NZB 04/2013
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APRIL <strong>2013</strong><br />
N I E D E R S Ä C H S I S C H E S<br />
ZAHNÄRZ TEBLATT<br />
4<br />
18<br />
30<br />
34<br />
Kollateralschaden<br />
Versorgung einer<br />
jugendlichen Patientin<br />
mit Amelogenesis<br />
imperfecta<br />
Möglichkeiten und<br />
Grenzen des Zahnerhalts<br />
bei Milchzähnen<br />
Therapieoptionen<br />
im Milchgebiss
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Dr. Armin Nedjat
Alterszahnmedizin als eine Herausforderung<br />
der demografischen Entwicklung<br />
Der demographische Wandel stellt auch unser<br />
Gesundheitssystem vor große Herausforderungen.<br />
Vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl älterer<br />
und hochbetagter Menschen müssen wir unter anderem<br />
definieren, wie die Seniorenzahnmedizin der Zukunft aussehen<br />
muss. Dies umso mehr, als auch die Senioren keine<br />
homogene Bevölkerungsgruppe darstellen. Altern geht nicht<br />
zwangsläufig mit Krankheit und Gebrechlichkeit einher. So<br />
ist im Bereich der Zahnmedizin zum Beispiel festzustellen,<br />
dass aufgrund besserer Prävention noch viele Senioren<br />
über eigene Zähne verfügen. Zugleich wird jedoch der<br />
Bevölkerungsanteil der Menschen, die chronisch krank,<br />
multimorbid oder pflegebedürftig sind, deutlich zunehmen,<br />
mit unmittelbaren Konsequenzen für die Zahngesundheit.<br />
Zum Beispiel lässt sich ein deutlicher Anstieg der Parodontitis<br />
bei Senioren beobachten, die zu Wechselwirkungen<br />
mit anderen Erkrankungen führen kann. Weiterhin können<br />
bestimmte Verhaltensmuster, aber auch medikamentöse<br />
Therapien sowie bestimmte Krankheitsbilder im Alter<br />
spezielle Mundgesundheitsprobleme auslösen. Auch die<br />
Mundhygiene spielt eine bedeutende Rolle. Eine regelmäßige<br />
Mund- und Prothesenpflege ist unerlässlich. Dies gilt<br />
in besonderer Weise für pflegebedürftige Menschen. Dafür<br />
ist eine gute Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen<br />
Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern sowie Pflegefachkräften<br />
erforderlich. Hilfestellung ist auch dann vonnöten,<br />
wenn zum Beispiel auf Grund von Koordinationsstörungen<br />
die motorischen Voraussetzungen für das Zähneputzen nicht<br />
mehr vorhanden sind, dieses Problem wird oft unterschätzt.<br />
Auch die möglicherweise eingeschränkte Mobilität der<br />
älteren Patienten, die es ihnen unter Umständen erschwert<br />
bis unmöglich macht, in die Praxis zu kommen, muss in<br />
diesem Zusammenhang in Betracht gezogen werden. Neben<br />
dem gesundheitlichen Aspekt sind immer auch mögliche<br />
psychische Auswirkungen zu berücksichtigen, da etwa die<br />
Voraussetzungen, verständlich zu sprechen oder Nahrung<br />
kauen zu können, einen wichtigen Teil der Lebensqualität<br />
ausmachen.<br />
Derzeit ist in Deutschland eine Ausbildung in Seniorenzahnmedizin<br />
nicht verpflichtend in der Approbationsordnung<br />
© ms-niedersachsen<br />
festgeschrieben. Angesichts der eingangs skizzierten<br />
Bevölkerungsentwicklung ist es jedoch geboten, eine<br />
kontinuierliche Weiterentwicklung der zahnmedizinischen<br />
Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten, um den speziellen<br />
Bedürfnissen älterer Menschen Rechnung tragen zu können.<br />
Schon jetzt gibt es auf kommunaler Ebene erste Ansätze,<br />
sich mit diesem wichtigen Thema zu beschäftigen.<br />
Am 26. April <strong>2013</strong> wird in der Zahnärztlichen Akademie in<br />
Hannover der erste interdisziplinäre Kongress zum Thema<br />
Alterszahnmedizin und Altenpflege stattfinden. Bisher<br />
arbeiten Zahnmediziner sowie Pflegekräfte im Alltag noch<br />
weitgehend unabhängig von einander. Dabei liegt auf<br />
der Hand, dass sich aus einem regelmäßigen Austausch<br />
wichtige Synergieeffekte zugunsten der Patientinnen und<br />
Patienten ergeben können. Genau an dieser Stelle will der<br />
Kongress ansetzen. Durch das Zusammentreffen und den<br />
wechselseitigen Austausch soll das gegenseitige Verständnis<br />
gefördert werden. Insofern bietet diese Veranstaltung eine<br />
gute Gelegenheit für alle Akteure, miteinander ins Gespräch<br />
zu kommen. Angesichts der Bedeutung des Themas, die in<br />
Zukunft noch zunehmen wird, wünsche ich diesem interessanten<br />
Kongress viele Besucherinnen und Besucher. <br />
