Versuch 8: Thyristor
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Praktikum Elektronische Bauelemente<br />
Theoretische Unterlagen<br />
<strong>Versuch</strong> 8: <strong>Thyristor</strong><br />
Stand: 20. April 2010<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Allgemeines 3<br />
2 Aufbau des <strong>Thyristor</strong>s 3<br />
3 Wirkungsweise und Kennlinien 3<br />
3.1 Verhalten bei negativer Anodenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
3.2 Verhalten bei positiver Anodenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
3.3 Der Zündvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
3.3.1 Erläuterung des Zündens anhand des Zweitransistormodells . . 5<br />
3.3.2 Die Zündbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
3.3.3 Zündung ohne Steuerstrom (ISt = 0) . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
3.3.4 Zündung durch den Steuerstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
3.4 Löschen des <strong>Thyristor</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
3.5 Kennlinie des Steuerkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
3.6 Temperaturabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
4 Dynamische Eigenschaften 9<br />
4.1 Kritische Spannungsanstiegsgeschwindigkeit du/dt . . . . . . . . . . . 9<br />
4.2 Kritische Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
4.3 Einschaltverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
4.4 Ausschaltverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
5 Vergleich von <strong>Thyristor</strong> und mechanischem Schalter 13<br />
5.1 Vorteile von <strong>Thyristor</strong>en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
5.2 Nachteile von <strong>Thyristor</strong>en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
2
I<br />
U<br />
ISt<br />
I + ISt<br />
p sn sp A<br />
(+) n (+)<br />
1 Allgemeines<br />
Abbildung 1: Schichtstruktur und Schaltbild des <strong>Thyristor</strong>s.<br />
Der <strong>Thyristor</strong>, ein Halbleiterbauelement mit der Funktionsweise einer steuerbaren<br />
Gleichrichterzelle, hat in der Starkstromtechnik große Bedeutung erlangt. Mit einer<br />
Einzelzelle werden heute Sperrspannungen von einigen 1000 V und Dauergrenzströme<br />
von mehr als 2 kA erreicht. Der Leistungsbereich kann durch Reihen- und Parallelschaltung<br />
noch erheblich erweitert werden. Typen kleiner Leistung finden zunehmend<br />
Anwendung in der Elektronik. Im angloamerikanischen Schrifttum ist für den <strong>Thyristor</strong><br />
die Bezeichnung SCR (silicon controlled rectifier) üblich.<br />
2 Aufbau des <strong>Thyristor</strong>s<br />
Der <strong>Thyristor</strong> ist ein Vierschichtelement (pnpn) mit drei pn-Übergängen. Gemäß Abbildung<br />
1 ist die Schichtung: p-Emitter (mit Anodenelektrode), n-Basis, p-Basis (mit<br />
Steuerelektrode), n-Emitter (mit Kathodenelektrode). Die Emitter sind stark, die Basen<br />
schwach p- bzw. n-dotiert. Als Ausgangsmaterial wird für <strong>Thyristor</strong>en wegen der<br />
geforderten hohen Spannungsfestigkeit und Temperaturbeständigkeit Silizium verwendet<br />
(großer Bandabstand).<br />
3 Wirkungsweise und Kennlinien<br />
Die Wirkungsweise des <strong>Thyristor</strong>s läßt sich durch das Verhalten der drei abwechselnd<br />
