Was ist eine anorektale Fehlbildung? - Marienhospital Herne

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30.04.2013 Aufrufe

Behandlungsschwerpunkt Anorektale Fehlbildung (Analatresie) Was ist eine anorektale Fehlbildung? (gleichbedeutend auch: Analastresie; anorektale Malformation) Es liegen eine Fehlform und -lage der Po-Öffnung (Anus) vor. Diese ist stets nach vorn, d.h. beim Knaben in Richtung Hodensack (Scrotum) oder beim Mädchen in Richtung Scheideneingang (Vestibulum vaginae) verlagert. Damit ist gleichzeitig eine Störung der Koordination zwischen innerem Schließmuskel (Sphinkter ani internus) und den Muskeln des Beckenbodens (Levatortrichter) gegeben. Bei sog. hohen Formen der anorektalen Fehlbildung ist äußerlich keine Darmöffnung zu sehen. Häufig besteht eine äußerlich sichtbare, blind endende Einsenkung des Dammes, das Analgrübchen. • Das Vorliegen einer anorektalen Fehlbildung wird meist unmittelbar nach der Geburt festgestellt. Manchmal ist eine chronische Verstopfung beim älteren Kind wegweisendes Zeichen. Welche Formen der anorektalen Fehlbildung gibt es? Grundsätzlich sind Form und Ausprägung einer anorektalen Fehlbildung individuell unterschiedlich. Mit dem Ziel der Vergleichbarkeit bezüglich Behandlung und Behandlungsergebnissen sowie Langzeitfolgen wurden anorektale Fehlbildungen in Gruppen unterteilt: Entsprechend der Internationalen Krikenbeck-Klassifikation kann man folgende Hauptgruppen Unterscheiden (modifizierte Liste): Formen, die sowohl bei Jungen als auch Mädchen vorkommen: • Perineale (kutane) Fistel – Analöffnung gut sichtbar, jedoch nach vorn verlagert. • Analstenose – Die Analöffnung ist zu eng (Abb. 1) • Anorektale Fehlbildung ohne Fistel – die äußere Darmöffnung ist nicht sichtbar, der Enddarm endet blind im Beckenboden. Besondere geschlechtsspezifische Formen ♂ Junge • Rekto-urethrale Fistel – die äußere Darmöffnung ist nicht sichtbar - der Enddarm mündet als Fistel in die Harnröhre. • Rekto-vesikale Fistel – die äußere Darmöffnung ist nicht sichtbar - Mündung des Enddarmes in die Harnblase. Jungen, bei denen der Enddarm in die Harnblase oder hintere Harnröhre mündet sind besonders gefährdet eine bakterielle Harnwegsinfektion zu erleiden. Ursache ist das Übertreten von Stuhl aus dem Enddarm in die Harnwege. Durch Anlage eines vorgeschalteten zeitweiligen Darmausganges – „Kolostoma“ – wird diese Gefahr weitgehend unterbunden. 1

Behandlungsschwerpunkt<br />

Anorektale <strong>Fehlbildung</strong> (Analatresie)<br />

<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> <strong>anorektale</strong> <strong>Fehlbildung</strong>?<br />

(gleichbedeutend auch: Analastresie; <strong>anorektale</strong> Malformation)<br />

Es liegen <strong>eine</strong> Fehlform und -lage der Po-Öffnung (Anus) vor. Diese <strong>ist</strong> stets nach vorn, d.h.<br />

beim Knaben in Richtung Hodensack (Scrotum) oder beim Mädchen in Richtung<br />

Scheideneingang (Vestibulum vaginae) verlagert.<br />

Damit <strong>ist</strong> gleichzeitig <strong>eine</strong> Störung der Koordination zwischen innerem Schließmuskel<br />

(Sphinkter ani internus) und den Muskeln des Beckenbodens (Levatortrichter) gegeben. Bei<br />

sog. hohen Formen der <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> <strong>ist</strong> äußerlich k<strong>eine</strong> Darmöffnung zu sehen.<br />

Häufig besteht <strong>eine</strong> äußerlich sichtbare, blind endende Einsenkung des Dammes, das<br />

Analgrübchen.<br />

• Das Vorliegen <strong>eine</strong>r <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> wird me<strong>ist</strong> unmittelbar nach der<br />

Geburt festgestellt. Manchmal <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> chronische Verstopfung beim älteren<br />

