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2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters ‚Mensch’ in den allermeisten Fällen auch im normativen Sinn ‚Träger der entspre- chenden Menschenrechte’ gemeint ist (ebd., 66). Zwar haben auch menschliche Individuen mit bloß gegenwartsbezogenen Wün- schen ein gewisses Überlebensinteresse, dieses begründet aber „kein eigentliches Recht auf Leben“ (ebd., 92). Jedoch ist auch das „Überlebensinteresse bloß empfin- dungsfähiger Wesen in der Ethik des Lebensschutzes ..., sofern und solange es exi- stent ist, gegen eventuell entgegenstehende Interessen anderer Wesen“ (ebd., 93) abzuwägen. 2. Abtreibung Die Abtreibung ist - obschon dies gelegentlich in Zweifel gezogen wird – eine Tö- tungshandlung (ebd., 24-26). Die Frage, die sich also bezüglich der Legitimität der Abtreibung generell stellt, ist die Frage, ob der Fötus bereits ‚Person’ ist und damit ein Rechts auf Leben hat, sowie, falls dies nicht der Fall sein sollte, wie sein eventu- ell dennoch vorhandenes Überlebensinteresse zu gewichten ist. Zu betrachten sind neben den Interessen des Fötus v.a. die Interessen der Schwangeren, denn die Konflikte, die Grund für eine Abtreibung sind, beruhen in den allermeisten Fällen auf Interessenkonflikten zwischen schwangerer Frau und dem ungeborenen Kind. 2.1 Ist der Fötus Person? HOERSTER kommt indirekt zu einer Beantwortung dieser Frage: Die Schwierigkeit, den Fötus direkt zu beobachten und dann Schlußfolgerungen auf eine eventuelle Per- sonalität zu ziehen, führen für HOERSTER nicht dazu, daß fundierte Aussagen über die Personalität des Fötus nicht möglich wären. Denn selbst beim Neugeborenen, dem der Fötus „nach allem, was wir wissen, ... jedenfalls nicht voraus sein“ kann, sind „keinerlei Anzeichen von Personalität erkennbar“ (ebd., 80). Dies auf zweierlei Ebenen: weder lassen sich, so HOERSTER in Berufung auf TOOLEY, im Verhalten des Neugeborenen „Indizien [finden], die den psychologischen Schluß auf das Vor- 16

2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters handensein eines Ichbewußtseins zuließen“, noch sind „die hierfür erforderlichen neurophysiologischen Voraussetzungen“ vorhanden (HOERSTER 1995a, 80). Also kann der Fötus „unter dem Gesichtspunkt der Personalität kein Lebensrecht beanspruchen“ (ebd.). Das Nichtvorhandensein personaler Eigenschaften rückt damit eine andere Ei- genschaft des Fötus in den Vordergrund, nämlich die Eigenschaft, eventuell ein emp- findungsfähiges Wesen mit gegenwartsbezogenen Wünschen zu sein. Wie sind diese eventuell vorhandenen gegenwartsbezogenen Wünsch des Fötus zu gewichten? Im frühen Stadium der Schwangerschaft, das HOERSTER zeitlich nicht definiert, hat „der Fötus überhaupt noch keine Wünsche“; eine Abtreibung ist also „unbedenk- lich“ (ebd., 93-94). Im späteren Stadium einer Schwangerschaft ist der Fötus prinzipiell zu gegen- wartsbezogenen Wünschen in der Lage. Da jedoch die Gewichtung dieser Wünsche gegenüber den Interessen einer abtreibungswilligen Mutter naturgemäß sehr schwie- rig ist, zieht HOERSTER auch in diesem Kontext wieder den Vergleich zwischen Neugeborenem und Fötus und betrachtet also das Gewicht der Wünsche eines Neu- geborenen: „Das Neugeborene hat, so darf man annehmen, gelegentlich den Wunsch, umgehend etwas zu trinken oder Wärme zu empfinden. ... Auf der anderen Seite geht es jedoch um den Wunsch der abtreibungswilligen Frau, nicht monatelang mit den Belastungen einer unerwünschten Schwangerschaft leben zu müssen“ (ebd., 95). Das Interesse der Schwangeren ist nach HOERSTER gegenüber den gegenwarts- bezogenen Wünschen des Säuglings von so hohem Gewicht, daß es für ihn „keinen guten Grund [gibt], dem Fötus mit Rücksicht auf seine möglicherweise in Abständen auftretenden gegenwartsbezogenen Wünsche Lebensschutz gegenüber der Schwan- geren zu gewähren“ (ebd.). Aufgrund der Empfindungsfähigkeit des Fötus fordert HOERSTER einschrän- kend, daß eine Abtreibung „gegebenenfalls soweit wie möglich in einer Weise zu erfolgen hat, die dem Fötus keine Schmerzen zufügt“ (ebd.). Dem Fötus kommt aber eine Eigenschaft zu, die eventuell doch einen erweiterten Schutz des Fötus gegenüber den Interessen der Schwangeren rechtfertigen könnte: Im Normalfall wird sich der Fötus „zu einem Wesen mit Ichbewußtsein und zu- 17

