02.05.2013 Aufrufe

QT Teil 1 - MPG Trier

QT Teil 1 - MPG Trier

QT Teil 1 - MPG Trier

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Inhalt<br />

Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Joachim Lillig<br />

1 Doppelspaltexperiment mit klassischen Objekten ..................................................... 32<br />

2 Doppelspaltexperiment mit Quantenobjekten –<br />

Phänomene, die klassisch nicht zu beschreiben sind ................................................. 34<br />

2.1 Doppelspaltexperiment mit Elektronen .................................................................. 34<br />

2.1.1 Einzelne Elektronen – geringe Intensität ....................................................... 34<br />

2.1.2 Hohe Intensität .................................................................................................. 34<br />

2.1.3 Doppelspaltexperiment mit WelcherWegInfo.............................................. 35<br />

2.1.4 <strong>Teil</strong>chencharakter des Lichts (Photonen) ...................................................... 35<br />

2.2 Doppelspaltexperiment mit Photonen .................................................................... 36<br />

2.3 Doppelspaltexperiment mit verschränkten Objekten – Doppeldoppelspalt..... 36<br />

3 Antworten der Quantentheorie ........................................................................................ 37<br />

3.1 Eine Rechengröße ψ ................................................................................................... 37<br />

3.1.1 Grundprinzipien – Rechenregeln für Amplituden ...................................... 37<br />

3.1.2 Unschärferelation .............................................................................................. 42<br />

3.2 Wellenfunktionen ....................................................................................................... 45<br />

3.3 Zustandsvektoren ....................................................................................................... 48<br />

3.3.1 Doppelspaltexperiment mit Messung des Spaltdurchgangs...................... 49<br />

3.3.2 Übungsaufgaben ............................................................................................... 51<br />

3.3.3 Übliche Herleitung von p = h/λ ist nur heuristisch/propädeutisch.......... 54<br />

3.3.4 Dualismus?......................................................................................................... 55<br />

3.3.5 Anhang: Axiome der Quantentheorie und Schrödingergleichung ............. 57<br />

3.4 Information .................................................................................................................. 62<br />

3.4.1 Doppeldoppelspalt und Verschränkungen................................................... 62<br />

3.4.2 Quantenradierer ................................................................................................ 64<br />

3.4.3 Anhang: Bellsche Ungleichung ....................................................................... 65<br />

3.5 Unklassisch und unverzichtbar ................................................................................ 67<br />

4 Literatur .............................................................................................................................. 68<br />

Interpretationen der Quantentheorie 31


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

1 Doppelspaltexperiment mit klassischen Objekten<br />

Versuchsaufbau des Doppelspaltexperimentes<br />

– In einer Quelle werden Objekte (<strong>Teil</strong>chen oder<br />

Wellen) identisch präpariert,<br />

– auf einem geeigneten Schirm werden sie registriert;<br />

– zwischen Quelle und Schirm passieren sie einen<br />

Doppelspalt.<br />

Präparierung – Doppelspalt –<br />

Registrierung<br />

Klassisch sind die registrierten Objekte dieselben wie<br />

die präparierten, sie bewegen sich auf Bahnen von<br />

der Quelle zum Detektor.<br />

In der Quantentheorie werden Objekte präpariert,<br />

Detektoren sprechen an; es bleibt offen, wie die Objekte<br />

zum Schirm gelangen und ob überhaupt dieselben<br />

Objekte registriert werden.<br />

Zunächst erinnern wir uns an Resultate des Doppelspaltexperiments<br />

mit klassischen Objekten. Es werden<br />

die Beobachtungen herausgestellt, die beim<br />

Doppelspaltexperiment mit Quantenobjekten von<br />

Bedeutung sind.<br />

Doppelspaltexperiment mit klassischen <strong>Teil</strong>chen<br />

– Klassische Korpuskel kommen stückweise (diskret),<br />

sie sind lokalisierbar.<br />

– Als Maß der Intensität gilt die <strong>Teil</strong>chenanzahl, die<br />

durch<br />

N12 (x) = N1 (x) + N2 (x)<br />

beschrieben wird, wobei N ( x), N (x), N (x) die<br />

1 2 12<br />

Anzahl der <strong>Teil</strong>chen an der Stelle x bei offenem<br />

Spalt 1, bei offenem Spalt 2 bzw. bei zwei offenen<br />

Spalten angeben.<br />

– Das bedeutet, dass die Korpuskel entweder durch<br />

Spalt 1 oder durch Spalt 2 gehen, also nicht interferenzfähig<br />

sind.<br />

– Bei geringer Intensität entsteht ein zufälliges<br />

Punktemuster, bei Wiederholungen ergeben sich<br />

andere Verteilungen; bei hoher Intensität sind<br />

stets dieselben Muster zu erkennen.<br />

32 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

– Die relativen Häufigkeiten können als Wahrscheinlichkeit<br />

aufgefasst werden, sie sind additiv:<br />

P12 = P1 + P2 .<br />

In der Quantentheorie wird P durch |ψ| 2 ersetzt;<br />

dann ist<br />

|ψ12 | 2 = |ψ1 | 2 + |ψ2 | 2 .<br />

Doppelspaltexperiment mit klassischen Wellen<br />

– Bei Wellen ist jede beliebige Größe möglich (kontinuierlich),<br />

Wellen sind nicht lokalisierbar.<br />

– Gemessen wird die Intensität, für die<br />

I 12 =I 1 +I 2 +2 I 1 I 2 cos δ ,<br />

insbesondere I 12 ≠ I 1 + I 2 gilt.<br />

– Der Term 2 I I cos δ ist ein Maß für die Abwei-<br />

1 2<br />

chung vom <strong>Teil</strong>chenverhalten und heißt Interferenzterm.<br />

Wellen gehen gleichzeitig durch beide<br />

Spalte, sie sind interferenzfähig.<br />

– Sowohl bei geringer als auch bei hoher Intensität<br />

entsteht stets dasselbe Interferenzmuster.<br />

– Mathematisch vorteilhaft ist eine Größe ψ mit<br />

ψ ~ I bzw. |ψ| 2 ~ I . Der Vorteil von ψ liegt in<br />

der Additivität:<br />

ψ12 = ψ1 + ψ2 .<br />

Insbesondere ist |ψ12 | 2 = |ψ1 + ψ2 | 2 , aber<br />

|ψ | 12 2 ≠ |ψ | 1 2 + |ψ | 2 2 .<br />

Interpretationen der Quantentheorie 33


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

2 Doppelspaltexperiment mit Quantenobjekten –<br />

Phänomene, die klassisch nicht zu beschreiben sind<br />

2.1 Doppelspaltexperiment mit Elektronen<br />

2.1.1 Einzelne Elektronen – geringe Intensität<br />

Im Unterricht werden Elektronen zunächst durch die<br />

Korpuskeltheorie beschrieben, daher wird erwartet<br />

und auch beobachtet, dass sie wie klassische <strong>Teil</strong>chen<br />

stückweise ankommen, an genau einer Stelle<br />

des Schirms registriert werden, zufällige Punktemuster<br />

liefern, die als Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

aufgefasst werden können.<br />

In dieser klassischen Betrachtung bleibt unverstanden,<br />

dass die Intensitätskurve breiter statt schmaler<br />

wird, wenn man die Spaltbreite verringert.<br />

2.1.2 Hohe Intensität<br />

– Klassisch nicht zu verstehen ist die Beobachtung<br />

eines Interferenzmusters, also die Beobachtung<br />

von Wellenphänomenen bei <strong>Teil</strong>chen.<br />

– Das beobachtbare Wellenmuster ist unerklärbar,<br />

wenn man annimmt, dass der präparierte Anfangsimpuls<br />

auch hinter dem Doppelspalt vorliegt.<br />

Der Messapparat muss den Impulswert verändert<br />

haben, die neuen Impulswerte können<br />

nicht vorausgesagt werden.<br />

34 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

2.1.3 Doppelspaltexperiment mit WelcherWegInfo<br />

Schließen eines Spaltes<br />

Beim Doppelspaltexperiment kann nicht entschieden<br />

werden, durch welchen Spalt das Elektron gegangen<br />

ist. Möchte man diese Information haben, so muss<br />

eine Ortsmessung durchgeführt werden, am einfachsten<br />

durch das Schließen eines Spaltes. Abwechselndes<br />

Zuhalten eines Spaltes führt aber zu einem<br />

Korpuskelbild, die Interferenz ist verschwunden.<br />

Beobachtung mit Licht<br />

Statt einen Spalt zu schließen, kann die Spaltpassage der Elektronen durch Licht beobachtet<br />

werden, wozu hinter dem Doppelspalt zwei Lichtdetektoren aufgestellt werden.<br />

Klassisch unverständlich ist die Beobachtung, dass bei hinreichend langwelligem Licht<br />

das Interferenzmuster erhalten bleibt, bei kurzwelligem Licht aber verschwindet.<br />

Das Experiment wird interessanter, wenn jeweils nur ein Elektron in der Apparatur ist.<br />

Es ist möglich, dass einige Elektronen nicht vom Licht getroffen werden. Daher markiere<br />

die Auftrefforte beispielsweise<br />

1. rot, wenn Lichtdetektor 1 angesprochen hat,<br />

2. gelb, wenn Lichtdetektor 2 angesprochen hat,<br />

3. blau, wenn kein Lichtdetektor angesprochen hat.<br />

Die roten und gelben Punkte liefern ein <strong>Teil</strong>chenmuster, die blauen ein Wellenmuster.<br />

Es ist nicht möglich, ein Elektron, das zum Interferenzbild beiträgt, einem der beiden<br />

Spalte zuzuordnen.<br />

2.1.4 <strong>Teil</strong>chencharakter des Lichts (Photonen)<br />

Im letzten Versuch setzen wir eine ideale Lichtregistrierung<br />

voraus, was durch sehr viele kleinste<br />

nebeneinander aufgereihte Lichtdetektoren erreicht<br />

werden könnte.<br />

Bei hoher Lichtintensität sprechen alle Detektoren<br />

an, die Zeiger schlagen stark aus.<br />

Bei geringer Lichtintensität sollten nach der klassischen Vorstellung Licht als Welle immer<br />

noch alle Detektoren ansprechen und der Zeigerausschlag zurückgehen; stattdessen<br />

sprechen nicht alle an, bei geringster Lichtintensität genau einer, und der Zeigerausschlag<br />

bleibt konstant. Die beste Erklärung:<br />

Licht verhält sich teilchenhaft. Es kommt stückweise in Portionen und ist lokalisierbar; die<br />

Portionen heißen Lichtquanten bzw. Photonen.<br />

Diese <strong>Teil</strong>chenphänomene bei Wellen bleiben klassisch unverstanden.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 35


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

2.2 Doppelspaltexperiment mit Photonen<br />

Zum <strong>Teil</strong>chencharakter der Strahlung führte im letzten Abschnitt das Doppelspaltexperiment<br />

mit Elektronen, die durch Photonen beobachtet wurden. Der <strong>Teil</strong>chencharakter<br />

wird natürlich auch beim Doppelspaltexperiment mit Licht beobachtet, wenn die Intensität<br />

so gering gehalten wird, dass sich jeweils nur ein Photon in der Messapparatur<br />

befindet, und genau eine Stelle auf dem Schirm aufleuchtet: Licht geringster Intensität<br />

ist lokalisierbar.<br />

Die Information, welchen Spalt das (Laser-)Licht passiert, kann beispielsweise dadurch<br />

erhalten werden, dass die Spalte durch senkrecht zueinander orientierte Polarisationsfolien<br />

überklebt werden (Licht wird markiert) [vgl. Beitrag von Wolfram Mai in diesem<br />