— Cornelia Rundt, Sozialministerin<br />
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie,<br />
Gesundheit und Integration<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | E D I T O R I A L<br />
1<br />
E D I T O R I A L
I M P R E S S U M<br />
NIEDERSÄCHSISCHES ZAHNÄRZTEBLATT – 48. Jahrgang<br />
Monatszeitschrift niedersächsischer Zahnärztinnen und Zahnärzte mit<br />
amtlichen Mitteilungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />
(KZVN), erscheint elfmal jährlich, jeweils zum 15. eines jeden Monats.<br />
HERAUSGEBER<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen<br />
Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />
Postfach 81 03 64, 30503 Hannover;<br />
Tel.: 0511 8405-0, Internet: www.kzvn.de<br />
REDAKTIONSBÜRO<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>),<br />
c/o KZVN, Heike Philipp, Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />
Tel.: 0511 8405-207; Fax: 0511 8405-262;<br />
E-Mail: nzb-redaktion@kzvn.de<br />
REDAKTION<br />
Dr. Lutz Riefenstahl, Redaktionsleiter (lr)<br />
Breite Straße 2 B, 31028 Gronau<br />
Tel.: 05182 921719; Fax: 05182 921792<br />
E-Mail: riefenstahl@kzvn.de<br />
Dr. Michael Loewener (loe)<br />
Rabensberg 17, 30900 Wedemark<br />
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E-Mail: dr.loewener@yahoo.de<br />
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Elke Steenblock-Dralle (st-dr)<br />
c/o KZVN, Zeißstraße 11, 30519 Hannover<br />
E-Mail: info@kzvn.de<br />
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Steinbruchstraße 8c, 30629 Hannover<br />
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Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />
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Heinz Neumann, Tel.: 0211 569731-39, Fax: 0211 569731-38,<br />
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Barbara Podgorski, Tel.: 0511 8405-135<br />
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2 I M P R E S S U M | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
ANSCHRIFT<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>),<br />
c/o KZVN, Heike Philipp,<br />
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nzb-redaktion@kzvn.de<br />
TELEFON<br />
0511 8405-207<br />
Verspätet eingegangene Manuskripte können nicht<br />
berücksichtigt werden.<br />
REDAKTIONSSCHLUSS<br />
Heft 06/13: 8. Mai <strong>2013</strong><br />
Heft 07, 08/13: 13. Juni <strong>2013</strong><br />
Heft 09/13: 12. August <strong>2013</strong><br />
4<br />
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EDITORIAL<br />
1 Cornelia Rundt:<br />
Alterszahnmedizin als eine<br />
Herausforderung der<br />
demografischen Entwicklung<br />
10<br />
POLITISCHES<br />
4 Bürgerversicherung<br />
Kollateralschaden<br />
7 Evidenzbasierter Prüfstein<br />
PKV-Studie sieht duales System im<br />
Ländervergleich klar überlegen<br />
10 Subsidiarität in Not – Europa greift<br />
nach unserem Gesundheitssystem<br />
14 Koordinierungskonferenz<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Risikogruppen erreichen –<br />
ein gesamtgesellschaftliches Problem<br />
15 Tagung der PAR-Obergutachter und<br />
PAR-Referenten<br />
15 Geht doch!<br />
18<br />
14 16<br />
16 Neuer Fortbildungsgang der Akademie<br />
für freiberufliche Selbstverwaltung und<br />
Praxismanagement<br />
17 Zahnärzte bewerten Krankenkassen<br />
Online-Umfrage der Kassenzahnärztlichen<br />
Bundesvereinigung (KZBV)<br />
FACHLICHES<br />
18 Versorgung einer jugendlichen<br />
Patientin mit Amelogenesis imperfecta<br />
23 Behandlungsmöglichkeiten bei<br />
„Molar-Incisor-Hypomineralisation“<br />
30 Möglichkeiten und Grenzen des<br />
Zahnerhalts bei Milchzähnen<br />
34 Therapieoptionen im Milchgebiss<br />
Praktische Tipps zur<br />
Kinderzahnheilkunde für Generalisten<br />
37 Bekanntmachung der<br />
nächsten ordentlichen Sitzung der<br />
Vertreterversammlung der KZVN<br />
38 Sedierung mit Lachgas in der<br />
Zahnarztpraxis<br />
23<br />
41 Kooperation mit der Deutschen<br />
Knochenmarkspenderdatei<br />
Patienten-Information in Ihrer Praxis<br />
42 Steril – steriler – am sterilsten<br />
44 Bedeutung einer Tugendethik<br />
für die gegenwärtige<br />
Zahn-Medizin-Ethik – Teil 2:<br />
Das für den Patienten Gute als<br />
Zweckerfüllung klinischer Medizin<br />
46 Das war die IDS <strong>2013</strong> in Zahlen<br />
