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Vor dem Brand ist nach dem Brand. Aspekte zur Einflussnahme auf ...

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<strong>Vor</strong> <strong>dem</strong> <strong>Brand</strong> <strong>ist</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Brand</strong>.<br />

<strong>Aspekte</strong> <strong>zur</strong> <strong>Einflussnahme</strong> <strong>auf</strong> <strong>Brand</strong>folgeerscheinungen an Exponaten<br />

Als Konservator/Restaurator <strong>ist</strong> man gewissermaßen zum Vertreter der Objekte berufen. Im<br />

Anspruch ihrer Unversehrtheit stößt man gerade mit dieser Profession bei einem <strong>Brand</strong> schnell<br />

an die Grenzen.<br />

Zum einen gehört der <strong>Brand</strong>fall wohl zu den fatalsten zerstörerischen Einflüssen an Objekten,<br />

bedeutet er doch me<strong>ist</strong> den absoluten und unwiderruflichen Verlust derselbigen.<br />

Zum anderen sind die Objekte bei der <strong>Brand</strong>bekämpfung naturgemäß in der Priorität<br />

untergeordnet.<br />

Nach Jahren mit wenig konkreter Auseinandersetzung rückt das Problem neuerdings <strong>auf</strong><br />

fachlicher Ebene wieder ins Bewusstsein. Unter <strong>dem</strong> Schlagwort der Präventiven Konservierung gibt<br />

es z.B. vielfältige und gute Ansätze zum so genannten Risk-Management oder so genannten<br />

Notfallplanungen.<br />

Gemein <strong>ist</strong> ihnen, dass sie bisher leider als rein theoretische Gedankenmodelle entwickelt<br />

wurden, die oft nur un<strong>zur</strong>eichend <strong>auf</strong> konkreten Erkenntnissen basieren.<br />

Daher wäre es sehr wünschenswert, eine Sammlung und Auswertung von Folgen aus<br />

<strong>zur</strong>ückliegenden tatsächlichen Bränden in Museen vorzunehmen.<br />

Begleitet werden sollte Dieses von Versuchsreihen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen.<br />

Nur wer die Auswirkungen kennt, kann Risiken wirklich einschätzen!


Als Resultat der praktischen Arbeit bei Sonderausstellungen haben sich aus den vielen<br />

<strong>auf</strong>kommenden <strong>Aspekte</strong>n u.A. zwei Fragestellungen ergeben, die ich ansatzweise verfolgt habe:<br />

1. Wie wirken sich <strong>Brand</strong>begleitprodukte <strong>auf</strong> Exponate aus?<br />

2. Wie wirken sich Löschmittel (aus Handfeuerlöschern) <strong>auf</strong> Objekte aus?<br />

Mit der Beantwortung dieser Fragen, so die Hoffnung, könnte man bei Berücksichtigung schon<br />

im <strong>Vor</strong>feld, also vor einem <strong>Brand</strong>, Einfluss <strong>auf</strong> die <strong>Brand</strong>folgeerscheinungen nehmen.<br />

Zu 1.<br />

Wie verhält es sich mit den vielen Materialien, die im Zuge einer Sonderausstellung in die Räume<br />

eingebracht werden, wenn sie verbrennen? Welche Stoffe werden dann freigesetzt und wie<br />

wirken sie <strong>auf</strong> Objekte?<br />

Bei der Verbrennung von Stoffen entstehen neben Asche und anderen Rückständen am <strong>Brand</strong>ort<br />

auch solche, die flüchtig sind und sich im Raum verteilen bzw. an anderer Stelle niederschlagen.<br />

Diese setzten sich zu Beginn überwiegend aus Pyrolysegasen wie Kohlenmonoxid, Wasserstoff,<br />

Methan und dergleichen zusammen, die dann bei vollständiger Verbrennung zu CO 2, Wasser und<br />

anderen Stoffen oxidieren.<br />

Der Rauch enthält neben diesen typischen gasförmigen Bestandteilen auch immer eine feste<br />

Phase aus Rußpartikeln in einer Größenordnung von 10 nm bis 1 mm.<br />

Solche Partikel adsorbieren an ihrer Oberfläche häufig Pyrolyseprodukte und werden <strong>auf</strong>grund<br />

der Thermik im <strong>Brand</strong> <strong>auf</strong>gewirbelt und weit verteilt.<br />

So gelangen schädigende Stoffe auch <strong>auf</strong> Exponatoberflächen, die offensichtlich nur mittelbar am<br />

<strong>Brand</strong>geschehen beteiligt sind.<br />

Welche schädigenden Verbrennungsprodukte entstehen und wie wirken sie?<br />

Die bei einer Verbrennung freiwerdende Energie kann für zusätzliche Crackvorgänge von<br />

molekularen Bindungen verbraucht werden. Aus diesen so genannten Crackprodukten können in<br />

der Flamme neue Verbindungen gebildet werden.


