Eine Welt ohne Behinderte? - sonderpaedagoge.de!
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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
Zunächst einmal wird Interaktion damit unmöglich. Denn in<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren<br />
nicht reduktiv auf das Selbe, das bereits Gewußte, zurückführen will, stehen mir<br />
nicht mehr die Zeichen und Aussagen <strong>de</strong>s Symbolischen zur Verfügung. Damit wird<br />
<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re zu einem singulären Ereignis. Die Begegnung mit <strong>de</strong>m An<strong>de</strong>ren stellt<br />
sich dann dar als Realität, als Ereignis. Damit öffnet sich zugleich die kommunikati-<br />
ve Situation auf ihre Möglichkeiten hin, auf die Möglichkeiten, die da sind, <strong>ohne</strong><br />
symbolisch schon festzustehen (ebd., 260-263).<br />
Diese kommunikativen Möglichkeiten, diese Interaktion kann dann nur noch ver-<br />
mittelt über das Imaginäre gedacht wer<strong>de</strong>n. „Aber was fin<strong>de</strong> ich im Imaginären? Es<br />
sind Vor-Stellungen, Bil<strong>de</strong>r und intentionale Affekte, die sich noch nicht symbol-<br />
vermittelt zwischen mich und <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren geschoben haben“ (ebd., 259). Nur über<br />
das Imaginäre kann <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re mir erscheinen, kann ich mir <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren gewahr<br />
wer<strong>de</strong>n, <strong>ohne</strong> ihn wie<strong>de</strong>r zu reduzieren auf Symbolisches. Das Imaginäre ist<br />
gleichzeitig nicht <strong>ohne</strong> <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren zu <strong>de</strong>nken: Das Imaginäre ist „das mit <strong>de</strong>n<br />
An<strong>de</strong>ren sich vermitteln<strong>de</strong>“ (ebd.). Interaktion erscheint damit schon gespalten in<br />
min<strong>de</strong>stens zwei Ebenen: zum einen eine symbolische, sprachliche Ebene, zum<br />
an<strong>de</strong>ren auf eine imaginäre Ebene, die vermittelt da sein muß, die direkt<br />
auszudrücken aber nicht möglich ist (ebd., 263-264).<br />
Das ‚Begehren’ ist hier Motivation: Es erscheint als Begehren eines Selbst, das<br />
sich „auf Ziele [richtet], die durchaus in einem An<strong>de</strong>ren angelegt sein können, die<br />
aber zugleich unendlich sind, <strong>de</strong>nn es gibt nicht wie bei <strong>de</strong>n Bedürfnissen klar abge-<br />
steckte Wie<strong>de</strong>rholungen o<strong>de</strong>r banale Endlichkeit“ (ebd., 253).<br />
Fassen wir diese Gedanken zusammen: Die Beziehung von einem Subjekt, einem<br />
Selbst zu einem An<strong>de</strong>ren kann nicht auf <strong>de</strong>r symbolischen Ebene stattfin<strong>de</strong>n, <strong>ohne</strong><br />
<strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren bereits wie<strong>de</strong>r als Selbes zu vereinnahmen. Mein Begehren <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>-<br />
ren kann jedoch imaginär vermittelt <strong>ohne</strong> eine solche Überführung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>ren in<br />
Eigenes stattfin<strong>de</strong>n. Der An<strong>de</strong>re erscheint als Reales, die Begegnung wird zum sin-<br />
gulären Ereignis, in <strong>de</strong>r Interaktion <strong>de</strong>nnoch möglich bleibt.<br />
Beziehen wir dies noch einmal zurück auf die Problematik <strong>de</strong>r Wahrheit einer<br />
Verständigungsgemeinschaft. Je<strong>de</strong>r Versuch auf symbolischem Weg eine solche<br />
Wahrheit herzustellen läßt Perspektiven <strong>de</strong>s Imaginären wegfallen, übersieht diese.<br />
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