörde
gewährleistet werden.
258 Im Kanton Freiburg können Entscheide der interkantonalen Fischereikommission mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
angefochten werden; gesetzliche Grundlagen sind Art. 44 ter des Fischereigesetzes
i.V.m. Art. 114 Abs. 2 VRG, welcher die subsidiäre Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
vorsieht; vgl. dazu Urteil des Freiburger Verwaltungsgerichts 1A 06 81 vom 30. März 2007.
75

Sofern das jeweilige Konkordat die Kantone mit der Regelung des Rechtsschutzes betraut,
erscheint es am sinnvollsten, dass diese spezielle Ausführungsbestimmungen erlassen, welche
unter anderem auch die Rechtsmittel enthalten; als Beispiel kann der Ausführungsbeschluss
des Kantons Freiburg vom 15. Dezember 1998 zum Konkordat über die Sicherheitsunternehmen
(SGF 559.61) angeführt werden. Für den Bürger hat dieses Modell den Vorteil,
dass er in der Regel vor den Behörden seines Wohnsitzkantons ein Rechtsmittel erheben
kann. Als nachteilig kann sich allenfalls die Tatsache erweisen, dass die einheitliche Anwendung
der betreffenden Vereinbarung erschwert werden kann, wobei hier die Aufsichtsfunktion
der Konkordatsorgane über den Vollzug des Vertrags zum Zuge kommen muss.
3. Sonderfälle
Einzelne interkantonale Vereinbarungen lassen sich in Bezug auf die Regelung des Rechtsschutzes
in keine der bisher erwähnten Hauptkategorien einreihen, dies entweder, weil sie
Elemente verschiedener Kategorien verbinden oder, weil sie einen ganz anderen Rechtsweg
vorsehen. Im Folgenden werden drei Beispiele erläutert.
3.1 Zweistufiges Streitschlichtungsverfahren
Art. 31-34 der Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich
(Rahmenvereinbarung, IRV) vom 24. Juni 2005 (GS OW 174.2) sieht ein
zweistufiges Streitschlichtungsverfahren vor. Die Vereinbarung regelt die Grundsätze und
Verfahren der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich und bildet Grundlage für
interkantonale Zusammenarbeitsverträge in den Bereichen gemäss Art. 48a BV, wobei die
Kantone die Möglichkeit haben, auch andere Zusammenarbeitsverträge der Rahmenvereinbarung
zu unterstellen (vgl. Art. 1).
76
Art. 31 Grundsatz
1 Die Kantone und interkantonale Organe bemühen sich, Streitigkeiten aus bestehenden oder
beabsichtigten interkantonalen Verträgen durch Verhandlung oder Vermittlung beizulegen.
2 Sie verpflichten sich, bei allen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der interkantonalen Zusammenarbeit
mit Lastenausgleich vor Erhebung einer Klage gemäss Artikel 120 Absatz 1
Buchstabe b des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 am nachstehend beschriebenen
Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen.
3 Das Streitbeilegungsverfahren kann auch von Nichtvereinbarungskantonen sowie von interkantonalen
Organen, die nicht auf der IRV basieren, angerufen werden.
Art. 32 Streitbeilegungsverfahren
1 Das Streitbeilegungsverfahren ist zweistufig. Es besteht aus einem informellen Vorverfahren
vor dem Präsidium der KdK und einem förmlichen Vermittlungsverfahren vor der IVK.
2 Jeder Kanton und jedes interkantonale Organ kann zu diesem Zweck beim Präsidium der
KdK mit schriftlichem Vermittlungsgesuch das Streitbeilegungsverfahren einleiten.
Art. 33 Informelles Vorverfahren
1
Nach Eingang des Vermittlungsgesuchs lädt die Präsidentin oder der Präsident der KdK oder
eine andere von ihr oder ihm bezeichnete Persönlichkeit als Vermittler die Vertretungen
der beteiligten Parteien zu einer Aussprache ein.
2
Im Einvernehmen mit den Beteiligten kann eine auf dem Gebiet der Mediation besonders befähigte
Person beigezogen werden.
3
Führt das informelle Vorverfahren nicht innert sechs Monaten ab Eingang des Vermittlungsgesuchs
zu einer Einigung, so leitet der Vermittler das förmliche Vermittlungsverfahren vor
der IVK (Interkantonale Vertragskommission gemäss Art. 7) ein.
[Art. 7 Interkantonale Vertragskommission (IVK)
1
Die IVK ist zuständig für das Förmliche Vermittlungsverfahren im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens.
2
Sie besteht aus sechs Mitgliedern, welche von der KdK auf eine Amtszeit von vier Jahren
gewählt werden. Bei der Wahl ist auf eine angemessene Vertretung der Sprachregionen
Rücksicht zu nehmen.

3
Sie gibt sich eine Geschäftsordnung.
4
Die KdK trägt die Bereitstellungskosten der IVK. Alle weiteren Kosten sind gemäss Art. 34
Abs. 5 von den Parteien zu tragen.]
Art. 34 Förmliches Vermittlungsverfahren
1
Die IVK gibt den Parteien die Eröffnung des förmlichen Vermittlungsverfahrens bekannt.
2
Die Mitglieder der IVK bezeichnen eine Persönlichkeit als Vorsitzende oder Vorsitzenden für
das hängige Vermittlungsverfahren. Können sie sich nicht innert Monatsfrist auf einen gemeinsamen
Vorschlag einigen oder wird die bezeichnete Person von einer Partei abgelehnt,
wird die Präsidentin oder der Präsident des Bundesgerichts darum ersucht, eine Vorsitzende
oder einen Vorsitzenden für das Vermittlungsverfahren zu bezeichnen.
3
Die Eröffnung des Vermittlungsverfahrens ist unter Angabe des Streitgegenstandes der
Bundeskanzlei anzuzeigen. Werden durch die Streitigkeit Interessen des Bundes berührt, so
kann der Bundesrat eine Person bezeichnen, die als Beobachterin des Bundes am Vermittlungsverfahren
teilnimmt.
4
Die Parteien sind befugt, ihre abweichenden Standpunkte zuhanden der IVK schriftlich festzuhalten
und zu dokumentieren, und sie erhalten Gelegenheit, sich mündlich vor der IVK zu
äussern. Über die Verhandlung ist ein Protokoll zu führen.
5
Das Ergebnis wird von der IVK zuhanden der Beteiligten in einer Urkunde festgehalten. Darin
ist auch die Verteilung der Verfahrenskosten auf die Parteien zu regeln.
6
Die Parteien verpflichten sich, eine allfällige Klage beim Schweizerischen Bundesgericht
innert sechs Monaten nach förmlicher Eröffnung eines allfälligen Scheiterns des Vermittlungsverfahrens
zu erheben.
7
Sie verpflichten sich, die Unterlagen des Streitbeilegungsverfahrens zu den Gerichtsakten zu
geben.
Das geschilderte zweistufige Streitbelegungsverfahren ist auf Streitigkeiten zwischen den
Konkordatskantonen zugeschnitten und somit grundsätzlich bei rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen
anwendbar. Die Bestimmungen legen die Grundsätze für die interkantonale Streitbelegung
(in erster Linie) bei interkantonalen Verträgen fest, die gestützt auf Art. 48a BV geschlossen
werden. Das Modell ist deshalb von Interesse, weil eine derart ausführliche Regelung
des Streitschlichtungsverfahrens zurzeit einmalig ist. Mit Blick auf die Rechtsweggarantie
ist dieses Modell jedoch nur von untergeordneter Bedeutung.
Von weitaus grösserer Bedeutung im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz von Privaten ist
Art. 16 FilaG, dessen Abs. 1 die Kantone verpflichtet, bei der interkantonalen Zusammenarbeit
mit Lastenausgleich richterliche Behörden einzusetzen, die als letztinstanzliche kantonale
oder interkantonale Behörden über Beschwerden gegen Entscheide interkantonaler Organe
befinden. Diese Bestimmung wurde bewusst im Hinblick auf das In-Kraft-Treten des BGG
eingeführt 259 .
3.2 Streitschlichtung durch Bundesbehörden
In der Übereinkunft vom 23. Juni 1909 betreffend die Polizeitransporte (SGF 559.5), an welcher
auch der Bund beteiligt ist, entscheidet das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
über allfällige Beschwerden betreffend die Handhabung der Vereinbarung (§ 19). Für
kantonale Vorschriften über den Rechtsschutz bleibt hier kein Raum.
Die Vereinbarung enthält auch Bestimmungen, die sich auf die Rechtsstellung von Personen
auswirken können (z.B. § 10: Anspruch der Transportierten auf Verpflegung; § 16: spezielle
Vorschriften für weibliche Personen). Nach aktueller Rechtslage steht gegen Entscheide der
Departemente die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung (Art. 33 lit.
d). Ein Ausschlussgrund gestützt auf Art. 32 VGG ist nicht ersichtlich. Der Rechtsweggarantie
wird somit auf Bundesebene Genüge getan.
259 Vgl. BBl 2002 2482.
77