Kind wegweisendes Zeichen.<br />

Welche Formen der <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> gibt es?<br />

Grundsätzlich sind Form und Ausprägung <strong>eine</strong>r <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> individuell<br />

unterschiedlich. Mit dem Ziel der Vergleichbarkeit bezüglich Behandlung und<br />

Behandlungsergebnissen sowie Langzeitfolgen wurden <strong>anorektale</strong> <strong>Fehlbildung</strong>en in Gruppen<br />

unterteilt:<br />

Entsprechend der Internationalen Krikenbeck-Klassifikation kann man folgende<br />

Hauptgruppen<br />

Unterscheiden (modifizierte L<strong>ist</strong>e):<br />

Formen, die sowohl bei Jungen als auch Mädchen vorkommen:<br />

• Perineale (kutane) F<strong>ist</strong>el – Analöffnung gut sichtbar, jedoch nach vorn verlagert.<br />

• Analstenose – Die Analöffnung <strong>ist</strong> zu eng (Abb. 1)<br />

• Anorektale <strong>Fehlbildung</strong> ohne F<strong>ist</strong>el – die äußere Darmöffnung <strong>ist</strong> nicht sichtbar,<br />

der Enddarm endet blind im Beckenboden.<br />

Besondere geschlechtsspezifische Formen<br />

♂ Junge<br />

• Rekto-urethrale F<strong>ist</strong>el – die äußere Darmöffnung <strong>ist</strong> nicht sichtbar - der Enddarm<br />

mündet als F<strong>ist</strong>el in die Harnröhre.<br />

• Rekto-vesikale F<strong>ist</strong>el – die äußere Darmöffnung <strong>ist</strong> nicht sichtbar - Mündung des<br />

Enddarmes in die Harnblase.<br />

Jungen, bei denen der Enddarm in die Harnblase oder hintere Harnröhre mündet sind<br />

besonders gefährdet <strong>eine</strong> bakterielle Harnwegsinfektion zu erleiden. Ursache <strong>ist</strong> das<br />

Übertreten von Stuhl aus dem Enddarm in die Harnwege. Durch Anlage <strong>eine</strong>s<br />

vorgeschalteten zeitweiligen Darmausganges – „Kolostoma“ – wird diese Gefahr<br />

weitgehend unterbunden.<br />

1


♀ Mädchen<br />

• Vestibuläre F<strong>ist</strong>el – Die Darmöffnung liegt im hinteren Scheidenvorhof (Abb. 2).<br />

Seltene Varianten<br />

Ist bei Kindern mit <strong>eine</strong>r <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> mit Begleitfehlbildungen zu<br />

rechnen?<br />

In jedem Falle sollten an die Möglichkeit des Vorliegens weiterer <strong>Fehlbildung</strong>en gedacht<br />

werde. Eine Ausschlussdiagnostik sollte erfolgen.<br />

Beobachtet werden nachfolgende Begelitfehlbildungen:<br />

• Magen-Darm-Trakt (angeborener Speiseröhrenverschluss, Zwölffingerdarm-<br />

Verschluss)<br />

• das Herz (Herzscheidewanddefekt):<br />

• die Nieren und Harnleiter (Erweiterung von Nierenbecken und Harnleitern, Rückfluss<br />

von Urin);<br />

• die Geschlechtsorgane (Harnröhrenverkürzung beim Knaben;, doppelte Scheide);<br />

• des Kreuzb<strong>eine</strong>s sowie des unteren Rückenmarkes (Fehlen von Wirbeln,<br />

Spaltbildung, Fesselung des Rückenmarkes) und andere mehr.<br />

Welche Untersuchungen sind erforderlich?<br />

Die Diagnose wird häufig bereits durch den Neugeborenenarzt (Neonatologen) gestellt. Die<br />

genaue Untersuchung des Kindes durch den erfahrenen Kinderchirurgen gibt weiterhin<br />

Aufschluss über die zugrunde liegende <strong>Fehlbildung</strong>.<br />

Wenn k<strong>eine</strong> äußere Darmöffnung sichtbar <strong>ist</strong> erfolgt nach 24 Stunden <strong>eine</strong><br />

Röntgenuntersuchung im queren Strahlengang (Columbia-Technik).<br />

Weiterhin sind nachfolgende Untersuchungen sinnvoll:<br />

• Urinuntersuchung zum Ausschluß <strong>eine</strong>r Stuhlbeimengung (beim Knaben);<br />