2. Kapitel: Die Thesen Norbert Hoersters<br />

han<strong>de</strong>nsein eines Ichbewußtseins zuließen“, noch sind „die hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

neurophysiologischen Voraussetzungen“ vorhan<strong>de</strong>n (HOERSTER 1995a, 80).<br />

Also kann <strong>de</strong>r Fötus „unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Personalität kein Lebensrecht<br />

beanspruchen“ (ebd.).<br />

Das Nichtvorhan<strong>de</strong>nsein personaler Eigenschaften rückt damit eine an<strong>de</strong>re Ei-<br />

genschaft <strong>de</strong>s Fötus in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund, nämlich die Eigenschaft, eventuell ein emp-<br />

findungsfähiges Wesen mit gegenwartsbezogenen Wünschen zu sein. Wie sind diese<br />

eventuell vorhan<strong>de</strong>nen gegenwartsbezogenen Wünsch <strong>de</strong>s Fötus zu gewichten?<br />

Im frühen Stadium <strong>de</strong>r Schwangerschaft, das HOERSTER zeitlich nicht <strong>de</strong>finiert,<br />

hat „<strong>de</strong>r Fötus überhaupt noch keine Wünsche“; eine Abtreibung ist also „unbe<strong>de</strong>nk-<br />

lich“ (ebd., 93-94).<br />

Im späteren Stadium einer Schwangerschaft ist <strong>de</strong>r Fötus prinzipiell zu gegen-<br />

wartsbezogenen Wünschen in <strong>de</strong>r Lage. Da jedoch die Gewichtung dieser Wünsche<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Interessen einer abtreibungswilligen Mutter naturgemäß sehr schwie-<br />

rig ist, zieht HOERSTER auch in diesem Kontext wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Vergleich zwischen<br />

Neugeborenem und Fötus und betrachtet also das Gewicht <strong>de</strong>r Wünsche eines Neu-<br />

geborenen: „Das Neugeborene hat, so darf man annehmen, gelegentlich <strong>de</strong>n Wunsch,<br />

umgehend etwas zu trinken o<strong>de</strong>r Wärme zu empfin<strong>de</strong>n. ... Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite geht<br />

es jedoch um <strong>de</strong>n Wunsch <strong>de</strong>r abtreibungswilligen Frau, nicht monatelang mit <strong>de</strong>n<br />

Belastungen einer unerwünschten Schwangerschaft leben zu müssen“ (ebd., 95).<br />

Das Interesse <strong>de</strong>r Schwangeren ist nach HOERSTER gegenüber <strong>de</strong>n gegenwarts-<br />

bezogenen Wünschen <strong>de</strong>s Säuglings von so hohem Gewicht, daß es für ihn „keinen<br />

guten Grund [gibt], <strong>de</strong>m Fötus mit Rücksicht auf seine möglicherweise in Abstän<strong>de</strong>n<br />

auftreten<strong>de</strong>n gegenwartsbezogenen Wünsche Lebensschutz gegenüber <strong>de</strong>r Schwan-<br />

geren zu gewähren“ (ebd.).<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Empfindungsfähigkeit <strong>de</strong>s Fötus for<strong>de</strong>rt HOERSTER einschrän-<br />

kend, daß eine Abtreibung „gegebenenfalls soweit wie möglich in einer Weise zu<br />

erfolgen hat, die <strong>de</strong>m Fötus keine Schmerzen zufügt“ (ebd.).<br />

Dem Fötus kommt aber eine Eigenschaft zu, die eventuell doch einen erweiterten<br />

Schutz <strong>de</strong>s Fötus gegenüber <strong>de</strong>n Interessen <strong>de</strong>r Schwangeren rechtfertigen könnte:<br />

Im Normalfall wird sich <strong>de</strong>r Fötus „zu einem Wesen mit Ichbewußtsein und zu-<br />

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