Das hat <strong>zur</strong> Folge, dass aus der Vielzahl der brennbaren Ausgangsstoffe eine unüberschaubare<br />

Anzahl von neuen Verbindungen mit toxischen, umweltgefährdenden oder korrosiven<br />

Eigenschaften entstehen.<br />

Ein Großteil dieser Verbindungen <strong>ist</strong> stofflich noch nicht vollständig identifiziert und<br />

charakterisiert.<br />

Eine kleine Auswahl der bekanntesten <strong>auf</strong> Exponate wirkenden Verbindungen <strong>ist</strong> in der Tabelle 1<br />

<strong>auf</strong>geführt:<br />

Tabelle 1: Auswahl von freigesetzten Verbindungen bei Bränden<br />

Freigesetzte Verbindungen <strong>Brand</strong>gut Wirkung / Bemerkungen<br />

Halogenwasserstoffe<br />

Chlorwasserstoff (HCl) PVC (Fußbodenbeläge,<br />

Kabelisolationen, Fenster usw.),<br />

Polymer mit Halogenen,<br />

Polytetrafluorethylen,<br />

Chlorkautschuk<br />

Fluorwasserstoff fluorhaltige Kunststoffe<br />

z.B. Polytetrafluorethylen<br />

Bromwasserstoff (HBr) mit Flammschutzmittel<br />

ausgerüstete Materialien<br />

Schwefel(-dioxid) Wolle, Haare, Federn, Seide,<br />

Nylon,<br />

vulkanisierte Kautschuke,<br />

Thioharnstoffharze, Polyalkylensulfide,<br />

Polyosulfone<br />

Cyanwasserstoff (Blausäure)<br />

HCN<br />

Isocyanide<br />

Naturstoffe wie Haare, Federn,<br />

Wolle, Leder und andere<br />

Eiweißverbindungen<br />

Polymer mit N bzw.<br />

CN, AMMA, Melamin-<br />

Formaldehydharze, Epoxide<br />

(Harzlaminate mit Aminhärtern)<br />

Aromatische Verbindungen<br />

Benzol Nylon, Styrol, Synthesekautschuk<br />

usw.<br />

Gehäuse aus Hart-PVC<br />

geht leicht in wässrige Lösung<br />

über und bildet dann stark<br />

korrosive konzentrierte<br />

Salzsäure<br />

Fluorwasserstoff verbindet sich<br />

sehr leicht mit Wasser<br />

zu Flusssäure, <strong>ist</strong> eine starke<br />

Säure, wirkt z.B. korrosiv <strong>auf</strong><br />

Glas<br />

löst sich leicht in Wasser zu<br />

Bromwasserstoffsäure, <strong>ist</strong> eine<br />

starke Säure, wirkt z.B.<br />

korrosiv <strong>auf</strong> viele Metalle<br />

SO2 + H2O schwefelige<br />

Säure, wirkt korrosiv <strong>auf</strong> viele<br />

Materialien<br />

sehr toxisch, schwache Säure<br />

Lösungsmittel für Fette, Öle,<br />

Wachse, Harze<br />

Toluol Lösungsmittel für Fette, Öle,<br />

Wachse, Harze<br />

Ethanol<br />

Aceton<br />

Aliphatische Verbindungen<br />

PVC, Holz, Papier, Zellstoff wirkt löslich <strong>auf</strong> Harze und<br />

dehydrierend


Acetylen<br />

Ethan/Ethen<br />

Methan<br />

Holz, Hart-PVC, Weich-PVC<br />

Sonstige<br />

Wasser<br />

Kohlendioxid alle organischen Materialien wie<br />

z.B. Holz, Kunststoffe usw.<br />

geht kaum in eine wässrige<br />

Lösungen über, wirkt dann<br />

aber schwach sauer<br />

Kohlenmonoxid alle organischen Materialien wie<br />

z.B. Holz, Kunststoffe usw.<br />

Stickstoffmonoxid instabil, oxidiert sofort zu<br />

Stickstoffdioxid<br />

Stickstoffdioxid Cellulosenitrat (Zelluloid) NO2 + H2O Salpetersäure<br />

