Holzeisen zu - blog.de
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Wirtschaft<br />
System außer Kontrolle<br />
Affäre Gastrofresh: „Als Anwältin, Bürgerin, Mutter und Steuerzahlerin muss<br />
ich mich gegen dieses System auflehnen.“ Renate <strong>Holzeisen</strong> (Kanzlei Rimbl,<br />
<strong>Holzeisen</strong> & Partners) über <strong>de</strong>n Kampf von Josef Renzler „gegen das System“.<br />
„Ich lass mich von diesem mafiösen<br />
System nicht beeindrucken“: Renzler-<br />
Anwältin Renate <strong>Holzeisen</strong><br />
ff: Üblicherweise beschäftigen Sie sich<br />
mit international tätigen Unternehmen.<br />
Hier vertreten Sie <strong>de</strong>n Bauern Josef<br />
Renzler in <strong>de</strong>ssen einsamem und verzweifeltem<br />
Kampf gegen Milkon und<br />
Raiffeisenverband. Sie vertreten einen ...<br />
Renate <strong>Holzeisen</strong>: Sie meinen einen Hitzkopf,<br />
einen Miesmacher? So will man ihn<br />
darstellen. Aber ich vertrete keinen Einzelkämpfer,<br />
son<strong>de</strong>rn mehrere Bauern, die<br />
ein Zivilverfahren gegen die Milkon sowie<br />
gegen die an <strong>de</strong>r Gastrofresh beteiligte Privatperson<br />
angestrengt haben. Einige vom<br />
Milchauszahlungspreis leben<strong>de</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>de</strong>r<br />
getrauen sich, ihre berechtigten<br />
Anliegen in <strong>de</strong>r Angelegenheit<br />
Milkon-Gastrofresh <strong>zu</strong>r Geltung <strong>zu</strong> bringen.<br />
Wobei man versucht, sie mundtot <strong>zu</strong><br />
machen. Man tut alles, um <strong>zu</strong> verhin<strong>de</strong>rn,<br />
dass diese schwerwiegen<strong>de</strong> Angelegenheit<br />
in ihrer gesamten Tragweite ans Tageslicht<br />
kommt.<br />
ff: Ihre Gegenseite behauptet, Renzler<br />
kämpft um <strong>de</strong>n Obmann-Sessel.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Darum geht es ihm sicher nicht.<br />
Er verlangt, dass die gesetzlichen Regeln und<br />
die Sat<strong>zu</strong>ngen eingehalten wer<strong>de</strong>n. Deswegen<br />
will man ihn fertigmachen. Renzler war,<br />
wenn man so will, ein Unglücksfall für ein<br />
System.<br />
ff: Als Senni-Obmann hat aber Renzler<br />
alle wichtigen Beschlüsse in diesem Zusammenhang<br />
abgesegnet.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Der damalige Vorstand <strong>de</strong>r Milkon<br />
war falsch informiert.<br />
ff: Und zwar von wem?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Vom damaligen Geschäftsführer<br />
(A. Huber; AdR.), von <strong>de</strong>ssen Beratern,<br />
vom Aufsichtsrat. Wobei es wohl auch das<br />
Einverständnis <strong>de</strong>s Raiffeisenverban<strong>de</strong>s<br />
gegeben hat. Je<strong>de</strong>nfalls ist von dieser Seite<br />
kein Einwand gekommen. Man hat <strong>de</strong>n<br />
Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn vorgegaukelt, dass die<br />
Ausglie<strong>de</strong>rung notwendig sei, man hat behauptet,<br />
dass ein gleichzeitiger Vertrieb von<br />
Produkten <strong>de</strong>r Sennerei und an<strong>de</strong>rer Produkte<br />
nur möglich sei, wenn man diesen Bereich<br />
in eine Kapitalgesellschaft auslagert ...<br />
ff: Man sagte, es sei die beste Lösung.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Das ist eine glatte Lüge. Außer<strong>de</strong>m<br />
haben die Sat<strong>zu</strong>ngen <strong>de</strong>r Milkon ausdrücklich<br />
