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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
Blicken wir noch einmal von <strong>de</strong>n Perspektiven REICHs auf diese Zusammenhänge,<br />
so wird uns <strong>de</strong>utlich, wie machtvoll auf symbolischer Ebene <strong>de</strong>r Begriff ‚Behin<strong>de</strong>-<br />
rung’ ist, in<strong>de</strong>m er sowohl in <strong>de</strong>r Beziehungswirklichkeit als auch in lebensweltli-<br />
chen Bezügen <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren, <strong>de</strong>r als ‚behin<strong>de</strong>rt’ bezeichnet wird, zu einem an<strong>de</strong>ren<br />
macht. Erst als Fremdbeobachter dieser Beziehungen kann ich Perspektiven sehen,<br />
die Verän<strong>de</strong>rungen ermöglichen.<br />
HOERSTER nimmt in seinen Ausführungen die Komplexität <strong>de</strong>s Phänomens<br />
nicht in <strong>de</strong>n Blick. Seine Folgerungen bleiben damit zu einseitig - letztlich beschrei-<br />
ben sie erneut die Wirkung einer <strong>de</strong>finitorischen Macht, die als Wissen auftritt. 31<br />
Fassen wir die Überlegungen dieses Kapitels zusammen: Die Thesen HOER-<br />
STERs erwiesen sich aus Sicht <strong>de</strong>s interaktionistischen Konstruktivismus in allen<br />
dargestellten Kontexten als zuwenig differenziert, zu reduktiv. HOERSTER abs-<br />
trahiert zumeist von Zusammenhängen <strong>de</strong>r Lebenswelt, mehr noch von solchen <strong>de</strong>r<br />
Beziehungswirklichkeit. Er beschränkt sich auf enge, scheinbar objektive Beo-<br />
bachtungen. Gera<strong>de</strong> jedoch in so grundsätzlichen Fragen <strong>de</strong>s Rechtes und <strong>de</strong>r Sozi-<br />
almoral kann dies als nicht ausreichend zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
31 Dieselbe Argumentation, die HOERSTER in Bezug auf ‚Behin<strong>de</strong>rung’ darstellt, ließe sich im Übrigen<br />
mit je<strong>de</strong>r gesellschaftlich stigmatisierten Randgruppe treffen - ebenso wie HOERSTERs Folgerungen.<br />
Aus <strong>de</strong>r Annahme, daß das Leben <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s einer Sozialhilfeempfängerin sicher weniger<br />
Wert wäre, als das Leben einer wohlhaben<strong>de</strong>n Familie, könnte man Sozialhilfeempfängern doch zumin<strong>de</strong>st<br />
‚nahelegen’, abzutreiben (vgl. HOERSTER 1995b, 127).<br />
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