3.3 Verweis auf den „ordentlichen“ Rechtsweg
3.3.1 Beispiel
Art. 10 der Interkantonalen Vereinbarung über den Salzverkauf in der Schweiz vom 22.
November 1973:
Rechtsschutz
1 Bei Anständen zwischen Privaten und der Geschäftsleitung der Rheinsalinen über die Anwendung
dieser Vereinbarung, insbesondere im Hinblick auf die Einfuhr und den Verkauf
sowie die Erhebung der Regalgebühren, entscheidet der Verwaltungsrat, wobei Artikel 7
Absatz 3 Anwendung findet.
2 Der ordentliche Rechtsweg bleibt vorbehalten.
3 Streitigkeiten zwischen den dieser Vereinbarung angeschlossenen Kantonen sowie zwischen
ihnen und den Organen dieser Vereinbarung werden vom Bundesgericht entschieden.
Artikel 7 Verwaltungsrat
1
Jeder Aktionärkanton hat Anspruch auf einen Vertreter im Verwaltungsrat der Rheinsalinen.
2
Hinsichtlich dieser Vereinbarung hat der Verwaltungsrat neben seinen in den Statuten festgelegten
Befugnissen folgende Aufgaben:
a) Bestimmung der Höhe der Regalgebühren und Festlegung des Verteilungsschlüssels;
b) Genehmigung der Abrechnung über die Regalgebühren;
c) Entschädigung der Organe dieser Vereinbarung sowie Vergütung der den Rheinsalinen
entstandenen Vertriebs- und Verwaltungskosten;
d) Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen vorliegender Vereinbarung.
3
Bei Geschäften nach Absatz 2 Buchstaben a—d sind nur die Verwaltungsratsmitglieder
stimmberechtigt, welche Vertreter der dieser Vereinbarung angeschlossenen Kantone sind.
Gestützt auf diese Vereinbarung wird das auf die kantonalen Salzregale abgestützte Recht
auf Einfuhr und Verkauf von Salz sowie bestimmten Salzgemischen im Auftrag der an der
Vereinbarung beteiligten Kantone durch die Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen, eine
Aktiengesellschaft mit Sitz in Schweizerhalle, ausgeübt (Art. 2 der Vereinbarung sowie Art. 1
der Statuten der Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen).
Die Rheinsalinen AG ist eine in privatrechtlicher Form organisierte Unternehmung bestehend
aus öffentlichen Körperschaften (den beigetretenen Kantonen). Gemäss Art. 19 der Statuten
der Rheinsalinen setzt sich der Verwaltungsrat aus mindestens 24 Mitgliedern zusammen,
wobei jeder Aktionärskanton einen Vertreter zu Handen der Generalversammlung vorschlägt.
Der Verwaltungsrat der Rheinsalinen, der gemäss Art. 10 Abs. 1 über Streitigkeiten
zwischen Privaten und der Geschäftsleitung der Rheinsalinen befinden kann, ist somit eine
aus Kantonsvertretern (wohl Regierungsratsmitgliedern) zusammengesetzte Behörde, die
bereits aufgrund mangelnder Unabhängigkeit nicht als richterliche Behörde betrachtet werden
kann. Da der Zugang zu einer richterlichen Behörde i.S.v. Art. 29a BV vorliegend offensichtlich
nicht ausgeschlossen werden darf, müssten Streitigkeiten im Anwendungsbereich
dieser Vereinbarung von einem Gericht beurteilt werden.
Art. 10 Abs. 2 behält jedoch den ordentlichen Rechtsweg vor. Es stellt sich hier die Frage,
was unter den Begriff „ordentlicher“ Rechtsweg zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang
gilt es namentlich herauszufinden, welche Behörde zuständig ist, über Entscheide zu befinden,
die in Anwendung dieser Vereinbarung getroffen wurden, und welches das anwendbare
Verfahren ist. Im Folgenden wird es versucht, verschiedene Kriterien zur Beantwortung dieser
Frage darzustellen. Die Problematik stellt sich insbesondere bei öffentlich-rechtlichen
Streitigkeiten, die ihre Grundlage in interkantonalen Vereinbarungen finden.
78

3.3.2 Zuständigkeitsvorschriften bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
Als Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Verwaltungsrecht
kann der Ort der gelegenen Sache oder der Amtssitz der verfügenden Behörde (sog. Ort der
Verwaltungstätigkeit) dienen. Die Wohnsitzgarantie gemäss Art. 30 Abs. 2 BV, welche jeder
Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, einen Anspruch auf den Gerichtsstand am
Wohnort einräumt, gilt nicht für öffentlich-rechtliche Verhältnisse 260 . In verwaltungsrechtlichen
Streitigkeiten wird auf die Garantie des Wohnsitzrichters nur kraft besonderer Vorschrift
abgestellt 261 .
Im Rechtsmittelverfahren richtet sich die Zuständigkeit jeweils ebenfalls nach dem Gerichtsstand
der Verwaltungstätigkeit. Die betreffende Verfügung muss demnach bei der Verwaltungsrechtspflegeinstanz
angefochten werden, in deren räumlichem Einzugsbereich der
Amtssitz der verfügenden Behörde liegt; unmassgeblich ist dabei der Wohnsitz des Verfügungsadressaten.
Diese Gerichtsstandsregelung greift dann, wenn kein besonderer Gerichtsstand
bestimmt wurde 262 .
Bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, die auf interkantonalen Vereinbarungen beruhen,
müssen in Ermangelung besonderer Regelungen die oben erwähnten Grundsätze angewendet
werden. Hier sollen zwei Fälle unterschieden werden: Einerseits sind Entscheide bzw.
Verfügungen möglich, die von kantonalen Behörden in Anwendung einer interkantonalen
Vereinbarung getroffen bzw. erlassen wurden. In einer solchen Situation muss der Rechtssuchende
sich an die Beschwerdeinstanz am Ort der erstinstanzlich handelnden Verwaltungsbehörde
wenden. Es ist ohnehin anzunehmen, dass die verfügende Behörde ihren Entscheid
mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen wird.
Komplexer ist die Lage bei Entscheiden interkantonaler Organe, wenn die betreffende Vereinbarung
keine Behörde für den Weiterzug bezeichnet. Diese Situation ist mit einer grossen
Unsicherheit behaftet. Grundsätzlich müssen aber auch hier die bestehenden Regelungen
sinngemäss angewendet werden: Entscheide von Organen interkantonaler Einrichtungen
sind grundsätzlich bei den Behörden des Sitzkantons anfechtbar, die ihr eigenes Verfahrensrecht
anwenden werden. Diese Variante entspricht dem Grundsatz, wonach der Ort der Verwaltungstätigkeit
als subsidiärer Gerichtsstand zum Zuge kommt. Dies entspricht auch der
Lösung, die zahlreiche Vereinbarungen, welche gemeinsame interkantonale Einrichtungen
(Anstalten) schaffen, vorsehen 263 . Das Verfahren eines anderen Kantons kann beim Fehlen
ausdrücklicher Vorschriften grundsätzlich nicht angewendet werden. Bei Vereinbarungen,
aufgrund derer ein Kanton Leistungen für weitere Kantone erbringt, ist in der Regel das Verfahren
desjenigen Kantons massgebend, in dem der angefochtene Hoheitsakt stattgefunden
hat 264 .
260
Vgl. HOTZ, St. Galler Kommentar, N 16 ff. zu Art. 30 BV.
261
Vgl. GYGI, S. 65 f.
262
GYGI, S. 65 f.; vgl. auch ATTILIO R. GADOLA, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Zürich
1991, S. 186 f.
263
So ist beispielsweise die Ostschweizerische Maturitätsschule für Erwachsene eine öffentlichrechtliche
Anstalt mit Sitz in St. Gallen; bezüglich des Verfahrens vor der Rekurskommission wurde
ausdrücklich auf die Verwaltungsrechtspflegevorschriften des Sitzkantons verwiesen (Art. 9); vgl.
aber auch Art. 13 der Interkantonalen Vereinbarung über die Fahrlehrer-Prüfungskommission (SAR
991.050): „Streitigkeiten aus der Anwendung dieser Vereinbarung sind dem/der für die Fahrlehrerprüfungen
zuständigen Departement/Direktion des Sitzkantons zu unterbreiten. Der Entscheid erfolgt
nach Rücksprache mit den zuständigen Departementen/Direktionen der anderen Vertragskantone“;
gemäss Art. 2 der Vereinbarung befindet sich der Sitz in dem Vertragskanton, der den Präsidenten
stellt.
264
Zum Ganzen BRUNNER, S. 184 f.
79

3.3.3 Beurteilung im Lichte der Rechtsweggarantie
Die zitierte Salzvereinbarung gehört zu jenen Konkordaten, die lediglich auf den ordentlichen
Rechtsweg verweisen. Werden die oben geschilderten Grundsätze auf sie angewendet, so
ergibt sich, dass Entscheide der Konkordatsorgane grundsätzlich am Sitz der Rheinsalinen
AG, namentlich in Schweizerhalle, anzufechten sind.
Da sich die Bestimmung der zuständigen Behörden und des anwendbaren Verfahrens bei
Entscheiden interkantonaler Organe z.T. als sehr komplex erweisen kann und mit Unsicherheiten
behaftet ist, ist es den Kantonen davon abzuraten, lediglich auf den „ordentlichen“
Rechtsweg zu verweisen. Das Fehlen ausdrücklicher Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften
kann insbesondere dem rechtsunkundigen Bürger den Zugang zu einem Gericht
erschweren, was gegen den durch die Rechtsweggarantie geforderten effektiven Rechtsschutz
verstösst. Als Alternative kann das Verfahren eines Vertragspartners ausdrücklich für
anwendbar erklärt werden bzw. es können ausdrückliche Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften
in die Vereinbarung aufgenommen werden. Zur Auswahl steht beispielsweise
der Sitz der verfügenden Behörde bzw. Einrichtung; doch auch ein Verweis auf das Recht
des Wohnsitzkantons des Beschwerdeführers kann eine sinnvolle Alternative darstellen, zumal
es für den Einzelnen erfahrungsgemäss sehr aufwendig sein kann, vor den Behörden
eines anderen Kantons zu prozessieren 265 .
Der Verweis auf den ordentlichen Rechtsweg kann höchstens dann eine akzeptable Lösung
darstellen, wenn die zur Diskussion stehende interkantonale Vereinbarung überwiegend
rechtsgeschäftlicher Natur ist, so dass es in Anbetracht der gesamten Umstände als sehr
unwahrscheinliche erscheint, dass der Bürger durch Entscheide interkantonaler Organe in
eigenen Rechten oder Pflichten berührt wird. Dies ist namentlich der Fall, wenn die jeweiligen
interkantonalen Organe gegenüber dem Bürger keine Verfügungsbefugnisse haben. In
solchen Konstellationen wäre es unverhältnismässig, spezielle Rechtsschutzbestimmungen
auf interkantonaler Ebene zu verlangen.
4. Interkantonale Vereinbarungen ohne eigene Rechtsschutzbestimmungen
4.1 Beispiele
Zahlreiche Konkordate enthalten keine eigenen Bestimmungen in Bezug auf Verfahren und
Rechtsschutz. Dazu gehören unter anderem
- das Konkordat über die nicht eidgenössisch konzessionierten Luftseilbahnen und Skilifte
(BGS 738.1)
- das Konkordat betreffend die Schürfung und Ausbeutung von Erdöl (Gesetzessammlung SZ
215.210.1)
- die Interkantonale Vereinbarung über den Abbau technischer Handelshemmnisse
- das Konkordat vom 22. Mai 1978 über die Ausübung und die Beaufsichtigung der Jagd (SGF
922.4) oder
- das Konkordat betreffend die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (SAR 426.010)
- Konkordat vom 22. Oktober 1984 über den Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen
und jungen Erwachsenen in den westschweizerischen Kantonen und im Kanton Tessin (Neuenburger
Gesetzessammlung [RSN] 354.2).
265 Vgl. z.B. die Vereinbarung über eine gemeinsame öffentliche Arbeitslosenkasse der Kantone Obwalden
und Nidwalden (GS OW 855.111), deren Art. 9 folgenden Wortlaut hat: „Beschwerden gegen
Verfügungen und Entscheide der Arbeitslosenkasse sind innert 30 Tagen seit Eröffnung
schriftlich und begründet bei dem nach kantonalem Recht zuständigen Gericht des Wohnsitzkantons
des Verfügungsadressaten einzureichen. Massgebend ist der Wohnsitz im Zeitpunkt der Erfüllung
des Tatbestandes“; dabei handelt es sich jedoch um eine bilaterale Vereinbarung.
80