entgegengesetzten pn-Übergänge unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Beeinflussung<br />
erklären. Die Strom-Spannungs-Kennlinie (Abbildung 2) zeigt vier verschiedene<br />
Bereiche: für negative Anodenspannung die Sperrkennlinie (R) und für positive<br />
Anodenspannung die Blockierkennlinie (B), die Durchlasskennlinie (F) und einen<br />
Kennlinienast mit negativem differentiellem Widerstand (N).<br />
3.1 Verhalten bei negativer Anodenspannung<br />
Bei Anlegen einer Sperrspannung −UAK (Anode negativ) an den <strong>Thyristor</strong> liegt der<br />
mittlere pn-Übergang in Flussrichtung und die beiden äußeren pn-Übergänge sind in<br />
G<br />
K<br />
3
IH<br />
(R) Sperrbereich<br />
I<br />
UH<br />
(N)<br />
(F) Durchlassbereich<br />
ISt > 0<br />
ISt = 0<br />
UBT0<br />
(B) Blockierbereich<br />
Abbildung 2: Strom-Spannungs-Kennlinie mit Nullkippspannung UBT0 Haltespannung<br />
UH und Haltestrom IH.<br />
Sperrichtung gepolt. Somit ist der <strong>Thyristor</strong>strom im wesentlichen durch den Sperrstrom<br />
über die beiden äußeren pn-Übergänge bestimmt (unabhängig vom Potential<br />
der Steuerelektrode). Wegen der niedrig dotierten Basen (sn, sp) sind sehr hohe Sperrspannungen<br />
möglich. In Abbildung 3 a) sind der Potentialverlauf und die Raumladungszonen<br />
für den gesperrten <strong>Thyristor</strong> dargestellt.<br />
3.2 Verhalten bei positiver Anodenspannung<br />
Bei Polung in Schaltrichtung liegen die beiden äußeren pn-Übergänge in Flussrichtung,<br />
der mittlere dagegen in Sperrichtung. Steigert man, vom stromlosen Zustand ausgehend,<br />
die Spannung, so fließt nur der geringe Sperrstrom den mittleren sn-Übergangs,<br />
solange die Steuerspannung UST ≤ 0 V ist.<br />
Es ergibt sich die Blockierkennlinie (B) wie sie in Abbildung 2 zu sehen ist. In<br />
Abbildung 3 b) sind die Raumladungszone und der Potentialverlauf für diesen Betriebszustand<br />
dargestellt.<br />
Im Durchlassbereich existiert noch ein weiterer Betriebszustand, der durch den Vergleich<br />
mit der psn-Diode verständlich wird. Beim psn-Gleichrichter wird die schwach<br />
dotierte sn-Zone bei Betrieb in Flussrichtung, mit Ladungsträgern aus der stark dotierten<br />
p-Zone überschwemmt. Für starke Flussströme ist es unbedeutend, ob diese<br />
Zone aus zwei verschieden dotierten Bereichen besteht. Man erhält die Durchlasskennlinie<br />
(F). Die Flussspannung liegt je nach Strom und <strong>Thyristor</strong>temperatur zwischen<br />
4<br />
U
A<br />
000 111<br />
000 111<br />
sn sp 01<br />
n<br />
01<br />
K A<br />
sn 00000 11111<br />
00000 11111<br />
U 000 111<br />
01<br />
G<br />
U 00000 11111<br />
G<br />
(+)<br />
UAK<br />
p sp<br />
(+) p (+) n (+)<br />
UAK<br />
x x<br />
a) Sperrpolung b) Blockierpolung<br />
Abbildung 3: Raumladungszonen und Potentialverlauf des <strong>Thyristor</strong>s in<br />
a) Sperrbetrieb (links) und<br />
b) Blockierbetrieb (rechts).<br />
1 und 2 V.<br />
Der Übergang von der Blockier- in die Flusskennlinie erfolgt bei Erreichen der Nullkippspannung<br />
UBT0 (über Kopf zünden) oder wird durch einen Zündimpuls zwischen<br />
Kathode und der anschließenden p-Basis (Gate) eingeleitet (positive Steuerspannung).<br />
3.3 Der Zündvorgang<br />
3.3.1 Erläuterung des Zündens anhand des Zweitransistormodells<br />