47 Rechtstipp:<br />
Der angestellte Zahnarzt (Assistent)<br />
und seine rechtliche Außenwirkung<br />
48 Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />
– Aktuelle Urteile aus der Arbeitswelt<br />
– Aktuelle Urteile aus dem Sozialrecht<br />
TERMINLICHES<br />
49 Termine<br />
PERSÖNLICHES<br />
49 Dr. Joachim Wömpner wurde<br />
65 Jahre jung<br />
KZVN<br />
50 Niederlassungshinweise<br />
KLEINANZEIGEN<br />
52 Kleinanzeigen<br />
© Fotos Titel/Inhaltsverzeichnis: <strong>NZB</strong>-Archiv; © franklin lugenbeel/iStockphoto.com; © ZFZ; © Dr. S. Feierabend; © R. Otto; © querbeet/iStockphoto.com, © Harald Richter/iStockphoto.com; © AS-Akademie; © S. Gronwald<br />
34<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | I N H A L T<br />
3<br />
E D I T O R I A L<br />
I N H A LT<br />
P O L I T I S C H E S<br />
F A C H L I C H E S<br />
I N T E R E S S A N T E S<br />
T E R M I N L I C H E S<br />
P E R S Ö N L I C H E S<br />
K Z V N<br />
K L E I N A N Z E I G E N
BÜRGERVERSICHERUNG<br />
Kollateralschaden<br />
Die Bürgerversicherung geistert schon als<br />
Vorbote einer großen Koalition in den Köpfen<br />
vieler Gesundheitspolitiker aus der christsozialen Fraktion<br />
der Herz-Jesu-Marxisten ebenso, wie durch die Hirnwindungen<br />
der Kern-Sozialdemokraten – Ausreißer wie den<br />
Kanzlerkandidaten mal ausgenommen – bis hinüber zur<br />
„echten“ Linken als den rechtmäßigen Nachfolgern des<br />
Marxismus-Leninismus. Doch es formiert sich auf Seiten<br />
der Leistungserbringer zunehmend Widerstand.<br />
In einer Blitzumfrage, die gemeinsam vom Online-Ärztenetzwerk<br />
Hippokranet und dem Bundesverband der<br />
niedergelassenen Fachärzte (BVNF) initiiert wurde, haben<br />
Ärzte per Abstimmung ihr Unbehagen geäußert und damit<br />
ein deutliches Votum abgegeben für die Beibehaltung des<br />
derzeitigen dualen Krankenversicherungssystems. Mit dem<br />
Modell von SPD und Grünen fürchten gerade die niedergelassenen<br />
Fachärzte deutliche Verschlechterungen. Rund<br />
86 Prozent der Ärzte wollen am Vollversicherungsangebot<br />
der privaten Krankenversicherer (PKV) festhalten. Die Bürgerversicherung<br />
bekommt zunehmend Gegenwind. „Mit einer<br />
von Neid geprägten Sozialistischen Einheitsversicherung<br />
Deutschland wird eine Debatte bedient, die bei hohen<br />
Beiträgen zu einer schlechteren medizinischen Versorgung<br />
4 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
für alle führen wird“, bringt der Initiator der Umfrage<br />
Dr. Wolfgang Bärtl, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes<br />
niedergelassener Fachärzte, seine Bataillone für den<br />
beginnenden Wahlkampf in Stellung.<br />
Nackte Existenzangst<br />
Die gefühlte Angst ist real berechtigt, wie hochgerechnete<br />
Zahlen des Statistischen Bundesamtes untermauern. So<br />
wird sich der jährliche Verlust von Mehrumsätzen und Zusatzhonoraren<br />
mit Einführung einer obligatorischen Bürgerversicherung<br />
je nach Arztgruppe verschieden hart, aber für<br />
einige Spezialisten gerade in ländlichen Gebieten existenzbedrohend<br />
auswirken. Es handelt sich hier nicht um<br />
Umsätze aus der Behandlung von Privatpatienten, sondern<br />
Spezialisierter Mechaniker für<br />
Windenergieanlagen<br />
Ingenieur im Bereich<br />
Umwelttechnik<br />
Jahresgehalt 57.000 69.500<br />
Beitragssatz heute (15,5%)<br />
Beitragsbemessungsgrenze (<strong>2013</strong>)<br />
47.250 47.250<br />
Beitrag im Status Quo 7.324 7.324<br />
Beitrag in der grünen Bürgerversicherung 8.322 10.147<br />
Zusatzbelastung im Vergleich<br />
zum Status Quo<br />
Anstieg um 13,6 % (jährlich)<br />
+998<br />
Schaubild 1, Quelle: Gutachten im Auftrag der Grünen, Rothgang (2010); Angaben in Euro<br />
Anstieg um 38,5% (jährlich)<br />
+2.823<br />
© franklin lugenbeel/iStockphoto.com
um Mehrumsatz/Zusatzhonorare, die nur deshalb entstehen,<br />
weil jemand privat und nicht gesetzlich versichert<br />
ist. Die in der Bürgerversicherung entfallenden Zusatzhonorare<br />
werden sich, so die Prognose, fast vollständig<br />
auf die Betriebsgewinne der Ärzte on top auswirken,<br />
weil im Praxisbetrieb Fixkosten wie Mieten für Praxisräume,<br />
Strom etc. die Regel sind. Diese Fixkosten blieben<br />
auch dann erhalten, wenn in einem einheitlichen<br />
Rechtsrahmen heute Privatversicherte in den Status<br />