Daneben gibt es weitere Konkordate, die sich in Bezug auf den Rechtsschutz von Privaten
lediglich darauf beschränken, auf die allgemeine Zuständigkeit des Bundesgerichts zu verweisen.
Dies ist namentlich der Fall bei Art. 35 der Interkantonalen Vereinbarung für soziale
Einrichtungen (IVSE; GS SZ 380.311.1), der folgendermassen lautet:
1 Entscheide der Organe dieser Vereinbarung können gemäss Art. 84 Abs. 1 Bst. a und b des
Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz,
OG) beim Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.
Schliesslich bestehen zahlreiche interkantonale Vereinbarungen, die lediglich Rechtsschutzbestimmungen
für die Vertragsparteien enthalten. Mit Blick auf die Gewährleistung der
Rechtsweggarantie sind sie jenen gleichzusetzen, die den Rechtsschutz allgemein nicht regeln.
Im Rahmen von Art. 29a BV sind solche Verträge nur soweit von Bedeutung, als sie
geeignet sind, in individuelle Rechte und Pflichten einzugreifen.
Als Beispiel kann in dieser Kategorie § 10 des Vertrags zwischen den Kantonen Aargau,
Glarus, Zürich, St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Schwyz, Appenzell A. Rh. und Zug
betreffend Gründung der Gesellschaft der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.G
(Thurgauer Rechtsbuch 954.4) erwähnt werden. Hier wird es allgemein auf die Zuständigkeit
des Bundesgerichts hingewiesen, ohne dass ein bestimmtes Rechtsmittel bezeichnet wird:
Alle Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft einerseits und ihren Organen oder einzelnen Aktionären
anderseits oder zwischen Gesellschaftsorganen unter sich oder zwischen diesen und
einzelnen Aktionären sind durch das schweizerische Bundesgericht im Sinne des Artikels
52, Ziffer 1, des Organisationsgesetzes betreffend die Bundesrechtspflege vom 6. Oktober
1911 zu entscheiden.
Ein weiteres Beispiel stellt die Interkantonale Universitätsvereinbarung dar (LS 415.17).
Hier werden unter „Rechtspflege“ folgende Bestimmungen aufgeführt:
Art. 21 Schiedsinstanz
Eine von der Kommission Universitätsvereinbarung eingesetzte Schiedsinstanz entscheidet
endgültig über strittige Fragen betreffend die Studierendenzahl, die Zuordnung der Studierenden
zu einer der drei Fakultätsgruppen und die Zahlungspflicht eines Kantons.
Art. 22 Bundesgericht
Das Bundesgericht entscheidet gemäss Artikel 83 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes
über die Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 19433 auf staatsrechtliche Klage über
Streitigkeiten, die sich aus dieser Vereinbarung zwischen Kantonen ergeben können; vorbehalten
bleibt Artikel 21.
4.2 Beurteilung im Lichte der Rechtsschutzgarantie
Enthält die betreffende interkantonale Vereinbarung keine Rechtsschutzbestimmungen, so
gilt es wiederum zu prüfen, ob ihr rechtsetzender Charakter zukommt. Trifft dies zu, so muss
in der Regel eine richterliche Beurteilung im Sinne von Art. 29a BV gewährleistet werden,
ausser der Fall könne als zulässige Ausnahme im Sinne des 2. Satzes dieser Norm betrachtet
werden. Wie bereits erläutert, ist es davon auszugehen, dass der Ausnahmetatbestand
im Bereich des interkantonalen Rechts eine eher untergeordnete Rolle spielen wird (§
2/D/I/1). Als Beispiel kann an dieser Stelle die oben erwähnte IVSE angeführt werden: Die
IVSE enthält keine eigenen Rechtsschutzbestimmungen auf kantonaler bzw. interkantonaler
Ebene, sondern verweist lediglich auf die staatsrechtliche Beschwerde, die ohnehin kein ordentliches
Rechtsmittel darstellte. Da die staatsrechtliche Beschwerde nach In-Kraft-Treten
der Justizreform abgeschafft wurde, hat diese Bestimmung in jedem Fall ihre Bedeutung verloren.
Die Tatsache, dass die zitierte Rechtsschutznorm in das Konkordat überhaupt aufgenommen
worden ist, deutet jedoch darauf hin, dass sich die Vereinbarung in bestimmten Fällen
auf die Rechtsstellung der Bürger auswirken kann. Der Kommentar zur IVSE 266 erwähnte
266 Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (Hrsg.), Kommentar zur Interkantonalen
Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE) und Vortrag zum Beitrittsverfahren zu
Handen der Kantone, Bern 2002.
81

als möglicher Beschwerdegrund die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1
lit. a OG); ein solcher Fall könne namentlich dann eintreten, wenn die zuständige Behörde
eines Wohnkantons einem Kind die Kostenübernahmegarantie für den Eintritt in eine ausserkantonale
Einrichtung verweigert, obwohl keine Einrichtung mit dem nötigen therapeutischen
Angebot im eigenen Kanton besteht 267 .
Die staatsrechtliche Beschwerde wurde durch die Einheitsbeschwerde bzw. subsidiäre Verfassungsbeschwerde
abgelöst. Daher sind die Kantone verpflichtet, richterliche Instanzen als
Vorinstanzen des Bundesgerichts einzusetzen. So könnte die Vereinbarung beispielsweise
dahingehend geändert werden, dass Entscheide der Konkordatskantone beim Verwaltungsgericht
des Trägerkantons (in der Regel am Standort der jeweiligen Einrichtung) angefochten
werden können.
Rechtsetzende Bestimmungen enthält ferner sowohl das zitierte Konkordat über die Ausübung
und Beaufsichtigung der Jagd, namentlich betreffend die Jägerprüfungen als auch
das ebenfalls erwähnte Konkordat über den Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen
und jungen Erwachsenen in den westschweizerischen Kantonen und im Tessin bzw. die
darauf gestützten Reglemente des interkantonalen Organs (vgl. oben Ziff. 4.1); diese weisen
Bestimmungen auf, die sich auf die Rechtsstellung der inhaftierten Personen auswirken 268 .
Der Vertrag über die Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) ist hauptsächlich rechtsgeschäftlicher
Natur. Dennoch können sich gewisse Bestimmungen auf Dritte auswirken. Dazu
gehört beispielsweise § 5 des Vertrags:
1
Die Kantone sind im übrigen in der Erteilung von Konzessionen an Dritte unbeschränkt. Bei
Projekten von Anlagen mit 10 000 Pferdekräften und mehr haben sie jedoch unter Vorbehalt
der kantonalen Gesetzgebung den Nordostschweizerischen Kraftwerken zu den gleichen
Bedingungen ein Vorzugsrecht vor privaten Konzessionsbewerbern einzuräumen.
2
Das Vorzugsrecht ist innert längstens 4 Monaten nach Abschluss der Verhandlungen mit
den Konzessionsbewerbern geltend zu machen.
3
Mit der Geltendmachung des Vorzugsrechtes haben die Nordostschweizerischen Kraftwerke
die Verpflichtung zu übernehmen, die Konzessionsbewerber für ihre Auslagen und Arbeiten
schadlos zu halten.
Es stellt sich somit auch hier die Frage nach der Gewährleistung eines Rechtsschutzes im
Sinne der Rechtsweggarantie. Sofern die grundsätzliche Anwendung von Art. 29a BV bejaht
wird, was der Fall sein sollte, gälte es hier noch zu prüfen, ob die Kantone befugt wären, eine
Ausnahme im Sinne von Art. 29a, Satz 2, BV zu statuieren und demzufolge den Zugang zu
einem Gericht ausschliessen dürften. Entscheide über Konzessionen, auf die kein Anspruch
besteht bzw. bei deren Erteilung die zuständige Behörde über einen erheblichen Ermessensspielraum
verfügt, könnten möglicherweise zulässige Ausnahmen von der Rechtsweggarantie
bilden, da hier unter Umständen der überwiegend politische Charakter bejaht werden
könnte 269 . Dazu müssten zunächst die einschlägigen kantonalen Rechtsgrundlagen insbesondere
in Bezug auf die Frage geprüft werden, ob auf die jeweilige Konzession ein
Rechtsanspruch besteht oder nicht. Wie bei jedem Entscheid über den Ausschluss des Zugangs
zum Gericht ist auch hier Vorsicht geboten. Es darf namentlich nicht ausser Acht gelassen
werden, dass Konzessionsentscheide durchaus einer richterlichen Kontrolle zugänglich
sein können, zumindest was die korrekte und willkürfreie Anwendung der gesetzlichen
Vorschriften anbelangt. Sodann gilt es zu berücksichtigen, dass gegen die Nichterteilung einer
Konzession die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger
Rechte zulässig sein könnte, weshalb die Kantone ohnehin verpflichtet sind, den betreffenden
Entscheid durch ein oberes Gericht im Sinne des BGG überprüfen zu lassen. Sofern
die Anwendung von Art. 29a BV verneint würde, würde hier eine Überprüfungsbefugnis rei-
267 Kommentar IVSE, S. 23.
268 Vgl. z.B. Art. 27 des Konkordats, wonach die in den Konkordatsanstalten eingewiesenen Gefangenen
Anspruch auf einen Teil ihres Arbeitseinkommens haben.
269 Vgl. auch FLEINER, Grundzüge, S. 169.
82

