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3. Kapitel Norbert Hoerster & Interaktionistischer Konstruktivismus<br />
3. Die Thesen Norbert Hoersters aus Sicht <strong>de</strong>s ‚Interaktionistischen Konstrukti-<br />
vismus’<br />
Aus Sicht <strong>de</strong>r <strong>Behin<strong>de</strong>rte</strong>npädagogik for<strong>de</strong>rn die Thesen Norbert HOERSTERs Wi-<br />
<strong>de</strong>rspruch heraus. Dieser Wi<strong>de</strong>rspruch mag sich zunächst gegen folgen<strong>de</strong> Punkte<br />
richten:<br />
1. HOERSTER begrün<strong>de</strong>t die Zuerkennung eines Lebensrechtes auf prinzipieller<br />
Ebene mit <strong>de</strong>m Vorhan<strong>de</strong>nsein eines Interesses am eigenen Überleben. Aus pragma-<br />
tischen Grün<strong>de</strong>n weitet er dieses Lebensrecht dann aus auf alle geborenen menschli-<br />
chen Wesen, unabhängig, ob diese nun über Personalität verfügen o<strong>de</strong>r nicht. RÖS-<br />
NER formuliert gegen diese Thesen ein sog. ‚Dammbruchargument’: „Während<br />
prinzipielle Grün<strong>de</strong> eine von Zeitgeistströmungen unabhängige Geltungskraft besit-<br />
zen können, ist das bei sog. pragmatischen Grün<strong>de</strong>n nicht <strong>de</strong>r Fall. <strong>Eine</strong> Gesellschaft<br />
ist je<strong>de</strong>rzeit wie<strong>de</strong>r vorstellbar, in <strong>de</strong>r aus pragmatischen Grün<strong>de</strong>n eine Übereinkunft<br />
als sinnvoll gilt, Menschen <strong>ohne</strong> Personeneigenschaften zu euthanasieren“ (1997,<br />
44). 12<br />
2. HOERSTER bedient sich u.a. bei <strong>de</strong>r moralisch - ethischen Rechtfertigung <strong>de</strong>r<br />
selektiven (eugenischen) Abtreibungspraxis <strong>de</strong>s Lebenswert-Begriffs. 13 Dabei geht<br />
HOERSTER davon aus, daß so etwas wie <strong>de</strong>r ‚Lebenswert’ eines Menschen zumin-<br />
<strong>de</strong>st ungefähr zu quantifizieren und damit zu vergleichen ist. Die Diskussion dieses<br />
Begriffs bei HOERSTER bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Hintergrund, vor <strong>de</strong>m zugleich seine Gedanken<br />
zu Abtreibung und Sterbehilfe ihre Brisanz gewinnen. 14 Mittels <strong>de</strong>s Lebenswert-<br />
Begriffs versucht HOERSTER, Abtreibung o<strong>de</strong>r die Praxis <strong>de</strong>s Liegenlassens nicht<br />
bloß völlig frei zu geben, son<strong>de</strong>rn diese sogar als geboten darzustellen.<br />
12 RÖSNER drückt in seinem Wi<strong>de</strong>rspruch <strong>de</strong>n Wunsch nach einer auf alle Zeit festgelegten und beachteten<br />
Begründung eines Rechtes auf Leben aus. Dieser Wunsch erscheint aus Sicht <strong>de</strong>s interaktionistischen<br />
Konstruktivismus als problematisch. Dennoch ist er zu beachten, da er aufmerksam macht<br />
auf eine Problematik, die HOERSTER zu wenig be<strong>de</strong>nkt.<br />
13 Jedoch ist dieser Begriff auch bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r individuellen Legitimität von Sterbehilfe relevant,<br />
ebenso bei <strong>de</strong>r Behandlung Frühgeborener vor einem Gesamtalter von 28 Wochen.<br />
14 In diesem Punkt übrigens argumentiert Norbert HOERSTER mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Fremdwertes<br />
eines Lebens utilitaristisch (vgl. RICKEN 1983, 140-142; WIELAND 1996, 33-36).<br />
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