Heft]; dann verschwindet aber das Interferenzmuster.<br />

Bringt man nun zwischen den markierten Doppelspalt und den Schirm einen zu den<br />

Folien diagonal stehenden Polarisator, der die Spaltinformation innerhalb des Versuchsaufbaus<br />

löscht (Quantenradierer), so erscheint wieder das Interferenzmuster.<br />

2.3 Doppelspaltexperiment mit verschränkten Objekten – Doppeldoppelspalt<br />

Seit ein paar Jahren ist es möglich, Photonen durch einen Downkonverter (einen Spezialkristall)<br />

in ein Paar von Photonen doppelter Wellenlänge aufzuspalten, z. B. ein UV-<br />

Photon in zwei optische Photonen. Ein solches Photonenpaar werde durch einen<br />

Doppeldoppelspalt geschickt:<br />

Quelle<br />

Zwilling 1 Zwilling 2<br />

Downkonverter<br />

Schirm 1 Schirm 2<br />

Folgende Beobachtungen bleiben unverstanden:<br />

– Sowohl bei Schirm 1 als auch bei Schirm 2 entstehen <strong>Teil</strong>chenmuster.<br />

– Eine Koinzidenzmessung [vgl. Beitrag von Wolfram Mai] an beiden Schirmen führt zu<br />

einem Interferenzmuster.<br />

36 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3 Antworten der Quantentheorie<br />

Eine physikalische Theorie ist ein mathematischer Formalismus, dessen Symbole interpretiert<br />

und Objekten der Natur zugeordnet werden müssen.<br />

Natur<br />

Realität<br />

Physikalische Phänomene<br />

Im Folgenden soll der Formalismus in drei Versionen angesprochen werden.<br />

1. Rechengröße ψ<br />

2. Wellenfunktion ψ<br />

3. Zustandsvektor |ψ><br />

Um Interferenzen und Superpositionen zu beschreiben, bieten die klassischen Theorien<br />

die beiden Konzepte Welle und Vektor an. Zuvor wird mit einer Rechengröße ψ hantiert,<br />

die wir nicht weiter interpretieren, von der wir lediglich gewisse Verhaltensweisen<br />

erwarten. Jede Sichtweise erweitert auf ihre Art das Verständnis der Quantentheorie.<br />

3.1 Eine Rechengröße ψ<br />

Zuordnungen<br />

Interpretationen<br />

Physik<br />

Mathematik<br />

Formalismus<br />

3.1.1 Grundprinzipien – Rechenregeln für Amplituden<br />

Beim Doppelspaltexperiment mit klassischen Objekten hat sich eine Rechengröße ψ mit<br />

ψ ~ I als vorteilhaft erwiesen. Bei klassischen Wellen ist ψ additiv, bei klassischen<br />

<strong>Teil</strong>chen ist |ψ| 2 additiv und wird in diesem Fall als Auftreffwahrscheinlichkeit verstanden.<br />

Ganz und gar unklassisch wird es, wenn wir beide Eigenschaften zusammen von derselben<br />

Rechengröße ψ erwarten:<br />

– ψ soll additiv sein, wenn die Wege einzelner Quanten ununterscheidbar sind, wenn<br />

es also nicht möglich ist zu erfahren, welches der möglichen Ereignisse eintreten<br />

wird; in diesem Falle offenbaren die Quanten Wellencharakter;<br />

– |ψ| 2 soll additiv sein, wenn sich die Wege unterscheiden lassen, wenn es also möglich<br />

ist zu erfahren, welches der möglichen Ereignisse eintreten wird; in diesem Falle<br />

offenbaren die Quanten teilchenförmiges Verhalten.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 37


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

Nach Richard P. Feynman: Vorlesungen über Physik, Band III, Quantentheorie formulieren<br />

wir für die Quantentheorie die<br />

Grundprinzipien<br />

Regel 1:<br />

Additivität der<br />

Amplituden<br />

(1. Pfadregel)<br />

Regel 2:<br />

Multiplikativität der<br />

Amplituden<br />

(2. Pfadregel)<br />

Regel 3:<br />

Wahrscheinlichkeitsinterpretation<br />

Regel 4:<br />

Additivität der<br />

Wahrscheinlichkeiten<br />

Wenn ein Ereignis auf mehrere verschiedene Weisen<br />

auftreten kann, ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude<br />

für das Ereignis die Summe der Wahrscheinlichkeitsamplituden<br />

jeder einzelnen betrachteten<br />

Möglichkeit:<br />

ψ (x) = ψ1 (x) + ψ2 (x) .<br />

Es gibt Interferenz.<br />

Wird ein Ereignis in <strong>Teil</strong>ereignisse zerlegt, so sind<br />

die zugehörigen Amplituden zu multiplizieren.<br />

Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist das<br />

Quadrat des Absolutbetrages der Wahrscheinlichkeitsamplitude:<br />

P (x) = |ψ (x)| 2 = ψ* (x) · ψ (x) .<br />

Erlaubt das Experiment eine Entscheidung, welche<br />

Alternative gewählt wurde, dann ist die<br />

Wahrscheinlichkeit additiv:<br />

P = P1 + P2 bzw. |ψ| 2 = |ψ1 | 2 + |ψ2 | 2 .<br />

Die Interferenz geht verloren.<br />

38 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Nach diesen Grundprinzipien lässt sich nun auch auf Schulniveau das Doppelspaltexperiment<br />

durchrechnen, allerdings wird benutzt, dass ψ (x) eine komplexe Zahl ist<br />

und dass |ψ (x)| 2 = ψ∗ (x) · ψ (x) gilt. Es werden zwei Möglichkeiten vorgestellt:<br />

1. Möglichkeit<br />

Berechnet wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />

Quant am Ort x des Schirms registriert wird:<br />

P12 (x) = |ψ12 (x)| 2<br />

Regel 3<br />

= |(ψ 1 + ψ 2 ) (x)| 2<br />

Regel 1<br />

= (ψ1 * (x) + ψ2 * (x)) · (ψ1 (x) + ψ2 (x))<br />

= |ψ1 (x)| 2 + |ψ2 (x)| 2 + ψ1 * (x) ψ2 (x) +<br />

ψ2 * (x) ψ1 (x)<br />

= |ψ (x)| 1 2 + |ψ (x)| 2 2 + 2 Re (ψ * (x) ψ (x))<br />

1 2<br />

2 Re (ψ1 * (x) ψ2 (x)) heißt Interferenzterm.<br />

Entscheidend ist die Anwendung von Regel 1, die<br />

dann anzuwenden ist, wenn beide Spalte offen sind<br />

und keine Entscheidung möglich ist, ob das Quant<br />

Spalt 1 oder Spalt 2 passiert hat. Es tritt Interferenz<br />

auf.<br />

Hat man dagegen WelcherSpaltInfo, so ist statt Regel<br />

1 die Regel 4 anzuwenden, und es folgt<br />

P (x) = P (x) + P (x)<br />

12 1 2<br />

Regel 4<br />

= |ψ1 (x)| 2 + |ψ2 (x)| 2 ,<br />

Regel 3<br />

der Interferenzterm ist 0, die Einzelintensitäten sind<br />

zu addieren, beobachtet wird ein <strong>Teil</strong>chenbild.<br />

Interferenzterm ≠ 0<br />

Interferenzterm = 0<br />

Interpretationen der Quantentheorie 39


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

2. Möglichkeit<br />

Die folgende (sehr empfehlenswerte) Rechnung stammt von Richard Feynman:<br />

Die Amplituden, dass ein Elektron an der Stelle x registriert wird und dabei durch Spalt<br />

1 bzw. Spalt 2 gegangen ist, seien<br />

ψ (x) bzw. ψ (x) .<br />

1 2<br />

Wird der Spaltdurchgang der Elektronen mit Licht beobachtet, so sei die Amplitude,<br />

dass ein Elektron durch Spalt 1 geht und gleichzeitig ein Photon in Detektor 1 registriert<br />

wird,<br />

a ψ (x) (a komplex), (Regel 2)<br />

1<br />

denn nach Regel 2 müssen die beiden Amplituden multipliziert werden.<br />

Bei einem nicht ganz idealen Messapparat besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein<br />

Photon in Detektor 1 nachgewiesen wird, wenn das Elektron Spalt 2 passiert hat; diese<br />

Amplitude sei<br />

b ψ (x) . 2<br />

Die Gesamtamplitude, dass ein Elektron an der Stelle x und ein Photon in Detektor 1<br />

ankommen, ist dann nach Regel 1<br />

a ψ1 (x) + b ψ2 (x) . (Regel 1)<br />

Analog ist die Gesamtamplitude, dass ein Elektron bei x ankommt und Photonendetektor<br />

2 anspricht, aus Symmetriegründen<br />

a ψ2 (x) + b ψ1 (x) .<br />

Nach Regel 4 müssen von diesen beiden (experimentell unterscheidbaren) Möglichkeiten<br />

die Wahrscheinlichkeiten addiert werden, so dass das Experiment durch<br />

|a ψ (x) + b ψ (x)| 1 2 2 + |a ψ (x) + b ψ (x)| 2 1 2 (Regel 4)<br />

beschrieben werden kann.<br />

Interessant sind zwei Spezialfälle:<br />

Ist die Lichtmessung ideal, dann spricht Detektor 1 nur an, wenn das Elektron Spalt 1<br />

passiert hat, demnach ist b = 0, damit ist die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />

|a ψ1 (x)| 2 + |a ψ2 (x)| 2 : keine Interferenz.<br />

Ist die Wellenlänge des Lichts zu groß (größer als der Spaltabstand), streut ein mit dem<br />

Elektron wechselwirkendes Photon mit gleicher Wahrscheinlichkeit in Detektor 1 wie in<br />

Detektor 2, d. h. es gilt a = b, damit ist die Gesamtwahrscheinlichkeit in diesem Falle<br />

|a ψ1 (x) + a ψ2 (x)| 2 + |a ψ2 (x) + a ψ1 (x)| 2 = 2 |a| 2 · |ψ1 (x) + ψ2 (x)| 2 : Interferenz.<br />

40 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Bewertung der Version Rechengröße ψ<br />

+ die teilchenhafte Additivität von |ψ| 2 und die wellenhafte Additivität von ψ werden<br />

von derselben Rechengröße gefordert und so auf wunderbare und einfache, aber<br />

brutale Weise vereint;<br />

+ Formalismus und Interpretation sind gut zu trennen;<br />

+ ohne großen formalen Aufwand können bereits sehr gute Rechenergebnisse erzielt<br />

werden;<br />

– ψ wird nicht veranschaulicht oder weiter interpretiert und bleibt unverstanden.<br />

Anmerkungen<br />

Nach den makroskopischen Erfahrungen, die durch die klassische Physik beschrieben<br />

werden, sind <strong>Teil</strong>chen- und Wellenvorstellungen nicht vereinbar, sie sind nicht einmal<br />

komplementär, sondern konträr. Die Quantentheorie ist deshalb unklassisch und zunächst<br />

unvorstellbar, weil dieselbe Rechengröße ψ gleichzeitig <strong>Teil</strong>chen- und Wellencharakter<br />

beschreiben soll. Bei Quanten sind <strong>Teil</strong>chen- und Wellenvorstellung<br />

zusammenzudenken. Vermittelt werden diese Verbindungen durch die Plancksche Konstante<br />

h, aber auch durch die Bornsche Wahrscheinlichkeitsdeutung: Stochastisches vereint<br />

Körniges und Welliges.<br />

So vereint die Quantentheorie die drei großen klassischen Standbeine, die <strong>Teil</strong>chen<br />

beschreibende klassische Mechanik, die Wellen und Felder beschreibende klassische<br />

