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2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters kunftsbezogenen Wünschen entwickeln“ (ebd., 96). Die Frage, ob diese Eigenschaft des Fötus von Relevanz ist, wird im folgenden Abschnitt geklärt. 2.2 Verdienen die zukünftigen Interessen des Fötus Schutz? Aus einem „potentiell personalen bzw. vorpersonalen Wesen“ (ebd., 96) wird sich wahrscheinlich ein Wesen mit Überlebensinteresse und entsprechendem Lebensrecht entwickeln. Erstreckt aber nicht das „Überlebensinteresse eines heutigen Erwachse- nen sich notwendigerweise auch auf solche vergangenen Handlungen bzw. Unterlas- sungen ..., ohne die er nicht hätte überleben können und ohne die deshalb kein einzi- ger seiner aktuellen zukunftsbezogenen Wünsche erfüllt werden kann?“ (ebd., 97) Dies mag plausibel erscheinen, ist doch eine entsprechende Sichtweise gerecht- fertigt für den Fall einer eventuellen Verletzung eines Fötus: Füge ich einem Fötus heute eine Verletzung zu, unter deren Folgen er später (z.B. als Erwachsener) zu lei- den hat, so verstoße ich mit meiner heutigen Verletzung gegen ein künftiges Recht. Dabei ist es für HOERSTER sogar unerheblich, ob der Träger des späteren Rechts bereits existiert: „So können wir beispielsweise schon heute durch unser Umweltver- halten die Interessen und Rechte künftiger Generationen verletzen – und sind deshalb verpflichtet, diese künftigen Interessen und Rechte schon heute zu respektieren“ (ebd., 98-99). Dies ist jedoch gerade bei der Abtreibung als Tötung eines Fötus anders: Denn gerade die Tötung verhindert ja, daß überhaupt einmal ein Überlebensinteresse ent- steht. Insofern wird durch eine Abtreibung auch kein künftiges Interesse verletzt (ebd., 100-102). 10 2.3 Gesellschaftliche Interessen am Schutz des Fötus Ein letzter Punkt, der für einen Lebensschutz vorpersonalen Lebens sprechen könnte, ist der folgende: Es könnte in der Gesellschaft insgesamt diverse Interessen am Über- leben des Fötus geben, die einen solchen Lebensschutz rechtfertigen (ebd., 104). 10 Gerade dieser Argumentationsschritt weckt vielfältige Kritik, die ich hier nicht wiedergeben kann, auf die jedoch hingewiesen sei. Vergleiche dazu die Kontroverse zwischen PFORDTEN (1990a, 1990b) und HOERSTER (1990), die Kontroverse zwischen HOERSTER (1991, 1992a) und LEIST (1992), die Kontroverse zwischen HOERSTER (1992c, 1993) und VIEFHUES (1991, 1993) sowie die Kontroverse zwischen BYDLINSKI (1991) und HOERSTER (1992b). 18

2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters HOERSTER nennt einen solchen Grund: „Wer daran interessiert ist, daß die Menschheit nicht ausstirbt, muß also auch an Existenz und Überleben von Föten inte- ressiert sein“ (ebd., 105). Dieses Interesse reicht jedoch nicht aus für die Begründung eines Abtreibungsverbotes, denn ein solches Interesse am Fortbestand der Gesell- schaft bedeutet keineswegs, daß jeder Fötus oder bestimmte Föten überleben müssen. Vielmehr reicht es für den Fortbestand der Menschheit aus, wenn eine bestimmte Anzahl an Föten überlebt. Dieses Ziel läßt sich nach HOERSTER wohl weniger über einen erweiterten Lebensschutz des Fötus erreichen, sondern indem finanzielle An- reize zum Kindergebären geschaffen werden (ebd., 105-106). Gegen ein Abtreibungsverbot in diesem Sinne spricht für HOERSTER auch, daß „ein Staat, der auch nur ein gewisses Gewicht auf die freie Selbstbestimmung seiner Bürger legt, ... es diesen Bürgern selbst überlassen müssen [wird], zu welcher Zeit ihres Lebens und unter welchen konkreten Umständen sie ihren als notwendig be- trachteten Beitrag zum Bestand der Menschheit bzw. des eigenen Volkes leisten wol- len“ (ebd., 107). Gefühle der Achtung vor dem Fötus in großen Teilen der Bevölkerung können ebenfalls kein Abtreibungsverbot begründen: Diesen Gefühlen der Achtung steht nämlich das gewichtige Interesse der abtreibungswilligen Schwangeren entgegen (ebd., 113). „Generell gehen Gesellschaften, die sich als freiheitlich verstehen, davon aus, daß einigermaßen wichtige oder nicht ganz unerhebliche Interessen, die das In- dividuum an eigenen Handlungen hat, gegenüber ideellen, weltanschaulichen oder gefühlsmäßigen Abneigungen der Öffentlichkeit gegen diese Handlungen stets den Vorrang haben müssen“ (ebd., 112). Insgesamt, so schließt HOERSTER, läßt sich auch „mit einem ... öffentlichen In- teresse am Leben vorpersonaler Wesen ein Abtreibungsverbot nicht begründen“ (ebd., 113). Abtreibung erscheint somit – sollte sie im Interesse der Schwangeren liegen – prinzipiell erlaubt. Es ist kein Grund ersichtlich, „dem Fötus ein Lebensrecht durch Sozialmoral oder Rechtsordnung einzuräumen“ (ebd., 128). Die anschließende Frage, die sich bereits oben andeutete, ist diejenige, ob nicht dieselben Argumente, die gegen ein Lebensrecht des Fötus sprachen, auch gegen ein 19