Denkt man sich den <strong>Thyristor</strong> aus zwei Transistoren zusammengesetzt (Abbildung 4),<br />
lässt sich der Zündvorgang sehr anschaulich darstellen.<br />
Schließt man den Steuerkreis des <strong>Thyristor</strong>s, so führt der Steuerstrom ISt zugleich<br />
Basistrom des Transistors T1, zu einer um den Stromverstärkungsfaktor β verstärkten<br />
Elektroneninjektion des n-Emitters E1 in die p-Basis B1, die dort zum Teil rekombinieren.<br />
Der Hauptteil des Emitterstromes gelangt zum Kollektor C1 (IC1 = αnpn·IE1 )<br />
und steuert nun über die Basis B2 den pnp-Transistor T2. Dies führt zu einer verstärkten<br />
Löcherinjektion des p-Emitters E2 (Anode) in die Basis B2, wovon ein Großteil<br />
zu Kollektor C2 fließt (IC2 = αpnp · IE2 ) und wiederum als Steuerstrom für den npn-<br />
Transistor T1 wirkt. Der Gesamtstrom I schaukelt sich mittkopplungsartig auf, sodass<br />
die schwach dotierten Zonen schließlich mit Ladungsträgern überschwemmt werden.<br />
Der zunächst gesperrte mittlere pn-Übergang Ü2 verliert seine Sperrfähigkeit.<br />
3.3.2 Die Zündbedingung<br />
Die Zündbedingung des <strong>Thyristor</strong>s lässt sich aus der Strombilanz der n-Basis B2<br />
welche keine äußeren Anschlüsse besitzt, angeben (siehe Abbildung 5). Über den pn-<br />
Übergang Ü1 fließt der von Löchern geführte Gesamtstrom I der n-Basis zu. Davon<br />
K<br />
5
+<br />
−<br />
A<br />
E2 B2 C2<br />
p n p<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
0000 1111<br />
IV III<br />
II<br />
n<br />
RL<br />
III II<br />
C1<br />
Abbildung 4: Zweitransistormodell des <strong>Thyristor</strong>s zur Erläuterung des Zündvorgangs.<br />
rekombiniert ein Teil (1 − αpnp) · I in der Basis, wobei jeder Rekombinationsprozess<br />
dieser ein Elektron entzieht.<br />
Die übrigen Löcher (αpnp · I) fließen durch den Übergang Ü2 zum Kollektor von T2<br />
ab. Gleiches gilt für die durch Ü3 vom n-Emitter injizierten Elektronen, von denen<br />
nur (1 − αnpn) · (Ist + I) in der p-Basis rekombinieren und αnpn · I der n-Basis zufließen.<br />
Außer den Strömen αpnp ·I und αnpn ·(I + Ist) ist in der Strombilanz noch der<br />
Sperrstrom des pn-Übergangs Ü2 zu berücksichtigen.<br />
Im stationären Zustand muss in der n-Basis die Summe aller Ströme Null sein, d.h.<br />
p<br />
B1<br />
I − αpnp · I − Isp + (−αnpn) · (I + Ist) = 0 (1)<br />
1<br />
I =<br />
1 − (αnpn + αpnp) · (Isp + αnpnIst) (2)<br />
Wesentlich für die Wirkung des Sperr- und Steuerstromes sind die in der Gleichung<br />
enthaltenen Stromverstärkungsfaktoren, die bei kleinen Strömen stark stromabhängig<br />
sind (Abbildung 6). Bei niedrigen Strömen werden relativ viele Ladungsträger durch<br />
Traps (erlaubte Zustände im verbotenen Band) eingefangen und rekombinieren, wodurch<br />
α stark von 1 abweicht. Mit zunehmendem Strom werden die Traps gesättigt<br />
und die Stromverstärkungsfaktoren α steigen an.<br />
6<br />
I<br />
E1<br />
R<br />
n<br />
−<br />
+<br />
K
αpnp ·I<br />
Ü1 Ü2 Ü3<br />
p n p n<br />
A I<br />
I + ISt<br />
I<br />
K<br />
Isp<br />
IV III II<br />
I<br />
(−1)αnpn ·(I + ISt)<br />
G<br />
ISt<br />
Abbildung 5: Ströme im <strong>Thyristor</strong>.<br />
Abbildung 6: Stromverstärkungsfaktoren<br />
−(I + ISt)<br />
7
3.3.3 Zündung ohne Steuerstrom (ISt = 0)<br />