vorgesehen, dass die Milkon sehr<br />
wohl mit an<strong>de</strong>ren Produkte Han<strong>de</strong>l treiben<br />
kann, was sie auch schon getan hatte.<br />
ff: Das heißt, das, was jetzt die Gastrofresh<br />
macht, könnte die Milkon selber<br />
besser machen?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Genau. Mit <strong>de</strong>m Unterschied,<br />
Landwirtschaftslan<strong>de</strong>srat Berger Raiffeisenverbanddirektor Palla<br />
dass vom Gewinn, <strong>de</strong>r daraus resultiert, effektiv<br />
die Milchbauern profitieren wür<strong>de</strong>n.<br />
ff: Die Milkon bezeichnet die Gastrofresh<br />
als Glücksfall, als Erfolgsgeschichte.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Es stimmt, dass die Gastrofresh<br />
eine Erfolgsgeschichte ist, aber für die an <strong>de</strong>r<br />
Gastrofresh beteiligte Privatperson, nicht für<br />
die Milchbauern.<br />
ff: Das müssen Sie erklären.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Es han<strong>de</strong>lt sich hier um einen<br />
produktionsfrem<strong>de</strong>n Erlös. Der anteilige<br />
Gewinn <strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft Gastrofresh<br />
Abbasciano<br />
muss <strong>zu</strong>nächst in die Genossenschaft zweiten<br />
Gra<strong>de</strong>s Milkon ausgeschüttet wer<strong>de</strong>n,<br />
die davon fast alle gesetzlich festgelegten<br />
Seehauser,<br />
Reserven <strong>zu</strong>führen muss. Letztendlich bleibt Fotos:<br />
18 No. 17 / 2007 No. 17 / 2007<br />
19<br />
Foto: Ludwig Thalheimer
Wirtschaft<br />
für die Basisgenossenschaften Mila und Senni<br />
nur ein kläglich kleiner Rest.<br />
ff: Na immerhin.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Ich nennen Ihnen die Zahlen:<br />
Wenn die Gastrofresh einen Gewinn vor<br />
Steuern von einer Million aufweist, beträgt<br />
<strong>de</strong>r Gewinn nach Steuern, <strong>de</strong>r an die Privatperson<br />
ausgeschüttet wer<strong>de</strong>n kann, circa<br />
300.000 Euro, <strong>de</strong>r Gewinn hingegen, <strong>de</strong>r<br />
je<strong>de</strong>m einzelnen Milchbauern ausgeschüttet<br />
wer<strong>de</strong>n könnte, beträgt dagegen einen Cent.<br />
Damit wird <strong>de</strong>utlich, wie wirtschaftlich unsinnig<br />
für die Milchbauern diese Konstruktion<br />
ist. Das ist mittlerweile auch <strong>de</strong>m Vorstand<br />
<strong>de</strong>r Milkon bewusst, <strong>de</strong>nnoch wird es<br />
<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Basisgenossenschaften<br />
verschwiegen.<br />
ff: Das Problem ist nicht die Gastrofresh,<br />
son<strong>de</strong>rn, dass Andreas Huber sich daran<br />
eine gol<strong>de</strong>ne Nase verdient?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Die Basisgenossenschaften Mila<br />
und Senni haben in jahrzehntelanger Tätigkeit<br />
einen wertvollsten Kun<strong>de</strong>nstock aufgebaut.<br />
Dieser Kun<strong>de</strong>nstock wur<strong>de</strong> im Jahr<br />
1997 in die Milkon eingebracht und dann<br />
in die Gastrofresh gratis ausgelagert. Also,<br />
die Gastrofresh konnte aufgrund dieses „Geschenkes“<br />
ja nur eine Erfolgsgeschichte wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber eben für Herrn Huber.<br />
ff: Böse Absicht o<strong>de</strong>r ...?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Das eigentliche Problem be-<br />