eines gesetzlich Versicherten wechseln. Im Durchschnitt<br />
beläuft sich der Verlust je niedergelassenen Arzt auf<br />
rund 45.000 € jährlich.<br />
Hausärzte verschont<br />
Relativ ungeschoren blieben die Hausärzte. Dies hängt<br />
zum einen mit der Honorarstruktur zusammen, mit<br />
Pauschal- statt Einzelleistungsvergütung, weniger Apparatemedizin<br />
und einer generell geringeren Inanspruchnahme<br />
durch Privatpatienten. Auch Kinder- und Jugendärzte<br />
wären mit einem Verlust von durchschnittlich<br />
32.500 € oder Neurologen (-42.500 €) weniger betroffen.<br />
Spitzenreiter bei der Honorarbeschneidung sind Radiologen,<br />
denen fast eine Viertel Million Euro wegbricht.<br />
Hart trifft die Veränderung auch HNO-Ärzte (-75.000 €)<br />
und ambulante Chirurgen (-87.500 €), Gynäkologen<br />
(-72.500 €), Urologen, Augenärzte und besonders stark<br />
rutschen Orthopäden und Dermatologen ab (siehe<br />
Schaubild 2). In diesen Arztgruppen werden häufiger<br />
sogenannte IGeL-Leistungen abgerechnet. Diese privatärztlich<br />
abgerechneten Leistungen müssen vom hier<br />
angegebenen Verlustwert abgezogen werden. Denn<br />
auch in der Bürgerversicherung wird der Arzt die Möglichkeit<br />
haben, IGeL zu erbringen. Die IGeL-Leistungen<br />
in den jeweiligen Facharztgruppen lassen sich nicht<br />
annähernd quantifizieren. Zu beachten ist: Bei diesen<br />
Prognosen handelt es sich um Hochrechnungen aktuell<br />
verfügbarer Daten, die für das Jahr 2012 durch Multiplikation<br />
mit der Inflationsrate (Verbraucherpreisindex)<br />
aktualisiert sind. Doch selbst wenn es in einzelnen<br />
Arztgruppen zu Abweichungen kommt, ist der Trend<br />
eindeutig.<br />
Gegenmodell<br />
Dieser „Angriff auf die Existenz vieler Praxen“ ist jedenfalls<br />
Grund genug für die niedergelassenen Fachärzte,<br />
dem drohenden Kehraus eigene Modelle entgegenzusetzen.<br />
Der BVNF bringt das dreistufige Modell der<br />
„Patientenzentrierten Versorgung“ (PZV) ins Spiel und<br />
auf die Tagesordnung der KBV-Vertreterversammlung.<br />
Mit der Aufgabe des bewährten dualen Versicherungssystems<br />
in einem Nebeneinander von GKV und PKV <br />
Protilab – ISO 9001:2008<br />
zertifi ziert<br />
ZERTIFIKAT<br />
für das Managementsystem nach<br />
DIN EN ISO 9001:2008<br />
Der Nachweis der regelkonformen Anwendung wurde erbracht<br />
und wird gemäß TÜV PROFiCERT-Verfahren bescheinigt für<br />
Zertikat-Registrier-Nr. 73 100 4129<br />
Auditbericht-Nr. 4257 7695<br />
Zertikat gültig bis 2016-01-13<br />
Erst-Zertizierung <strong>2013</strong>-01-14<br />
Protilab GmbH<br />
Geleitstraße 14<br />
60599 Frankfurt<br />
Geltungsbereich<br />
Service, Lösungen und Dienstleistungen des<br />
Handels mit Zahnersatz und angrenzenden Produkten<br />
TGA-ZM-05-07-00<br />
Darmstadt, <strong>2013</strong>-01-14<br />
Zertizierungsstelle des TÜV Hessen<br />
- Der Zertizierungsstellenleiter -<br />
SEITE 1 VON 1.<br />
Diese Zertizierung wurde gemäß TÜV PROFiCERT-Verfahren durchgeführt und wird regelmäßig überwacht.<br />
Die aktuelle Gültigkeit ist nachprüfbar unter www.tuev-club.de. Originalzertikate enthalten ein aufgeklebtes Hologramm.<br />
TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH, Rüdesheimerstr. 119, D-64285 Darmstadt, Tel. +49 6151/600331<br />
Ab <strong>2013</strong> ist das Managementsystem der Protilab GmbH<br />
ISO 9001:2008 durch den TÜV Hessen zertifiziert und bietet<br />
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efänden sich maßgebliche Gesundheitspolitiker in der<br />
„Einheits-Holzklasse“ auf dem Holzweg. Statt das kapitalgedeckte<br />
System der PKV „aus schierer Geldgier zu opfern,<br />
sollten vielmehr Elemente der individuell zu wählenden<br />
Gesundheitsleistungen und Zugangsmöglichkeiten zu<br />
Versorgungsebenen über unterschiedliche, wettbewerblich<br />
orientierte Beitrags- bzw. Tarifmodelle in das System der<br />
starren GKV übernommen werden“, fordert der BVNF-Chef.<br />
Drei Wahltarife<br />
Dazu hat der BVNF auf der Vertreterversammlung der KBV<br />
den Gesundheitspolitikern ein modifiziertes Wahltarifsystem<br />
als flexible Alternative unterbreitet. Das Angebot soll hier<br />
reichen von einem „Lotsensystem“, bei dem der Patient<br />
von einem ärztlichen Ansprechpartner komplett geführt<br />
wird, über die Möglichkeit für den Patienten, sich frei für<br />