Kommt die <strong>Thyristor</strong>spannung im Blockierbetrieb in die Nähe des Diodendurchbruchs,<br />
erreicht der Sperrstrom die Größenordnung von einigen mA. Er ersetzt den nicht<br />
vorhandenen Steuerstrom (siehe Summationspunkt in Abbildung 5) und lässt die<br />
Stromverstärkungsfaktoren αnpn und αpnp anwachsen (Abbildung 6), bis der <strong>Thyristor</strong><br />
zündet. Diese Art der Zündung nennt man „über Kopf zünden“; großflächige<br />
<strong>Thyristor</strong>en werden dadurch leicht zerstört (inhomogene Stromverteilung). Die für<br />
diesen Zündvorgang nötige Spannung heißt Nullkippspannung UBT0 .<br />
3.3.4 Zündung durch den Steuerstrom<br />
Die Zündung des <strong>Thyristor</strong>s wird bei beliebig kleinen Sperrströmen möglich, wenn ein<br />
Steuerstrom eingespeist und dadurch die Summe der Stromverstärkungen<br />
αnpn + αpnp ≥ 1<br />
wird.<br />
Aus Gleichung 1 erkennt man, dass sich für gleich große Anodenströme I beim<br />
Fließen eines Steuerstromes kleinere Sperrströme ergeben. Daraus folgt, dass die positiven<br />
Sperrkennlinien für Ist > 0 innerhalb der Kennlinie für Ist = 0 liegen. Die höchste<br />
Spannung jeder Schaltkennlinie heißt Kippspannung UBT, der zugehörige Strom<br />
Kippstrom. Der Übergang von der Durchlasskennlinie in die Kennlinie mit negativem<br />
differentiellem Widerstand ist durch den Haltestrom IH und die Haltespannung UH<br />
charakterisiert (Abbildung 2).<br />
Die zur Zündung des <strong>Thyristor</strong>s nötigen Ladungsträger können durch Strahlung<br />
(Licht) erzeugt werden. Optische zündbare <strong>Thyristor</strong>en bieten große Vorteile, da Zündübertrager<br />
durch Lichtleiter ersetzt werden können. Dies bedeutet eine galvanische<br />
Trennung von Last- und Steuerkreis, welche Störeinkopplungen eliminiert. Die Lichterzeugung<br />
kann durch Lumineszenzdioden realisiert werden.<br />
3.4 Löschen des <strong>Thyristor</strong>s<br />
Der Anodenstrom eines gezündeten <strong>Thyristor</strong>s bleibt auch ohne Steuerstrom bestehen,<br />
solange ihn die äußere Beschaltung liefert. Für den Übergang von der Fluss- in<br />
die Blockierkennlinie ist Voraussetzung, dass die mittlere, überschwemmte sn-sp-Zone<br />
frei von Ladungsträgern wird. Dies ist der Fall, wenn der Anodenstrom auf einen<br />
kleineren Wert als der Haltestrom absinkt, sodass die Ladungsträger in den Basiszonen<br />
rekombinieren oder wenn durch Umpolen der Anodenspannung die Ladungsträger<br />
sehr schnell abgesaugt werden.<br />
Eine weitere Möglichkeit wäre das Löschen durch einen negativen Steuerstrom. Dies<br />
wurde in sogenannten GTOs (GateTurnOff <strong>Thyristor</strong>en) realisiert. Grenzen sind diesem<br />
Verfahren wegen der hohen thermischen Belastung der <strong>Thyristor</strong>en durch sehr<br />
hohe negative Steuerströme beim Löschen gesetzt (etwa 30-50% des Anodenstromes).<br />
8
Abbildung 7: Streugrenzen der Steuerstreckenkennlinie<br />
mit Zündbereich<br />
(schraffiert).<br />
3.5 Kennlinie des Steuerkreises<br />
Die Strom-Spannungs-Kennlinie zwischen Gate und Kathode entspricht grundsätzlich<br />
der einer Siliziumdiode. Die sehr große laterale Ausdehnung der Gatezone bewirkt<br />
einen hohen Bahnwiderstand und dadurch einen flacheren Verlauf der Kennlinie als<br />