D<strong>ist</strong>ickstoffoxid (Lachgas) in kritischer Größenordnung<br />

Ammoniak (NH3) Spanplatten o. Ä. mit<br />

Ammoniumsulfat (als<br />

Härtungsbeschleuniger)<br />

Wolle, Haare, Federn,<br />

Polymer mit N,<br />

Harnstoffharze<br />

(Form-)Aldehyd Holz, Papier, Zellstoff, Kohle,<br />

Zucker,<br />

Cellulosenitrat (CN),<br />

Polyvinylacetat (PVA),<br />

Polyvinylbutyral, Celluloseacetat<br />

wird es zum Destraktionsmittel<br />

Ammoniak <strong>ist</strong> basisch und wirkt<br />

daher insbesondere<br />

beeinflussend <strong>auf</strong> säurehaltige<br />

Materialien (z.B. h<strong>ist</strong>.<br />

Papierdokumente)<br />

wirkt sauer,<br />

Härtungsmittel bei<br />

Gelantineschichten von<br />

Fotografien<br />

Acrolein (Acrylaldehyd) Fette, Baumwolle, Lackharze entsteht beim Überhitzen von<br />

Fetten aus <strong>dem</strong> Glycerin,<br />

sehr giftig,<br />

instabil, neigt zu<br />

Polymerisation und<br />

Additionsreaktionen<br />

Phosgen (Kohlenoxidchlorid) chlorhaltige Kunststoffe sehr toxisch, polares nicht<br />

wässriges Lösungsmittel<br />

n-Hexan Klebstoffe wirkt löslich <strong>auf</strong> Fette und<br />

Polymere<br />

Vinylchlorid PVC<br />

Isocyanate PU-Kunststoffe<br />

Im Wesentlichen sind zwei Wirkmechanismen auszumachen.<br />

Polyisocyanate sind sehr<br />

reaktionsfähig, gehen mit<br />

vielen Stoffen neue<br />

Verbindungen ein<br />

Zum einen gibt es Verbindungen, die <strong>auf</strong> Exponate korrosiv wirken, zum anderen solche, die<br />

löslich wirken können.<br />

Besonders erwähnenswertes Beispiel für die korrosiven Stoffe <strong>ist</strong> das bei der Verbrennung von<br />

Polyvinylchlorid (PVC) anfallende Chlorwasserstoffgas.<br />

Dieses reagiert mit der Luftfeuchtigkeit zu Salzsäure und schlägt sich als Nebel <strong>auf</strong><br />

Exponatoberflächen nieder. Dort wirkt es stark schädigend.<br />

Dass dieser Umstand nicht zu unterschätzen <strong>ist</strong>, zeigt <strong>nach</strong>folgendes Zitat aus einer Broschüre<br />

des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft:


„Bei der […] Verbrennung können, je <strong>nach</strong> Zusammensetzung des PVC, bis zu ca. 550 Gramm<br />

reines HCl-Gas pro Kilogramm PVC entstehen. Dies entspricht unter Normalbedingungen einer<br />

Menge von ca. 1,2 Kilogramm handelsüblicher konzentrierter Salzsäure [.]“ 1<br />

Mit der Verwendung klassischer Kabelisolationen oder eines Bodenbelags sind ein Kilogramm<br />

PVC schnell erreicht!<br />

Allein aus dieser Erkenntnis kann man ableiten, dass man im <strong>Vor</strong>feld durchaus Einfluss <strong>auf</strong> die<br />

<strong>Brand</strong>folgen nehmen kann.<br />

Eine gut überlegte Wahl von Werkstoffen beim Bau von Sonderausstellungen kann ein<br />

Schadensausmaß sicherlich positiv beeinflussen.<br />

Dabei sollte man aber nicht den Fehler machen, sich ausschließlich <strong>auf</strong> die Baustoffklassen zu<br />

konzentrieren.<br />

Gerade die bekannten (<strong>nach</strong> DIN 4102) B1-Zertifikationen, also „schwerentflammbare<br />