ginnt bereits 1997. Die Milchbauern sind seit<br />
diesem Zeitpunkt nur mehr an <strong>de</strong>n Basisgenossenschaften<br />
Mila und Senni direkt beteiligt.<br />
Diese bei<strong>de</strong>n Basisgenossenschaften<br />
ernennen <strong>de</strong>n Verwaltungsrat, <strong>de</strong>r die Basisgenossenschaften<br />
in <strong>de</strong>r Genossenschaft<br />
zweiten Gra<strong>de</strong>s namens Milkon vertritt. De<br />
facto wissen die Milchbauern also gar nicht<br />
mehr, was in <strong>de</strong>r Milkon läuft, obwohl hier<br />
die wesentlichen Entscheidungen betreffend<br />
Produktion und Vertrieb getroffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wobei erschwerend da<strong>zu</strong>kommt, dass man<br />
es auch unterlassen hat, sie vollständig und<br />
korrekt <strong>zu</strong> informieren.<br />
ff: Sie wollen sagen, die Mitglie<strong>de</strong>r haben<br />
die Operation Gastrofresh gar nicht<br />
richtig mitbekommen?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Die Operation Gastrofresh wur<strong>de</strong><br />
von einem kleinen Kreis und von nachweislich<br />
wenig beziehungsweise falsch<br />
informierten Milkon-Verwaltungsräten beschlossen.<br />
In eine solche Entscheidung mit<br />
weitreichen<strong>de</strong>n Konsequenzen hätte man<br />
die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Basisgenossenschaften<br />
miteinbeziehen müssen.<br />
ff: Wo orten Sie die Verantwortlichen?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Wenn man sich anschaut, wer<br />
1997 diese Konstruktion angeleiert hat, fällt<br />
auf, dass es sich um dieselben Akteure han<strong>de</strong>lt,<br />
die dann die Ausglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vertriebes<br />
an die Gastrofresh forciert haben: <strong>de</strong>r<br />
ehemalige Geschäftsführer, seine Berater,<br />
<strong>de</strong>r Aufsichtsrat und <strong>de</strong>r Raiffeisenverband<br />
als dafür <strong>zu</strong>ständiges Kontrollorgan. Wenn<br />
es die Kontrolle gegeben hat, dann heißt das,<br />
dass man die Operation für gut befun<strong>de</strong>n hat.<br />
Ansonsten müsste man <strong>de</strong>n Schluss ziehen,<br />
dass <strong>de</strong>r Raiffeisenverband von 1997 bis<br />
2003, also bis <strong>zu</strong> <strong>de</strong>m Zeitpunkt, an <strong>de</strong>m die<br />
Bombe geplatzt ist, nicht kontrolliert hat.<br />
ff: Die Bombe wäre nie geplatzt, gäbe es<br />
nicht diesen Renzler, diesen Störfaktor.<br />
Ex-Milkon-Geschäftsführer Huber Stein <strong>de</strong>s Anstoßes: die „Gastrofresh“<br />
Mit <strong>de</strong>r Annullierung <strong>de</strong>r Vorstandswahl <strong>de</strong>r<br />
Senni vom 28. April 2004 durch das Verwaltungsgericht<br />
Bozen hat die Verwirrung rund<br />
um die sogenannte Milkon-Gastrofresh-Affäre<br />
einen weiteren Höhepunkt erfahren. Wer<br />
ist jetzt <strong>de</strong>r Obmann <strong>de</strong>r Senni? Sind nicht nur<br />
die Verwaltungsräte hinfällig, son<strong>de</strong>rn auch<br />
sämtliche seit 2004 gefassten Beschlüsse?<br />
O<strong>de</strong>r muss, wie Rechtsanwalt Gerhard Brandstätter<br />
in seiner Expertise feststellt, erst auf<br />
das <strong>de</strong>finitive Urteil gewartet wer<strong>de</strong>n. Für Renate<br />
<strong>Holzeisen</strong>, die Rechtsanwältin von Josef<br />
Renzler, besteht kein Zweifel: „Senni-Obmann<br />
