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2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters<br />
diese Lebensrecht ebenfalls aus pragmatischen Grün<strong>de</strong>n bekommen sollen<br />
(HOERSTER 1995b, 51-57).<br />
HOERSTER schlägt als Praxisnorm vor: „Das Recht auf Leben erhält je<strong>de</strong>s ge-<br />
borene menschliche Individuum mit einem Gesamtalter von min<strong>de</strong>stens 28 Wochen“<br />
(ebd., 57). Das Gesamtalter entspricht dabei <strong>de</strong>m Alter ab Empfängnis.<br />
Welche Grün<strong>de</strong> sprechen nun nach HOERSTER für diese ergänzte Praxisnorm?<br />
Vor einem Gesamtalter von 28 Wochen kann ein Frühgeborenes <strong>ohne</strong> medizini-<br />
sche Behandlung höchstwahrscheinlich nicht überleben. Zwar ist auch nach diesem<br />
Zeitpunkt ein Frühgeborenes <strong>ohne</strong> medizinische Behandlung gefähr<strong>de</strong>t in seinem<br />
Überleben, dies hängt jedoch stark von <strong>de</strong>r Konstitution <strong>de</strong>s Frühgeborenen ab<br />
(HOERSTER 1995b, 58).<br />
Hat ein Kind ein Gesamtalter von 28 Wochen erreicht, ist es also, genau wie ein<br />
Neugeborenes mit einer Geburt nach <strong>de</strong>r 37. Schwangerschaftswoche, wahrschein-<br />
lich natürlich lebensfähig. Daher „hätte <strong>de</strong>r normale Bürger ... kaum Verständnis<br />
dafür, wenn zwischen <strong>de</strong>n Normalgeborenen und <strong>de</strong>n natürlich lebensfähigen Früh-<br />
geborenen eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Differenzierung vorgenommen wür<strong>de</strong>. ... Wollte man<br />
jenen Frühgeborenen, die eine nennenswerte natürliche Überlebenschance haben, das<br />
Recht auf Leben absprechen, so sähe <strong>de</strong>r Durchschnittsbürger wohl automatisch auch<br />
das Lebensrecht von normalen Neugeborenen in Frage gestellt“ (ebd., 59). Mit <strong>de</strong>r<br />
Infragestellung <strong>de</strong>s Lebensrechtes von Neugeborenen wäre damit dann auch das Le-<br />
ben von Kin<strong>de</strong>rn in Gefahr, <strong>de</strong>nen aus prinzipiellen Grün<strong>de</strong>n ein Lebensrecht zusteht.<br />
Da das Überleben von Frühgeborenen vor einem Gesamtalter von 28 Wochen an<br />
medizinisch erheblichen Aufwand gebun<strong>de</strong>n ist, ist es „mehr als unwahrscheinlich,<br />
daß generell das Lebensrecht von Kleinstkin<strong>de</strong>rn in Gefahr gerät, wenn man dieser<br />
Kategorie von Frühgeborenen das Lebensrecht und <strong>de</strong>n mit ihm verbun<strong>de</strong>nen An-<br />
spruch auf medizinische Behandlung abspricht“ (ebd., 59-60).<br />
Dies be<strong>de</strong>utet nicht, daß Frühgeborene mit einem Gesamtalter unter 28 Wochen<br />
von je<strong>de</strong>rmann getötet wer<strong>de</strong>n dürfen, da prinzipiell das Interesse <strong>de</strong>r Eltern am Le-<br />
ben dieses Kin<strong>de</strong>s von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung ist. Solche Frühgeborenen dürfen<br />
jedoch für HOERSTER selbstverständlich auf Veranlassung <strong>de</strong>r Eltern getötet wer-<br />
<strong>de</strong>n (ebd., 65-66). Allerdings for<strong>de</strong>rt HOERSTER hier, <strong>de</strong>r Empfindungsfähigkeit<br />
<strong>de</strong>s Frühgeborenen Rechnung zu tragen und sicherzustellen, daß das Sterbenlassen<br />
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