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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
am Überleben zunächst als herrschaftliches Wissen im Diskurs <strong>de</strong>s Herrn am Platz<br />
<strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren (REICH 1998b, 332):<br />
Auf <strong>de</strong>m Platz <strong>de</strong>s <strong>Eine</strong>n situiert sich die Wahrheit <strong>de</strong>s Herrn.<br />
Wer ist Herr in diesem Zusammenhang?<br />
Herr ist scheinbar je<strong>de</strong>r von uns, <strong>de</strong>r über Selbstbewußtsein verfügt. Die Wahr-<br />
heit <strong>de</strong>s Herrn in seiner Selbstbehauptung lautet: „Ich bin mir meiner selbst bewußt!<br />
Ich habe ein Interesse an meinem Leben und damit ein Recht auf mein Leben!“<br />
Der Knecht in <strong>de</strong>r Imagination <strong>de</strong>s Herrn als an<strong>de</strong>rer kann <strong>de</strong>m Herrn nur als I-<br />
magination <strong>de</strong>s eigenen Begehrens, symbolisch in <strong>de</strong>r Anerkennung dieses Rechtes,<br />
erscheinen. Dieser Wahrheit steht gegenüber das Wissen um die Richtigkeit <strong>de</strong>r dar-<br />
aus konstruierten symbolischen Beziehung zwischen Herr und Knecht. Auf <strong>de</strong>m<br />
Platz <strong>de</strong>r Konstruktion entsteht <strong>de</strong>r Knecht im Begehren und <strong>de</strong>r Imagination <strong>de</strong>s<br />
Herrn als an<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>r dieses Recht <strong>de</strong>s Herrn anerkennt. Der Knecht als An<strong>de</strong>rer tut<br />
dies. Der Herr als Subjekt auf <strong>de</strong>m Platz seiner Wirklichkeit stellt sich als Herr selbst<br />
her, aus seiner Selbstbehauptung hat sich somit für ihn sein Recht gebil<strong>de</strong>t.<br />
Nun sind die Knechte, auf die sich <strong>de</strong>r Herr als Herr bezieht, ihrerseits meist e-<br />
benso wie<strong>de</strong>r Herren in diesem Diskurs, <strong>de</strong>nn sie behaupten dasselbe wie <strong>de</strong>r Herr:<br />
„Ich bin mir meiner selbst bewußt! Ich habe ein Interesse an meinem Leben und da-<br />
mit ein Recht auf mein Leben!“. Insofern sich also auch durch sie die symbolische<br />
Ordnung, ausgedrückt im ‚Recht auf Leben’ reproduziert, bleibt dieses Konstrukt<br />
‚selbsterhaltend’. Nach HOERSTER erscheinen jedoch auch Knechte, die nicht zu<br />
einer Selbstbehauptung <strong>de</strong>s Herrn in <strong>de</strong>r Lage sind: Ihnen gegenüber kann er dann<br />
wirklich als Herr auftreten. Sie fallen aus <strong>de</strong>r gewonnenen symbolischen Ordnung<br />
<strong>de</strong>s Rechts auf Leben heraus und unterliegen damit im Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verfügung durch<br />
An<strong>de</strong>re. Gera<strong>de</strong> auf solche menschlichen Wesen bezieht HOERSTER seine Kon-<br />
strukte.<br />
Bereits in diesem Diskurs zeigt sich, was HOERSTER zwar ebenfalls bemerkt<br />
(vgl. HOERSTER 1982a, 1982b, 1983), er jedoch gera<strong>de</strong> in seinen drei umfassen<strong>de</strong>n<br />
Büchern nicht thematisiert: Der Schluß von Interesse am Überleben und Selbstbe-<br />
wußtsein auf ein Recht auf Leben ist keineswegs ein zwingend logischer, sachlicher<br />
o<strong>de</strong>r rein rationaler, son<strong>de</strong>rn er ist ein Ausdruck von Macht und gegenseitiger Aner-<br />
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