Das Kooperationsspiel "Sauerbaum" - Museen der Stadt Nürnberg
Das Kooperationsspiel "Sauerbaum" - Museen der Stadt Nürnberg
Das Kooperationsspiel "Sauerbaum" - Museen der Stadt Nürnberg
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Schaustück<br />
des Monats
Schaustück<br />
des Monats<br />
Im grünen Team<br />
Zu Beginn <strong>der</strong> 1980er Jahre begann – nach<br />
Denkanstößen aus Amerika und Kanada – auch<br />
in Deutschland die Diskussion über kooperative<br />
Spiele. In <strong>der</strong> Folge wurde die Idee, im Spiel<br />
endlich einmal das Zusammenhelfen beim Erreichen<br />
eines Ziels zu betonen, immer attraktiver.<br />
Dem 1986 erstmals veröffentlichten Spiel „Sauerbaum“<br />
von Johannes Tranelis kam dabei eine<br />
wichtige Bedeutung zu, denn so eindeutig wie nie<br />
zuvor wi<strong>der</strong>legte es zwei Vorurteile, die gerne gegen<br />
kooperative Spiele hervorgebracht werden:<br />
Sie seien zum einen langweilig und würden sich<br />
außerdem nur für Kin<strong>der</strong> im Grund- und Vorschul-<br />
alter eignen. „Sauerbaum“ ist stattdessen ein<br />
spannendes Familienspiel, an dem schon Achtjährige<br />
sinnvoll teilnehmen können, ohne dass<br />
sich Erwachsene unterfor<strong>der</strong>t fühlen.<br />
Gleichzeitig traf dieses attraktive Teamspiel<br />
zur Rettung eines Baumes vor dem sauren Regen<br />
den Nerv <strong>der</strong> Zeit. Immer mehr Wäl<strong>der</strong> fielen<br />
damals <strong>der</strong> zunehmenden Luftverschmutzung<br />
zum Opfer. Versuche, die fortschreitende<br />
Umweltzerstörung im Spiel zu thematisieren,<br />
gab es damals zwar bereits in beachtlicher<br />
Zahl – doch von <strong>der</strong> Botschaft des Spiels<br />
schier erdrückt, blieben bei diesen Öko-Spielen<br />
lei<strong>der</strong> allzu oft Spielspaß und Spannung auf <strong>der</strong><br />
Strecke.<br />
Ein Baum steht auf dem Spiel<br />
<strong>Das</strong> <strong>Kooperationsspiel</strong> „Sauerbaum“<br />
Autor Johannes Tranelis<br />
Graphik Kristine Rothfuß-Rietmann<br />
Datierung 1988<br />
Technik Holz, Pappe<br />
Besitzer <strong>Stadt</strong> <strong>Nürnberg</strong>,<br />
museen <strong>der</strong> stadt nürnberg<br />
Oben: Die erste Version des Spiels „Sauerbaum“ von 1986.<br />
Unten: Die1988 im Her<strong>der</strong>-Verlag erschienene Version des Spiels „Sauerbaum“.<br />
Vereint gegen die Wolke<br />
Die Grundidee des Spiels ist einfach: Ein Baum wird von einer Wolke saurer<br />
Regentropfen bedroht, die auf ihn abregnen. Aufgabe <strong>der</strong> drei bis sieben<br />
Spieler ist es, die durch das Geäst perlenden Tropfen aufzusammeln, bevor<br />
sie das Wurzelwerk erreichen. Sind alle Wurzelfel<strong>der</strong> versauert, stirbt<br />
<strong>der</strong> Baum und die Gruppe hat verloren.<br />
Doch bleibt genug Platz für Individualismus, wird doch <strong>der</strong> erfolgreichste<br />
Tropfensammler zum „Retter des Baumes“ gekürt. Je<strong>der</strong> Spieler würfelt<br />
mit vier Würfeln. Dabei gibt <strong>der</strong> blaue Würfel die Zahl <strong>der</strong> fallenden Tropfen<br />
vor, während drei grüne Würfel bestimmen, wie weit <strong>der</strong> Spieler mit seiner<br />
Figur im Baumgeäst ziehen darf, um sie einzufangen. Jede gewürfelte Augenzahl<br />
muss einzeln gezogen werden, doch kann <strong>der</strong> Spieler Reihenfolge<br />
und Zugrichtung selber bestimmen. Aufgelesen werden nur solche Tropfen,<br />
die man am Ende eines Zuges erreicht. Es gilt, bei jedem Zug die optimale<br />
Zahl an Tropfen zu ergattern, sonst haben die Spieler keine Chance<br />
gegen die immer stärker werdende saure Flut.<br />
Da Regentropfen nicht übersprungen werden dürfen, kann es bei einem<br />
kräftigen Schauer o<strong>der</strong> einem übermütigen Ausflug in die Regenfront<br />
leicht passieren, dass eine o<strong>der</strong> mehrere Figuren eingeschlossen werden.<br />
Sie schnell wie<strong>der</strong> zu befreien, erweist sich für die an<strong>der</strong>en sehr bald als<br />
unabdingbar, sorgt <strong>der</strong> eingeregnete Baumschützer doch nur für weitere<br />
Güsse ohne helfen zu können.