den betreuenden Arzt, von Hausarzt bis Facharzt, zu entscheiden,<br />
bis hin zur „Allnetflat“, bei der die Krankenkasse<br />
alles bezahlt. So entstehe über Wettbewerb eine auf den<br />
Patienten individuell zugeschnittene, medizinische Versorgung<br />
auf hohem Qualitätsstandard mit verlässlichen, angemessenen<br />
Preisen für die ärztlichen Leistungen, erwartet die KBV-VV.<br />
Der BVNF lehnt, so Bärtl zur Begründung seines Vorstoßes,<br />
6 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
ein System ab, „das die Ärzte und Patienten gleichermaßen<br />
in ein enges Korsett eines staatlich durchorganisierten<br />
Gesundheitswesens schnürt und den Arzt zum ,Medizinblockwart‘<br />
macht“.<br />
Danaergeschenk<br />
Eine Bürgerversicherung wie von Rot/ Grün angedacht, würde<br />
für Versicherte, wie z. B. Facharbeiter, also die Leistungsträger<br />
im Mittelstand, abgesehen von einer Angebotsnivellierung<br />
und Problemen in der Versorgungsstruktur auch auf der<br />
Beitragsseite zu höheren Belastungen führen, wie anhand<br />
des „Grünen“-Modells durchgerechnet (siehe Schaubild 1).<br />
Bei Bestandsschutz für die heute Privatversicherten erlaubt<br />
die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze von heute<br />
47.250 Euro auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
(69.600 €] eine Beitragssenkung um 0,5 Prozent<br />
und die Einbeziehung von weiteren Einkommensarten<br />
eine weitere um 0,4 Prozent. Das heißt, gerechnet wird mit<br />
einem Beitragssatz von insgesamt 14,6 Prozent. Ein individueller<br />
Anstieg beim sogenannten Mittelstandsbauch im<br />
Einkommensbereich zwischen 57.000 und 69.500 € im<br />
Bereich von knapp 4 bis fast 40 Prozent wäre die Folge. <br />
— Quelle: DER GELBE DIENST 5/<strong>2013</strong><br />
Honorarumsatz je Arzt<br />
(GKV-Durchschnitt 2011)<br />
Jährlicher Verlust von<br />
Mehrumsätzen (2012*)<br />
Hausarzt/Hausärztin 217.880 17.500<br />
Arzt/Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin 210.640 32.500<br />
Facharzt/-ärztin für Neurologie und Psychiatrie 161.184 42.500<br />
Facharzt/-ärztin für Innere Medizin (o. Schwerpunkt) 259.100 50.000<br />
Facharzt/-ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe 183.792 72.500<br />
Facharzt/-ärztin für HNO-Heilkunde 169.428 75.000<br />
Facharzt/-ärztin für Ambulante Chirurgie 220.596 87.500<br />
Facharzt/-ärztin für Urologie und Andrologie 195.836 97.500<br />
Facharzt/-ärztin für Augenheilkunde 228.024 97.500<br />
Facharzt/-ärztin für Orthopädie 218.900 127.500<br />
Facharzt/-ärztin für Dermatologie 189.556 135.000<br />
Facharzt/-ärztin für Radiologie 373024 237.500<br />
Schaubild 2, Quelle: KBV-Jahresbericht; Angaben in Euro * hochgerechnet, Quelle: Destatis
Evidenzbasierter<br />
Prüfstein<br />
PKV-STUDIE SIEHT DUALES SYSTEM IM<br />
LÄNDERVERGLEICH KLAR ÜBERLEGEN<br />
Die Auseinandersetzung um die Systemfrage<br />
im Gesundheitswesen wird wieder mit<br />
zunehmender Intensität geführt. Während in der Union vor<br />
allem ein Gesundheitspolitiker, der gesundheitspolitische<br />
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn MdB,<br />
die Diskussion vorantreibt, können die oppositionellen Parteien,<br />
nicht zuletzt in den ihnen nahe stehenden Stiftungen,<br />
auf Think Tanks zurückgreifen. Hatte jüngst die dem Bündnis<br />
90/Die Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung ihre<br />
Überlegungen für eine „Integrierte Versicherung“ vorgestellt,<br />
wird in Kürze die SPD-freundliche Friedrich Ebert Stiftung<br />
auch mit einem neuen Modell aufwarten.<br />
Ihren systemischen Vorstellungen zugrunde liegt ein<br />
einheitlicher Versicherungsmarkt, mithin das Aufgeben des<br />
dualen Systems. Entsprechende programmatische Aussagen<br />
sind hinlänglich bekannt, man findet sie auch in den<br />
Parteiprogrammen der Opposition. Die FDP sieht sich derzeit<br />
offensichtlich am wenigsten bemüßigt, grundlegendes<br />
zur Diskussion beizusteuern, hat doch ihr Bundesgesundheitsminister<br />
mit dem (noch nicht gelebten) Systemumstiegsbeginn<br />
via dem im Gesetz vorgesehenen Zusatzbeitrag<br />
und dem Einfrieren des Beitragssatzes schon einmal einen<br />
erklecklichen Anfang liberaler Hausaufgaben in diesem<br />
Bereich gemacht.<br />
Die Kanzlerin hat die damalige Bundesgesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt (SPD) ebenso gewähren lassen wie die FDP-<br />