Elektrodynamik, beides kausale Theorien, und die statistische Thermodynamik. Nach<br />

unseren Erfahrungen sind alle drei Theorien nicht miteinander vereinbar, daher entsprechen<br />

Quanten nicht unseren mesokosmisch geprägten Erfahrungen.<br />

Da für Quanten keine empirischen Modelle zur Verfügung stehen, müssen mathematische<br />

Modelle herangezogen werden. In der Quantentheorie werden Mechanik, Elektrodynamik<br />

und Thermodynamik mathematisch vereint. Und das macht die Quantentheorie<br />

unvorstellbar und in höchstem Maße abstrakt, denn ψ beschreibt nun eine mathematische<br />

Welle; es interferieren nicht physikalische Objekte, sondern mathematische<br />

Rechengrößen.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 41


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

3.1.2 Unschärferelation<br />

Heisenbergsche<br />

Unschärferelation<br />

Der Vorzug dieser Betrachtung liegt<br />

darin, dass p der Photonenimpuls ist,<br />

nicht der Elektronenimpuls; so kann<br />

die in Misskredit geratene Einzelspaltherleitung<br />

der Heisenbergschen Unschärferelation<br />

umgangen werden.<br />

Doppelspaltexperiment mit Licht<br />

In der Durchrechnung des Doppelspaltexperiments<br />

wurden die Spezialfälle b = 0 und b = a betrachtet;<br />

offenbar hängt b mit der Größe der Wellenlänge des<br />

Lichts zusammen. In jedem Falle stellt die Beobachtung<br />

der Elektronen hinter dem Doppelspalt mit Hilfe<br />

von Licht eine energetische Störung dar; das Photon<br />

überträgt den Impuls p = hk = h/λ oder einen<br />

<strong>Teil</strong> davon auf das Elektron und ändert so die<br />

Wahrscheinlichkeitsverteilung. Eine Verringerung<br />

der Störung wird erreicht, indem der Impuls verkleinert<br />

wird, das heißt aber in der Quantentheorie, dass<br />

die Wellenlänge λ größer wird.<br />

Wenn λ zu groß ist, können die beiden Spalte optisch<br />

nicht mehr getrennt werden, und es zeigt sich wieder<br />

das Interferenzmuster.<br />

Entweder beobachtet man das Interferenzbild und<br />

weiß nicht, durch welchen Spalt das Elektron ging,<br />

oder man kennt den Spalt und kann das Interferenzbild<br />

nicht beobachten.<br />

Es ist unmöglich, einen Apparat zu entwickeln, der<br />

feststellt, durch welches Loch das Elektron geht, ohne<br />

dass er gleichzeitig die Elektronen so weit beeinträchtigt,<br />

dass das Interferenzbild zerstört wird.<br />

Quantitative Betrachtung<br />

Wenn der Impuls des Lichts teilweise oder ganz<br />

übertragen wird, ist größenordnungsmäßig p ≈ ∆p.<br />

Für Licht, das die Spalte optisch trennen kann, gilt<br />

λ ≈ Spaltabstand ≈ ∆x .<br />

Aus p = h/λ bzw. p · λ = h folgt ∆p · ∆x ≈ h .<br />

42 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Doppelspaltexperiment ohne Licht<br />

Wenn die Elektronen auf einen Anfangsimpuls präpariert<br />

sind, so ist die beobachtbare Streuung am<br />

Schirm unter der klassischen Annahme, dass dieser<br />

Anfangsimpuls auch hinter dem Schirm vorliegt,<br />

nicht verständlich. Daher muss sich dieser Wert hinter<br />

dem Spalt verändert haben; der Impuls kann unterschiedliche<br />

Werte annehmen, die nicht vorausgesagt<br />

werden können.<br />

Heisenbergsche Unschärferelation:<br />

Je besser die Ortskenntnis (Spaltbreite), desto ungenauer die Impulsvorhersage (Streumuster<br />

breiter).<br />

Allgemeiner:<br />

Quantenobjekte können nicht in einen Zustand gebracht werden, in dem sie gleichzeitig einen<br />

Ort und einen Impuls haben.<br />

Anmerkungen<br />

– Die in der Heisenbergschen Unschärferelation vorkommenden Terme ∆x und ∆p sind<br />

Standardabweichungen und werden auch Unschärfen genannt. In der klassischen<br />

Physik wird angenommen, dass zu jedem Zeitpunkt im Prinzip ∆x = 0 und ∆p = 0<br />

gilt, nur Unzulänglichkeiten der Messapparate führen zu ∆x · ∆p > 0, jedoch<br />

∆x · ∆p → 0. Idealerweise ordnet man jeder Größe zu jedem Zeitpunkt genau einen<br />

Wert zu, wodurch Größen Funktionen der Zeit werden.<br />

In der Quantentheorie gilt unmittelbar nach einer Ortsmessung ∆x = 0, die Unschärfe<br />

wächst dann zu ∆x > 0 an, dem zu beschreibenden Objekt kann dann kein eindeutiger<br />

Ortswert mehr zugeordnet werden, zu einem Zeitpunkt gehören viele Ortswerte.<br />

Ort ist keine Funktion der Zeit mehr, bleibt aber Beobachtungsgröße in dem Sinne,<br />

dass eine Ortsmessung zu genau einem Ortswert führt. Zur Abgrenzung des klassischen<br />

Begriffs Größe wird das Wort Observable benutzt.<br />

– Beide oben vorgestellten Formulierungen der Heisenbergschen Unschärferelation sind<br />

äußerst vorsichtig gefasst. Die erste Formulierung ist auch dann korrekt, wenn die<br />

Messung ohne Wechselwirkung geschieht. Die zweite Formulierung betont, dass die<br />

Heisenbergschen Unschärferelation sich auf die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit<br />

bezieht (das Zukünftige steckt in den auftretenden Unschärfen, die Wahrscheinlichkeiten<br />

voraussetzen; Vergangenes ist faktisch und hat stets Wahrscheinlichkeit 1).<br />

– In der Quantentheorie haben Ort und Impuls keine gemeinsamen Basisvektoren,<br />

daher gibt es keinen Zustand mit gleichzeitig bestimmtem Orts- und Impulswert,<br />

weder vor noch während noch nach einer Messung. Da nach Einstein die Theorie<br />

entscheidet, was gemessen wird, kann ein Zustand mit Ort und Impuls niemals<br />

beobachtet werden. Die Umkehrung „Wenn nicht beobachtbar, dann nicht existent“ ist<br />

nicht begründet [Weizsäcker, 1985].<br />

Interpretationen der Quantentheorie 43


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

– Der Theorie nach ist es unerheblich, ob die Beobachtung hinter dem Spalt mit oder<br />

ohne Wechselwirkung geschieht. Die gleichzeitige Unbestimmtheit von Ort und Impuls<br />

wird also nicht erst durch den Messprozess erzeugt.<br />

– Die Heisenbergsche Unschärferelation folgt aus dem Operatorformalismus (bzw. wird<br />

axiomatisch gefordert), also aus der Theorie und ist nicht experimentell ableitbar.<br />

Das Doppelspaltexperiment mit oder ohne Spaltbeobachtung ist im Einklang mit der<br />

Heisenbergschen Unschärferelation.<br />

– Bei dem Versuch, Quanten zu lokalisieren, ihren Raumbereich immer mehr einzuengen,<br />

muss immer mehr Impuls und Energie aufgewendet werden, die schließlich<br />

ausreicht, die nach der Heisenbergschen Unschärferelation im Vakuum ständig entstehenden<br />

und vergehenden virtuellen <strong>Teil</strong>chen zum Leben zu erwecken, d. h. zu realen<br />

<strong>Teil</strong>chen werden zu lassen. Derartige Erzeugungen und Vernichtungen von <strong>Teil</strong>chen<br />

sind nach der nichtrelativistischen Quantenmechanik nicht möglich.<br />

– Dass man in der Quantentheorie einem Objekt von zwei komplementären Eigenschaften<br />

nicht gleichzeitig feste Werte zuschreiben kann, erläutert Gesche Pospiech an<br />

folgendem skurrilem Bild:<br />

Ein Bauer hat eine Herde mit weißen und schwarzen Kühen und weißen und schwarzen<br />

Pferden. Diese möchte er jetzt zählen. Er treibt alle Tiere durch ein Doppel-Gatter: Links<br />

können nur die Kühe, rechts nur die Pferde hindurch gehen. In einem zweiten Schritt bringt<br />

er die Pferde unwiderruflich weg und sortiert danach die Kühe der Farbe nach, um eine Herde<br />

mit weißen Kühen zu erhalten. Nun möchte er sich vergewissern, dass er richtig sortiert hat,<br />

schaut nach, indem er die weißen Kühe wieder durch das Doppel-Gatter schickt, und entdeckt<br />

plötzlich Pferde darunter.<br />

Interpretiert man Kuh als ein auf den Anfangsimpuls p 0 präpariertes Elektron, Pferd als Elektronen mit<br />

anderen Impulsen und die beiden Spalte als schwarz und weiß, so entspricht eine weiße Kuh einem<br />

durch einen fixierten Spalt gegangenen Elektron, und eine Kontrolle bedeutet erneute Impulsmessung<br />

dieses Elektrons, wobei dann auch andere Impulse als p 0 festgestellt werden.<br />

44 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.2 Wellenfunktionen<br />

harmonische Welle<br />

Viele Elektronen liefern ein Interferenzmuster, das<br />

wie in der klassischen Wellenlehre beschrieben werden<br />

kann: Sieht man die beiden Spalte als punktförmig<br />

an und ordnet den einzelnen Elektronenstrahlen<br />

komplexwertige Wellen<br />

ψ1 = a0 ei(α – δ/2) bzw. ψ2 = a0 ei(α + δ/2)<br />

zu, so folgt für den Gesamtstrahl<br />

ψ = ψ + ψ = a e 1 2 0 i(α – δ/2) + a ei(α + δ/2)<br />

0<br />

=a 0 e –i δ/2 +e +i δ/2 =2a 0 cos δ<br />

2 ei α .<br />

Hierbei ist δ die Phasendifferenz zwischen den Strahlen<br />

der beiden Spalte.<br />

Wegen I ~ |ψ| 2 ist die Intensität proportional zum<br />

Quadrat der Amplitude, also I = 4|a0 | 2 cos2 (δ/2) .<br />

(Die Überlagerung durch die Einzelspaltbilder liefert<br />

eine nach außen abnehmende Intensität gemäß<br />

2<br />

a =I0 0<br />

sin ϕ<br />

2<br />

ϕ<br />

2<br />

Interpretationen der Quantentheorie 45<br />

2<br />

,<br />

wobei I 0 die Intensität des zentralen Maximums und<br />

ϕ die Phasendifferenz zwischen den Randstrahlen jedes<br />

einzelnen Spaltes bedeuten.)<br />

Mit diesem Wellenansatz kann aber die Lokalisierbarkeit<br />

von Einzelelektronen (bzw. Einzelphotonen)<br />

nicht beschrieben werden. Daher versucht man einen<br />

Wellenpaketansatz:<br />

ψ (x,t) = a e k i αx,t (k) ∞<br />

dk<br />

–∞<br />

= a e k i(kx– ωt) ∞<br />

dk<br />

–∞<br />

.