• Ultraschalluntersuchung des Herzens (Herzfehler?);<br />

• Ultraschall des Bauches und der Nieren (Niernstauung?);<br />

• Ultraschall der Kreuzbeinregion (Anomalien des Rückenmarkes?).<br />

Welche Operationen sind erforderlich?<br />

Ziel <strong>ist</strong> die rechtzeitige Herstellung <strong>eine</strong>r möglichst normalen Anatomie des Kontinenzorgans.<br />

Dies <strong>ist</strong> die Grundlage <strong>eine</strong>r späteren regulären Stuhlentleerung. Voraussetzung für die<br />

Funktion <strong>ist</strong> das Vorhandensein der Schließmuskeln des Beckenbodens. Insbesondere bei<br />

hohen Formen der Analatresie sind bestimmte Muskeln des Kontinenzapparates von<br />

vorneherein nicht ausgebildet. Hier liegen unter anderem die Grenzen der Korrektur.<br />

In vielen Fällen <strong>ist</strong> beim Neugeborenen zunächst die Anlage <strong>eine</strong>s zeitweiligen<br />

künstlichen Dickdarmausganges, <strong>eine</strong>s Kolostomas, erforderlich. Nach Anlage dieses<br />

künstlichen Darmausganges kann das Kind dann zügig mit der Ernährung über den Mund<br />

aufgebaut werden.<br />

Die Korrekturoperation erfolgt dann später unter dem Schutz des Kolostomas, d.h. der<br />

Enddarm kann an Sollstelle einheilen ohne dass zunächst Stuhl über die Wunde fließt und<br />

somit <strong>eine</strong> Wundinfektion begünstigen würde. Wenn ein Stoma angelegt wurde erfolgt die<br />

definitive Operation nach ca. 4 (bis 8) Wochen.<br />

Sollte man sich andernfalls für <strong>eine</strong> Korrekturoperation der <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> ohne<br />

Stomaanlage entscheiden, so sind bestimmte Vorkehrungen zu treffen:<br />

(1) Reinigung des Darmes durch <strong>eine</strong> präoperative ausgiebige Darmspülung<br />

(2) Anlage <strong>eine</strong>s zentralen Venenkatheters und Ernährung des Kindes über 7 bis 10<br />

Tage über die Vene<br />

(3) Nahrungskarenz über diese Zeit.<br />

2


Verschiedene Operationsmethoden stehen zur Auswahl. In vielen Fällen operieren wir<br />

mittels der Technik der Posterioren Sagittalen Ano-Rekto-Plastik (PSARP) nach Pena/de<br />

Vries. Dabei wird das Kind in Bauchlage positioniert. Mittels <strong>eine</strong> Muskelstimulators kann<br />

die Position des äußeren Schließmuskels dargestellt und als Zielpunkt markiert werden.<br />

Während der Operation können die Muskeln des Kontinenzapparates identifiziert und<br />

entsprechend den Erfordernissen rekonstruiert werden.<br />

Für hohe Formen beim Knaben kommt der laparoskopisch ass<strong>ist</strong>ierte Durchzug nach<br />

Georgeson in Betracht.<br />

Nach dem Heilen der Operationswunde und erfolgreichem Bougieren der Darmöffnung wird<br />

der zeitweilige Darmausgang chirurgisch verschlossen.<br />

Postoperative Nachsorge<br />

• Harnblasenkatheter über 5 bis 7 Tage.<br />

• Fadenentfernung am Stoma <strong>ist</strong> nicht erforderlich (selbsauflösende Fäden)<br />

• Fadenentfernung am Damm nach 14 Tagen anlässlich der ersten Kalibrierung bzw.<br />

Weitung (Dilatation) der neu geschaffenen Analöffnung.<br />

Die postoperative Weitung (Bougierung) , Analdilatation) der neu angelegten<br />

Darmöffnung <strong>ist</strong> ein untrennbarer Bestandteil der Nachbehandlung. Sie beginnt 2 bis 3<br />

Wochen nach der Operation. Dazu dienen metallische Hegar-Stifte, die den Eltern mit nach<br />

Hause gegeben werde. Begonnen wird mit der Stärke, die zunächst problemlos eingeführt<br />

werden kann.<br />

Bis zum Erreichen der Zielgröße (siehe Tabelle) wird 2x täglich zu Hause geweitet.<br />