Gesundheitsminister dieser Legislaturperiode Philipp Rösler<br />
und dann Daniel Bahr. Gegebenenfalls wird sie ihren Einfluss<br />
eher aus dem Hintergrund heraus wirken lassen. In<br />
welche Richtung? – nichts genaues weiß man nicht. Die<br />
CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat schon lange nicht<br />
mehr mit eigenen gesundheitssystemischen Vorstellungen<br />
wahrnehmbar Position bezogen. Nicht zuletzt vielleicht<br />
auch, weil es innerhalb der Union und damit erst recht in<br />
der Regierungskoalition keine klare Linie in dieser Frage<br />
gibt. Mit dem in ein Bürgerprämienmodell umbenannten<br />
Kopfpauschalenmodell hat die CDU in der Vergangenheit<br />
nicht gerade positiv gepunktet, zumal es von oben verordnet<br />
war und viele in der CDU und erst recht in der CSU sich<br />
nicht damit identifizieren konnten.<br />
Jens Spahn stellt, geschickt die Untiefen vermeidend, auf die<br />
er im Frühjahr 2012 durch allzu forsches Vorangehen auch<br />
schon aufzulaufen drohte, im Stile sokratischer Ergebnisoffenheit<br />
vor allem kritische Fragen an das System. Gleichzeitig<br />
gibt er mehr oder minder eindeutig zu erkennen, dass<br />
auch er einen einheitlichen Versicherungsmarkt präferiert.<br />
Die betroffenen Akteure selbst schauen nicht tatenlos zu.<br />
Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK)<br />
Jens Baas, äußert in fast jedem Interview grundsätzliche<br />
Überlegungen, ebenso wie sein Vorgänger Nobert Klusen,<br />
der sogar eine im Frühsommer vorigen Jahres veröffentlichte<br />
Studie zu diesem Thema durch die TK sponsern ließ.<br />
Für viele gilt der einheitliche Versicherungsmarkt in<br />
Deutschland schon als ausgemachte Sache – gleich mit<br />
welcher Regierungskonstellation. Was nun unter einem<br />
einheitlichen Versicherungsmarkt tatsächlich verstanden<br />
wird, als Stichworte seien hier genannt die PKVisierte GKV<br />
oder die GKVisierte PKV, wird je nach grundsätzlicher politischer<br />
Ausrichtung unterschiedlich prononciert. Die Prämissen<br />
aus denen die Forderungen nach einem einheitlichen Versicherungsmarkt<br />
resultieren, ob und aus welchen Gründen <br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
7<br />
P O L I T I S C H E S
es dieser grundlegenden Umsteuerung bedürfe, müssen<br />
darum umso mehr schonungslos hinterfragt werden.<br />
Für die Diskussion ist es deshalb hilfreich, dass der Verband<br />
der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) in einer<br />
Studie den Status Quo der gesundheitlichen Versorgung in<br />
Deutschland mit existierenden einheitlichen Versicherungsmärkten<br />
in praktischen Auswirkungen hat vergleichen<br />
lassen. Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) gelangt<br />
mit seiner neuen, 66 Seiten starken Studie „Rationierung<br />
und Versorgungsunterschiede in Gesundheitssystemen –<br />
Ein internationaler Überblick“, zu der These, dass ein<br />
Wegfall der privatwirtschaftlichen Säule des Gesundheitssystems<br />
zu einer Zunahme von Rationierung und Versorgungsunterschieden<br />
führe. Dies gehe aus dem Vergleich<br />
des deutschen Systems mit den einheitlichen Systemen<br />
anderer OECD-Länder hervor. Daher sei das duale System<br />
– nicht das Einheitssystem – der bessere Weg zum Ziel<br />
eines egalitären Zuganges zu einem möglichst weiten<br />
Spektrum qualitativ hochwertiger medizinischer Leistungen.<br />
Schon in Kenntnis der Studie dürfte PKV-Verbandsdirektor<br />
Volker Leienbach auf dem „Kassengipfel <strong>2013</strong>“ zum Thema<br />
„Reformbedarf in der GKV und PKV“ am 25. Februar in Berlin,<br />
argumentiert haben. Dort erklärte er, die Dualität des Versicherungssystems<br />
bedeute keine Zwei-Klassen-Medizin.<br />
Während nämlich in Deutschland dem dualen Versicherungssystem<br />
ein einheitliches Leistungssystem gegenüberstehe,<br />
hätten Länder mit einem einheitlichen Versicherungssystem<br />
zwei Leistungssysteme. So seien in Deutschland<br />
nur in der ambulanten Versorgung und auch dort nur im<br />
Bezug auf Serviceleistungen Unterschiede zwischen der<br />
Behandlung privat und gesetzlich versicherter Patienten<br />
auszumachen. Dagegen finde in Ländern mit einheitlichen<br />
Versicherungssystemen, wie Großbritannien und den<br />
Niederlanden, eine Rationierung der Leistungen von Seiten<br />