Baustoffe“, sagen nur etwas über das <strong>Brand</strong>verhalten des Stoffes zu Beginn eines <strong>Brand</strong>es aus.<br />

Was mit ihm in der weiteren Entwicklungsphase des <strong>Brand</strong>es geschieht und was für<br />

Folgeprodukte entstehen bleibt dabei stets unberücksichtigt.<br />

Man muss sogar annehmen, dass die me<strong>ist</strong>en B1-deklarierten Stoffe organische<br />

Flammschutzmittel enthalten, die im Falle der thermischen Zersetzung <strong>zur</strong> Bildung von<br />

zusätzlichen korrosiven Bestandteilen in den <strong>Brand</strong>gasen führen.<br />

Als ein sinnvolles Hilfsmittel für den Ausstellungsbau plädiere ich daher für die Erstellung eines<br />

Kataloges von besonders kritischen Materialien. Also die Materialien, bei deren Verbrennung,<br />

besonders viele oder stark schädigende Verbindungen freigesetzt werden. Vielleicht als ein von<br />

den Museen initiiertes Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit den Hochschulen.<br />

1 „Kunststoffe - Eigenschaften, <strong>Brand</strong>verhalten, <strong>Brand</strong>gefahren”, Broschüre VdS 2516 : 2000-12 (01) : Herausgeber:<br />

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Köln, S. 18


Zu 2.<br />

Wie wirken sich Löschmittel aus Handfeuerlöschern <strong>auf</strong> Objekte aus?<br />

Diese Frage geht davon aus, dass in einer Ausstellung ein <strong>Brand</strong> entstehen kann, im besten Fall<br />

aber früh entdeckt wird.<br />

Beherzten und tatkräftigen Akteuren bleibt dann neben der Alarmierung, die Möglichkeit einer<br />

Erstbekämpfung.<br />

Üblicherweise werden im Zuge derer dann Handfeuerlöscher genutzt.<br />

Die Palette der darin enthaltenen möglichen Löschmittel mitsamt dazugehörigem Regelwerk <strong>ist</strong><br />

für den Laien undurchschaubar; für den Restaurator/Konservator klingt sie wie reiner Horror.<br />

Wasser, Schaum, Salze in Pulverform, alles Dinge, die es möglichst von Objekten fernzuhalten<br />

gilt!<br />

So verwundert auch nicht die verbreitete ablehnende Haltung von Kollegen bezüglich der<br />

Verwendung von Handfeuerlöschern.<br />

Beschäftigt sich nun der ein oder andere näher mit der Problematik, versucht ein Löschmittel mit<br />

<strong>dem</strong> geringsten Schadenspotential zu finden und als Kompromiss anzubieten, dann steht ihm ein<br />

bindendes Regelwerk entgegen.<br />

Je <strong>nach</strong> <strong>Brand</strong>klasse, also je <strong>nach</strong><strong>dem</strong>, was brennt, sind nur bestimmte Löschmittel zugelassen.


Tabelle 2: <strong>Brand</strong>klassen <strong>nach</strong> DIN EN 2 mit entsprechend einzusetzenden Löschmitteln<br />

<strong>Brand</strong>gut <strong>Brand</strong>klasse Löschmittel (üblicher Handfeuerlöscher)<br />

Brände fester<br />

Stoffe,<br />

hauptsächlich<br />

organischer Natur,<br />

die normalerweise<br />

unter Glutbildung<br />

brennen<br />

Brände von<br />

flüssigen oder<br />

flüssig werdenden<br />

Stoffen<br />

Brände von Gasen<br />

Brände von<br />

Metallen<br />

Wasser<br />

D - Pulver<br />

Schaum<br />

CO2 -<br />

Gas<br />

BC -<br />

Pulver<br />

ABC -<br />

Pulver<br />

Üblicherweise wird man in Ausstellungen mit Bränden der Klasse A und B konfrontiert.<br />

Das bedeutet, dass sich die Betrachtung zu den Löschmitteln <strong>auf</strong> zwei Möglichkeiten<br />

beschränken lassen.<br />

Um deren Auswirkungen <strong>auf</strong> Ausstellungsobjekte besser abschätzen zu können, wurden von mir<br />

einige Versuche mit Schaum- und Pulverlöschmitteln <strong>auf</strong> ausgewählten Materialproben gemacht.<br />

