Eine Welt ohne Behinderte? - sonderpaedagoge.de!
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Vorwort Vorwort „Für schön konnte Clara keineswegs gelten; das meinten alle, die sich von Amtswe- gen auf Schönheit verstehen. Doch lobten die Architekten die reinen Verhältnisse ihres Wuchses, die Maler fanden Nacken, Schultern und Brust beinahe zu keusch geformt, verliebten sich dagegen fast sämtlich in das wunderbare Magdalenenhaar und faselten überhaupt viel von Battonischem Kolorit. Einer von ihnen, ein wirkli- cher Fantast, verglich aber höchstseltsamer Weise Claras Augen mit einem See von Ruisdael, in dem sich des wolkenlosen Himmels reines Azur, Wald und Blumenflur, der reichen Landschaft ganzes buntes, heitres Leben spiegelt. Dichter und Meister gingen aber weiter und sprachen: ‚Was See – was Spiegel! – Können wir denn das Mädchen anschauen, ohne daß uns aus ihrem Blicke wunderbare himmlische Gesän- ge und Klänge entgegenstrahlen, die in unser Innerstes dringen, daß alles wach und rege wird? ...’“ (E.T.A. HOFFMANN, Der Sandmann, 19) Wer ist also Clara? Wessen Perspektive die Richtige? Wessen die Beste? Perspektiven – davon werden viele Thema sein in dieser Arbeit, und zum Schluß sich doch keine als die Beste erweisen können. Gerade die Vielfalt der Perspektiven macht aber auch die Schönheit Claras aus. Wie gut, daß wir nicht nur eine sehen können. V
1. Kapitel: Einleitung 1. Einleitung „Eine Welt ohne Behinderte?“ – diese Frage ist nicht eine rhetorische Frage. „Eine Welt ohne Behinderte?“ – so fragt Norbert HOERSTER (1995b, 113) und be- fürwortet die in dieser Frage anklingenden Gedanken, daß eine „Welt bzw. eine Ge- sellschaft ohne Krankheiten und Behinderungen .. ceteris paribus ein größeres Maß an Lebenswert [beinhaltet] und .. insofern besser [ist] als eine Welt bzw. eine Gesell- schaft mit Krankheiten und Behinderungen“ (ebd., 121). Diese Arbeit will sich kri- tisch auseinandersetzen mit solchen und ähnlichen Gedanken HOERSTERs. „Eine Welt ohne Behinderte?“ – diese Frage wirft nicht HOERSTER auf. Aufgewor- fen wird diese Frage durch Andere. 1 Aufgeworfen wird sie vor allem in medizini- schen Problembereichen, auch wenn diese ihrerseits wiederum nur Ausdruck gesell- schaftlicher oder individueller Prozesse sind, in denen es u.a. um das Verständnis von Behinderung geht. Zwei der medizinisch-ethischen Problembereiche, die hinter dieser Frage stehen, sollen einleitend problematisiert werden: zum einen das Problem des Liegenlassens schwerstgeschädigter Neugeborener als eine Form der Sterbehil- fe 2 , zum anderen das Problem der Abtreibung behinderter Föten 3 . Der größere Kontext, in dem diese Entwicklungen stehen, kann im Anschluss an die Beschreibung der relevanten Fragen nicht ausführlich thematisiert werden, er wird jedoch zumindest in einigen kurzen Sätzen einführend umrissen. Im zweiten Teil der Einleitung werde ich dann auf die Behindertenpädagogik in diesem Zusammenhang eingehen: einigen begrifflichen Anmerkungen folgt eine 1 Zur Differenzierung von ‚anderen’ und ‚Anderen’ vgl. Kapitel 3.1. 2 HOERSTER zieht den Begriff der ‚Sterbehilfe’ dem der ‚Euthanasie’ vor, da der „Begriff der Euthanasie im Sprachgebrauch unserer gegenwärtigen Gesellschaft von seiner ursprünglichen Bedeutung (‚schöner Tod’) weitgehend losgelöst und vorwiegend mit den Verbrechen der Nationalsozialisten assoziiert wird“ (HOERSTER 1998, 13). 3 HOERSTER verwendet in seinen Arbeiten den Begriff ‚Fötus’ durchgängig für die menschliche Leibesfrucht von der Befruchtung bis zur Geburt (HOERSTER 1995a, 23). Dieser Verwendung schließe ich mich an. 1
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- Seite 3 und 4: 2. Abtreibung 1. Ist der Fötus Per
- Seite 5: 6. Literaturverzeichnis Anhang: Bib
- Seite 9 und 10: 1. Kapitel: Einleitung 2000, 314).