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

Wellenpaket<br />

Jeder einzelne harmonische Anteil ak ei(kx – ωt) besitzt<br />

die eindeutig bestimmte Wellenzahl k = 2π/λ und<br />

die eindeutig bestimmte Frequenz ω = 2π · f. Wechselt<br />

man nun gemäß der Quantentheorie mittels<br />

p = hk = h/λ und W = hω = hf zum <strong>Teil</strong>chenbild (die<br />

Plancksche Konstante h koppelt <strong>Teil</strong>chen- und<br />

Wellenvorstellungen), so besitzen die harmonischen<br />

Komponenten eindeutige Werte für Impuls und Energie.<br />

Andererseits ist der harmonische Anteil unendlich<br />

ausgebreitet und hat daher keinen Ort.<br />

Dagegen setzt sich das Wellenpaket ψ (x,t) aus vielen<br />

verschiedenen Wellenzahlen und Frequenzen zusammen<br />

und hat weder eine Wellenzahl noch eine<br />

Frequenz, und daher weder Impuls noch Energie;<br />

ferner ist es nicht auf einen Raumpunkt begrenzt<br />

und hat daher auch keinen Ort.<br />

Da in einem Wellenpaket die <strong>Teil</strong>wellen unterschiedliche<br />

Phasengeschwindigkeiten (cϕ = ω/k) haben,<br />

müssen die <strong>Teil</strong>wellen auseinander laufen. Durch<br />

dieses Zerfließen ist aber eine rein wellentheoretische<br />

Beschreibung der Mikroobjekte zum Scheitern verurteilt:<br />

Selbst wenn ein <strong>Teil</strong>chen zu einem Zeitpunkt<br />

(nach einer Messung) sehr gut lokalisiert ist, ist es<br />

nach kurzer Zeit räumlich verschmiert (Verdopplung<br />

des Raumgebiets bei Elektronen in 10 –16 s); dies ist<br />

bisher nie beobachtet worden. Ortsmessungen liefern<br />

stets einen genauen Ort. Ohne Messung kann wegen<br />

∆x > 0 und ∆p > 0 weder ein Orts- noch ein Impulswert<br />

zugeordnet werden.<br />

Bei Elektronen müssten auch deren Ladungen verschmieren,<br />

und innerhalb der Ladungswolke müssten<br />

Bereiche auftreten, die eine kleinere Ladung als<br />

die Elektronenladung e – besitzen und die sich elektrisch<br />

abstoßen müssten, beides ist ebenfalls noch nie<br />

beobachtet worden. Weiterhin bleibt völlig unklar,<br />

ob in einer Elektronenwolke ein <strong>Teil</strong>chen oder mehrere<br />

verschmiert sind. Das Zerfließen des Wellenpakets<br />

beschreibt eine noch nie beobachtete Instabilität<br />

des Elektrons.<br />

46 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Anmerkungen<br />

Ein freies <strong>Teil</strong>chen wird durch die harmonische Welle ψ (x,t) = a · ei α (x,t) beschrieben.<br />

Dabei heißen a Amplitude und α Phase.<br />

Relevant für Messungen ist |ψ| 2 , das als Wahrscheinlichkeit interpretiert wird. Hierbei<br />

spielt wegen |eiα | = 1 die Phase keine Rolle mehr, für die Wahrscheinlichkeit ist nur<br />

der Amplitudenanteil maßgebend. Man nennt daher ψ (x) auch Wahrscheinlichkeitsamplitude.<br />

Bewertung der Version ψ als Wellenpaket<br />

+ diese Version entspricht der geschichtlichen Entwicklung, der Entstehung der<br />

Wellenmechanik aus der Materiewellentheorie (unter Hinzuziehen der Wahrscheinlichkeitsinterpretation);<br />

+ je nach Konzept des Unterrichts über die vorher behandelte klassische Wellenlehre<br />

kann daran angeknüpft werden;<br />

+ Wellenpakete sind der Vorstellung nach sehr anschaulich, wodurch ein gutes Verständnis<br />

des Zerfließens eines Zustandes und damit der inneren Dynamik, die sich<br />

nach der Schrödingergleichung ohne äußere Einwirkung vollzieht, und ein gutes Verständnis<br />

der Heisenbergschen Unschärferelation erreicht werden kann;<br />

– es besteht die Gefahr, dass die Vorstellung von Elektronen oder Photonen als Welle<br />

suggeriert wird;<br />

– der Formalismus ist sehr bis zu anspruchsvoll.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 47


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

3.3 Zustandsvektoren<br />

Das Konzept der Wellenfunktion ist zu eng, beispielsweise<br />

– setzt steigende Genauigkeit einer Ortsmessung nach ψ = ψ (x,t) bereits genaue Ortsund<br />

Zeitpunktmessung voraus, wozu nach der Heisenbergschen Unschärferelation<br />

großer Impuls und große Energie nötig sind.<br />

Wenn die Energie größer als die doppelte Elektronenruheenergie ist, werden ein<br />

Elektron-Positron-Paar erzeugt [(γ + e – → e – + (e – + e + )]. Solche Prozesse lassen sich<br />

mit Wellenfunktionen nicht mehr beschreiben (in der nichtrelativistischen Quantentheorie<br />

gilt nämlich <strong>Teil</strong>chenerhaltung).<br />

– Beim β-Zerfall n0 → p + + e – + ν ist der Anfangszustand eine Wellenfunktion ψ , der<br />

e n<br />

Endzustand aber ein Tripel von Wellenfunktionen:<br />

– Der Spin eines Elektrons kann die Werte +1/2 oder –1/2 annehmen, dazu ist ein<br />

ψ1 (x,t)<br />

Paar von Wellenfunktionen<br />

ψ2 (x,t) nötig.<br />

Eine allgemeine, abstraktere Formulierung der Quantenmechanik gelingt mit dem Konzept<br />

des Zustandsraums (mathematisch ein Hilbertraum), das elegante Erweiterungsmöglichkeiten<br />

zulässt.<br />

Am folgenden Beispiel soll das Vorgehen erläutert werden, wie zunächst der Hilbertraum<br />

als Erzeugnis der Basisvektoren (= Eigenzustände) gebildet wird und über die<br />

Messwerte dann ein geeigneter Operator gefunden werden kann. Es ist ersichtlich, dass<br />

Messergebnisse immer Eigenwerte sein müssen und dass das System nach einer Messung<br />

immer in einem Eigenzustand ist.<br />

Ist umgekehrt der Operator bekannt (und mit ihm der Hilbertraum), so können Eigenzustände<br />

und mögliche Messwerte aus ihm berechnet werden.<br />

48 Interpretationen der Quantentheorie<br />

ψ p +<br />

ψ e –<br />

ψ νe<br />

.


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.3.1 Doppelspaltexperiment mit Messung des Spaltdurchgangs (durch Licht)<br />

Nach der Messung haben entweder Detektor 1 oder Detektor 2 angesprochen. Um mit<br />

den beiden zugehörigen Messwerten<br />

Elektron durch Spalt 1 bzw. Elektron durch Spalt 2<br />

rechnen zu können, werden ihnen die reellen Zahlen λ bzw. µ zugeordnet.<br />

Zu diesen Messwerten gehören zwei Zustände, in denen das System nach der Messung<br />

sein kann, nämlich<br />

|Registrierung in Detektor 1, Durchgang durch Spalt 1, Spalte offen, Präparierung auf p0 >,<br />

|Registrierung in Detektor 2, Durchgang durch Spalt 2, Spalte offen, Präparierung auf p >. 0<br />

Es ist für Schülerinnen und Schüler sehr hilfreich, die Zustände anfangs verbal und<br />

ausführlich zu beschreiben. Danach kann man in allen Zuständen gleiche Versuchsbedingungen<br />

bzw. Texte der Einfachheit halber (ohne Informationsverlust) weglassen, die<br />

Zustände nach der Registrierung heißen dann einfach |1> und |2>.<br />

Der zum Experiment geeignete Zustandsraum (Hilbertraum) ist dann das Erzeugnis von<br />

|1> und |2>, ein beliebiger Zustand hat die Form<br />

|ψ> = a1 |1> + a2 |2> für komplexe Zahlen a1 und a2 .<br />

Der Hilbertraum ist zweidimensional. Er enthält alle möglichen Zustände, die das<br />

Doppelspaltexperiment mit Licht beschreiben, beispielsweise ist für a = 1 und a = 0<br />

1 2<br />

der Zustand |1> präpariert, ein Zustand, der nach der Messung vorliegen kann. In<br />

diesem Fall muss nach dem Grundprinzip aller empirischen Wissenschaften, der Wiederholbarkeit<br />

einer Messung, dieser Zustand wieder gemessen werden. Daher bleiben<br />

der Zustand |1> und entsprechend der Zustand |2> erhalten.<br />

Bzgl. der Basis |1> und |2> sind a1 und a2 die Koordinaten von |ψ>, und diese Koordinaten<br />

sind – wie aus der Linearen Algebra bekannt ist – die Projektionen von |ψ> auf<br />

die Basiszustände |1> und |2>, die sich mit Hilfe des Skalarprodukts berechnen lassen:<br />

= + a2 |2>)= a1 + a2 = a1 · 1 + a2 · 0 = a1 ,<br />

analog = a2 .<br />

Das Skalarprodukt (Schema ) beschreibt den Übergang vom Zustand<br />

|ψ> in den Zustand |1>. Entsprechend zu ψ (x) bei den Wellenfunktionen heißt<br />

die komplexe Zahl Wahrscheinlichkeitsamplitude.<br />

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude = a1 ist die Amplitude des Anteils von |1> in |ψ><br />

bzw. die Amplitude, dass das Elektron vom Zustand |ψ> in den Zustand |1> übergeht.<br />

Ein beliebiger Zustand |ψ> = a1 |1> + a2 |2> besitzt dann die Amplitudendarstellung<br />

|ψ> = |1> + |2> .<br />

Ganz allgemein wird der Übergang zwischen Zuständen durch Operatoren beschrieben<br />

(denkt man an Wellenfunktionen, so sind die Operatoren Funktionen von Funktionen,<br />

daher der Name Operator). Ein zum Experiment passender Operator Ô soll jedem<br />

möglichen präparierten Zustand einen gemessenen Zustand zuordnen, insbesondere<br />

wegen der Wiederholbarkeit einer Messung den Basiszuständen |1> und |2> sich<br />

Interpretationen der Quantentheorie 49


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

selbst (s. o.). Weiterhin soll Ô die Messwerte liefern. Daher fordern wir von Ô die<br />

Eigenschaft<br />

Ô |1> = λ |1> , Ô |2> = µ |2> .<br />

Offenbar sind |1> und |2> Eigenvektoren mit den Eigenwerten λ und µ.<br />

Die Wirkung des Operators auf einen beliebigen Zustand |ψ> folgt dann aus der geforderten<br />

Linearität:<br />

Ô |ψ> = Ô (|1> + |2> ) = Ô |1> + Ô |2> <br />

= λ |1> + µ |2> .<br />

Das Weglassen von |ψ> führt zu<br />

Ô = λ |1> · λ · · µ · liefert neben den<br />

Messwerten λ und µ mit |a1 | 2 = || 2 und |a2 | 2 = || 2 auch die Wahrscheinlichkeiten<br />

für das Eintreten dieser Messwerte und für den Übergang von dem<br />

Zustand |ψ> in einen Eigenzustand |1> oder |2>.<br />

Der bei einer Messung stattfindende Übergang in einen Eigenzustand heißt Quantensprung<br />

und wird mathematisch durch die Projektion auf den Basiszustand beschrieben:<br />

|ψ>| → |1> bzw. |ψ>| → |2> .<br />

Beispiel:<br />

|2><br />

α<br />

|1><br />

Für die Koordinaten a1 = cos α und a2 = sin α heißt<br />

der Zustand<br />

|ψ> = cos α |1> + sin α |2> .<br />

Die Wahrscheinlichkeit für einen Übergang von |ψ><br />

nach |1> ist<br />

|| 2 = |cos α + sin α | 2<br />

= |cos α · 1 + sin α · 0| 2 = cos2 α ;<br />

analog || 2 = sin2 α .<br />

Eben haben wir aus Eigenvektoren und Eigenwerten den Operator erzeugt. Umgekehrt<br />

können zu einem gegebenen Operator<br />

Ô = |1> λ µ ≠ 0<br />

muss Ô|ψ> = α |ψ> gelten, also<br />

λ |1> + µ |2> = α |1> + α |2> .<br />

Daraus ergeben sich wegen der linearen Unabhängigkeit von |1> und |2> die Beziehungen<br />