Zur Probe kamen: Kupfer und Stahlbleche, Gummiwerkstoffe, Cellulosenitrat als Stellvertreter<br />

für Kunststoffe, vorgealtertes Papier, eine h<strong>ist</strong>orische Fotografie sowie eine Probe mit einer<br />

ölhaltigen Malschicht.<br />

Die Probentafeln wurden ohne begleitendes <strong>Brand</strong>geschehen direkt mit <strong>dem</strong> jeweiligen<br />

Löschmittel be<strong>auf</strong>schlagt. Zur anschließenden Bewertung wurden augenscheinliche<br />

Veränderungen aber auch das Verhalten bei der Reinigung der Proben herangezogen.<br />

Dazu wurden in festgelegter zeitlicher Abfolge Trocken- und Feuchtreinigungsversuche an den<br />

Proben durchgeführt.


Schaumlöscher im Einsatz<br />

Abb. 1: Schaumlöscher im Einsatz<br />

1. Der Schaumlöscher: Schaum entsteht unter<br />

Verwendung von Wasser mit einem<br />

Schaummittel, das durch ein Treibgas <strong>zur</strong><br />

Mischung gebracht wird.<br />

Die Löschwirkung beruht dabei hauptsächlich<br />

<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> erstickenden Effekt des dichten und<br />

anhaftenden Schaumteppichs.<br />

Mit Schaum lassen sich die me<strong>ist</strong>en flüssigen<br />

bzw. verflüssigenden aber auch feste<br />

<strong>Brand</strong>stoffe gut löschen.<br />

Die Schaumbildner setzen sich me<strong>ist</strong> aus anionischen Tensiden zusammen, denen Stabilisatoren,<br />

Konservierungsmittel, Lösungsvermittler und Frostschutzmittel zugesetzt werden.<br />

Diese sind in ihrer Palette vielfältig und in der Wirkung <strong>auf</strong> Exponate kaum abschätzbar.<br />

Der Schaum haftet lange an<br />

Oberflächen an und entwickelt<br />

während dieser Verweildauer stark<br />

„reinigende“ bzw. anlösende<br />

Wirkung. Betroffen dürften<br />

hiervon Fette, Öle, Harze und<br />

Wachse sein, wie sie z.B. auch als<br />

Bin<strong>dem</strong>ittel für Farben bei<br />

Gemälden oder<br />

Beschichtungsstoffe anderer<br />

Objekte vorkommen.<br />

Den größten Einfluss hat der<br />

Schaum zunächst aber <strong>auf</strong> feuchtempfindliche Materialien wie Papier. denn<br />

es kommt unmittelbar <strong>zur</strong> Quellung der Papierfasern.<br />

Ein weiterer Nachteil lässt sich mit der Trocknung des Schaums feststellen.<br />

Er hinterlässt Rückstände, die lange klebrig bleiben und zusätzliche Verunreinigungen an sich<br />

binden können.<br />

Abb. 2: Anhaftender Schaum <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> „Angriff“


Solche Rückstände sind nur noch feucht von den betroffenen Oberflächen abzunehmen. In<br />

Verbindung mit Wasser kommt es dann aber zu einem erneuten Aufschäumen und teilweise<br />

starkem Reinigungseffekt.<br />

Bei der h<strong>ist</strong>orischen Fotografie (Papierpositiv) kam es so <strong>zur</strong> weitgehenden Abnahme der<br />

bindenden und teilweise auch der bildgebenden Schichten.<br />

Nach zehn Tagen konnte an den Oberflächen der Metallproben erste Korrosionsspuren<br />

festgestellt werden.<br />

Die anderen Materialproben blieben zunächst un<strong>auf</strong>fällig.<br />

Wie es sich mit Langzeitfolgen verhält kann erst die Zeit deutlich machen.