chen, die lediglich die Anforderungen des BGG erfüllt. Schliesslich kann in diesem Zusammenhang
hinzugefügt werden, dass gemäss der Praxis des EGMR, die technische Komplexität
der sich stellenden Fragen allein nicht reicht, um die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1
EMRK auszuschliessen; umso weniger könnte mit dieser Begründung von der Anwendung
von Art. 29a BV abgesehen werden 270 .
Die zitierte Interkantonale Universitätsvereinbarung kennt schliesslich ebenfalls einzelne
Bestimmungen, die sich auf die Rechtsstellung von Privaten auswirken können. Die beiden
wichtigsten finden sich unter dem Titel „Hochschulzugang und Gleichberechtigung:
Art. 10 Gleichbehandlung bei Zulassungsbeschränkungen
1 Im Falle von Zulassungsbeschränkungen geniessen die Studienanwärterinnen, Studienanwärter
und Studierenden aus allen Vereinbarungskantonen die gleiche Rechtsstellung wie
diejenigen des Universitätskantons.
2 Erlässt ein Universitätskanton Zulassungsbeschränkungen, so holt er vorgängig die Stellungnahme
der Kommission Universitätsvereinbarung ein.
3 Wenn in einem Fach die Studienplatzkapazitäten einer oder mehrerer Universitäten ausgeschöpft
sind, können Studienanwärterinnen, Studienanwärter und Studierende an andere
Universitäten umgeleitet werden, sofern diese freie Studienplätze zur Verfügung stellen. Die
Kommission Universitätsvereinbarung bezeichnet die für die Umleitungen zuständige Stelle.
Art. 11 Behandlung von Studierenden aus Nichtvereinbarungskantonen
1 Studierende aus Nichtvereinbarungskantonen haben keinen Anspruch auf Gleichbehand-
lung.
2 Sie werden an eine Universität erst zugelassen, wenn die Studierenden aus Vereinbarungs-
kantonen Aufnahme gefunden haben.
3 Ihnen werden zusätzliche Gebühren auferlegt, die mindestens den Beiträgen gemäss Artikel
12 entsprechen.
Trotz des Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen, ist es anzunehmen, dass der Rechtsschutz
von Privaten in diesem Fall gewährleistet werden kann, da die betroffenen Studierenden
in der Regel eine anfechtbare Verfügung des jeweiligen Universitätskantons bzw. der
jeweiligen Universität erhalten werden bzw., dass sie zumindest eine solche werden verlangen
können. Diese wird anschliessend in der Regel nach den Vorschriften des Universitätskantons
weitergezogen werden können. Dies bedeutet wiederum, dass die Konkordatskantone
gehalten sind, ihre Rechtsordnungen verfassungskonform zu gestalten.
Muss die Rechtsweggarantie gewährleistet werden, so gilt es noch zwischen verschiedenen
Lösungsvarianten zu wählen: Die jeweilige interkantonale Vereinbarung kann durch eigene
Rechtsschutzbestimmungen ergänzt werden. Zur Verfügung stehen hauptsächlich drei Modelle:
die Schaffung eines interkantonalen Gremiums nach dem Vorbild der interkantonalen
Rekurskommissionen (oben Ziff. 2.2), die Erklärung der Verfahrensordnung eines Vertragskantons
für anwendbar (oben Ziff. 2.3) oder die Beauftragung der Kantone mit dem Vollzug
(oben Ziff. 2.4). Verweise auf den „ordentlichen“ Rechtsweg sind, wie oben erläutert (Ziff.
3.3.3) grundsätzlich nicht zu empfehlen. Mit Ausnahme der ersten Variante setzen sämtliche
Lösungen eine vorgängige Anpassung des innerkantonalen Rechts an Art. 29a BV voraus.
270 Vgl. im Zusammenhang mit der Verlängerung der Betriebsgenehmigung für das Kernkraftwerk
Mühleberg Urteil Balmer-Schafroth, in VPB 61 (1997) Nr. 103.
83

Schema VIII: Vereinfachtes Prüfungsschema
(unter der Annahme, dass Art. 29a BV, Satz 2 nicht zum Zuge kommt)
84

5. Zwischenfazit
Der bisherige Überblick über verschiedene interkantonale Vereinbarungen hat gezeigt, dass
gewisse Konkordate bereits über Rechtsschutzbestimmungen verfügen, die mit der Rechtsweggarantie
ganz oder teilweise im Einklang stehen. Dabei handelt es sich meistens um
neuere Konkordate, bei deren Erarbeitung die Grundsätze der Rechtsweggarantie vermutlich
bereits berücksichtigt wurden. Im Vordergrund stehen Konkordate, die Bestimmungen über
konkordatseigene Rekurskommissionen enthalten oder jene, die für den Rechtsschutz auf
das Recht eines Konkordatskantons verweisen.
In vielen Fällen entspricht das geltende Rechtsmittelsystem nicht den verfassungsmässigen
Anforderungen nach Art. 29a BV. Das Problem stellt sich zunächst auf interkantonaler Ebene,
in jenen Fällen, in denen die Kantone keine richterliche Kontrolle vorschreiben. Dies ist
namentlich der Fall, wenn die jeweilige interkantonale Vereinbarung keine Rechtsschutzbestimmungen
enthält oder, wenn die Verfahrensordnung, worauf verwiesen wird, die richterliche
Kontrolle im konkreten Fall ausschliesst. Auf Bundesebene erfüllt die Einheitsbeschwerde
(einschliesslich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde) die Anforderungen gemäss Art.
29a BV nicht, da das Bundesgericht grundsätzlich an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
gebunden ist. Da die Rechtsweggarantie in erster Linie auf kantonaler Ebene umgesetzt
werden muss, liegt es an den Kantonen, inner- oder interkantonale Behörden einzusetzen,
welche die verfassungsmässigen Anforderungen erfüllen.
Gestützt auf die bisherigen Erkenntnisse gilt es im Folgenden verschiedene verfassungskonforme
Modelle für die Gestaltung des Rechtsschutzes im interkantonalen Bereich darzustellen.
6. Lösungsvarianten
Aus den bisherigen Erkenntnissen lassen sich verschiedene Grundsätze für die Anpassung
des Rechtswegs im interkantonalen Bereich an die Anforderungen von Art. 29a BV.
Die Rechtsschutzsysteme, die sich im interkantonalen Recht bereits finden, stehen bereits
mit der Rechtsweggarantie im Einklang oder können – mit bestimmten Anpassungen – damit
in Einklang gebracht werden. Das interkantonale Recht verfügt demzufolge bereits über das
notwendige Instrumentarium, um einen verfassungsmässigen Rechtsschutz zu gewährleisten.
Demnach reicht es aus, auf Vorhandenes zurückzugreifen und es besteht kein Bedürfnis,
neue Rechtsschutzsysteme einzuführen. Ferner darf nicht ausser Acht gelassen werden,
dass die interkantonalen Vereinbarungen sehr verschieden sein können, weshalb es nicht
nur eine richtige Lösung gibt; vielmehr muss für jede Kategorie von Konkordaten jenes
Rechtsschutzsystem gewählt werden, welches den jeweiligen Besonderheiten am besten
Rechnung trägt. Dabei muss in erster Linie sichergestellt werden, dass dem Bürger, jedes
Mal wenn die Notwendigkeit besteht, der Zugang zu einem Gericht offen steht. Andererseits
müssen aber auch praktische und verfahrensökonomische Überlegungen in die Interessenabwägung
einfliessen.
Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der existierenden Rechtsschutzmodelle dargestellt
und es wird erläutert, welche Systeme sich für welche Arten von interkantonalen Vereinbarungen
am besten eignen. Die wesentlichen Ergebnisse werden anschliessend in tabellarischer
Form zusammengefasst.
6.1. Interkantonale Rekurskommissionen
Interkantonale Vereinbarungen, die Rekurskommissionen als Rechtsprechungsorgane einsetzen,
können die Anforderungen gemäss Art. 29a BV in Bezug auf den Rechtsschutz erfül-
85