der staatlichen Planer statt. Die Folge sei, dass Patienten<br />
für Leistungen, die den Leistungskatalog überschritten,<br />
Zusatzversicherungen abschließen oder privat zahlen<br />
müssten. Da sich dies jedoch nicht alle Patienten in<br />
gleichem Umfang leisten könnten, komme es unweigerlich<br />
zu Versorgungsunterschieden.<br />
Die WIP-Studie aus der Feder von Institutsleiter Dr. Frank<br />
Niehaus und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin<br />
Verena Finkenstädt meint, eben diesen Zusammenhang<br />
wissenschaftlich nachweisen zu können. Die Autoren<br />
bestreiten die häufig von Advokaten der Bürgerversicherung<br />
vertretene These, ein einheitliches Versicherungssystem<br />
ermögliche einen Wettbewerb um Versicherte zwischen<br />
den verschiedenen gesetzlichen Krankenversicherungen,<br />
der wiederum eine Verbesserung der Leistungen zur Folge<br />
habe. Die Empirie der OECD-Länder („Organisation for<br />
Economic Co-operation and Development“; sie vereinigt<br />
34 Staaten, die sich zu Demokratie und Marktwirtschaft<br />
bekennen) zeige, dass das Gegenteil der Fall sei. So seien<br />
8 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
die Versicherungen in Einheitssystemen mindestens genau<br />
so sehr staatlicher Regulierung ausgesetzt wie die deutsche<br />
GKV. Im Gegensatz zum deutschen System stehe hier<br />
jedoch das staatlich regulierte System nicht im Wettbewerb<br />
mit einer privaten Krankenvollversicherung. Dies führe dazu,<br />
dass in Einheitssystemen weitaus mehr Leistungsrationierung<br />
betrieben werde und die Versorgung letztlich schlechter sei<br />
als im dualen System.<br />
Ein Indikator hierfür seien die Wartezeiten auf einen Arzttermin<br />
oder eine geplante Behandlung, die in anderen<br />
OECD-Ländern weitaus länger ausfielen als in Deutschland.<br />
So betrage die durchschnittliche Wartezeit von der Überweisung<br />
des Hausarztes bis zur Behandlung in Großbritannien<br />
über acht Wochen. Die durchschnittliche Wartezeit aller<br />
irischen Patienten betrage sogar 2,8 Monate. In Schweden<br />
hätten im Jahr 2011 rund 24.000 Patienten über 90 Tage auf<br />
eine fachärztliche Behandlung gewartet. Hingegen hätten<br />
in Deutschland laut einer Umfrage aus dem Jahr 2011, die<br />
von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Auftrag<br />
gegeben worden sei, die meisten Patienten gar nicht<br />
bzw. maximal eine Woche auf einen Arzttermin gewartet.<br />
Eine aktuelle Studie der Universität Hamburg zeige zudem,<br />
dass es bei den Wartezeiten zwar Unterschiede zwischen<br />
PKV und GKV gebe, die Wartezeit eines gesetzlich versicherten<br />
Patienten im internationalen Vergleich aber relativ<br />
kurz sei. Dies spiegle sich schließlich auch in der Patientenzufriedenheit.<br />
So gehe aus einer Studie des Wissenschaftlichen<br />
Instituts der Techniker Krankenkasse für Nutzen und<br />
Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG) hervor, dass neun<br />
von zehn Patienten mit ihrer Wartezeit zufrieden seien.<br />
Auch sei die Wahlfreiheit der Patienten in Einheitssystemen<br />
geringer als in Deutschland. So könnten sich die Patienten<br />
in den steuerfinanzierten Einheitssystemen Dänemarks,<br />
Finnlands, Spaniens und Portugals weder den Haus- noch<br />
den Facharzt selbst aussuchen. In Großbritannien könne<br />
der Primärarzt nicht frei gewählt werden. Während in den<br />
Niederlanden beispielsweise die Begrenzung auf Ärzte mit<br />
Wohnortnähe die Wahl des Hausarztes einschränke, sei<br />
die Arztwahl in Frankreich durch ein Gatekeeping-System<br />
begrenzt. Im Gegensatz dazu gelte in Deutschland trotz<br />
geringfügiger Einschränkungen in der GKV, beispielsweise<br />
durch die Begrenzung auf Vertragsärzte, grundsätzlich die<br />
freie Arztwahl für alle Patienten.<br />
Zudem sei der Leistungsumfang in anderen OECD-Ländern<br />
deutlich geringer als im dualen System Deutschlands. So<br />
finanzierten z.B. in Irland 70 Prozent der Patienten ihren<br />
Hausarzt privat, weil sie die Einkommensgrenze für den<br />
Erstattungsanspruch überschritten. In vielen Ländern seien<br />
zudem bestimmte Leistungen, wie Zahnersatz, vom Leistungskatalog<br />
ausgeschlossen. In Frankreich schlage sich<br />
die Rationierung in besonders hohen Zuzahlungen nieder,<br />
25 Prozent der Gesundheitskosten würden dort privat<br />
getragen.
