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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
In seiner Beschreibung dieses Beobachterbereichs stützt sich REICH v.a. auf<br />
FOCAULT. Versuchen wir, einen kleinen Ausschnitt von <strong>de</strong>ssen Theorie in <strong>de</strong>n<br />
Blick zu nehmen. Dabei situiert FOCAULT die Macht in <strong>de</strong>r Beziehungswirklich-<br />
keit: Macht ist die „Wirkungsweise gewisser Handlungen, die an<strong>de</strong>re verän<strong>de</strong>rn“<br />
(FOCAULT 1994, zit. nach REICH 1998b, 233).<br />
Worin nun zeigt sich solche Macht?<br />
Diese Macht zeigt sich zunächst in ihrer „Triangulation mit Wissen und Wahrheit“<br />
(REICH 1998b, 236). Wissenschaft zeigt sich aus diesem Blickwinkel als Instanz,<br />
die materiellen Wohlstand schafft, dabei sich selbst an <strong>de</strong>r Kategorie von Wahrheit<br />
orientiert. Wahrheit aber entsteht nicht einfach so, Wahrheit ist „ein Territorium, das<br />
verwaltet wird, und <strong>de</strong>ssen Verwaltung dazu dient, uns zu reglementieren, selektie-<br />
ren, disziplinieren, usw.“ (ebd.). Damit aber erblicken wir wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Beobachter,<br />
<strong>de</strong>r letztlich gar nicht das Wissen hat, über das zu verfügen er vorgibt. „So gesehen<br />
gibt es in <strong>de</strong>r Tat ein fundamentales Machtproblem in je<strong>de</strong>r Erkenntnis: Es ist die<br />
Mächtigkeit <strong>de</strong>s Beobachters und sein Geschick, mit <strong>de</strong>m Beobachteten in Beziehun-<br />
gen Macht zu gewinnen“ (ebd., 238).<br />
Wahrheit zeigt sich aber machtvoller als ein einzelner Beobachter ist: sie ist eng<br />
verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m System <strong>de</strong>r Wissenschaft, damit verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Institutionen,<br />
die Wissenschaft betreiben. Wahrheit wird eingefor<strong>de</strong>rt von politischer o<strong>de</strong>r<br />
ökonomischer Seite, sie zirkuliert als Wissen in vielfältigen gesellschaftlichen<br />
Systemen, die von wenigen großen politischen o<strong>de</strong>r ökonomischen Apparaten<br />
kontrolliert wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m wird Wahrheit politisch genutzt (ebd., 252).<br />
Wie also kann dieser Macht, <strong>de</strong>r scheinbaren, aber wirkungsvollen, machtvollen<br />
Wahrheit begegnet wer<strong>de</strong>n?<br />
Mit <strong>de</strong>m interaktionistischen Konstruktivismus kann zuerst einmal auf die Be-<br />
dingungen von Wahrheit reflektiert wer<strong>de</strong>n: Wahrheit setzt immer Regelhaftigkeit<br />
voraus. Diese Kontinuität besteht jedoch gar nicht in <strong>de</strong>r Realität. „Es ist dann je-<br />
weils die imaginative Kraft <strong>de</strong>s Beobachters selbst, die sie [die Beobachtungen] hin<br />
auf Kontinuität verdichtet o<strong>de</strong>r verschiebt, um sie als Ganzes zu retten“ (ebd., 239).<br />
Damit wird also je<strong>de</strong> Wahrheit brüchig: Ein Beobachter, <strong>de</strong>r um die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Perspektiven weiß, <strong>de</strong>r ständig seine Plätze in <strong>de</strong>n Beobachtungen wechselt, vermag<br />
dies zu sehen (ebd. 243).<br />
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