len. Vorausgesetzt wird, dass die entsprechende Rekurskommission die Kriterien erfüllt, die
an richterliche Behörden, insbesondere hinsichtlich der institutionellen und personellen Unabhängigkeit,
gestellt werden. Mit Blick auf die Rechtsweggarantie muss der Grundsatz der
freien Kognition bezüglich Sachverhalts- und Rechtsfragen ausdrücklich statuiert werden.
Für die genauen Anforderungen an richterliche Behörden kann an dieser Stelle auf die
betreffenden Ausführungen verwiesen werden (§ 2/C/I/1).
Rekurskommissionen haben den Vorteil, dass sie aus Fachpersonen, aber auch aus Juristen,
zusammengesetzt sind, was für die Beurteilung von spezifischen Fragen von Vorteil sein
kann. Die Bestellung solcher Gremien ist indessen nur dann sinnvoll, wenn die betreffende
interkantonale Vereinbarung hauptsächlich rechtsetzender Natur ist, d.h. wenn bei ihrer Anwendung
durch die Konkordatsorgane Entscheide getroffen werden, welche in der Regel die
Rechte von Privaten tangieren. Ferner muss es sich um Vereinbarungen handeln, deren
Anwendung und Auslegung tatsächlich ein besonderes Fachwissen erfordert, das bei den
ordentlichen Gerichten nicht im selben Ausmass vorhanden ist. Zu denken ist beispielsweise
an die Konkordate im Bildungs- oder Gesundheitsbereich.
Die Bezeichnung spezieller Rekurskommissionen ist indessen mit einem relativ grossen
Aufwand sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht verbunden. Insbesondere
müssen die Konkordatsparteien in der Lage sein, ein Gremium zu schaffen, das dieselben
Aufgaben wie ein ordentliches Gericht erfüllt, sein Verfahren und seine Organisation zu
bestimmen und ihm die notwendige Infrastruktur und finanziellen Mittel zur Verfügung zu
stellen. Dieser Aufwand erscheint als unverhältnismässig hoch, sofern gestützt auf ein Konkordat
Eingriffe in die Rechtsstellung des Bürgers zwar möglich, jedoch selten sind, wie dies
bei hauptsächlich rechtsgeschäftlichen bzw. einzelnen gemischten Vereinbarungen der Fall
sein kann. In einer solchen Konstellation ist es anderen Lösungen der Vorrang einzuräumen.
Zu überlegen wäre auch die Schaffung einer einzigen Rekurskommission, deren Tätigkeit
sich auf mehrere interkantonale Vereinbarungen erstreckt, die in engem Zusammenhang zueinander
stehen. Eine derartige Lösung könnte beispielsweise bei Vereinbarungen der EDK
oder GDK angewendet werden.
6.2. Verweis auf die Verfahrensordnung eines Vertragskantons
Diese Lösung hat den Vorteil, dass die Vertragskantone kein neues Organ zu schaffen brauchen,
sondern sie können auf bestehende Strukturen (Gerichtsorganisation) zurückgreifen.
Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Kantons, auf dessen
Rechtsordnung verwiesen wird.
Damit die Anforderungen von Art. 29a BV eingehalten werden, ist es in einem solchen Fall
absolut notwendig, dass der jeweilige Kanton seine Rechtsordnung an die Anforderungen
der Rechtsweggarantie anpasst. Allenfalls muss hier geprüft werden, ob eine Erweiterung
der Zuständigkeiten, der Kognition oder der Beschwerdegründe an das Verwaltungsgericht
erforderlich ist und es muss sichergestellt werden, dass keine Fälle von der Beurteilung ausgenommen
werden, die gemäss der Rechtsweggarantie der richterlichen Überprüfung zugänglich
sein müssten. Als zweckmässig erscheint die Erweiterung der Kompetenzen der
kantonalen Verwaltungsgerichte in dem Sinne, dass dieses subsidiär für zuständig erklärt
wird, wo aus übergeordnetem Recht eine richterliche Behörde amten muss, eine spezifische
Zuständigkeitsregel im kantonalen Recht jedoch fehlt 271 .
Als nachteilig kann sich die Tatsache erweisen, dass der Rechtsuchende allenfalls vor den
Gerichten eines fremden Kantons prozessieren muss. Auch kann eine Rekurskommission
unter Umständen auf kantonsfremde Bürger unabhängiger erscheinen als die Gerichte eines
271 Vg. auch PFISTERER, S. 302.
86

anderen Kantons. Gleich wie im Falle der Rekurskommissionen besteht hier der Vorteil einer
einheitlichen Rechtsprechung.
Der Verweis auf die Rechtsordnung einer Vertragspartei eignet sich grundsätzlich für sämtliche
Konkordate, sofern die Verfahrensordnung, worauf verwiesen wird, an die Anforderungen
der Rechtsweggarantie angepasst worden ist. Dennoch ist dieses Modell grundsätzlich
für Konkordate von regionaler Bedeutung zu empfehlen, bei denen die beteiligten Kantone
über ähnliche Strukturen und Rechtsordnungen verfügen. Bei Konkordaten von nationaler
oder supraregionaler Bedeutung ist diese Lösung weniger zu empfehlen, da die für zuständig
erklärte Behörde mit einer Zunahme der Vertragsparteien an Legitimität einbüsst. Auch
müssten hier spezielle Aspekte wie namentlich die Verfahrenssprache geregelt werden.
Schliesslich darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Kanton, auf dessen Rechtsordnung
verwiesen wird, mit einer höheren Arbeitsbelastung und somit auch mit einem gesteigerten
finanziellen Aufwand rechnen muss, der allenfalls durch die anderen Konkordatsparteien
auszugleichen ist.
6.3 Vollzug durch die Kantone
Wird der Vollzug der jeweiligen Vereinbarung den Kantonen anvertraut, so liegt es an ihnen,
den Rechtsweg verfassungskonform zu gestalten. Dies kann durch den Erlass von Ausführungsbestimmungen
erreicht werden. Bezüglich der einzuhaltenden Voraussetzungen kann
auf die im Zusammenhang mit der Rechtsweggarantie geschilderten Grundsätze verwiesen
werden (vgl. § 2/B). Allenfalls kann die interkantonale Vereinbarung selber mehr oder weniger
präzise Vorgaben an die Kantone enthalten.
Auch in diesem Fall können die Kantone grundsätzlich auf die bereits vorhandenen Behörden
sowie auf ihre eigene Gesetzgebung zurückgreifen. Gleich wie in Ziff. 6.2 müssen sie
ihre Rechtsordnung an die Anforderungen von Art. 29a BV anpassen. Dies bedeutet beispielsweise,
dass der Rechtsweg nicht bei einem Departement bzw. beim Regierungsrat aufhören
darf, wenn die Verfassung die Beurteilung durch eine richterliche Behörde verlangt.
Eine derartige Lösung eignet sich in erster Linie für Konkordate von regionaler oder nationaler
Bedeutung, bei deren Anwendung und Vollzug die Kantone über grössere Gestaltungsspielräume
verfügen. Der rechtsgeschäftliche oder rechtsetzende Charakter spielt in hier
keine allzu grosse Rolle. Auch wird in solchen Fällen nicht als notwendig erachtet, dass eine
zentrale Behörde bestimmte Entscheidungen trifft. Der Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsanwendung
in den Vertragskantonen wird in der Regel durch die Aufsichtsaufgaben der Konkordatsorgane
oder durch präzise Vorgaben im Vereinbarungstext vorgebeugt. Gleichzeitig
kann die Tatsache, dass die Kantone mit dem Vollzug betraut wurden, darauf hindeuten,
dass die Vereinbarung gewisse uneinheitliche Regelungen bei der Anwendung in Kauf
nimmt. Für den Bürger hat der Vollzug der Vereinbarung durch die einzelnen Kantone den
Vorteil, dass er in den meisten Fällen seine Rechtsansprüche vor den Behörden seines eigenen
Kantons geltend machen kann.
6.4 Interkantonale Vereinbarungen ohne Rechtsschutzbestimmungen
Vorab gilt es in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass grundsätzlich jede interkantonale
Vereinbarung – ungeachtet ihres rechtsetzenden oder rechtsgeschäftlichen Charakters –
geeignet ist, Grundlage für Eingriffe in Rechte und Ansprüche des Bürgers zu bilden. Die
wenigen speziellen Rechtsschutzbestimmungen, die in den interkantonalen Vereinbarungen
enthalten sind, erfassen ohnehin nicht sämtliche potentiellen Eingriffe in die Rechte des Bürgers.
Für jene Fälle, in denen die interkantonalen Vereinbarungen keine eigenen Rechtsschutzbestimmungen
enthalten, müssen adäquate Lösungen gefunden werden. Zum Vorgehen kann
auf die Abbildung VIII verwiesen werden. Auf jeden Fall gilt es zunächst zu untersuchen, ob
87

überhaupt ein Bedarf nach Rechtsschutz für Private besteht, wobei nicht ausser Acht gelassen
werden darf, dass zahlreiche Konkordate, die den Rechtsschutz nicht regeln, rechtsgeschäftlicher
Natur sind.
Sofern interkantonale Organe in Anwendung der jeweiligen Vereinbarungen Entscheide treffen
können, die sich möglicherweise auf die Rechtsstellung des Individuums auswirken, ist
es in der Regel schwieriger, herauszufinden, ob und gegebenenfalls bei welcher Behörde
eine Anfechtungsmöglichkeit besteht. Daher empfiehlt es sich, in solchen Fällen den
Rechtsweg in der interkantonalen Vereinbarung ausdrücklich zu regeln. Als mögliche Lösung
steht beispielsweise der Verweis auf die Verfahrensordnung eines Kantons (z.B. am Sitz der
verfügenden Behörde) zur Verfügung. Es kann aber auch sinnvoll sein, dem Rechtssuchenden
eine Beschwerdemöglichkeit in seinem Wohnsitzkanton einzuräumen.
Die nachstehende Tabelle vermittelt einen Überblick über die gemäss geltendem interkantonalem
Recht bestehenden Rechtsschutzsysteme, die am meisten ins Gewicht fallen. Dabei
werden lediglich jene Lösungen dargestellt, die (auch) auf den Rechtsschutz von Privaten
zugeschnitten sind. Die verschiedenen Modelle werden bezüglich ihrer Vor- und Nachteile
miteinander verglichen. Zudem wird es dargestellt, für welche Arten von interkantonalen
Vereinbarungen sich die einzelnen Systeme am besten eignen.
88