Der Spieleerfin<strong>der</strong> Johannes Tranelis.<br />
Die optisch reizvolle Version aus Holz war von 1997 bis 2002 im<br />
Angebot.<br />
Die museen <strong>der</strong> stadt nürnberg präsentieren das<br />
Schaustück des Monats<br />
April 2012 Ein Baum steht auf<br />
dem Spiel.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Kooperationsspiel</strong><br />
„Sauerbaum“<br />
Deutsches Spielearchiv<br />
<strong>Nürnberg</strong><br />
(im Spielzeug-<br />
museum)<br />
Mai 2012 „Meine Quelle“ Museum Industriekultur<br />
Kostenlose Spezialführungen<br />
zum April-Schaustück<br />
mit Dr. Torsten Lehmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Deutschen Spielearchiv <strong>Nürnberg</strong><br />
Mittwoch, 4. April 2012, 15 Uhr<br />
Freitag, 27. April 2012, 15 Uhr<br />
Än<strong>der</strong>ungen vorbehalten.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie bei den museen <strong>der</strong> stadt<br />
nürnberg, Tel. (0911) 231-5421.<br />
Ein Keramiker als Spieleerfin<strong>der</strong><br />
Johannes Tranelis wurde 1945 in Glauchau geboren und besuchte von<br />
1952 bis 1965 verschiedene Schulen in Detmold. Nach dem Wehrdienst<br />
arbeitete er von 1967 bis 1973 als Verlagsbuchhändler in Berlin und<br />
studierte von 1975 bis 1978 an <strong>der</strong> Fachschule für Keramikgestaltung in<br />
Höhr-Grenzhausen. Später ging Tranelis verschiedenen Tätigkeiten nach<br />
und ließ sich 1983 in Bacharach nie<strong>der</strong>, um in <strong>der</strong> Keramikwerkstatt seiner<br />
späteren Frau Helga Hase mitzuarbeiten. Beide kannten sich aus <strong>der</strong><br />
gemeinsamen Studienzeit und inspirierten sich bei <strong>der</strong> künstlerischen<br />
Tätigkeit, was auch zur Herstellung von Keramikspielen und Spieltischen<br />
führte. Schon 1975 hatte Tranelis sein erstes Spiel „Demo“ entwickelt,<br />
war aber von dem hochwertigen Angebot auf <strong>der</strong> <strong>Nürnberg</strong>er Spielwarenmesse<br />
so beeindruckt, dass er es bei Keramikversionen für Liebhaber beließ.<br />
Erst Reinhold Wittig brachte dieses Spiel 1982 als „Alapo“ in seiner<br />
„Edition Perlhuhn“ heraus.<br />
Wittigs Beispiel und das an<strong>der</strong>er Kleinverlage ermutigten Tranelis, dann<br />
doch seinen eigenen Verlag zu gründen. 1983 veröffentlichte er „Halo“,<br />
1984 „Zopp“, 1986 „Sauerbaum“ und schließlich 1988 „Alonso“. All diese<br />
Spiele versuchten Inhalte, Spielideen und Material abseits vom Mainstream<br />
zu gestalten, doch nur „Sauerbaum“ war damit wirklich erfolgreich.<br />
Der aufwändige Vertrieb und familiäre Verpflichtungen verhin<strong>der</strong>ten eine<br />
Fortentwicklung des Eigenverlags.<br />
Erst am neuen Wohnort in Bad Salzschlirf entstanden ab 1993 neue Spiele,<br />
die nun aber von an<strong>der</strong>en Verlagen herausgebracht wurden. Es waren<br />
alles Kin<strong>der</strong>spiele: „Schleckermaul“ (1995, Haba), „Platsch“ (1996, Haba)<br />
und „Bananas“ (1996, Goldsieber). Dieser schöpferische Neuanfang wurde<br />
jedoch jäh unterbrochen: Im November 1997 verstarb Johannes Tranelis<br />
nach kurzer schwerer Krankheit.<br />
Süssmuth grüßt Sauerbaum<br />
„Sauerbaum“ hat eine stimmige Spielidee und zeichnet sich durch<br />
klare Spielregeln sowie eine einfache, aber sorgfältig gearbeitete Grafik<br />
aus. Dafür erhielt „Sauerbaum“ 1988 einstimmig den bisher nur ein einziges<br />
Mal vergebenen Son<strong>der</strong>preis <strong>der</strong> Jury „Spiel des Jahres“ für „das beste<br />
kooperative Spiel“. „Süssmuth grüßt Sauerbaum“ hieß es denn auch,<br />
als die damalige Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth in Berlin das<br />
Spiel auszeichnete.<br />
Ursprünglich hatte Tranelis „Sauerbaum“ mit einem Spielplan aus Kunstle<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Pappröhre herausgebracht. Nachdem er fast 2000 Spiele<br />
selber verschickt hatte, machte sich Tranelis auf die Suche nach einem<br />
großen Verlag, um sein Werk auf den breiten Markt zu bringen. Der Her<strong>der</strong>-<br />
Verlag, bekannt für seine kooperativen Kin<strong>der</strong>spiele, nahm „Sauerbaum“<br />
gern auf. 1988 erschien es auf <strong>der</strong> Spielwarenmesse in <strong>Nürnberg</strong> in neuer<br />
Gestalt und fand danach dann endlich seinen Weg in den Fachhandel.<br />
Viele Jahre lang blieb „Sauerbaum“ bei Her<strong>der</strong> als klassisches Schachtelspiel<br />
im Programm, bis es 1995 nach rund 50.000 verkauften Spielen<br />
vom Markt genommen wurde. Die Verlagsszene war damals <strong>der</strong> Meinung,<br />
dass die Zeit für kooperative Spiele und Umweltspiele vorbei sei. Doch <strong>der</strong><br />
Zoch-Verlag nutzte die Chance und legte nach <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> Rechte<br />
1997 eine neue, optisch reizvolle Holzausgabe vor, die bis 2002 im Angebot<br />
war.<br />
Dr. Torsten Lehmann<br />
museen <strong>der</strong> stadt nürnberg<br />
Deutsches Spielearchiv <strong>Nürnberg</strong>