STADT HOLZMINDEN - Musikschule Holzminden e.V.
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Von Telemann bis Piazolla: Die Dozenten der <strong>Musikschule</strong> <strong>Holzminden</strong> bewiesen bei ihrem Konzert in der Stadthalle Qualität und Wandlungsfähigkeit. Burgdc<br />
DIENSTAG, 16. APRIL 2013 <strong>STADT</strong> <strong>HOLZMINDEN</strong> TÄGLICHER ANZEIGER l
<strong>Holzminden</strong> (ek). Seit über 35<br />
Jahren gibt es in <strong>Holzminden</strong> eine<br />
<strong>Musikschule</strong> mit einem<br />
breitgefächerten Unterrichtsangebot<br />
und hoch qualifizierten<br />
Lehrkräften. Es gibt hier auch<br />
einen Kulturverein, der sein 60.<br />
Jubiläum schon längst hinter<br />
sich hat. Eigentlich ist es verwunderlich,<br />
dass niemand bisher<br />
die Idee hatte, die zwei Institutionen<br />
in einem Dozentenkonzert,<br />
dargeboten durch den<br />
Kulturverein, zusammenzubringen.<br />
Schließlich kam dem<br />
rührigen Leiter der Schule, Alexander<br />
Käberlich, vor anderthalb<br />
Jahren doch dieser Gedanke,<br />
und er stieß damit beim Vorstand<br />
des Kulturvereins auf offene<br />
Ohren.<br />
Alexander Käberich war in<br />
der Ausübung seiner Aufgabe<br />
immer schon unorthodox gewesen.<br />
Er beschränkte sein Interesse<br />
urjd seine Aktivitäten nicht<br />
auf die Erziehung der Schüler<br />
zur möglichst gekonnten Ausführung<br />
klassischer und romantischer<br />
Musik vom 18. bis zum<br />
frühen 20. Jahrhundert; auch<br />
dem „populären" Genre gegenüber<br />
war er sehr aufgeschlossen.<br />
Davon zeugt die Einführung einer<br />
Pop/Rock-Abteilung in der<br />
Schule, die Gründung einer Big<br />
Band und eines Saxophon-Ensembles,<br />
der Jazz-Gruppe<br />
„Teacher's Finest" und die Veranstaltung<br />
eines Pop-Gesang-<br />
Wettbewerbs für Jugendliche.<br />
Käberich selbst hat die Scheuklappen<br />
der Liebhaber traditioneller<br />
Musik, falls er sie jemals<br />
besessen hat, längst abgelegt.<br />
Als geborener Pädagoge will er<br />
auch andere zum Öffnen der<br />
Ohren für Musik jenseits des<br />
klassischen Repertoires anregen.<br />
(Dass damit nicht die Ohren<br />
an sich gemeint sind, sondern<br />
das, was beim Menschen<br />
zwischen den Ohren liegt, ist<br />
wohl selbstverständlich.)<br />
So konnte es nicht ausbleiben,<br />
dass die Programmgestaltung<br />
des Dozentenkonzerts der<br />
Schule den üblichen Rahmen<br />
der Abonnementreihe des Kulturvereins<br />
sprengen würde. In<br />
weiser Voraussicht wies Käberich<br />
in seinen kurzen einführenden<br />
Worten auf das Stück<br />
hin, das die traditionellen Hörgewohnheiten<br />
am meisten strapaziert<br />
(Villa-Lobos' Choros<br />
No. 2 für Flöte und Klarinette),<br />
mit dem tröstlichen Hinweis,<br />
das es bloß zweieinhalb Minuten<br />
dauere. Mit zwei Quartetten<br />
und einem Trio für Blas-,<br />
Streich- und Tasteninstrumente<br />
von Telemann, Mozart und<br />
Beethoven - alle in ihrer Art<br />
Meisterwerke - und einer Gesamtaufführung<br />
von Brahms'<br />
„Offne deine Ohren!"<br />
Dozentenkonzert der <strong>Musikschule</strong> in der Stadthalle <strong>Holzminden</strong><br />
Liebesliederwalzern für Klavier<br />
vierhändig kamen wir Traditionalisten<br />
unter den Abonnenten<br />
jedenfalls auch auf unsere Kosten.<br />
Zudem brachte das älteste<br />
Werk im Programm (John<br />
Dowlands Song „Come again")<br />
sowie das letzte (Beethovens<br />
Gassenhauer-Trio) Hinweise<br />
auf frühere Zeiten, in denen<br />
„Pop" und „Klassisch" noch<br />
nicht so streng getrennt waren<br />
wie heute. Dowlands „Songe"<br />
war im England des frühen 17.<br />
Jahrhunderts ein Top-Hit, und<br />
die „Gassenhauer" aus Beethovens<br />
Zeit stammten aus Opern,<br />
so wie die meisten der „Schlager"<br />
der Mitte des vorigen Jahrhunderts<br />
aus Tonfilmen kamen.<br />
Applaus für Kunstfertigkeit<br />
Die Werke, die in der ersten<br />
Hälfte des Programms auf<br />
Brahms' Walzer folgten, waren<br />
in erster Linie komponiert worden,<br />
um die Virtuosität eines Instrumentalisten<br />
oder eines Sängers<br />
zur Schau zu stellen. Der<br />
Reihe nach waren dies die Saxophonistin<br />