Schema IX: Überblick über die Rechtsschutzsysteme
Regelung des
Rechtsschutzes
Rekurskommissionen*
Verweis auf die
Verfahrensordnung
einer Konkordatspartei
Der Vollzug wird
den Vertragsparteien
überlassen
Verweis auf den
ordentlichen
Rechtsweg
Vorteile Nachteile Eignung
- unabhängige richterliche
Beurteilung
- besonderes Fachwissen
- einheitliche Rechtsprechung
- Berücksichtigung der Besonderheiten
der einzelnen
Vereinbarungen
- massgeschneiderte Lösungen
möglich
- Nutzung bestehender
Strukturen (Behörden,
Organisation, Verfahren)
- Erfahrung der urteilenden
Behörde
- einheitliche Rechtsprechung
- Nutzung bestehender
Strukturen (Behörden,
Organisation)
- Jeder Kanton wendet sein
eigenes Verfahrensrecht
ein
- Bürger kann i.d.R. in seinem
eigenen Kanton Beschwerde
führen
- Nutzung bestehender
Strukturen
- Notwendigkeit detaillierter
Vorschriften bezügl. Bestellung,Zusammensetzung,
Verfahren u.s.w. auf
interkantonaler Ebene
- aufwendiges Verfahren
- Kosten
- Gefahr ungenügender
richterlichen Beurteilung,
falls keine Anpassung an
Art. 29a BV auf kantonaler
Ebene
- allenfalls ungenügendes
Fachwissen
- Beschwerdeführer muss
u.U. in einem fremden
Kanton prozessieren
- Gefahr der uneinheitlicher
Anwendung des Konkordatsrechts
- Gefahr, dass Rechtsschutz
in einzelnen Kantonen
besser, in anderen
weniger gut gewährleistet
wird
- Falls die Vereinbarung
keine genaueren Vorgaben
enthält: grosse Unsicherheit
betr. Zuständigkeiten
und Verfahren; daher
auch Unsicherheit
darüber, ob das anwendbare
Verfahren Art. 29a
BV entspricht
- Der Zugang zum Gericht
wird erschwert
- Interkantonale Vereinbarungen
mit vorwiegend
unmittelbar rechtsetzendem
Charakter
- Bedürfnis nach einheitlicherRechtsanwendung
- Notwendigkeit eines
besonderen Fachwissens
- Bedürfnis nach massgeschneidertenLösungen
- Interkantonale Vereinbarungen
von nationaler
oder zumindest re-
gionaler Bedeutung
- Bei einer korrekten
Umsetzung der
Rechtsweggarantie im
kantonalen Recht
grundsätzlich für alle
Arten von interkantonalen
Vereinbarungen,
insb. aber für interkantonale
Vereinbarungen
mit rechtsetzenden Bestimmungen
- Bedürfnis nach einheitlicherRechtsanwendung
- interkantonale Vereinbarungen
von regiona-
ler Bedeutung
- Bei einer korrekten
Umsetzung der
Rechtsweggarantie im
kantonalen Recht
grundsätzlich für alle
Arten von interkantonalen
Vereinbarungen,
ungeachtet des rechtsetzenden
bzw.
rechtsgeschäftlichen
Chrakters
- Vereinbarungen, bei
welchen bestimmte Unterschiede
beim Vollzug
in Kauf genommen
werden können
- Ausnahmsweise, bei
hauptsächlich rechtsgeschäftlicheVereinbarungen,
die nur in äusserst
seltenen Fällen
Rechte und Pflichten
von Privaten tangieren
könnten
* Die Darlegung der Vor- und Nachteile beruht auf der Prämisse, dass die jeweilige interkantonale Rekurskommission
die Anforderungen an eine richterliche Behörde (dazu § 2/C/I/1) erfüllt.
89

F. Zusammenfassung
Interkantonale Vereinbarungen sind öffentlich-rechtliche Verträge zwischen zwei oder mehreren
Kantonen über eine in ihren Kompetenzbereich fallende Materie. Zu den interkantonalen
Vereinbarungen im weiteren Sinne gehören nicht nur die eigentlichen (Grund-)Verträge
zwischen den Kantonen, sondern auch die zahlreiche Erlasse der interkantonalen Organe.
Traditionell werden die interkantonalen Vereinbarungen in solche rechtsgeschäftlicher und
solche rechtsetzender Art unterteilt, wobei in vielen Fällen sich keine klare Abgrenzung vornehmen
lässt, sondern diese als Mischformen auftreten. Grundsätzlich können nur rechtsetzende
Vereinbarungen Rechte und Pflichten des Einzelnen unmittelbar berühren. Da die
Rechtsweggarantie als Grundrecht konzipiert wurde, sind in diesem Zusammenhang in erster
Linie die Konkordate mit rechtsetzenden Bestimmungen von Interesse.
Um den Vollzug der interkantonalen Vereinbarungen sicherzustellen, werden in zahlreichen
Fällen durch die Konkordate interkantonale Organe eingesetzt. Wie weit ihre Aufgaben reichen,
hängt von der jeweiligen Vereinbarung ab. In der Regel erfüllen sie administrative Tätigkeiten,
können jedoch auch im sekundären und technischen Bereich gesetzgeberische
Funktionen wahrnehmen, indem sie verbindliche Reglemente und Vorschriften oder Richtlinien
erlassen. Der Erlass von primären Rechtsnormen steht ihnen (derzeit) nicht zu.
Der Rechtsschutz ist je nach interkantonaler Vereinbarung anders geregelt. Unterschieden
wird zwischen der interkantonalen und der Bundesebene. Zahlreiche interkantonale Vereinbarungen
enthalten keine Rechtsschutzbestimmungen bzw. keine, die auf Private zugeschnitten
sind. Die vorhandenen Vorschriften können in verschiedene Hauptkategorien unterteilt
werden: Beurteilung durch Schiedsinstanzen, Schaffung besonderer Rekurskommissionen,
Verweis auf die Verfahrensordnung einer Vertragspartei oder Beauftragung der Konkordatskantone
mit dem Vollzug. Daneben bestehen verschiedene andere Varianten. Auf
Bundesebene wurde die bisherige staatsrechtliche Klage durch die Klage gemäss Art. 120
BGG und die staatsrechtliche Beschwerde durch die Einheitsbeschwerde bzw. subsidiäre
Verfassungsbeschwerde abgelöst. Die Wahl des zulässigen Rechtsmittels hängt davon ab,
ob eine Vertragspartei oder ein Privater klagt bzw. Beschwerde führt.
Die Einführung der Rechtsweggarantie einerseits und der Beschwerden gemäss BGG andererseits
erfordern verschiedene Anpassungen der interkantonalen Rechtsschutzbestimmungen.
Werden gestützt auf eine interkantonale Vereinbarung Rechte oder Pflichten von Privaten
berührt, haben diese Anspruch auf eine Beurteilung durch eine richterliche Behörde, welche
die Anforderungen gemäss Art. 30 BV, insbesondere hinsichtlich der Unabhängigkeit,
erfüllt. Diese Instanz muss ferner über eine freie Kognition hinsichtlich Sachverhalts- und
Rechtsfragen verfügen. Sofern auf Bundesebene eine der Beschwerden gemäss BGG, einschliesslich
der subsidiären Verfassungsbeschwerde, zulässig ist, muss eine Überprüfung
durch eine obere Behörde gewährleistet werden.
Dies hat auch zur Folge, dass jedes Rechtsschutzmodell auf seine Konformität mit der
Rechtsweggarantie untersucht werden muss. Gemäss der vorliegenden Auffassung verfügt
das interkantonale Recht im Allgemeinen über das notwendige Instrumentarium, um dem
Einzelnen einen verfassungsmässigen Rechtsschutz zu gewähren. In vielen Fällen müssen
die bestehenden Systeme mit der Rechtsweggarantie in Einklang gebracht werden. Rekurskommissionen,
auch interkantonale, können die Anforderungen an (obere) richterliche Behörden
grundsätzlich erfüllen, sofern sie unabhängige Organe mit freier Kognition darstellen.
Massgebend sind unter anderem Wahlform, Amtsdauer, Unabsetzbarkeit sowie Weisungsunabhängigkeit.
Zu empfehlen ist die Wahl auf eine bestimmte Amtszeit durch ein Gremium,
das aus Vertretern sämtlicher Vertragsparteien besteht sowie die ausdrückliche Verankerung
der Unabhängigkeit im Konkordatstext. Verweist ein Konkordat auf die Verfahrens- und
Rechtsschutzordnung einer Vertragspartei oder weist es die Parteien an, eine entsprechen-
90

de Regelung (z.B. durch den Erlass von Ausführungsvorschriften) zu treffen, so liegt es an
den Konkordatskantonen, mit Art. 29a BV vereinbare Vorschriften zu erlassen. Unter Umständen
wird es im diesem Zusammenhang notwendig sein, die Zuständigkeiten oder die
Kognition der Verwaltungsgerichte zu erweitern.
Schliesslich müssen für jene Fälle Lösungen gefunden werden, in denen die interkantonalen
Vereinbarungen mit rechtsetzendem Charakter keine Rechtsschutzbestimmungen enthalten,
worauf sich Private berufen können. In dieser Konstellation muss grundsätzlich eine entsprechende
konkordatseigene Rechtsschutzordnung im Sinne der bereits dargestellten Modelle
erlassen werden, die klare Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften enthält. Verweise auf
den „ordentlichen Rechtsweg“ sind bei rechtsetzenden und gemischten Konkordaten zu vermeiden.
91

