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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
arbeiten? Stärker noch: erfährt sie Ablehnung in ihrer Schwangerschaft? Soll sie ein<br />
Kind bekommen? Darf sie ein Kind bekommen? 22<br />
Deutlich wird in all diesen Fragen: die wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mutter verän<strong>de</strong>rt sich in ihren<br />
Imaginationen. Wo sie sich vorher alleine o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Partner und an<strong>de</strong>ren imagi-<br />
nierte, tritt die Beziehung zum imaginierten Kind hinzu.<br />
Was be<strong>de</strong>utet dies für die Frage <strong>de</strong>r Abtreibung?<br />
Versuchen wir erneut, eine (Re-)Konstruktion HOERSTERs zu betrachten 23 :<br />
In <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Abtreibung argumentiert HOERSTER folgen<strong>de</strong>rmaßen: Da ein<br />
ungeborenes Kind nicht über die zur Zuschreibung eines Rechtes auf Leben notwen-<br />
digen Voraussetzungen verfügt, ist Abtreibung im Interesse <strong>de</strong>r Mutter immer gestat-<br />
tet.<br />
Wie wir jedoch bereits sehen konnten, ist es keineswegs so, daß es aus zwingen-<br />
<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n sinnvoll ist, <strong>de</strong>m ungeborenen Kind kein Lebensrecht einzuräumen.<br />
Auch hier ist also wie<strong>de</strong>r fraglich, ob wir HOERSTER in seinen Überlegungen<br />
folgen wollen. Dennoch stellt gera<strong>de</strong> die Frage nach <strong>de</strong>r Legitimität <strong>de</strong>r Abtreibung<br />
eine sehr heikle Problematik dar. Die Spannbreite <strong>de</strong>r gesellschaftlich vertretenen<br />
Positionen reicht von einer völligen Freigabe, wie sie eben von HOERSTER vertre-<br />
ten wird, bis hin zu einem völligen Verbot. Die Argumente, die zwischen diesen bei-<br />
<strong>de</strong>n Polen vertreten wer<strong>de</strong>n, sind so vielfältig und in ihren Begründungen so diffe-<br />
renziert, daß sie an dieser Stelle nicht dargestellt wer<strong>de</strong>n können. 24<br />
Dennoch lassen sich vom Ansatz REICHs aus einige Perspektiven nennen, die<br />
eine Regelung <strong>de</strong>r Abtreibung bzw. die Begründung einer solchen Regelung erfüllen<br />
sollten:<br />
Oben wur<strong>de</strong> bereits <strong>de</strong>utlich, daß es sich gera<strong>de</strong> für die betroffene Frau als Mut-<br />
ter eines ungewollten Kin<strong>de</strong>s nur selten um eine triviale Entscheidung im Sinne einer<br />
Verfügung um einen zwar lebendigen, aber rechtlosen Gegenstand, han<strong>de</strong>lt. Zwi-<br />
22 Dieses „Darf“ spielt an auf gesellschaftliche Normen, die sicher auch bei uns immer noch eine starke<br />
Rolle spielen. Ganz an<strong>de</strong>rs etwa noch in China, wo die Zahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r staatlich geregelt ist (vgl.<br />
zur Familienpolitik in China LORENZ 2000, 150-154).<br />
23 ‚(Re-)Konstruktion’ soll an dieser Stelle darauf hinweisen, daß sich auch bei HOERSTER rekonstruktive<br />
Anteile etwa in seiner Begründung eines Lebensrechtes fin<strong>de</strong>n, auch wenn er dies nur selten<br />
<strong>de</strong>utlich macht (vgl. hierzu z.B. HOERSTER 1982a und BIRNBACHER 1991 o<strong>de</strong>r LEIST 1990).<br />
24 Vgl. z.B. die Mo<strong>de</strong>lle von DEDERICH (2000), LEIST (1990) sowie an<strong>de</strong>re Beiträge in diesem<br />
Sammelband, ANTOR&BLEIDICK (1995, 2000), SINGER (1999) etc.<br />
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