Daniela Glahn, der<br />
Tenor Stefan Derguti, der Geiger<br />
Tilman Wittkopf und die<br />
beiden Pianistinnen Yukiko Tanaka<br />
und Florita Derguti. Sie alle<br />
ernteten für ihre Kunstfertig-<br />
keit den gleichen stürmischen<br />
Applaus wie die Virtuosen vergangener<br />
Jahrhunderte in ihrer<br />
Zeit. Auch Lea Polanski (Querflöte)<br />
und Martan David (Klarinette)<br />
sollten in dieser Reihe genannt<br />
werden, obwohl der Applaus<br />
für ihr perfektes Spiel in<br />
Villa-Lobos' dissonanzenreichem<br />
Choros No. 2 weniger begeistert<br />
ausfiel.<br />
Die zweite Hälfte des Abends<br />
brachte, zwischen zwei Jugendwerken<br />
der Großmeister der<br />
deutsch-österreichischen Klassik,<br />
Werke der beiden führenden<br />
südamerikanischen Komponisten<br />
des 20. Jahrhunderts.<br />
Während sich die internationale<br />
Anerkennung von Heitor<br />
Villa-Lobos, der herausragende<br />
brasilianische Komponist der<br />
Zeit, bisher in Grenzen hält, hat<br />
sein argentinisches Gegenstück,<br />
Astor Piazolla, es geschafft, zum<br />
meist aufgeführten zeitgenössischen<br />
Komponisten unserer Tage<br />
zu werden. Die Aufführung,<br />
gleich auf Mozarts wunderbarem<br />
Flötenquartett folgend, seiner<br />
„Milonga del Angel" durch<br />
Mitglieder des Pop/Rock-Stabs<br />
der <strong>Musikschule</strong> (Burghard<br />
Kluge, Tom Dyba; Dankward<br />
Pillmann, Stefan Bienert und<br />
(wieder!) Tilman Wittkopf) war<br />
eine Herausforderung. Dass sie<br />
erfolgreich bestanden wurde,<br />
war vielleicht nicht so verwunderlich,<br />
als es erscheinen mag:<br />
Beide Werke waren in ihrer Zeit<br />
Unterhaltungsmusik auf hohem<br />
Niveau. Anschließend spielte<br />
Alexander Käberich (Querflöte),<br />
begleitet von Stefan Derguti<br />
(Gitarre) einen Tango („Bordel<br />
1900") aus Piazollas berühmter<br />
Reihe „Histoire du Tango". Zuvor<br />
hatte Käberich bereits in<br />
den Quartetten von Telemann<br />
und Mozart den Flöten-Part gespielt;<br />
Stefan Derguti hatte sich<br />
selbst in Dowlands Song „Come<br />
Again" begleitet. An diesem<br />
Punkt dürfen die Mitglieder des<br />
Klassik Stabs, die nicht primär<br />
solistisch hervortraten, nicht<br />
unerwähnt bleiben. Anne-Liese<br />
Cassonet betreute den Cello-<br />
Part in den beiden Quartetten<br />
und dem Gassenhauer-Trio; Katrin<br />
Käberich spielte die Blockflöte<br />
in Telemanns Quartett, Jakob<br />
Ley die Violine. Florita Derguti<br />
und Yukiko Tanaka spielten<br />
nicht nur zusammen Klavier als<br />
Duo, sondern übernahmen<br />
mehrmals begleitende Parten,<br />
Florita Derguti auch am Cembalo;<br />
Tilman Wittkopf spielte in<br />
den Quartetten von Telemann<br />
und Mozart den Viola-Part.<br />
Mit der Aufführung von<br />
Beethovens „Gassenhauer-Trio"<br />
Op. 11 war der offizielle Teil des<br />
Programms abgeschlossen,<br />
doch es gab noch eine witzige<br />
Zugabe: der Schlager „Kein<br />
Schwein ruft mich an", gespielt<br />
vom gesamten Ensemble und<br />
gesungen von Stefan Derguti<br />
zeigte, wie der argentinische<br />
Tango die deutsche Unterhaltungsmusik<br />
der 1920er und<br />
1930ger Jahre inspiriert hat.<br />
Und auch damit war die Darbietung<br />
der <strong>Musikschule</strong> nicht vorüber,<br />
denn der nunmehr zur<br />
Tradition gewordene Small Talk<br />
im Foyer wurde diesmal begleitet<br />
mit fetziger Jazzmusik, geboten<br />
durch das Ensemble<br />
„Teacher's Finest". So wurde die<br />
erste kooperative Veranstaltung<br />
von <strong>Musikschule</strong> und Kulturverein<br />
zu einem erfolgreichen<br />
Fest, das bis in die frühen Stunden<br />
des Folgetages andauerte.<br />
Die Ironie des Schicksals<br />
wollte es, dass Alexander Käberich<br />
genau in der Periode, in die<br />
Annäherung zwischen Schule<br />
und Verein vereinbart und das<br />
erste gemeinsame Konzert vorbereitet<br />
wurde, eine Berufung<br />
nach Braunschweig erhielt, die<br />
er nicht ablehnen konnte. Jetzt<br />
sind der gute Wille und das<br />
Durchhaltevermögen der Vorstände<br />
beider Seiten gefragt, um<br />
die Vision einer altersgruppenundmusikgenre-übergreifenden<br />
dauerhaften Kooperation<br />
zu verwirklichen.