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Eine Welt ohne Behinderte? - sonderpaedagoge.de!

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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />

Ein weiterer Punkt: ich halte es für fraglich, ob wir bereit sind, Fremdbewertun-<br />

gen eines Lebens, die sich letztlich auf Gedanken von Nützlichkeit beziehen, zu ei-<br />

nem Maßstab für solche Probleme wie Sterbehilfe o<strong>de</strong>r Abtreibung zu machen.<br />

HOERSTER bezieht neben <strong>de</strong>m Fremdwert auch <strong>de</strong>n Eigenwert eines Lebens in<br />

sein Mo<strong>de</strong>ll ein; auch hier behauptet er, daß <strong>de</strong>r Eigenwert eines von ihm als behin-<br />

<strong>de</strong>rt bezeichneten Lebens wahrscheinlich geringer ist als <strong>de</strong>r eines nichtbehin<strong>de</strong>rten<br />

Lebens. Bereits das Zitat von SAAL (vgl. oben) vermochte auszudrücken, daß seine<br />

Behin<strong>de</strong>rung direkt die Bewertung seines Lebens für ihn nicht verän<strong>de</strong>rt hätte.<br />

SCHLOTE kommt in <strong>de</strong>r Auswertung von Interviews mit geistig behin<strong>de</strong>rten Schü-<br />

lern zu einem ähnlichen Ergebnis: „Damit ist Behin<strong>de</strong>rung als personenbezogene<br />

Kategorie im Selbsterleben <strong>de</strong>r Schüler eher irrelevant, obgleich ihre Zuschreibung<br />

in bestimmten Kontexten unangenehm sein kann und negative Konsequenzen für das<br />

Selbstbild nach sich ziehen kann ...“ (SCHLOTE 2000, 266).<br />

Als Selbstbeobachter – so kann zumin<strong>de</strong>st thesenartig gefolgert wer<strong>de</strong>n – wird<br />

die eigene, individuelle Behin<strong>de</strong>rung zunächst nicht als negativ empfun<strong>de</strong>n. Der<br />

‚Selbstwert’ unterschei<strong>de</strong>t sich nicht von <strong>de</strong>m irgen<strong>de</strong>ines an<strong>de</strong>ren Menschen. Was<br />

jedoch wirksam wird für die Selbstbewertung ist die Fremdbewertung durch An<strong>de</strong>re.<br />

Ein Zitat eines Schülers: „Wegen, ich erzähl das auch nicht je<strong>de</strong>m Menschen. [Ge-<br />

meint ist seine „Behin<strong>de</strong>rung“, M.B.] ... Weil, weil wenn ich das sage, da erzählen<br />

sie immer so schlimme Wörter über mich. ... Naja, so Behindi und so´n Zeugs“ (zit.<br />

nach PALMOWSKI / HEUWINKEL 2000, 236).<br />

Als Selbstbeobachter sehe ich mich immer auch als a/An<strong>de</strong>rer mit lebensweltli-<br />

chen Maßstäben, eingebun<strong>de</strong>n und vermittelt über symbolische Perspektiven. Nega-<br />

tive Bewertungsprozesse An<strong>de</strong>rer beeinflussen in <strong>de</strong>r Zirkularität <strong>de</strong>r Beziehungs-<br />

wirklichkeit somit <strong>ohne</strong> Zweifel auch die Selbstbeobachterperspektive meiner Ei-<br />

genbewertung.<br />

Auch hier halte ich es für fraglich, daß diese Übernahme frem<strong>de</strong>r Bewertungen in<br />

Eigenbewertungen eines Menschen, <strong>de</strong>r als behin<strong>de</strong>rt bezeichnet wird, die von<br />

HOERSTER skizzierten Konsequenzen haben sollten. Vielmehr halte ich es an die-<br />

ser Stelle für sinnvoll, die symbolischen Zusammenhänge, die zu einer solchen<br />

Fremdbewertung führen, zu verän<strong>de</strong>rn.<br />

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