ist Josef Renzler.“ Gleichzeitig weist sie<br />
aber darauf hin, dass es nicht primär um die<br />
Obmannschaft geht, son<strong>de</strong>rn um ein tiefer<br />
liegen<strong>de</strong>s Problem.<br />
Es geht, wie <strong>Holzeisen</strong> im ff-Interview darlegt,<br />
um die Frage, ob und von wem im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Ver-<br />
verwirrspiel obmannschaft<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Ich erinnere daran, dass es nicht<br />
nur ihn gibt. Bei <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Unmut immer größer. Ich erinnere mich<br />
an stürmische Versammlungen, wo man<br />
versucht hat, die aufgebrachten Bauern <strong>zu</strong><br />
beschwichtigen. Warum waren sie aufgebracht?<br />
Weil sie verstan<strong>de</strong>n haben, was über<br />
ihren Köpfen beschlossen wor<strong>de</strong>n ist, und<br />
dass man sie nicht korrekt informiert hat.<br />
ff: Zur Wehr setzten sie sich aber nicht.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Es war Josef Renzler, <strong>de</strong>r gehan<strong>de</strong>lt<br />
hat. Als er erkannnte, dass Beschlüsse<br />
und Verträge in eklatanter Weise zwingen<strong>de</strong>s<br />
Genossenschaftsrecht verletzten, als<br />
triebes von einer Genossenschaft (Milkon) in<br />
eine Kapitalgesellschaft (Gastrofresh) die Interessen<br />
<strong>de</strong>r Milchbauern verletzt wur<strong>de</strong>n. Inzwischen<br />
hat sich auch die Milkon-Spitze von<br />
gewissen Modalitäten <strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung distanziert.<br />
Josef Renzler – und mit ihm Renate<br />
<strong>Holzeisen</strong> sowie zehn betroffene Genossenschaftsmitglie<strong>de</strong>r<br />
– bohren aber tiefer. Sie<br />
wollen die Angelegenheit auf zivil- und strafrechtlicher<br />
Ebene klären und dass die Verantwortlichen<br />
<strong>zu</strong>r Rechenschaft gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Das wollte auch die Finanzpolizei. Wie aus<br />
einem ff vorliegen<strong>de</strong>n Bericht <strong>de</strong>s „Comando<br />
nucleo provinciale“ vom 19. Jänner 2005 hervorgeht,<br />
ersucht Hauptmann Maggiore Paolo<br />
Della Giorgia die Staatsanwaltschaft um weitere<br />
Ermittlungen. Der Grund: „... al fine di<br />
raccogliere elementi probatori sul disegno<br />
criminso <strong>de</strong>l (...) ed eventali responsabilità<br />
penali <strong>de</strong>lle altre persone implicate.“<br />
20 No. 17 / 2007<br />
ihm bewusst wur<strong>de</strong>, dass Verträge in Unwissenheit<br />
<strong>de</strong>s Verwaltungsrates – ausgenommen<br />
<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt – abgeschlossen wur<strong>de</strong>n,<br />
hat er erkannt: Hier ist Feuer am Dach.<br />
ff: Stimmt es, dass Sie ursprünglich von<br />
<strong>de</strong>r Milkon kontaktiert wor<strong>de</strong>n sind?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Man hat mich als Beraterin herangezogen.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>r wenigen Unterlagen,<br />
die ich einsehen konnte, empfahl ich <strong>de</strong>m<br />
Milkon-Verwaltungsrat, die Angelegenheit<br />
prüfen <strong>zu</strong> lassen, mit <strong>de</strong>m Hinweis darauf,<br />
dass Personen, die diese Dinge mittragen,<br />
ja Gefahr laufen, selber haftbar gemacht <strong>zu</strong><br />
wer<strong>de</strong>n. Wer in einer Genossenschaft eine<br />