Pulverlöscher im Einsatz<br />

Abb. 3: Pulverlöscher im Einsatz<br />

2. ABC- Pulverlöscher enthalten<br />

Ammoniumphosphat bzw. -sulfat,<br />

welches in sehr feiner Korngröße<br />

vermahlen und durch Zumischung von<br />

bestimmten Stoffen rieselfähig gehalten<br />

wird.<br />

Beim Auslösen verhält sich das Pulver<br />

ähnlich wie eine Flüssigkeit.<br />

Es wird strahlartig ausgestoßen und<br />

bildet eine Wolke die sich aerosolartig<br />

verteilt und brennende Teile einhüllt.<br />

Der Löscheffekt beruht teilweise <strong>auf</strong><br />

einem Stickeffekt, teilweise <strong>auf</strong> einer Versinterung und einem damit verbundenem Wärmeentzug.<br />

Größter konservatorischer Nachteil <strong>ist</strong> die weite Verteilung der feinen Löschpulverteilchen in der<br />

Umgebung und daraus resultierender Ablagerung selbst <strong>auf</strong> weit entfernten Ausstellungsobjekten.<br />

Die Versuche dazu wurden in zwei Richtungen ausgeweitet.<br />

Zunächst die reine, trockene Be<strong>auf</strong>schlagung zweier Probetafeln mit Pulver, wovon die eine<br />

anschließend leicht mit Wasser bestäubt wurde.<br />

Das sollte einem <strong>Brand</strong>szenario mit einem großen Feuerwehreinsatz näher kommen.<br />

Schnell wurde deutlich, dass Pulverreste<br />

in Verbindung mit Feuchtigkeit stark<br />

korrosiv wirken. Innerhalb von Stunden<br />

waren erste Folgen an den Stahlblechen<br />

auszumachen.<br />

An anderer Stelle bildeten sich Beläge, die<br />

fest anhafteten und nur noch sehr<br />

<strong>auf</strong>wendig zu entfernen gewesen wären.<br />

Trockenes Pulver, welches auch trocken<br />

blieb, konnte hingegen von den me<strong>ist</strong>en<br />

Abb. 4: Stahlblech mit ersten Korrosionserscheinungen<br />

<strong>nach</strong> zwei Stunden


Oberflächen relativ gut mit trockenen Reinigungsmethoden abgenommen werden. Weiche Pinsel<br />

und ein Sauger waren dazu gute Hilfsmittel.<br />

Bei porösen bzw. strukturierten Oberflächen konnten die feinen Pulverreste hingegen kaum<br />

vollständig entfernt werden.<br />

So verbliebene Reste könnten zukünftig in Verbindung mit ansteigender Luftfeuchtigkeit noch<br />

lange Zeit später Schäden verursachen und sind somit als konservatorisch problematisch<br />

einzustufen.<br />

Folgend der Versuch einer ersten Zusammenfassung objektrelevanter Inhaltsstoffe von<br />

Löschmitteln.<br />

Tabelle 3: Löschmittelbestandteile bei Handlöschern<br />

Löschmittel Inhaltsstoffe Bemerkung<br />

ABC-Pulver<br />

BC-Pulver<br />

„Standardlöschpulver“:<br />

„Hochle<strong>ist</strong>ungslöschpulver“:<br />

Ammoniumphosphat, Ammoniumsulfat<br />

<strong>zur</strong> Hydrophobierung (Riesel-fähigkeit):<br />

(früher:) Alkali- und Erdalkal<strong>ist</strong>earate (Metallseifen),<br />

(heute:) Zuschlagstoffe <strong>auf</strong><br />

Silikonbasis<br />

Natriumhydrogencarbonat,<br />

Kaliumsulfat<br />

Kaliumhydrogencarbonat<br />

D-Löschpulver/M-Pulver feinst vermahlene Alkalichloride z.B. Natriumchlorid<br />

Schaum<br />

Mehrbereichsschaummittel<br />

(AFFF)<br />

Class-A-Foam<br />

(ClAFSM)<br />

Proteinschaummittel<br />

(Fluorproteinschaummittel<br />

(FPS) und Filmbildende<br />

Fluorproteinschaummittel<br />

(FFFP))<br />

Schaumbildner:<br />

n-Alkyl(C10-C14)benzolsulfonate, sek. n-Alkan(C12-<br />

C18)sulfonate, a-Olefin(C14-C18)sulfonate, Di-iso-octylsulfobernsteinsäure,<br />