- Seite 11 und 12: 1. Kapitel: Einleitung 2. Behindert
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- Seite 17 und 18: 2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoer
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- Seite 41 und 42: 3. Kapitel Norbert Hoerster & Inter
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- Seite 55 und 56: 3. Kapitel Norbert Hoerster & Inter
1. Kapitel: Einleitung<br />
1. Einleitung<br />
„<strong>Eine</strong> <strong>Welt</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Behin<strong>de</strong>rte</strong>?“ – diese Frage ist nicht eine rhetorische Frage.<br />
„<strong>Eine</strong> <strong>Welt</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Behin<strong>de</strong>rte</strong>?“ – so fragt Norbert HOERSTER (1995b, 113) und be-<br />
fürwortet die in dieser Frage anklingen<strong>de</strong>n Gedanken, daß eine „<strong>Welt</strong> bzw. eine Ge-<br />
sellschaft <strong>ohne</strong> Krankheiten und Behin<strong>de</strong>rungen .. ceteris paribus ein größeres Maß<br />
an Lebenswert [beinhaltet] und .. insofern besser [ist] als eine <strong>Welt</strong> bzw. eine Gesell-<br />
schaft mit Krankheiten und Behin<strong>de</strong>rungen“ (ebd., 121). Diese Arbeit will sich kri-<br />
tisch auseinan<strong>de</strong>rsetzen mit solchen und ähnlichen Gedanken HOERSTERs.<br />
„<strong>Eine</strong> <strong>Welt</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Behin<strong>de</strong>rte</strong>?“ – diese Frage wirft nicht HOERSTER auf. Aufgewor-<br />
fen wird diese Frage durch An<strong>de</strong>re. 1 Aufgeworfen wird sie vor allem in medizini-<br />
schen Problembereichen, auch wenn diese ihrerseits wie<strong>de</strong>rum nur Ausdruck gesell-<br />
schaftlicher o<strong>de</strong>r individueller Prozesse sind, in <strong>de</strong>nen es u.a. um das Verständnis<br />
von Behin<strong>de</strong>rung geht. Zwei <strong>de</strong>r medizinisch-ethischen Problembereiche, die hinter<br />
dieser Frage stehen, sollen einleitend problematisiert wer<strong>de</strong>n: zum einen das Problem<br />
<strong>de</strong>s Liegenlassens schwerstgeschädigter Neugeborener als eine Form <strong>de</strong>r Sterbehil-<br />
fe 2 , zum an<strong>de</strong>ren das Problem <strong>de</strong>r Abtreibung behin<strong>de</strong>rter Föten 3 .<br />
Der größere Kontext, in <strong>de</strong>m diese Entwicklungen stehen, kann im Anschluss an die<br />
Beschreibung <strong>de</strong>r relevanten Fragen nicht ausführlich thematisiert wer<strong>de</strong>n, er wird<br />
jedoch zumin<strong>de</strong>st in einigen kurzen Sätzen einführend umrissen.<br />
Im zweiten Teil <strong>de</strong>r Einleitung wer<strong>de</strong> ich dann auf die <strong>Behin<strong>de</strong>rte</strong>npädagogik in<br />
diesem Zusammenhang eingehen: einigen begrifflichen Anmerkungen folgt eine<br />
1 Zur Differenzierung von ‚an<strong>de</strong>ren’ und ‚An<strong>de</strong>ren’ vgl. Kapitel 3.1.<br />
2 HOERSTER zieht <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r ‚Sterbehilfe’ <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r ‚Euthanasie’ vor, da <strong>de</strong>r „Begriff <strong>de</strong>r Euthanasie<br />
im Sprachgebrauch unserer gegenwärtigen Gesellschaft von seiner ursprünglichen Be<strong>de</strong>utung<br />
(‚schöner Tod’) weitgehend losgelöst und vorwiegend mit <strong>de</strong>n Verbrechen <strong>de</strong>r Nationalsozialisten<br />
assoziiert wird“ (HOERSTER 1998, 13).<br />
3 HOERSTER verwen<strong>de</strong>t in seinen Arbeiten <strong>de</strong>n Begriff ‚Fötus’ durchgängig für die menschliche<br />
Leibesfrucht von <strong>de</strong>r Befruchtung bis zur Geburt (HOERSTER 1995a, 23). Dieser Verwendung<br />
schließe ich mich an.<br />
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