(λ – α) = 0 und (µ – α) = 0 .<br />

50 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Da es zwei Eigenwerte geben muss, ist α = λ und α = µ nicht möglich, daher ist entweder<br />

= 0 oder = 0 .<br />

Im Falle = 0 ist α = µ, also |ψ> = |2> , d. h. die Vektoren |ψ> und |2><br />

sind linear abhängig, kennzeichnen also denselben Zustand. Da |ψ> Eigenvektor ist, ist<br />

es auch |2>; der zugehörige Eigenwert ist α = µ. Im Falle = 0 kann geschlossen<br />

werden, dass |1> Eigenvektor ist.<br />

Ganz allgemein gehört zu den Messwerten λ1 , λ2 , … und den zugehörigen Eigenzuständen<br />

|ϕ1 >, |ϕ2 >, … der Operator  = ∑ |ϕj > λj liefert einen Impulswert p,<br />

deshalb ist<br />

P ψ = h<br />

i<br />

d<br />

ψ =pψ .<br />

dx<br />

Diese Differentialgleichung hat die Lösung<br />

das Impulsspektrum ist kontinuierlich.<br />

ψ (x) = a e i<br />

h px . ψ ist Lösung für alle reellen p,<br />

3.3.2 Übungsaufgaben<br />

Es folgen weitere Übungsbeispiele, die dem Umgang mit dem Zustandsvektor dienen.<br />

Um die Kopenhagener Auffassung [vgl. Beitrag Interpretationen von Joachim Lillig in<br />

diesem Heft], erst Messung liefert eine Eigenschaft bzw. eine Realität, nachvollziehen<br />

zu können, sollte man die Zustandsvektoren zunächst in ganz ausführlicher Art verbalisieren,<br />

der Einfluss des Aufbaus der Messung wird deutlicher.<br />

Beispiel 1: Messung, ob das System im Zustand |durch Spalt 1><br />

Nun interessiert nur, ob das System nach der Messung in einem bestimmten Zustand ist<br />

oder nicht, beispielsweise im Zustand |durch Spalt 1>; es handelt sich um eine Ja-Nein-<br />

Entscheidung.<br />

Wie im Beispiel vorher könnte man mit den Eigenvektoren |1> und |2> arbeiten; deutlicher<br />

ist die Darstellung<br />

|ja> : = |Registrierung in Detektor 1, Spalte offen, Präparierung auf p0 >,<br />

|nein> : = |keine Registrierung in Detektor 1, Spalte offen, Präparierung auf p >;<br />

0<br />

Interpretationen der Quantentheorie 51


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

dann hat ein allgemeiner Zustand die Form<br />

|ψ> = a1 |ja> + a2 |nein> = |ja> + |nein> .<br />

Der passende Operator ist nun der Projektionsoperator mit<br />

P |ja> = |ja> und P |nein> = |0>.<br />

Damit gilt allgemein<br />

P |ψ> = P |ja> + P |nein> = |ja> , demnach P = |ja> 1 0 = |ja> = 1 · |ja> und<br />

P |nein> = |ja> = 0 |ja> = |0> = 0 |nein> .<br />

Offenbar lässt sich jeder Operator aus Projektionsoperatoren generieren.<br />

Beispiel 2: Ein Spalt geschlossen: Einfachspaltexperiment<br />

Das Doppelspaltexperiment wird zu einem Einfachspaltexperiment, indem ein Spalt<br />

verschlossen wird. Das Elektron muss nun den offenen Spalt passieren, es gibt nur<br />

einen einzigen Eigenzustand<br />

|D> : = |Durchgang durch den offenen Spalt, Präparierung auf p0 ><br />

mit einem einzigen Messwert λ. Der zugehörige Hilbertraum ist das Erzeugnis von |D><br />

und hat die Dimension 1.<br />

Ein beliebiges Element des Hilbertraums hat die Form |ψ> = a |D>, wobei a = a <br />

= die Übergangsamplitude darstellt.<br />

Der passende Operator muss Ô |D> = λ |D> erfüllen, also ist Ô |ψ> = Ô a |D> =<br />

λ |D> , was Ô = |D> λ 0) steht, identisch und können<br />

deshalb vereinfachend weggelassen werden (hierbei<br />

Quelle Spalt Schirm<br />

wird das Doppelspaltexperiment als zweidimensionales<br />

Problem betrachtet mit Schirm parallel zur x-<br />

52 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Achse, Ausbreitung längs y-Achse); mit dieser Vereinbarung beschreibt man einen Zustand<br />

vereinfacht als<br />

|x> = |Registrierung an der Stelle x, beide Spalte offen, Präparierung auf p0 >.<br />

Der Hilbertraum ist das Erzeugnis aller Zustände |x>, ein beliebiger Zustand hat dann<br />

die Form<br />

|ψ> = a1 |x1 > + a2 |x2 > + …<br />

ist die Amplitude,<br />

dass das Elektron mit Anfangsimpuls p bei x registriert wird,<br />

0<br />

dass das Elektron vom Zustand |ψ> in den Zustand |x> übergeht,<br />

dass das Elektron im Zustand |ψ> einen Anteil des Zustandes |x> besitzt, der durch<br />

die komplexe Zahl beschrieben wird.<br />

Es ist<br />

∞<br />

= a dx’<br />

x’<br />

–∞<br />

Damit erhält |ψ> die Form<br />

∞<br />

= a δ (x – x’)dx’ =a x’ x<br />

–∞<br />

∞<br />

|ψ>= a |x> dx<br />

x<br />

–∞<br />

Interpretationen der Quantentheorie 53<br />

.<br />

∞<br />

= |x>dx<br />

–∞<br />

Ist das Elektron nach der Präparierung bereits im Eigenzustand |x>, d. h. |ψ> = |x>,<br />

dann wird dieser Zustand durch die Messung nicht verändert und liefert dasselbe<br />

Messergebnis (Wiederholbarkeit der Messung), mit anderen Worten, der gesuchte Ortsoperator<br />

muss Ô |x> = x · |x> erfüllen. Daher ist Q = x · ein geeigneter Operator.<br />

Allgemein ist<br />

∞<br />

Q |ψ>=Q |x> dx<br />

–∞<br />

∞<br />

Q = |x>· x · dx= x|x>dx<br />

–∞<br />

.<br />

oder<br />

Bewertung der Version ψ als Zustandsvektor<br />

+ Interpretationen werden gut vorbereitet und verständlicher;<br />

+ der Bedeutungswandel einiger klassischer Begriffe wie Raumzeit-Einbettung oder<br />

physikalisches Objekt wird deutlich;<br />

+ Paradoxien wie die Schrödinger-Katze oder EPR-Experimente können erläutert und<br />

vermieden werden;<br />

– der Formalismus ist anspruchsvoll.


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

3.3.3 Übliche Herleitung von p = h/λ ist nur heuristisch/propädeutisch<br />

Hat man die Sprechweise der Zustandsvektoren parat,<br />

so lässt sich beispielsweise gut verstehen, dass<br />

die <strong>Teil</strong>chen- und Wellenbild koppelnden Beziehungen<br />

W = hf = hω und p = h/λ = hk nicht hergeleitet<br />

werden können.<br />

t0 < t1 Zeitpunkt<br />

λ (t Im Unterricht wird in der Regel nach üblichem Sche-<br />

1 ) Wellenlänge<br />

p = p (t ) ≠ p , p , p , … ma ermittelt: Sind p der Impulswert der Präparation<br />

0 1 2 3<br />

p (t und λ die am Schirm ermittelte Wellenlänge, so füh-<br />

1 ) ??? Impuls<br />

ren die Beobachtungen zu einer Proportionalität<br />

λ ~ 1/p mit dem Proportionalitätsfaktor h.<br />

Trotz des klassisch einwandfreien Vorgehens wird in der Literatur von heuristischen<br />

oder propädeutischen Betrachtungen gesprochen und davon, dass der Versuch nicht als<br />

Herleitung verstanden werden darf; in der Regel wird man dann mit dieser Anmerkung<br />

allein gelassen. Wieso ist dieses Vorgehen propädeutisch und darf nicht als Herleitung<br />

verstanden werden?<br />

Eine genauere Analyse zeigt, dass der Impuls p = p (t ) zur Zeit t präpariert, die<br />

0 0<br />

Wellenlänge λ = λ (t ) hingegen zu einem späteren Zeitpunkt t > t festgestellt wird.<br />

1 1 0<br />

Eine Impulsmessung nach dem Spaltdurchgang lieferte aber unterschiedliche Impulswerte.<br />

Wenn nun hinter dem Spalt dem Elektron kein eindeutiger Impulswert zugeordnet<br />

werden kann, ist völlig unklar, welcher Impuls dem durch Messung eindeutig bestimmten<br />

λ gemäß h/p entsprechen soll.<br />

Die im Versuch ermittelte Beziehung p (t ) = h/λ (t ) ist wegen t ≠ t kaum zu halten; in<br />

0 1 0 1<br />

p (t ) = h/λ (t ) ist völlig unklar, was p (t ) bedeutet!<br />

1 1 1<br />

Die Problematik löst sich auf, wenn wir unser Wissen über Zustandsvektoren einbringen<br />

und bedenken, dass alle Zustände |ψ>, |p> oder |x> in demselben Hilbertraum<br />

liegen und in derselben Basis darzustellen sind; eine Aufspaltung beim Doppelspaltexperiment<br />

in<br />

Präparierung auf p – Spaltdurchgang – Registrierung am Schirm,<br />

0<br />

insbesondere mit einer Beschreibung, die diesen drei Versuchsbestandteilen je eigene<br />

Zustandsvektoren wie |p0 >, |D> oder |x> zuordnet, womöglich noch aus verschiedenen<br />

Hilberträumen, ist nicht gestattet. Jeder Zustand beschreibt alles, von der Präparierung<br />

über den Spaltdurchgang bis zur Registrierung. Daher ist eine Trennung in der<br />

Quantentheorie nicht zulässig. Raumzeitpunkte zwischen Präparierung und Registrierung<br />

werden in der Quantentheorie überhaupt nicht erwähnt.<br />

Mit anderen Worten, die Beziehung p = h/λ bzw. λ = h/p ist zu jedem Zeitpunkt, d. h.<br />

sowohl vor als auch hinter dem Spalt, entweder richtig oder falsch, daher kann sie nicht<br />

durch das Experiment hergeleitet, sondern muss axiomatisch gefordert werden.<br />

[In der Schule lässt sich die Einsicht in die Beziehung p = h/λ experimentell nicht am Doppelspaltexperiment,<br />

sondern an der Elektronenbeugung gewinnen. Die Elektronen werden auf die Spannung U<br />

präpariert, die über den Energiesatz theoretisch in den Impuls p umgerechnet wird; am Schirm werden<br />

Ringe beobachtet, deren Radien r gemessen werden, und diese Ringe werden theoretisch als Wellenmuster<br />

gedeutet und führen so zu einer Wellenlänge λ. Eine Auswertung ist mit p = h/λ im Einklang.]<br />