Verwaltungs- o<strong>de</strong>r Aufsichtsratsposition<br />
innehat, hat schließlich klare zivilrechtliche<br />
Verpflichtungen.<br />
ff: Hat sich die Milkon-Spitze Ihre Ratschläge<br />
<strong>zu</strong> Herzen genommen?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Ich habe in zwei Vorstandssit<strong>zu</strong>ngen<br />
meinen Standpunkt dargelegt und<br />
konkrete Schritte empfohlen. Denn solange<br />
jemand nicht weiß, was los ist, könnte man<br />
davon ausgehen, er han<strong>de</strong>lte im guten Glauben.<br />
Wobei dies für die Bauern gelten konnte,<br />
die als Verwaltungsräte tätig waren, nicht aber<br />
für Aufsichtsräte. Die müssten eigentlich wissen,<br />
was Verträge be<strong>de</strong>uten.<br />
ff: Hat man also auf Sie gehört?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Nach<strong>de</strong>m es offensichtlich Druck<br />
von außen gegeben hat, wollte <strong>de</strong>r Vorstand<br />
mehrheitlich nicht han<strong>de</strong>ln. Josef Renzler in<br />
seiner Funktion als Vizeobmann <strong>de</strong>r Milkon<br />
und Obmann <strong>de</strong>r Basisgenossenschaft Senni<br />
war damit nicht einverstan<strong>de</strong>n und hat Strafanzeige<br />
erstattet. Dadurch ist <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r<br />
No. 17 / 2007<br />
Milkon-Verantwortlichen in Zugzwang geraten<br />
und hat am Tag darauf ebenfalls Anzeige<br />
erstattet. Weil Renzler nicht nur einen Alibiakt<br />
setzen, son<strong>de</strong>rn die ganze Angelegenheit<br />
ans Tageslicht bringen und rückgängig machen<br />
wollte, wur<strong>de</strong> er extrem angefein<strong>de</strong>t. Da<br />
spürte er, was es heißt, sich gegen das System<br />
<strong>zu</strong> stellen.<br />
ff: Was soll mit <strong>de</strong>r Klage erreicht wer<strong>de</strong>n?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Die von zehn Milchbauern angestrengte<br />
zivilrechtliche Klage richtet sich<br />
gegen die Beschlüsse und Verträge, die da<strong>zu</strong><br />
geführt haben, dass wertvollster Kun<strong>de</strong>n-<br />
Milkon-Obmann Albere Milkon-Kritiker Renzler<br />
„ Es gibt viele Menschen, die<br />
erkannt haben, dass dieses<br />
System nicht mehr tragbar<br />
ist. Aber sie trauen sich<br />
nicht.“<br />
Renate <strong>Holzeisen</strong><br />
stock gratis von <strong>de</strong>r Milkon an die Gastrofresh<br />
ausgelagert wur<strong>de</strong>. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich um<br />
eine illegale Auslagerung von geschütztem<br />
Genossenschaftsvermögen in eine Kapitalgesellschaft.<br />
Genossenschaften, die <strong>de</strong>m<br />
Wechselseitigkeitsprinzip verpflichtet sind<br />
und daher weitestgehen<strong>de</strong> Steuerbefreiung<br />
und großzügige Beiträge genießen, müssen<br />
garantieren, dass ihr Vermögen in <strong>de</strong>r Genossenschaft<br />
bleibt. Verträge, die <strong>de</strong>m <strong>zu</strong>wi<strong>de</strong>rlaufen,<br />
sind null und nichtig.<br />
ff: Warum hat man es dann gemacht?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Offensichtlich, weil wir es mit<br />
einem System <strong>zu</strong> tun haben, das keine effek-<br />
tive Kontrolle kennt beziehungsweise keine<br />
<strong>zu</strong> fürchten braucht.<br />
ff: Was ist für Sie „das System“?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Wir haben es mit einer extremen<br />