für Si-Dioden typisch. Zudem fließt der Steuerstrom im wesentlichen parallel zu den<br />
pn-Übergängen, was zu einer großen Exemplarstreuung führt. Es ist deshalb üblich, für<br />
<strong>Thyristor</strong>en eines Typs eine obere und untere Grenze der Steuerelektroden-Kennlinie<br />
anzugeben, zwischen denen der Zündbereich liegt.<br />
3.6 Temperaturabhängigkeit<br />
Sämtliche <strong>Thyristor</strong>daten, insbesondere auch die noch zu behandelnden dynamischen<br />
Kennwerte, sind stark temperaturabhängig. Es werden deshalb in Datenblättern die<br />
Grenzwerte jeweils für maximale Betriebstemperatur angegeben.<br />
Ein Ansteigen der Temperatur bewirkt eine Zunahme der Sperrströme sowohl in<br />
Sperr- als auch in Blockierrichtung und eine Zunahme der Stromverstärkungsfaktoren<br />
αpnp und αnpn (Abbildung 6). Dadurch wird die Zündbedingung αnpn + αpnp ≥ 1<br />
bei kleinerem Steuerstrom bzw. für Ist = 0 bei einer geringen Blockierspannung erreicht,<br />
was eine starke Abnahme der Blockierfähigkeit zur Folge hat. Oberhalb einer<br />
bestimmten Temperatur verliert der <strong>Thyristor</strong> sein Funktionsfähigkeit völlig.<br />
4 Dynamische Eigenschaften<br />
4.1 Kritische Spannungsanstiegsgeschwindigkeit du/dt<br />
Bei Beanspruchung von <strong>Thyristor</strong>en in Blockierrichtung durch eine schnell ansteigende<br />
Spannung fließt zum mittleren pn-Übergang aufgrund seiner Sperrschichtkapazität ein<br />
kapazitiver Ladestrom ic = C · du<br />
dt . Steigt die Spannung schneller als mit der kritischen<br />
Spannungsanstiegsgeschwindigkeit an, so kann dieser Strom den <strong>Thyristor</strong> schon vor<br />
seiner statischen Kippspannung zünden (Abbildung 9).<br />
9
Abbildung 8: Sperrkennlinie des pn-übergangs Ü2 bei verschiedenen Temperaturen<br />
(links). Nullkippspannung als Funktion der Temperatur (rechts).<br />
10<br />
Abbildung 9: Kippspannung UBT als Funktion von du<br />
dt .
UAK<br />
0.9<br />
0.1<br />
td<br />
tr<br />
te = td + tr<br />
Abbildung 10: Definition der Einschaltzeit te = td + tr<br />
4.2 Kritische Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt<br />
Nach der Zündung des <strong>Thyristor</strong>s breitet sich der Zündvorgang mit endlicher Geschwindigkeit<br />
von der Gatezone weg aus. Demnach ist der Laststrom momentan auf<br />
eine kleine Fläche begrenzt, sodass bei einer Überschreitung der kritischen Stromanstiegsgeschwindigkeit<br />
in diesem Bereich die kurzzeitige sehr hohe Stromdichte eine<br />
thermische Zerstörung des <strong>Thyristor</strong>s herbeiführen kann. Bei hohen Werten für di<br />
dt<br />
werden die Einschaltverluste besonders groß.<br />
4.3 Einschaltverhalten<br />
Nach dem Anlegen eines Zündimpulses an den blockierten <strong>Thyristor</strong> beginnt das eigentliche<br />
Durchschalten erst nach einer Einschaltverzugszeit td, die vom Steuerimpuls<br />
und der Blockierspannung abhängt. Dann erst schaltet der <strong>Thyristor</strong> mit der Durchschaltezeit<br />
tr durch (Abbildung 10).<br />
4.4 Ausschaltverhalten<br />
Das Ausschaltverhalten des <strong>Thyristor</strong>s nach dem Umpolen der Spannung (Kommutierung)<br />
ist in zwei Bereiche zu unterteilen. Diese sind die Zeitspanne bis zur Wiedererlangung<br />
der negativen Sperrfähigkeit zum einen und der Blockierfähigkeit zum<br />
anderen.<br />