54 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.3.4 Dualismus?<br />

In strengem Sinne besagt der Welle-<strong>Teil</strong>chen-Dualismus, dass ein Elektron sich entweder<br />

als <strong>Teil</strong>chen oder als Welle zeigt, aber nie als beides gleichzeitig.<br />

Beim Doppelspaltexperiment zeigt ein Einzelelektron aber<br />

– einerseits nie ein Interferenzmuster, ist also niemals eine Welle;<br />

– andererseits muss jedes einzelne Elektron wissen, ob 2 Spalte oder 1 Spalt geöffnet<br />

sind [auch beim Einzelspalt muss ein Elektron wissen, dass nicht noch ein zweiter<br />

offener Spalt in der Nähe ist].<br />

Demnach zeigt jedes einzelne Elektron gleichzeitig <strong>Teil</strong>chen- und Wellencharakter. In<br />

diesem Sinne gibt es keinen Dualismus.<br />

Vergleich<br />

Zylinder von oben von der Seite<br />

Stecke Zylinder in Kreisbox Rechteckbox<br />

Zylinder zeigt Kreischarakter Rechteckcharakter<br />

In Schulbüchern findet man häufig die Auffassung vor, dass ein Elektron sich<br />

– bei der Ausbreitung wie eine Welle,<br />

– bei einer Wechselwirkung wie ein <strong>Teil</strong>chen<br />

verhält. In diesem Sinne wird von Dualismus gesprochen.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 55


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

Bedenken<br />

Wer sich dieser Schulbuchauffassung anschließt, sollte bedenken:<br />

– In der Quantentheorie gibt es keine Differenzierung <strong>Teil</strong>chen – Welle, Objekte der<br />

Quantentheorie sind Quanten.<br />

– In der Quantentheorie gibt es keine Zerlegung in Präparation – Ausbreitung – Spaltdurchgang<br />

– Registrierung, wie die Zustandsbeschreibung<br />

|x> = |Registrierung bei x, beide Spalte offen, Präparierung auf p0 ><br />

besagt, unter Anderem werden Raumpunkte zwischen Präparierung und Registrierung<br />

nicht erwähnt.<br />

– Während der Ausbreitung wird nicht beobachtet! Woher stammt dann das Wissen<br />

über ein Wellenverhalten?<br />

– Wellenartig ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung, nicht das <strong>Teil</strong>chen.<br />

– Wechselwirkung geschieht bei der Registrierung am Schirm, dort wird bei der Lokalisierung<br />

zwar <strong>Teil</strong>chenverhalten, insgesamt aber ein Wellenmuster beobachtet.<br />

– Der Spaltdurchgang verändert das Muster am Schirm, daher spricht man auch von<br />

einer Wechselwirkung mit dem Spalt. Diese ist nur wellentheoretisch verständlich,<br />

denn bei teilchenhaftem Verhalten passierte das Elektron entweder Spalt 1 oder Spalt<br />

2, im Gegensatz zur Beobachtung müsste das <strong>Teil</strong>chenmuster registriert werden.<br />

– Beim Doppelspaltexperiment mit Spaltbeobachtung zeigt sich kein Interferenz-, sondern<br />

ein <strong>Teil</strong>chenmuster. Ist die Ausbreitung dennoch wellenartig?<br />

Vorschlag<br />

In der Quantentheorie werden <strong>Teil</strong>chen- und Wellenbild zusammen gedacht, was jeglicher<br />

makroskopischen Erfahrung widerspricht. Der in der Vorphase der Quantentheorie<br />

eingeführte Dualismus ist eigentlich längst überwunden und sollte meiner Meinung<br />

nach nicht mehr im Unterricht erwähnt werden, es sei denn aus historischen Gründen.<br />

(Stichhaltigste Begründung: In der heute grundlegendsten Theorie, der Quantenfeldtheorie, gibt es keinen<br />

Dualismus.)<br />

56 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.3.5 Anhang: Axiome der Quantentheorie und Schrödingergleichung<br />

Axiome der Quantentheorie<br />

Physik ist<br />

– interpretierter Formalismus,<br />

– die Theorie der Zustände und Zustandsänderungen und<br />

– die Theorie des Messens.<br />

Ein zu beschreibendes physikalisches System (bestehend aus <strong>Teil</strong>chen und/oder Feldern)<br />

befindet sich in Zuständen, die durch Messwerte von gleichzeitig messbaren<br />

Observablen festgelegt sind.<br />

Dem Zustand, dem physikalischen System und den Observablen müssen nun Symbole<br />

in einem mathematischen Formalismus zugeordnet werden. Die mathematische Theorie<br />

liefert neue mathematische Ergebnisse, die in der Natur zu interpretieren sind.<br />

Zuordnungen der Quantentheorie<br />

1. Zustand ↔ Vektor, insbesondere Wellenfunktion<br />

(garantiert Superpositionsprinzip, damit Interferenzbild);<br />

physikalisches System ↔ Hilbertraum<br />

komplexer Vektorraum (Superpositionsprinzip)<br />

vollständig (Cauchyfolgen konvergieren)<br />

es gibt ein hermitisches, positiv definites Skalarprodukt<br />

(garantiert Normierbarkeit, Orthogonalisierbarkeit)<br />

abzählbare Basis<br />

2. Observable ↔ Operator<br />

Daraus erwachsen die beiden Axiome der Quantentheorie:<br />

1. Postulat der Quantentheorie: Zustandsaxiom<br />

Der Zustand eines physikalischen Systems wird durch einen normierten Vektor<br />

aus einem Hilbertraum repräsentiert.<br />

Physikalisches Prinzip (Axiom der zeitlichen Entwicklung – innere Dynamik):<br />

ψ genügt der Schrödingergleichung<br />

ih ∂|ψ><br />

∂t<br />

=H|ψ> .<br />

Interpretationen der Quantentheorie 57


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

2. Postulat der Quantentheorie: Observablenaxiom<br />

Die Messgrößen/Observablen des physikalischen Systems werden durch hermitische<br />

Operatoren repräsentiert.<br />

Die Eigenvektoren dieses Operators spannen im Hilbertraum eine orthonormierte<br />

Basis auf (Vollständigkeitsaxiom).<br />

Physikalische Prinzipien:<br />

1. Die einzig möglichen Messwerte sind die Eigenwerte des zur Observablen gehörenden<br />

Operators.<br />

2. Nach der Messung befindet sich das System in dem zu dem Eigenwert gehörenden<br />

Eigenzustand (Reduktion des Wellenpakets / Quantensprung).<br />

3. Die Absolutquadrate || 2 beschreiben die Wahrscheinlichkeit, dass bei<br />

einer Messung ein Zustand |ψ> in den Zustand |ϕ> übergeht.<br />

Kommentare<br />

– Die Zustände eines physikalischen Systems ändern sich auf zwei Arten:<br />

1. ohne äußere Einwirkung, deterministisch gemäß der Schrödingergleichung (vgl.<br />

Zerfließen eines Wellenpakets) (Dynamik I) (vgl. Beitrag von Rolf Seibel-Schüürmann<br />

in diesem Heft);<br />

2. akausal durch eine Messung, mathematisch beschrieben durch Operatoren und<br />

eine unstetige Projektion (Dynamik II).<br />

– Das Zustandsaxiom der Quantentheorie entspricht der Struktur nach anderen Zustandsaxiomen<br />

der klassischen Physik, jedoch entspricht ψ keinem Element der Realität.<br />

Zum Observablenaxiom gibt es in der klassischen Physik kein Pendant, weil<br />

dort Messapparate die Messwerte prinzipiell nicht ändern.<br />

– Um das Observablenaxiom besser zu verstehen, betrachten wir den prinzipiellen<br />

Aufbau der Messung eines Mikroobjekts:<br />

Phänomenebene<br />

beispielsweise<br />

Mathematische Ebene<br />

Präparierung Apparat Registrierung<br />

auf Impulswert p 0 Doppelspalt Ortswert x<br />

am Schirm<br />

Zustand |ψ> Operator Â<br />

Zustand |ϕ><br />

58 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Anmerkungen zu Messung<br />

(vgl. Beitrag von Rolf Seibel-Schüürmann in diesem Heft)<br />

– Ein (klassisches) physikalisches System wird quantisiert, indem den Observablen geeignete<br />

Operatoren zugeordnet werden. Mit Hilfe dieser Operatoren sollen alle<br />

Messwerte theoretisch vorhergesagt werden. Dieses ehrgeizige Programm ist in der<br />

Quantentheorie aufgegeben worden. Es stellt sich nämlich heraus, dass Messwerte<br />

statistisch streuen und z. B. beim Doppelspalt Wellenmuster bilden. Die Auswahl<br />

eines Wertes aus dem Spektrum ist bis heute durch Nichts zu beeinflussen, in der<br />

Quantentheorie wird sie als zufällig angenommen. So besteht die Aufgabe darin, alle<br />

Messwerte, die auftreten können, zu finden und die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen,<br />

mit der die einzelnen Messwerte eintreten können. Dies ist mit Hilfe von |ψ><br />

und  möglich.<br />

– Da Messwerte reell sind, muss der lineare Operator  hermitisch sein.<br />

– Ist das System nach der Präparierung im Zustand |ψ> und nach der Registrierung<br />

im Zustand |ϕ>, wobei der Messwert λ festgestellt worden ist, dann wird dies mathematisch<br />

durch  |ψ> = λ |ϕ> wiedergegeben. Wird nun die Messung sofort<br />

wiederholt, so wird nach dem Axiom der Reproduzierbarkeit einer Messung wiederum<br />

der Wert λ gemessen, d. h. Â|ϕ> = λ|ϕ>. Folglich ist λ Eigenwert des Operators<br />

und |ϕ> Eigenvektor. So können nach einer Messung nur Eigenzustände als Zustände<br />

auftreten, und Messwerte sind stets Eigenwerte. Ein Eigenzustand wird durch eine<br />

Messung nicht verändert; ist |ψ> kein Eigenzustand, dann ist offen, in welchen<br />

Eigenzustand das System durch die Messung übergeht.<br />

– Sind |ϕj > die Eigenvektoren des Operators, so bilden sie eine Basis des Hilbertraums,<br />

und der präparierte Zustand |ψ> lässt sich als Linearkombination dieser Basis darstellen:<br />

|ψ> = ∑ aj |ϕj > .<br />

Die Messung wird nach dem 2. Prinzip im Observablenaxiom durch eine unstetige<br />

Projektion von |ψ> auf den registrierten Eigenzustand |ϕj > beschrieben.<br />

Bis heute werden alle Versuchsergebnisse durch diese akausale Zustandsreduktion korrekt<br />

beschrieben, die Reduktion bleibt physikalisch jedoch unverstanden und ist durch<br />

das Observablenaxiom in der Quantentheorie ausgeklammert. In diesem Sinne ist die<br />

Quantentheorie unvollständig und kann daher nicht als endgültige Theorie gelten. Die<br />

Quantentheorie ermöglicht Aussagen über die Messergebnisse, man weiß aber nicht,<br />

wie sie zustande kommen.<br />

Die Axiome der Quantentheorie sind nicht ganz aus der Luft gegriffen, sie sind aus den<br />

Forderungen der Zeitsymmetrie (impliziert die Energieerhaltung), der Ortssymmetrie<br />

(impliziert die Impulserhaltung) und der Richtungssymmetrie (impliziert die Drehimpulserhaltung)<br />

herzuleiten. Insbesondere ist die Wahrscheinlichkeitsinterpretation<br />

eine Konsequenz und keine Zusatzannahme.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 59