(1.) , Natriumsalz, a-<br />

Sulfofettsäure(C12-C18)methylester, Alkohol(C8-<br />

C18)ethoxylate mit >2 EO, Fettalkohol(C8-C18)-EO/PO-<br />

Ether, n-Alkyl(C8-C16)polyglycoside (mit 1-2<br />

Glucoseeinheiten), n-Alkyl(C8-C20)sulfate Natriumsalz<br />

(oder NH4-Laurylsulfate oder TEA-Laurylsulfate),<br />

Imidazoliniumsalz<br />

Stabilisatoren:<br />

Fettalkohole, gesättigt, mit geradzahliger C-Kette, C-Zahl<br />

>14 und endständiger OH-Gruppe<br />

Frostschutzmittel:<br />

Ethylengylkol (2.),1,2-Propylenglykol (3.),Glycerin, n-<br />

Propanol, Isopropanol, Harnstoff<br />

Konservierungsmittel:<br />

Formaldehyd (4.), Natriumpropionat, Salicylsäure<br />

Lösungsvermittler:<br />

Ethylenglykolmono-n-butylether, Diethylenglykolmono-nbutylether,<br />

2-Methyl-2,4-pentandiol<br />

Schaumbildner:<br />

Proteinhydrolysat (5.), Ligninsulfonsäure( 6.) +<br />

Natrium-Salz (oder Ammonium- bzw. Magnesiumsalz)<br />

Stabilisatoren (Komplexbildner):<br />

kann bei hohen<br />

Zersetzungstemperaturen<br />

zu Ammoniak führen<br />

wasserlöslich, schwach<br />

alkalisch<br />

(1. anionische Tenside<br />

mit grenzflächenaktiven<br />

Eigenschaften)<br />

(2. Lösungsmittel für<br />

Cellulosenitrat und<br />

Druckfarbstoffe)<br />

(3. Lösungsmittel für<br />

Fette, Öle, Harze,<br />

Wachse, Farbstoffe usw.,<br />

Weichmacher bei<br />

Vinylharzen)<br />

(4. Härtungsmittel bei<br />

Gelantineschichten)<br />

(5. Eiweiß-Tenside aus<br />

Kollagen; nicht<br />

oberflächenaktiv, aber<br />

dispergierend),


Wasser + Zusätze<br />

Gaslöscher<br />

Kohlendioxid (CO2)<br />

Eisen(II)-sulfat, Zinkchlorid (7.)<br />

Frostschutzmittel:<br />

Ethylenglykol (8.), 1,2-Propylenglykol (9.), Glycerin,<br />

n-Propanol, Isopropanol, Harnstoff, Magnesiumchlorid,<br />

Calciumchlorid<br />

Konservierungsmittel:<br />

4-Chlor-3-methylphenol<br />

Lösungsvermittler:<br />

Ethylenglykolmono-n-butylether, Diethylenglykolmono-nbutylether,<br />

2-Methyl-2,4-pentandiol, Polyethylenglykol,<br />

Butoxypolyethylen-/propylenglykol<br />

Netzmittel/ Tenside,<br />

Frostschutz,<br />

Inhibitoren (verschiedene anorganische Salze):<br />

Magnesium-, Calcium- und Natriumchlorid,<br />

Pottasche (Kaliumcarbonat),<br />

Alkohol<br />

CO2<br />

(6. starkes<br />

Haftvermögen, nahezu<br />

Klebstoffeigenschaften)<br />

(7. reagieren sauer mit<br />

Wasser)<br />

(8. Lösungsmittel für<br />

Cellulosenitrat und<br />

Druckfarbstoffe),<br />

(9. Lösungsmittel für<br />

Fette, Öle, Harze,<br />

Wachse, Farbstoffe usw.,<br />

Weichmacher bei<br />

Vinylharzen<br />

ähnliche Tenside wie bei<br />

den Schaummitteln nur in<br />

anderer Konzentration<br />

Salze wirken stark<br />

korrosionsfördernd<br />

Abschließend bleibt die Frage, ob sich mit den ermittelten bescheidenen Ergebnissen schon<br />

Möglichkeiten ergeben, die im <strong>Vor</strong>feld bedacht werden können, um <strong>Brand</strong>folgeschäden an<br />