§ 4 ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN THESEN
1. Die Verankerung der Rechtsweggarantie auf Verfassungsebene bildet Teil der Reform
der Bundesrechtspflege und steht in engem Konnex dazu. Zu den bedeutendsten
Neuerungen der Justizreform gehört die Reform des bundesrechtlichen Rechtsmittelsystems,
namentlich die Einführung der Einheitsbeschwerde durch das neue
Bundesgerichtsgesetz. Dieser Erlass enthält für jene Fälle, in denen gegen kantonale
Entscheide ein Rechtsmittel an das Bundesgericht zur Verfügung steht, verschiedene
Vorgaben an die Kantone insbesondere bezüglich Behördenorganisation, Kompetenzen
und Verfahren. Diese Bereiche, die grundsätzlich der kantonalen Regelungshoheit
unterstehen, werden auch durch die Rechtsweggarantie tangiert. Unter anderem
aus diesem Grund können die Rechtsweggarantie und die Reform der Bundesrechtspflege
nicht getrennt voneinander betrachtet werden.
2. Art. 29a BV räumt sowohl natürlichen als auch juristischen Personen (in der Regel
des privaten Rechts) bei Rechtsstreitigkeiten einen grundrechtlichen Anspruch auf
Beurteilung durch eine richterliche Behörde ein. Dieses Grundrecht muss in der gesamten
Rechtsordnung und auf sämtlichen staatlichen Ebenen verwirklicht werden.
Im Bund ist die Rechtsweggarantie in erster Linie durch den Erlass des Verwaltungsgerichtsgesetzes
realisiert worden. Für die Umsetzung von Art. 29a BV auf kantonaler
Ebene sind die Kantone – unter Berücksichtigung der bundesrechtlichen Vorgaben
– zuständig. Ihr Handlungsspielraum wird insbesondere durch das neue Bundesgerichtsgesetz
eingeschränkt.
3. Unter den Begriff „Rechtsstreitigkeiten“ fallen grundsätzlich Streitigkeiten über Rechte
und Pflichten von natürlichen oder juristischen Personen. Als Auslegungshilfe kann
Art. 6 Ziff. 1 EMRK herangezogen werden. Hinsichtlich des zulässigen Anfechtungsobjektes
ist mit der Mehrheit der Lehre davon auszugehen, dass der Rechtsschutz
nach wie vor in erster Linie an das Vorliegen einer Verfügung i.S.v. Art. 5 VwVG anknüpfen
wird. Eine automatische Ausweitung auf Realakte wurde vom Gesetzgeber
nicht beabsichtigt, so dass die Kantone bei der Bezeichnung des Anfechtungsobjektes
über einen erheblichen Handlungsspielraum verfügen. Ihre Handlungsfreiheit wird
indessen durch Sinn und Zweck der Rechtsweggarantie beschränkt: Zunächst gilt es
zu beachten, dass durch die Einführung von Art. 29a BV eine allgemeine Verbesserung
des Rechtsschutzes angestrebt wurde. Auch soll dadurch ein wirksamer
Rechtsschutz gewährleistet werden, weshalb es den Kantonen verwehrt ist, diesen
Schutz durch die Umschreibung der Sachurteilsvoraussetzungen oder zu strenge
Verfahrensvorschriften zu verhindern oder auszuschalten. Eine Rechtsschutzmöglichkeit
gegen Realakte muss gestützt auf diese Erkenntnisse immer dann vorhanden
sein, wenn diese in individuelle Rechte eingreifen oder dem Einzelnen Pflichten auferlegen.
Dabei wird es den Kantonen überlassen, ob dieser Schutz durch die Erweiterung
des Anfechtungsobjektes auf Realakte oder – analog zum Bund – die Einräumung
eines Anspruches auf Erlass einer Feststellungsverfügung sichergestellt wird.
4. Die Umsetzung der Rechtsweggarantie erfordert von den Kantonen gewichtige Anpassungen
auf verfahrensrechtlicher und organisatorischer Ebene. Bedeutendste
Konsequenz bildet die Verpflichtung, im Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie
richterliche Instanzen einzusetzen und deren Organisation, Zuständigkeiten und Verfahren
verfassungskonform zu regeln. Der Begriff „richterliche Behörde“ erfasst nicht
nur die „traditionellen“ Gerichte, sondern auch Schiedsgerichte, Spezial- oder Sondergerichte
sowie Rekurskommissionen und Berufsgerichtsbarkeiten. Die Anforderungen
an richterliche Behörden richten sich grundsätzlich nach Art. 30 Abs. 1 BV.
Die Rechtsweggarantie verlangt, dass die betreffende richterliche Behörde eine freie
93

94
Prüfung der Sachverhalts- und Rechtsfragen vornimmt; nicht erforderlich ist eine Angemessenheitskontrolle.
Der Rechtsweggarantie wird Genüge getan, wenn eine einzige
richterliche Behörde (selbst unterer Stufe) die Angelegenheit prüft. Nicht verlangt
wird ein doppelter Instanzenzug bzw. ein doppelter richterlicher Instanzenzug. Ist gegen
einen kantonalen Entscheid die Einheitsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig,
müssen die Kantone jedoch obere Gerichte als letzte kantonale Instanzen einsetzen.
Bei den Beschwerden in Zivil- und Strafsachen haben diese – von einzelnen Ausnahmen
abgesehen – als Rechtsmittelinstanzen zu entscheiden. Dabei handelt es
sich jedoch nicht um Anforderungen der Rechtsweggarantie, sondern um Vorgaben
des BGG an die Kantone.
5. Unter restriktiven Voraussetzungen erlaubt Art. 29a BV, Satz 2, den Kantonen, den
Zugang zum Gericht und somit auch die Rechtsweggarantie auszuschliessen. Die
Regelung der Ausnahmen obliegt grundsätzlich den Kantonen, wobei sie an verschiedene
Einschränkungen gebunden sind, die sich aus dem gesamten Bundesrecht
ergeben. In jedem Fall dürfen die Kantone von dieser Kompetenz nur sehr zurückhaltend
Gebrauch machen. In zwei bestimmten Fällen ermächtigt das BGG die
Kantone, andere als richterliche Behörden als Vorinstanzen des Bundesgerichts einzusetzen.
Diese Ausnahmen betreffen erstens Entscheide mit vorwiegend politischem
Charakter und zweitens bestimmte Entscheide in Stimmsachen. Ein zulässiges
Kriterium für die Festlegung von Ausnahmen bildet die fehlende Justiziabilität.
Als Orientierungshilfe bei der Bezeichnung der Ausnahmen können die Kantone sinngemäss
den Ausnahmekatalog des VGG heranziehen. Was den Ausschluss des Zugangs
zum Bundesgerichts gemäss BGG anbelangt, so gilt es Folgendes zu berücksichtigen:
Die Tatsache, dass ein bestimmter Bereich der Beurteilung durch das Bundesgericht
entzogen wurde, bedeutet keineswegs, dass die Anforderungen der
Rechtsweggarantie nicht eingehalten werden müssen. Es entsprach namentlich einem
der Hauptanliegen des Gesetzgebers, den Zugang zu einem Gericht auf einer
unteren Stufe, das heisst primär durch die Kantone, zu gewährleisten. Die Fälle, in
denen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie zulässig sind, dürfen demzufolge
nicht mit jenen verwechselt werden, in denen der Zugang zum Bundesgericht ausgeschlossen
bleibt. Ob Ausnahmen von der Rechtsweggarantie erlaubt sind, entscheiden
die Kantone unter Berücksichtigung der diesem Grundrecht zugrunde liegenden
Kriterien. Die vorhandenen Ausnahmekataloge können jedoch als Orientierung bei
der Auslegung von Art. 29a BV, Satz 2, herangezogen werden.
6. Es liegt auf der Hand, dass die Rechtsweggarantie auch im Bereich der interkantonalen
Vereinbarungen umgesetzt werden muss. Interkantonale Vereinbarungen sind öffentlich-rechtliche
Verträge zwischen zwei oder mehreren Kantonen über eine in ihren
Kompetenzbereich fallende Materie. Dazu gehören sowohl die Grundverträge als
auch Erlasse interkantonaler Organe. Traditionell werden sie in solche rechtsgeschäftlicher
und solche rechtsetzender Art unterteilt, wobei in vielen Fällen eine klare
Abgrenzung kaum möglich ist; daher treten zahlreiche Verträge als Mischformen auf.
Für die Umsetzung der Rechtsweggarantie sind insbesondere die rechtsetzenden
Vereinbarungen relevant, da nur diese den Einzelnen unmittelbar berechtigen oder
verpflichten können. Um den Vollzug der interkantonalen Vereinbarungen zu gewährleisten,
werden in zahlreichen Fällen interkantonale Organe eingesetzt. Bislang dürfen
diese nach herrschender Lehre keine Primärnormen, d.h. solche, die in einem
formellen Gesetz zu regeln sind, erlassen. Hingegen dürfen sie im sekundären und
technischen Bereich rechtsetzend tätig sein. Auch können sie die zum Vollzug der
jeweiligen Vereinbarung erforderlichen Entscheide treffen.
7. Die Regelung des Rechtsschutzes ist je nach Vereinbarung unterschiedlich. Vorschriften
bestehen sowohl auf Bundes- als auch auf interkantonaler Ebene. In zahlreichen
Fällen fehlen jedoch Rechtsschutzbestimmungen gänzlich, oder es sind nur
solche vorhanden, die auf die Vertragsparteien zugeschnitten sind. Auf Bundesebene