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

Schrödingergleichung<br />

Die Schrödingergleichung ist eine Bewegungsgleichung und beschreibt, wie und dass<br />

sich ein Zustand ohne äußere Einwirkungen in Raum und Zeit deterministisch ändert.<br />

1. Möglichkeit<br />

Wir suchen nach einer Differentialgleichung, die sehr einfache Lösungen für ein freies<br />

<strong>Teil</strong>chen liefert:<br />

ψ (x,t) = a ei (k x – ω t) mit p = hk, W = hω .<br />

Dazu müssen die individuellen Parameter ω und k eliminiert werden. Dabei ist ω eine<br />

Funktion in k, wie der Ansatz aus der Energiedarstellung ergibt:<br />

Einerseits ist im <strong>Teil</strong>chenbild Wkin = mv2 /2, andererseits im Wellenbild W = hf = hω.<br />

Einsetzen liefert die Beziehung<br />

ω = W<br />

h<br />

mv2<br />

=<br />

2h = m2v 2<br />

p2<br />

=<br />

2hm 2hm = h2k 2<br />

=<br />

h<br />

2hm 2m k2 .<br />

Damit gilt für die ebene Welle ψ (x,t) = a<br />

i kx–<br />

h<br />

e 2m k2t .<br />

Um eine allgemeine Grundgleichung zu erhalten, muss noch der Parameter k eliminiert<br />

werden; dazu bilde die Ableitungen<br />

∂ψ<br />

∂t<br />

Es folgt<br />

= –i h<br />

2m k2 ψ (x,t) und<br />

∂ψ<br />

∂t<br />

=i h<br />

2m<br />

∂ 2 ψ<br />

∂x 2<br />

In die üblichere Schreibweise<br />

tial V leichter einbringen:<br />

ih ∂ψ<br />

∂t<br />

h2<br />

= – ∆ +V ψ =Hψ .<br />

2m<br />

∂ 2 ψ<br />

∂x 2 =ik 2 ψ (x,t) .<br />

als Schrödingergleichung für freie <strong>Teil</strong>chen.<br />

ih ∂ψ<br />

∂t<br />

= – h2<br />

2m<br />

∂ 2 ψ h2<br />

= – ∆ψ lässt sich ein äußeres Poten-<br />

2<br />

∂x 2m<br />

60 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Bei der Schrödingergleichung ist ∂ψ/∂t ~ ∂ 2 ψ/∂x 2 , in der klassischen Wellengleichung<br />

dagegen ∂ 2 ψ/∂t 2 ~ ∂ 2 ψ/∂x 2 . Klassische Wellen s (x,t) = a e i(kx – ckt) und ψ erhalten beide<br />

in der zweiten räumlichen Ableitung ∂ 2 /∂x 2 den Faktor k 2 . Diesen Faktor k 2 erhält man<br />

im klassischen Fall wegen ω ~ k (ω/k = c p = v = c) erst durch die zweite zeitliche<br />

Ableitung ∂ 2 /∂t 2 , im Falle der Materiewelle ψ wegen ω ~ k 2 bereits durch die erste<br />

zeitliche Ableitung ∂/∂t. Demnach ist die Schrödingergleichung keine klassische Wellengleichung.<br />

Und in der ersten zeitlichen Ableitung bleibt im Faktor ih die imaginäre Einheit i stehen,<br />

die im klassischen Fall in der zweiten zeitlichen Ableitung wegen i2 = –1 nicht<br />

mehr vorkommt. So ist die Schrödingergleichung wesentlich komplex.<br />

Auch die Lösungen sind wesentlich komplex: Ein freies <strong>Teil</strong>chen wird durch ψ (x,t) =<br />

a ei(kx – ωt) beschrieben. Frequenz ω, Wellenzahl k und damit Energie und Impuls sind<br />

eindeutig bestimmt. Die Wahrscheinlichkeitsdichte P (x,t) = |ψ (x,t)| 2 = |a| 2 ist konstant<br />

und unabhängig von x, so ist die Wahrscheinlichkeit, das <strong>Teil</strong>chen anzutreffen,<br />

überall gleich, hinsichtlich der Lage besteht eine große Ungewissheit.<br />

Würde hierbei ψ durch eine reelle Sinuswelle beschrieben werden, so änderte sich das<br />

Betragsquadrat von Punkt zu Punkt, P (x,t) wäre nicht konstant. Daher muss ψ komplexwertig<br />

sein.<br />

2. Möglichkeit<br />

Die Schrödingergleichung entspricht dem Energiesatz der klassischen Mechanik:<br />

W = p2 /(2m) + V .<br />

Der Energiesatz soll mit der Wellenfunktion ψ (x,t) = a ei(kx – ωt) in Einklang gebracht<br />

werden; W wird beschrieben durch die Anzahl der Schwingungen, p durch die Anzahl<br />

der Wellen, und zwar W = hω bzw. p = hk. Eingesetzt:<br />

hω = h2k 2<br />

+V .<br />

2m<br />

ω und k2 erhält man durch die 1. zeitliche bzw. die 2. räumliche Ableitung<br />

ω = i ∂ψ<br />

ψ ∂t und k 2 = – 1 ∂<br />

ψ<br />

2 ψ<br />

. 2<br />

∂x<br />

Einsetzen und mit ψ multiplizieren ergibt die Schrödingergleichung<br />

ih ∂ψ h2<br />

= – ∆ +V ψ =Hψ .<br />

∂t 2m<br />

Vergleich mit dem Energiesatz liefert zusätzlich die Operatoren<br />

P = h ∂<br />

i ∂x und W = – h2 ∂<br />

2m<br />

2<br />

∂<br />

=ih 2<br />

∂x ∂t .<br />

Es ist Aufgabe der Quantenmechanik, diese Schrödingergleichung für wichtige Potentiale<br />

V zu lösen; exakte Lösungen sind nur in wenigen Fällen möglich, etwa für ein lineares<br />

Potential oder für ein Coulombpotential.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 61


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

3.4 Information<br />

3.4.1 Doppeldoppelspalt und Verschränkungen<br />

Werden zwei unabhängige Quantensysteme durch ψ1 und ψ2 beschrieben, so kann das<br />

Gesamtsystem durch den Produktzustand ψ1⊗ψ2 im Produkt der Hilberträume beschrieben<br />

werden. Sind die Systeme nicht unabhängig voneinander, so spricht man von<br />

Korrelationen oder Verschränkungen. Wegen der Korrelationen enthält der Produktraum<br />

zu viele Zustände. Die durch ein Herausdividieren der Korrelationen entstehende Verkleinerung<br />

(Tensorprodukt) hat zur Folge, dass die Zustände des Gesamtsystems nicht<br />

mehr in Produkte der <strong>Teil</strong>systeme zu zerlegen sind, den <strong>Teil</strong>systemen können dann der<br />

Theorie nach keine einzelnen Zustandsfunktionen mehr zugeordnet werden.<br />

Unabhängig von ihrer Entfernung sind die beiden räumlich getrennten <strong>Teil</strong>systeme<br />

durch Phasenbeziehungen (die es in der klassischen Physik nicht gibt) gekoppelt und<br />

werden durch eine Wellenfunktion bzw. einen Zustandsvektor beschrieben. Der<br />

Gesamtzustand ψ stellt einen nichtlokalen Zustand dar.<br />

Wie die Experimente, die die Bellsche Ungleichung (vgl. Kapitel 3.4.3) verletzen, zeigen,<br />

sind verschränkte Zustände keine formale Sache, sondern eine reale Eigenschaft der<br />

Natur.<br />

Beispiele<br />

– Zweiteilchensysteme wie Moleküle oder das H-Atom;<br />

– Messungen von Makrosystemen;<br />

– <strong>Teil</strong>chen mit gemeinsamem Ursprung wie Elektron und Positron nach einer Paarbildung<br />

oder Zwillingsphotonen bei EPR-Experimenten.<br />

Doppelspalt und Doppeldoppelspalt<br />

(vgl. Beitrag von Wolfram Mai in diesem Heft)<br />

Quelle<br />

Zwilling 1 Zwilling 2<br />

Downkonverter<br />

Schirm 1 Schirm 2<br />

62 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

Beim Doppeldoppelspalt werden Zwillingsphotonen erzeugt, die verschränkt sind und<br />

daher nur ein Quantensystem bilden, ein Diphoton. Dieser eine Zustand enthält die<br />

Verschränktheit und so den quantentheoretischen Holismus. Eine Messung an nur einem<br />

<strong>Teil</strong>system bedeutet stets Messung des ganzen Systems, zwischen den Zwillingen<br />

gibt es keine Informationsübertragungen oder vermittelnde Felder und daher auch keinen<br />

Widerspruch zur Relativitätstheorie, nach der Informationen und Wirkungen sich<br />

nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können.<br />

Eine Messung des Spaltdurchgangs im linken Aufbau ist daher gleichzeitig eine Messung<br />

im rechten <strong>Teil</strong>, Spaltmessung links impliziert WelcherSpaltInfo rechts, nach der<br />

Quantentheorie gibt es daher kein Interferenzmuster (Regel 4 der Grundprinzipien).<br />

Das Aufstellen von Spaltdetektoren (wie Polarisationsfolien im Spalt) ist jedoch nicht<br />

nötig, die Androhung genügt, potentielles Wissen reicht. Daher ist auch ohne solche<br />

Informanten keine Interferenz zu beobachten.<br />

Das heißt, dass ψ nicht nur reale Informationen enthält, sondern alle Informationen, die<br />

man möglicherweise erhalten könnte.<br />

So ist ψ ein vollständiger Wissenskatalog, die Quantentheorie ist in diesem Sinn vollständig,<br />

ψ beschreibt nicht nur, was ist, sondern auch, was sein könnte.<br />

Positioniert man am linken Schirm an einer fixierten Stelle einen Detektor, so kann man<br />

am rechten Schirm Interferenz feststellen, wenn man dort einen Detektor am Schirm<br />

entlang führt und Koinzidenzen protokolliert, ob beide Detektoren also gleichzeitig<br />

ansprechen.<br />

In diesem Sinne liefern beide Schirme zusammen Interferenz, die Einzelschirme nicht.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 63


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

3.4.2 Quantenradierer<br />

mit<br />

Folie<br />

diagonal<br />

Beim Doppelspaltexperiment sind wir zur Überzeugung<br />

gelangt, dass das bloße Vorhandensein eines<br />

WelcherSpaltDetektors ein Interferenzmuster verhindert,<br />

unabhängig davon, ob die Spaltinformation abgefragt<br />

wird. Beim EPR-Doppelspalt reicht bereits<br />

die Androhung, man könnte in einem <strong>Teil</strong> des<br />

Versuchsaufbaus einen Spaltmarkierer anbringen.<br />

Beim normalen Doppelspaltexperiment mit Photonen<br />

kann man zur Spaltmarkierung beispielsweise<br />

waagerecht und senkrecht ausgerichtete Polarisationsfolien<br />

in die einzelnen Spaltöffnungen anbringen.<br />

Stellt man nun zwischen markierten Doppelspalt<br />

und Schirm einen diagonal ausgerichteten Polarisator,<br />

so wird die Spaltinformation gelöscht und es<br />

erscheint wieder das Interferenzmuster (nach Regel 1<br />

der Grundprinzipien).<br />

Entscheidend ist allein, ob die gewonnene Information<br />

über die Spaltpassage aus dem beobachteten System<br />

heraus und zum Beobachter gelangen kann.<br />

Löscht man durch den Einbau eines Quantenradierers<br />

die WelcherSpaltInfo noch innerhalb des Systems<br />

wieder aus, so erscheint erneut das Interferenzmuster.<br />

Die Interpretation des Messvorgangs als irreduzible<br />

Störung des Objekts ist nicht mehr haltbar,<br />

es handelt sich stattdessen um einen reversiblen<br />

Informationsgewinn.<br />

Wird die hinzugewonnene Information (Spaltdurchgang<br />

– <strong>Teil</strong>chencharakter) noch innerhalb der Versuchsanordnung<br />

wieder gelöscht, wird der Wellencharakter<br />

in Form der Interferenz wieder messbar.<br />

Doppeldoppelspalt mit Quantenradierer<br />

Beklebt man in einem Doppeldoppelspaltaufbau nur<br />

den linken Doppelspalt mit waagerechten und senkrechten<br />

Polarisationsfolien, der rechte Doppelspalt<br />

wird nicht markiert, so erhält man nach Regel 4 der<br />

Grundprinzipien links und rechts keine Interferenz;<br />

bringt man nun links zwischen markierten Doppelspalt<br />

und Schirm zusätzlich eine diagonale Polarisationsfolie<br />

als Quantenradierer, so erhält man nach<br />

Regel 1 der Grundprinzipien links wiederum Interferenz,<br />

rechts aber keine. Beide Schirme zusammen<br />

(Koinzidenzmessung) liefern wiederum Interferenz.<br />

64 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.4.3 Anhang: Bellsche Ungleichung<br />