Exponaten positiv zu beeinflussen.<br />

Ein Resümee zu den Betrachtungen bezüglich der <strong>Brand</strong>gase kann sein, dass bei einem <strong>Brand</strong><br />

durchaus entscheidend <strong>ist</strong>, welche Werkstoffe verbrennen.<br />

Dieses <strong>ist</strong> keine neue Erkenntnis, sicherlich aber ein Punkt, der weitere Aufmerksamkeit verdient.<br />

Konkret kann für den Ausstellungsmacher empfohlen werden, <strong>auf</strong> Baustoffe oder Materialien zu<br />

verzichten, die Halogenwasserstoffe enthalten. Das wären z.B. Kunststoffe/Polymere wie PVC,<br />

PTFE (Teflon) und bestimmte Gummiwerkstoffe.<br />

Beispielsweise sind Spanplatten mit Ammoniumsulfat als Härtungsbeschleuniger ebenso<br />

problematisch, wie Polyurethane, die Isocyanate freisetzen.<br />

Generell sollte auch <strong>auf</strong> Stoffe verzichtet werden, die stark rußen wie z.B. Polystyrol. Wie<br />

erwähnt adsorbieren Rußpartikel gerne schädliche Stoffe und tragen sie so weit in die Umgebung.<br />

Neben der Materialauswahl hat man aber auch konstruktive Mittel <strong>zur</strong> Beeinflussung von<br />

<strong>Brand</strong>folgeerscheinungen <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

<strong>Brand</strong>gase werden immer dann besonders wirksam, wenn sie sich konzentrieren bzw. weit<br />

verbreitet können.


Ein wirksamer Rauchabzug sollte deshalb auch aus konservatorischer Sicht eine<br />

Selbstverständlichkeit sein.<br />

Für Vitrinen, die nicht gas- bzw. staubdicht gebaut werden können, wäre zu überlegen, ob die<br />

offenen Stellen mit staubfilternden Materialien abgedeckt werden können.<br />

Im Zuge der Handfeuerlöscher und ihrer Wirkung <strong>ist</strong> Aufgrund des Reglements nur wenig<br />

Einfluss im <strong>Vor</strong>feld zu nehmen.<br />

Lösungen sind innerhalb dieses Regelwerkes zu finden auch wenn technisch andere Lösungen<br />

möglich sind.<br />

Was bleibt uns also aus konservatorischer Sicht zu tun übrig?<br />

Momentan nicht viel, andererseits doch auch sehr viel für die Zukunft.<br />

Pauschalisierende Aussagen über Löschmittel müssen durch konkrete Erkenntnisse ersetzt<br />

werden. Es gilt, weitere Untersuchungen an Objektmaterialien zu machen.<br />

Begleitet werden sollten diese von der Suche <strong>nach</strong> alternativen Löschmethoden, insbesondere<br />

Löschmitteln und einer Diskussion über Genehmigungsmöglichkeiten.<br />

Bis dahin können wir nur reagieren.<br />

Kulturgüter, die mit Löschmitteln kontaminiert sind, gilt es besonders schnell zu versorgen.<br />

Dazu gehört, dass bei verwendeten Pulverlöschmitteln sichergestellt wird, dass möglichst keine<br />

Feuchtigkeit dazukommt.<br />

Anders gesagt: noch trockenes Pulver muss unbedingt trocken bleiben, dann besitzt man eine<br />

gute Chance es ohne Schäden abzunehmen.<br />

Dazu wären also möglichst trockene Ausweichräume vorzuhalten!<br />

Beim Schaum bzw. Wasser kann man fast das Gegenteil empfehlen.<br />

Zu schnelle Trocknung bei organischen Materialien wäre hier wenig angebracht. Ein Eintüten der<br />

betroffenen Objekte mit einer anschließenden schnellen Weiterbehandlung (Gefriertrocknung) <strong>ist</strong><br />

hier der bessere Weg.<br />

Auch hierfür müssen natürlich Material und Möglichkeiten vorgehalten werden.<br />

Meine Ausführungen beziehen sich nur <strong>auf</strong> einen winzigen Ausschnitt der riesigen <strong>Brand</strong>-<br />

Problematik in Museen, sind aber möglicherweise anregend für eine weitere Diskussion.<br />

Dipl. Restaurator Chr<strong>ist</strong>ian Lindhorst M.A.<br />

Greifswalder Straβe 45<br />

D-10405 Berlin<br />

www.2care.org<br />

mail@2care.org

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