Nach dem Nulldurchgang des Stromes kann der <strong>Thyristor</strong> seine negative Sperrfähigkeit<br />
erst erlangen, wenn die beiden äußeren pn-Übergänge nahezu frei von Ladungsträgern<br />
sind. Das Absaugen dieser Ladungen bewirkt einen negativen Rückstrom,<br />
dessen Höhe von der Flussstromstärke und der abkommutierenden Stromsteilheit abhängt.<br />
Die Zeit vom Nulldurchgang des Stromes bis zum Nulldurchgang des Spannung<br />
t<br />
11
U<br />
I t > tq<br />
I<br />
ts<br />
U<br />
trr<br />
t < tq<br />
C1 groß<br />
C1 klein<br />
Abbildung 11: Strom- und Spannungsverlauf bei der Kommutierung.<br />
ist als Spannungsnachlaufzeit ts definiert. Sobald die Ladungen aus den äußeren pn-<br />
Übergängen abgesaugt sind, sinkt der Rückstrom auf den Sperrsättigungsstrom ab.<br />
Jetzt hat der <strong>Thyristor</strong> seine volle Sperrfähigkeit erreicht (Sperrverzögerungszeit trr).<br />
Zu diesem Zeitpunkt befinden sich jedoch noch Ladungsträger in den schwach dotierten<br />
Zonen, sodass der <strong>Thyristor</strong> erst wieder blockieren kann, wenn diese abgesaugt<br />
oder rekombiniert sind. Die erforderliche Zeit vom Stromnulldurchgang bis zur Wiedererlangung<br />
der Blockierfähigkeit wird als Freiwerdezeit tq bezeichnet.<br />
Die Abhängigkeit der Freiwerdezeit von Temperatur und Anodenspannung zeigt<br />
Abbildung 12.<br />
Abbildung 12: Typische Freiwerdezeit abhängig von Temperatur (links) und Sperrspannung<br />
(rechts).<br />
12<br />
t
5 Vergleich von <strong>Thyristor</strong> und mechanischem Schalter<br />
5.1 Vorteile von <strong>Thyristor</strong>en<br />
• hohe Lebensdauer (kein Kontaktabbrand)<br />
• Sicherheit (Stoßfestigkeit, keine Funkenbildung)<br />
• hohe Schaltgeschwindigkeit<br />
– Möglichkeit der Phasenanschnittsteuerung<br />
– Möglichkeit des Nullpunktschaltens<br />
• geringe Steuerleistung<br />
• optische Ansteuerung<br />
• prellfrei, geräuschlos<br />
5.2 Nachteile von <strong>Thyristor</strong>en<br />
• für Wechselstrom ist Triac oder zwei <strong>Thyristor</strong>en nötig<br />
• nur ein Stromkreis<br />
• Spannungsabfall im durchgeschalteten Zustand ≥ 3 V<br />
• Leckstrom (z.B. 4 · 10 −4 · Inenn)<br />
• keine galvanische Trennung<br />
• zwischen Ein- und Ausgang minimaler Schaltstrom (Haltestrom)<br />
• Überlastbarkeit begrenzt<br />
• di<br />
dt<br />
• du<br />
dt<br />
kritisch bei kapazitiver Last<br />
kritisch bei induktiver Last<br />
• maximale Schaltspannung UBT0<br />
• Temperaturbereich<br />
13
Literatur<br />
[1] Gerlach: <strong>Thyristor</strong>en. Springer, 1979.<br />
[2] Gerlach und Köhl: Festkörperprobleme Braunschweig. 1969.<br />
[3] Ginsbach: Der <strong>Thyristor</strong> E u M. 1965.<br />
[4] GmbH, Alfred Neye Enatechnik (Herausgeber): RCA Halbleiterschaltungen der<br />
Nachrichtentechnik. Quickborn Hamburg.<br />
[5] Grauert: Aufbau, Funktion und Anwendung steuerbarer Siliziumgleichrichter.<br />
Techn. Rundschau, (20), 1961.<br />
[6] Hoffmann und Stocker: <strong>Thyristor</strong>handbuch. Siemens, Berlin, 1965.<br />
[7] Müller, R.: Bauelemente der Halbleiterelektronik 2. Springer, 4. Auflage, 1991.<br />
[8] Spenke: Festkörperprobleme. Braunschweig Vieweg, 1967.<br />
[9] Tille, Thomas und Doris Schmitt-Landsiedel: Mikroelektronik. Springer Berlin,<br />
2004.<br />
14