Steigerung des Durchmessers wöchentlich um ½ Hegar-Stärke.<br />

Alter Größe des Hegar-<br />

Stiftes<br />

1-4 Monate 10 bis12<br />

4- 12 12 bis 14<br />

4-12 Jahre 16<br />

>12 Jahre 17<br />

Nach Erreichen des altersgemäßen Kalibers kann die Häufigkeit der Kalibrierung reduziert<br />

werden. In Anlehnung an Pena <strong>ist</strong> nachfolgender Modus an:<br />

• 1mal proTag über 1 Monat;<br />

• 2mal pro Woche (Mo und Do) über 2 Monate;<br />

• 1mal pro Woche für 1 Monat;<br />

• 1mal pro Monat.<br />

Wird mein Kind nach der Operation <strong>eine</strong> normale Stuhlentleerung haben?<br />

Grundsätzlich <strong>ist</strong> trotz erfolgreicher Operation auch weiterhin mit funktionellen Problemen zu<br />

rechnen. Für die Stuhlkontinenz und willkürliche Stuhlentleerung <strong>ist</strong> das Zusammenspiel des<br />

Schließmuskels mit der Sensibilität des Analkanales und der Transportfunktion des<br />

Enddarmes ausschlaggebend.<br />

Prinzipiell können postoperativ <strong>eine</strong> Verstopfungsneigung oder auch vermehrt dünne<br />

Stühle auftreten. Das Auskommen der Kinder, d.h. die Prognose, hängt insbesondere von<br />

der zugrunde liegenden <strong>Fehlbildung</strong> ab. Bei vielen Kindern kommt mit zunehmendem Alter<br />

und auch Interesse und Selbstwahrnehmung zu <strong>eine</strong>r Besserung oder Normalisierung der<br />

Situation.<br />

Eine Langzeit-Nachbetreuung unter Beteiligung <strong>eine</strong>s kompetenten Kinderchirurgen <strong>ist</strong><br />

deshalb dringend zu angeraten. Mittels <strong>eine</strong>s sog. Bowel management –Programmes<br />

erreichen auch Kinder mit <strong>eine</strong>r hochgradigen <strong>anorektale</strong>n <strong>Fehlbildung</strong> <strong>eine</strong> gute<br />

Lebensqualität.<br />

3


<strong>Was</strong> kann man tun, wenn das Kind/der Jugendliche notwendige Einläufe über den Po<br />

ablehnt?<br />

Besonders mit Beginn der Pubertät lehnen viele Kinder Einläufe, die letztendlich <strong>eine</strong>n<br />

Eingriff in die Intimsphäre des Heranwachsenden darstellen, ab. Eine Möglichkeit besteht<br />

darin, die Jugendlichen zu befähigen, diese Maßnahme selbst durchzuführen.<br />

Ist dies nicht möglich, so kommt die Anlage <strong>eine</strong>s „kontinenten Appendikostomas“ nach<br />

Malone („Malone procedure“) in Frage. Dieses Vorgehen bedarf des Einverständnisses der<br />

Eltern und der Kooperation des Heranwachsenden.<br />

Wo finden Eltern Anschluss an andere Betroffene?<br />

In Deutschland ex<strong>ist</strong>iert seit 1989 die Selbsthilfeorganisation für Menschen mit<br />

Anorektalfehlbildungen (SoMA e.V.). Die Internetadresse lautet: www.soma-ev.de.<br />

Worterklärung:<br />

Anus = äußere Öffnung des Enddarmes („Po-Loch“)<br />

Dilalation = Weitung<br />

Kolostoma = chirurgisch angelegter Ausgang des Dickdarmes vor der Operation<br />

Kontinenz = Stuhlkontrolle, d.h. Fähigkeit, den Stuhl zu halten und bewußt zu entleeren<br />

Rektum = Mastdarm<br />

Sphinkter = ringförmiger Schließmuskel<br />

Vestibulär = Mündung ins Vestibulum vaginae, d.h. den Vorhof zur Scheide<br />

Empfohlene Literatur<br />

Langmeijer Th M. Anorektale <strong>Fehlbildung</strong>en – ein lebenslanges Problem. SoMA Aktiv 2007:<br />

12: 24-29<br />

Levitt MA, Pena A. Treatment of fecal incontinence. In: Holschneider AM, Hutson JM (eds.)<br />

Anorectal malformations in children. Springer 2006: 377-383<br />

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