(vgl. Beitrag von Wolfram Mai in diesem Heft)<br />

Die mengentheoretische Beziehung<br />

W V<br />

B<br />

⊇<br />

W V<br />

B<br />

W ∩ V (W ∩ B) ∪<br />

(V ∩ B)<br />

ist trivial. In Zeilingerscher Verbalisierung:<br />

Die Anzahl der weiblichen Vorzugsschülerinnen ist kleiner oder gleich der Summe der weiblichen<br />

Brillenträger und der Anzahl der Vorzugsschüler, die keine Brille tragen:<br />

N (W,V) ≤ N (W,B) + N (V,B) .<br />

Und dies entspricht dem Inhalt der Bellschen Ungleichung! Trickreich ist bei der Beschreibung<br />

von zwei Eigenschaften W und V die Hinzunahme einer dritten Eigenschaft<br />

B. Wir übersetzen in die Situation von polarisierten Zwillingsphotonen:<br />

Detektor 1 1. Polarisator 2. Polarisator Detektor 2<br />

2-Photonen-Quelle<br />

W V<br />

Es sollen zwei Eigenschaften (Polarisationsrichtungen α und β) beobachtet werden,<br />

weshalb Paare identischer Zwillinge gewählt werden müssen; hierzu wird eine dritte<br />

Eigenschaft (Polarisationsrichtung γ) hinzu gezogen.<br />

Beobachtung: Bei parallelen Polarisatoren (α = β) sprechen die Detektoren 1 und 2 stets<br />

gleichzeitig an (Koinzidenzen), bei orthogonalen (α ⊥ β) nie.<br />

Klassische Erklärungsversuche<br />

1. Hypothese: Die beiden Photonen werden mit der gleichen Polarisation emittiert, die<br />

Polarisationsrichtung variiert von Photonen- zu Photonenpaar.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 65<br />

B


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

Diese Hypothese widerspricht dem Experiment, denn bei orthogonalen Polarisatoren<br />

müssten von den zu diesen diagonal (45°) polarisierten Paaren die einzelnen Photonen<br />

mit der Wahrscheinlichkeit 1/2 unabhängig voneinander passieren, es müssten also<br />

manchmal beide Detektoren klicken, was nie geschieht. Folglich besitzen die Photonen<br />

keine Polarisatonsrichtung.<br />

2. Hypothese: In einer Instruktionsliste sei festgelegt, ob die Photonen einen in eine<br />

bestimmte Richtung orientierten Polarisationsfilter passieren oder nicht (dies entspräche<br />

der Annahme verborgener Parameter).<br />

Nun bezeichne N (α,β) die Anzahl der Photonenpaare, die bei α-Stellung des ersten<br />

Polarisators und bei β-Stellung des zweiten beide Detektoren klicken lassen; nach Bellscher<br />

Idee führe eine dritte Polarisationsrichtung γ ein, und wir erhalten die Abschätzung<br />

N (α,β) ≤ N (α,γ) + N (β,γ) ,<br />

wobei N (b,γ) die Anzahl der Photonenpaare ist, bei denen Detektor 1 bei β-Stellung des<br />

1. Polarisators klickt und Detektor 2 bei γ-Stellung des 2. Polarisators nicht klickt.<br />

Nach Division durch die Anzahl N aller Photonenpaare, die bei parallelen Polarisatoren<br />

beide Detektoren passieren, also<br />

N(α,β)<br />

N<br />

≤ N(α,γ)<br />

N<br />

+ N(β,γ)<br />

N<br />

, (*)<br />

erreicht man den Übergang zu Wahrscheinlichkeiten. Diese Ungleichung muss nun jede<br />

Theorie mit verborgenen Parametern erfüllen.<br />

In der Quantentheorie (vgl. Beispiel in 3.3.1) werden<br />

die Wahrscheinlichkeiten durch die Quadrate cos2 und sin2 beschrieben, das Argument ist die Differenz<br />

der Stellungen der Polarisatoren 1 und 2.<br />

sin α<br />

α<br />

cos α<br />

Setzt man diese quantentheoretischen Wahrscheinlichkeiten<br />

in die Bellsche Ungleichung (*) ein, so folgt<br />

die Beziehung<br />

cos2 (β – α) ≤ cos2 (γ – α) + sin2 (γ – β) . (**)<br />

Für α = 0°, β = 30° und γ = 60° folgt der Widerspruch<br />

3/4 ≤ 1/4 + 1/4 .<br />

Alle lokalen Theorien mit verborgenen Parametern genügen der Bellschen Ungleichung,<br />

die Quantentheorie erfüllt gemäß (**) diese Ungleichung nicht. Experimentelle Befunde<br />

widerlegen für Quanten die Bellsche Ungleichung und bestätigen die Quantentheorie,<br />

damit ist auch die zweite Hypothese nicht haltbar.<br />

So erhalten Photonen in der Quelle weder eine Polarisationsrichtung noch gibt es eine<br />

durch verborgene (unmessbare) Parameter festgelegte Instruktionsliste für ein Verhalten<br />

der Photonen, wenn sie Polarisatoren begegnen sollten. Nach Bohr wird erst im<br />

Moment der Messung die Realität der Polarisation erzeugt, und zwar am ganzen System<br />

Diphoton, d. h. beide Einzelphotonen erhalten gleichzeitig dieselbe Polarisationsrichtung,<br />

ohne dass ein dazwischen liegendes Feld dies vermitteln müsste.<br />

66 Interpretationen der Quantentheorie


Joachim Lillig Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments<br />

3.5 Unklassisch und unverzichtbar<br />

Wir stellen noch einmal Merkmale aus dem Mikrobereich zusammen, die klassisch<br />

unverständlich bleiben, auf die die Quantentheorie aber nicht verzichten kann.<br />

– Nachdem nicht ψ, aber |ψ| 2 messtechnisch relevant ist, könnte man die Meinung<br />

vertreten, ganz auf ψ verzichten zu können. Für |ψ| 2 kann es aber keine Schrödingergleichung<br />

geben, da die Entwicklungen von Quanten nicht vorhergesagt werden<br />

können. Deshalb müssen in der Schrödingergleichung zusätzliche Parameter enthalten<br />

sein, die bei einer Messung verloren gehen, das sind die Phasen. Die Quantentheorie<br />

muss mit mathematischen Objekten hantieren, die solche Phasen enthalten<br />

und die der Schrödingergleichung genügen, und das tut ψ, nicht aber |ψ| 2 .<br />

– Mit Hilfe der Operatoren und der Zustandsvektoren sollen in einer Theorie alle<br />

Messresultate theoretisch vorhergesagt werden. Dieses ehrgeizige Programm ist in<br />

der Quantentheorie aufgegeben worden. Es stellt sich nämlich heraus, dass<br />

Messwerte statistisch streuen und Wellenmuster bilden. So besteht die Aufgabe darin,<br />

alle Messwerte, die auftreten können, zu finden und die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen,<br />

mit der die einzelnen Messwerte eintreten können.<br />

– Die Quantentheorie ist wesentlich komplex.<br />

a) Die Schrödingersche Grundgleichung enthält den Faktor i.<br />

b) Für die Lösung ψ (x,t) = a ei(kx – ωt) des freien <strong>Teil</strong>chens ist die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

P (x,t) = |ψ (x,t)| 2 = |a| 2 konstant und unabhängig von x. So ist die<br />

Wahrscheinlichkeit, das <strong>Teil</strong>chen anzutreffen, überall gleich. Wäre ψ eine reelle<br />

Sinuswelle, so änderte sich das Betragsquadrat von Punkt zu Punkt, P (x,t) wäre<br />

nicht konstant. Daher muss ψ komplexwertig sein.<br />

– Superpositionen sind nicht messbar, aber sie existieren:<br />

Beim Doppelspaltexperiment existiert vor der Regi-<br />

Sp 2<br />

strierung ein quantenmechanischer Zustand, der die<br />

beiden Möglichkeiten, entweder durch Spalt 1 oder<br />

durch Spalt 2 zu gehen, als Superposition mit gleicher<br />

Wahrscheinlichkeit enthält.<br />

Solche Überlagerungen existieren, denn andernfalls<br />

gäbe es nur die beiden Zustände<br />

Sp 1<br />

|durch Spalt 1> oder |durch Spalt 2> .<br />

Nach dem Prinzip der Wiederholbarkeit einer Messung<br />

müsste ein Elektron im Zustand |durch Spalt 1><br />

den Spalt 1 passieren, ein Elektron im Zustand<br />

|durch Spalt 2> den Spalt 2.<br />

Dann würde die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

durch I + I beschrieben werden, ein <strong>Teil</strong>chenbild<br />

1 2<br />

müsste entstehen, was der Beobachtung widerspricht.<br />

Interpretationen der Quantentheorie 67


Fachliches Potential des Doppelspaltexperiments Joachim Lillig<br />

– Quantensprung<br />

Im Messprozess wird eine der beiden Möglichkeiten |durch Spalt 1> oder |durch<br />

Spalt 2> zur Realität, die Superposition wird in nicht deterministischer Weise zerstört.<br />

Man spricht<br />

– vom Kollaps der Wellenfunktion,<br />

– von der Reduktion des Zustandsvektors oder<br />

– vom Quantensprung.<br />

– Indeterminismus<br />

Weil bis heute nicht beeinflusst werden kann, welche der Möglichkeiten realisiert<br />

wird, und weil eine physikalische Interpretation des Messprozesses nicht gelungen<br />

ist, kann auf den Quantensprung nicht verzichtet werden.<br />

Die unstetige Änderung bei der Messung ist eine unausweichliche Konsequenz der<br />

Wahrscheinlichkeitsinterpretation von ψ. Diese Reduktion wird nicht mehr durch die<br />

stetige Schrödingergleichung beschrieben und bewirkt so einen Indeterminismus in<br />

der Quantentheorie. Die zentrale Frage ist, wie dieser Vorgang zustande kommt bzw.<br />

wodurch er bewirkt wird.<br />

– Heisenbergsche Unschärferelation<br />

Quanten können nicht immer gleichzeitig feste Werte von zwei Eigenschaften zugeordnet<br />

werden.<br />

4 Literatur<br />

Die Literatur findet sich am Ende des Beitrages Interpretationen und Quantenphilosophie<br />

von Joachim Lillig in diesem Heft auf Seite 159.<br />

68 Interpretationen der Quantentheorie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!