wurde die bisherige staatsrechtliche Klage durch die Klage gemäss Art. 120 BGG
abgelöst, die nach wie vor nur den Konkordatsparteien zur Verfügung steht. Private
können ans Bundesgericht mit Einheitsbeschwerde oder subsidiärer Verfassungsbeschwerde
gelangen. Die staatsrechtliche Beschwerde kann nicht mehr erhoben werden.
Die vorhandenen Rechtsschutzvorschriften auf interkantonaler Ebene können in
verschiedene Hauptkategorien eingeteilt werden: Beurteilung durch Schiedsinstanzen,
Schaffung besonderer Rekurskommissionen, Verweis auf die Verfahrensordnung
einer Vertragspartei, Beauftragung der Kantone mit dem Vollzug. Daneben bestehen
verschiedene andere Varianten, die jedoch weniger ins Gewicht fallen.
8. Das In-Kraft-Treten der Justizreform, insbesondere der Rechtsweggarantie, erfordert
verschiedene Anpassungen der interkantonalen Rechtsschutzvorschriften: Sofern
gestützt auf eine interkantonale Vereinbarung Rechte oder Pflichten von Privaten berührt
werden, haben diese Anspruch auf eine Beurteilung durch eine richterliche Behörde,
die den Anforderungen gemäss Art. 30 BV, insbesondere hinsichtlich der Unabhängigkeit,
erfüllt. Diese Instanz muss ferner über eine freie Kognition hinsichtlich
Sachverhalts- und Rechtsfragen verfügen. Sofern auf Bundesebene eine der Beschwerden
gemäss BGG, einschliesslich der subsidiären Verfassungsbeschwerde,
zulässig ist, muss eine Überprüfung durch eine obere Behörde gewährleistet werden.
9. Das interkantonale Recht verfügt über das notwendige Instrumentarium, um dem
Einzelnen einen verfassungsmässigen Schutz zu gewährleisten. Die bestehenden
Systeme stehen bereits mit Art. 29a BV im Einklang bzw. können mit diesem in Einklang
gebracht werden. Bei denjenigen Vereinbarungen, die überhaupt keine Rechtsschutzbestimmungen
kennen, kann auf vorhandene Modelle zurückgegriffen werden,
sofern ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Sämtliche erläuterten Rechtsschutzsysteme
haben Vor- und Nachteile. Diese wurden eingehend dargestellt (oben Ziff. 6 und
Schema IX). Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass je nach Art der Vereinbarung
bestimmte Modelle als besser, andere als weniger gut geeignet erscheinen können.
10 Rekurskommissionen können die verfassungsmässigen Anforderungen an richterliche
Behörden grundsätzlich erfüllen, sofern sie unabhängige Organe mit freier Kognition
darstellen. Massgebend sind unter anderem Wahlform, Amtsdauer, Unabsetzbarkeit
sowie Weisungsunabhängigkeit. Wegen des mit der Bestellung interkantonaler
Rekurskommissionen verbundenen Aufwandes eignet sich dieses Modell am besten
für überwiegend rechtsetzende Vereinbarung von regionaler oder nationaler Bedeutung.
Die Verfassungsmässigkeit von Verweisen auf die Verfahrens- oder
Rechtsschutzordnung einer Vertragspartei hängt von der konkreten Gestaltung der
Rechtsordnung ab, die für anwendbar erklärt wurde. Grundsätzlich handelt es sich
hier ebenfalls um eine Lösung, die mit Art. 29a BV im Einklang stehen kann. Zu den
Vorteilen zählt die Tatsache, dass keine neuen Behörden geschaffen werden müssen,
sondern auf bereits bestehende Strukturen zurückgegriffen werden kann. Ein
Nachteil kann sein, dass der Einzelne unter Umständen vor die Gerichte eines fremden
Kantons Beschwerde führen muss. Sofern die jeweilige Vereinbarung die Konkordatskantone
anweist, den Rechtsschutz zu regeln, liegt es an ihnen, verfassungskonforme
Lösungen zu treffen. Auch hier müssen die Anforderungen von Art. 29a BV
hinsichtlich der Behörden, Organisation und Verfahren eingehalten werden. Die Lösung
eignet sich für Vereinbarungen, die den Parteien grössere Handlungsspielräume
bei der Umsetzung einräumen und hat den Vorteil, dass der Bürger mit seinen
Anliegen in den meisten Fällen an die Behörden seines Wohnsitzkantons gelangen
kann. Es versteht sich von selbst dass, sofern unmittelbar rechtsetzende interkantonale
Vereinbarungen Rechtsschutzbestimmungen enthalten, die zurzeit gegen Art.
29a BV verstossen, der Rechtsweg an die neue Verfassungsbestimmung anzupassen
ist. In vielen Fällen wird es wohl am sinnvollsten sein, ein Verwaltungsgericht für
die letztinstanzliche Beurteilung für zuständig zu erklären.
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11 Sieht die jeweilige Vereinbarung keine Rechtsschutzvorschriften vor und ist es mit
Blick auf ihren Charakter möglich, dass Private durch Entscheide berührt werden, die
in Anwendung des jeweiligen Vertrags getroffen werden, so müssen die Vertragsparteien
einen Rechtsweg bestimmen. Dabei kann auf die vorhandenen, bereits erläuterten
Modelle zurückgegriffen werden. Verweist die jeweilige Vereinbarung auf den „ordentlichen
Rechtsweg“, müssen die Zuständigkeiten und das Verfahren nach den allgemeinen
Regeln in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ermittelt werden. Diese
Lösung ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet und kann unter Umständen gegen den
Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes verstossen. Sofern interkantonale Organe
in Anwendung der jeweiligen Vereinbarung Entscheide treffen können, empfiehlt es
sich deshalb, eine klare, ausdrückliche Regelung auf Konkordatsebene zu treffen.
Dieselben Überlegungen gelten auch in jenen Fällen, in denen die vorhandenen
Rechtsschutzbestimmungen sich auf einen Hinweis auf die Anfechtung mittels staatsrechtlicher
Beschwerde beschränken, ohne jeweils eine Vorinstanz zu bestimmen. Es
darf schliesslich nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Einführung der subsidiären
Verfassungsbeschwerde aller Wahrscheinlichkeit nach zur Folge haben wird,
dass die Kantone in den meisten Fällen richterliche Vorinstanzen des Bundesgerichts
werden einsetzen müssen.
12. Gestützt auf diese Erkenntnisse lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die
Umsetzung der Rechtsweggarantie im interkantonalen Recht – ungeachtet des gewählten
Rechtsschutzmodells – die Verwirklichung dieses Grundrechts in der gesamten
kantonalen Rechtsordnung bedingt.
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Anhang: Liste der untersuchten interkantonalen Vereinbarungen (einschliesslich
Erlasse interkantonaler Organe)
- Aufnahme- und Prüfungsordnung der Hochschule für Wirtschaft Luzern (S. 69)
- Convention intercantonale créant la Haute école spécialisée santé-social de Suisse
romande (C-HES-S2; S. 62 f., 67)
- Interkantonale Fachhochschulvereinbarung (FHV) ab 2005 (S. 56 f.)
- Interkantonale Übereinkunft über den Viehhandel (S. 45, 73)
- Interkantonale Universitätsvereinbarung (S. 46, 50, 56, 81, 83)
- Interkantonale Vereinbarung zum Abbau technischer Handelshemmnisse (S. 47, 80)
- Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen (S.
47, 51, 60 f., 65, 67)
- Interkantonale Vereinbarung über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung
von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und
Wetten (S. 60, 67)
- Interkantonale Vereinbarung über die Beiträge an die Ausbildungskosten in der beruflichen
Grundbildung (Berufsfachschulvereinbarung; S. 55 f., 58)
- Interkantonalen Vereinbarung über die Fahrlehrer-Prüfungskommission (S. 69, 79)
- Interkantonale Vereinbarung zwischen den Kantonen Glarus, Schwyz, St.Gallen und
Zürich über das Linthwerk (S. 70)
- Interkantonale Vereinbarung betreffend die gemeinsame Durchführung von Lotterien
(S. 44)
- Interkantonale Vereinbarung über die Gründung einer interkantonalen Umweltagentur
(S. 45)
- Interkantonale Vereinbarung über die Hochschule für Heilpädagogik Zürich (47, 49,
63, 65, 68)
- Interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel (S. 44, 58 f.)
- Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (S. 72 f.)
- Interkantonalen Vereinbarung über den Salzverkauf in der Schweiz (S. 78, 80)
- Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (S. 81 f.)
- Interkantonale Vereinbarung über die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee (S. 73)
- Konkordat zwischen den Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den
Ausschluss von Steuerabkommen (S. 46, 56 f.)
- Konkordat über die Ausübung und die Beaufsichtigung der Jagd (S. 45, 80, 82)
- Konkordat über die Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die
Prozesskosten (S. 45)
- Konkordat über Errichtung und Betrieb einer interkantonalen Polizeischule Hitzkirch
(S. 46, 59 f., 66 f.)
- Konkordat über die Fischerei im Neuenburgersee (S. 73, 75)
- Konkordat über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe in Zivilsachen (S. 45)
- Konkordat über die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (S. 45, 48, 69)
- Konkordat über die nicht eidgenössisch konzessionierten Luftseilbahnen und Skilifte
(S. 80)
- Konkordat über die polizeiliche Zusammenarbeit in der Nordwestschweiz (S. 45)
- Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen
(S. 45, 70)
- Konkordat über die Schulkoordination (S. 44, 50)
- Konkordat betreffend die Schürfung und Ausbeutung von Erdöl (S. 80)
- Konkordat über die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft (S. 44, 80)
- Konkordat über die Sicherheitsunternehmen (S. 73, 75)
- Konkordat über den Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen und jungen Erwachsenen
in den westschweizerischen Kantonen und im Kanton Tessin bzw. Concordat
sur l'exécution des peines privatives de liberté et des mesures concernant les
adultes et les jeunes adultes dans les cantons latins (S. 48, 74 f., 80, 82)
- Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen
(S. 49, 73 f., 75)
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- Konkordat über die Vollstreckung von Zivilurteilen (S. 45)
- Konkordat über die Zentralschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (S. 70 ff.)
- Prüfungsreglement der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (S. 69)
- Rahmenvereinbarung für die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (S.
43, 45, 76 f.)
- Regionales Schulabkommen 2000 (RSA 2000) über die gegenseitige Aufnahme von
Auszubildenden zwischen den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt,
Bern, Freiburg, Luzern, Solothurn und Zürich (S. 46, 56 f., 58)
- Reglements über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (Maturitäts-Anerkennungsreglement;
S. 47, 51)
- Reglement der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) über die Interkantonale
Chiropraktorenprüfung (S. 68)
- Übereinkunft betreffend die Polizeitransporte (S. 77)
- Vereinbarung über den Ausbau und Betrieb der Interkantonalen Försterschule Maienfeld
(S. 70)
- Vereinbarung vom über die Aushandlung, Ratifikation, Ausführung und Änderung der
interkantonalen Verträge und der Vereinbarungen der Kantone mit dem Ausland (S.
35, 44)
- Vereinbarung zwischen den Kantonen über die interkantonale Hilfeleistung durch den
Zivilschutz bei Katastrophen und in Notlagen (S. 35)
- Vereinbarung über die Konferenz der Kantonsregierungen (S. 44)
- Vereinbarung über die Ostschweizerische Maturitätsschule für Erwachsene (S. 60,
77)
- Vereinbarung über die interkantonalen Polizeieinsätze (S. 33)
- Vertrags zwischen den Kantonen Aargau, Glarus, Zürich, St. Gallen, Thurgau,
Schaffhausen, Schwyz, Appenzell A. Rh. und Zug betreffend Gründung der Gesellschaft
der Nordostschweizerischen Kraftwerke A.G (S. 81, 82 f.)
- Verwaltungs-Vereinbarung über die Kosten interkantonaler Polizeieinsätze gemäss
Art. 16 der Bundesverfassung (S. 45)