2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters<br />

kunftsbezogenen Wünschen entwickeln“ (ebd., 96). Die Frage, ob diese Eigenschaft<br />

<strong>de</strong>s Fötus von Relevanz ist, wird im folgen<strong>de</strong>n Abschnitt geklärt.<br />

2.2 Verdienen die zukünftigen Interessen <strong>de</strong>s Fötus Schutz?<br />

Aus einem „potentiell personalen bzw. vorpersonalen Wesen“ (ebd., 96) wird sich<br />

wahrscheinlich ein Wesen mit Überlebensinteresse und entsprechen<strong>de</strong>m Lebensrecht<br />

entwickeln. Erstreckt aber nicht das „Überlebensinteresse eines heutigen Erwachse-<br />

nen sich notwendigerweise auch auf solche vergangenen Handlungen bzw. Unterlas-<br />

sungen ..., <strong>ohne</strong> die er nicht hätte überleben können und <strong>ohne</strong> die <strong>de</strong>shalb kein einzi-<br />

ger seiner aktuellen zukunftsbezogenen Wünsche erfüllt wer<strong>de</strong>n kann?“ (ebd., 97)<br />

Dies mag plausibel erscheinen, ist doch eine entsprechen<strong>de</strong> Sichtweise gerecht-<br />

fertigt für <strong>de</strong>n Fall einer eventuellen Verletzung eines Fötus: Füge ich einem Fötus<br />

heute eine Verletzung zu, unter <strong>de</strong>ren Folgen er später (z.B. als Erwachsener) zu lei-<br />

<strong>de</strong>n hat, so verstoße ich mit meiner heutigen Verletzung gegen ein künftiges Recht.<br />

Dabei ist es für HOERSTER sogar unerheblich, ob <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>s späteren Rechts<br />

bereits existiert: „So können wir beispielsweise schon heute durch unser Umweltver-<br />

halten die Interessen und Rechte künftiger Generationen verletzen – und sind <strong>de</strong>shalb<br />

verpflichtet, diese künftigen Interessen und Rechte schon heute zu respektieren“<br />

(ebd., 98-99).<br />

Dies ist jedoch gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Abtreibung als Tötung eines Fötus an<strong>de</strong>rs: Denn<br />

gera<strong>de</strong> die Tötung verhin<strong>de</strong>rt ja, daß überhaupt einmal ein Überlebensinteresse ent-<br />

steht. Insofern wird durch eine Abtreibung auch kein künftiges Interesse verletzt<br />

(ebd., 100-102). 10<br />

2.3 Gesellschaftliche Interessen am Schutz <strong>de</strong>s Fötus<br />

Ein letzter Punkt, <strong>de</strong>r für einen Lebensschutz vorpersonalen Lebens sprechen könnte,<br />

ist <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>: Es könnte in <strong>de</strong>r Gesellschaft insgesamt diverse Interessen am Über-<br />

leben <strong>de</strong>s Fötus geben, die einen solchen Lebensschutz rechtfertigen (ebd., 104).<br />

10 Gera<strong>de</strong> dieser Argumentationsschritt weckt vielfältige Kritik, die ich hier nicht wie<strong>de</strong>rgeben kann,<br />

auf die jedoch hingewiesen sei. Vergleiche dazu die Kontroverse zwischen PFORDTEN (1990a,<br />

1990b) und HOERSTER (1990), die Kontroverse zwischen HOERSTER (1991, 1992a) und LEIST<br />

(1992), die Kontroverse zwischen HOERSTER (1992c, 1993) und VIEFHUES (1991, 1993) sowie<br />

die Kontroverse zwischen BYDLINSKI (1991) und HOERSTER (1992b).<br />

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