Vernet<strong>zu</strong>ng von Politik und Verbandswesen<br />
<strong>zu</strong> tun. Dies hat <strong>zu</strong>r Folge, dass <strong>de</strong>mokratische<br />
Kontrollmechanismen außer Kraft<br />
gesetzt wer<strong>de</strong>n. Wenn Macht unkontrolliert<br />
ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann, kann sie sich fast alles<br />
leisten. Menschen, die dagegen opponieren,<br />
wer<strong>de</strong>n mundtot gemacht. Die Folge ist<br />
– ich muss es lei<strong>de</strong>r sagen – die Folge ist eine<br />
„omertà“ ma<strong>de</strong> in Südtirol.<br />
ff: Eine Mauer <strong>de</strong>s Schweigens?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Beispiel Genossenschaftskommission.<br />
Praktisch nicht existent. Dadurch<br />
weiß man nicht, wer <strong>de</strong>n Raiffeisenverband<br />
kontrolliert. Auch bei <strong>de</strong>m han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um eine Genossenschaft, die laut Gesetz einer<br />
Kontrolle unterliegt. Nur: Nach<strong>de</strong>m die<br />
betreffen<strong>de</strong> Kompetenz von <strong>de</strong>n Regionen<br />
auf die Provinzen übergegangen ist, hat man<br />
in Trient dieses Kontrollorgan eingesetzt, in<br />
Südtirol nicht.<br />
ff: Hat man Sie unter Druck gesetzt?<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Man wollte mich <strong>zu</strong>nächst als Irre<br />
abstempeln. Das ist nicht gelungen. Als Anwältin<br />
und Wirtschaftsprüferin, die für internationale<br />
Konzerne arbeitet, kann ich von<br />
dieser lokalen Mafia nicht unter Druck gesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
ff: Lokale Mafia? Starker Tobak!<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Wie sonst soll ich sie nennen? Es<br />
war das Glück von Herrn Renzler, dass er an<br />
jeman<strong>de</strong>n geraten ist, <strong>de</strong>r von diesem mafiösen<br />
System we<strong>de</strong>r abhängt noch sich von<br />
ihm beeinflussen lässt. Denn genau das ist ja<br />
das Problem in Südtirol: Es gibt viele Leute,<br />
<strong>de</strong>nen das System nicht passt, die erkannt<br />
haben, dass vieles nicht mehr tragbar ist, aber<br />
sie getrauen sich nicht, sich dagegen auf<strong>zu</strong>lehnen,<br />
weil sie eben Angst haben, irgendwelche<br />
Nachteile in Kauf nehmen <strong>zu</strong> müssen. Ein<br />
interessanter Posten, Beiträge, eine Grund<strong>zu</strong>weisung:<br />
Die Palette <strong>de</strong>r Druckmittel ist groß.<br />
Langsam scheint sich aber was <strong>zu</strong> regen.<br />
ff: Sie sprechen wie eine angehen<strong>de</strong> Oppositionspolitikerin.<br />
<strong>Holzeisen</strong>: Nein, ich bin Anwältin. Aber ich<br />
bin auch Bürgerin, Mutter und Steuerzahlerin<br />
dieses Lan<strong>de</strong>s. Wenn ich dann auch noch<br />
direkt mit einer Situation konfrontiert wer<strong>de</strong>,<br />
die <strong>de</strong>rmaßen offenkundig illegal und faul ist,<br />
und wenn die Verantwortlichen alles tun, um<br />
<strong>de</strong>n Skandal <strong>zu</strong><strong>zu</strong><strong>de</strong>cken, dann muss es je<strong>de</strong>m<br />
politisch <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Menschen, <strong>de</strong>r die verfassungsmäßigen<br />
Prinzipien ernst nimmt, ein<br />
Anliegen sein, sich dagegen auf<strong>zu</strong>lehnen.<br />
Interview: Norbert Dall`Ò<br />
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