Angesichts der langen Wartezeiten, der eingeschränkten<br />
Wahlfreiheiten und des geringen Leistungsumfanges der<br />
gesetzlichen Krankenkassen, umgingen die Versicherten<br />
das Einheitssystem und es entstehe ein Markt privater<br />
Zusatzversicherungen und -leistungen. Dabei komme es<br />
sogar zum Abschluss „duplizierender Zusatzversicherungen“,<br />
um den Anspruch auf Leistungen sicherzustellen, der zwar<br />
rechtlich gegeben, aber schwer durchsetzbar sei. Eine<br />
weitere Folge sei der sogenannte „Medizin-Tourismus“, das<br />
Erwerben von Leistungen im Ausland, die das inländische<br />
System nicht oder nicht innerhalb des gewünschten Zeitraums<br />
anbieten könne. Wer sich Zusatzleistungen und<br />
-versicherungen hingegen nicht leisten könne, sei auf die<br />
unzureichende Absicherung durch das Einheitssystem<br />
angewiesen. Da so einkommensabhängige Versorgungsunterschiede<br />
hervorgerufen würden, sei schließlich eine<br />
Tendenz zur Zwei-Klassen-Medizin in einheitlichen Versicherungssystemen<br />
beobachtbar.<br />
In Deutschland hingegen würden Patienten trotz der Dualität<br />
zwischen PKV und GKV unabhängig vom Versicherungsstatus<br />
innerhalb derselben Versorgungsstruktur behandelt.<br />
Es existierten in der GKV zwar Leistungseinschränkungen,<br />
es stehe den Versicherten jedoch offen, private Zusatzversicherungen<br />
abzuschließen. Dem entspreche die Möglichkeit<br />
der Versicherten in der PKV, zu unterschiedlichen Tarifen<br />
unterschiedliche Leistungsspektren abzusichern. Somit zeige<br />
das System zwar „in Teilbereichen“ Versorgungsunterschiede<br />
auf, diese seien jedoch nicht unbedingt auf die PKV-GKV-<br />
Dualität zurückzuführen.<br />
„Sowohl mit Blick auf den Zugang als auch auf die einheitliche<br />
Versorgung der Bevölkerung sind die Vergleichsländer<br />
dem gewachsenen dualen System in Deutschland unterlegen“<br />
schließen die Autoren daher ihre Analyse. Die Forderung<br />
nach einer Bürgerversicherung, einem „Einheitssystem<br />
vom Reißbrett“ in Deutschland, sei deshalb skeptisch zu<br />
betrachten.<br />
Es wäre wünschenswert, wenn unter den Verantwortlichen<br />
eine ernsthafte Auseinandersetzung hinsichtlich der unterschiedlichen<br />
Vorstellungen über eine künftige Systemreform<br />
stattfände. Zumal derzeit die Inhalte, gerade dessen, was<br />
unter einem einheitlichen Versicherungsmarkt zu verstehen<br />
ist, nicht nur innerhalb der Fachszene changieren. Insbesondere<br />
auch in der Bevölkerung dürften wenig konkrete<br />
Vorstellungen vorhanden sein. Von oben verordnete Politik<br />
hat keine lange Halbwertzeit. <br />
— Quelle: Gesundheitspolitischer Informationsdienst<br />
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P O L I T I S C H E S
Subsidiarität in Not – Europa greift<br />
nach unserem Gesundheitssystem<br />
Noch ein Eurokrisenjahr. Brüssel sieht<br />
„Fortschritte“ bei der „echten“ Wirtschaftsund<br />
Währungsunion. Die Ereignisse ähneln sich: Geld<br />
fehlt, alte Prognosen irrten, EU-Gipfel tagen medial<br />
inszeniert, neue Bürgschaften herbei, mehr Zeit und alles<br />
wird gut im Jahr 2020. Kurz darauf eine neue Runde mit<br />
altem Vokabular. Unauffällig dehnt die EU parallel dazu<br />
ihre Kompetenz aus. Wo wird dies enden? Wie wirkt<br />
„Vergemeinschaftung“ in Krisenzeiten aufs Gesundheitssystem?<br />
Gibt es Lehren fürs Wahljahr?<br />
<strong>2013</strong> Schuldenstand wächst und Produktivität fällt –<br />
nur nicht in Deutschland<br />
Einige hatten es ja vermutet – die hoffnungsfrohen Botschaften<br />
zum Jahresende 2011 – „gemeinsam“ befreie sich die<br />
EU aus der Euro- und Schuldenkrise, man bräuchte „nur“<br />
„endlich“ mehr „wirkliche“ Gemeinsamkeit – sprich Macht<br />
an zentraler Stelle in Brüssel – wurden rasch durch die<br />
raue Wirklichkeit eingeholt. Sämtliche Schuldenstaaten –<br />
es sind deutlich mehr geworden – wackeln den üblichen<br />
Quartalsterminen zur Kreditbedienung entgegen. Die harten<br />
10 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
© querbeet/iStockphoto.com, © Harald Richter/iStockphoto.com<br />
BRÜSSEL MUSS ERLEBEN, DASS DER<br />
NATIONALSTAAT – IN DER EU-RHETORIK<br />
DER VERGANGENHEIT SCHON FAST<br />
ÜBERHOLT – IN ZEITEN DER HEKTISCHEN<br />
ZAHLER- UND BÜRGENSUCHE ENORM AN<br />
BEDEUTUNG GEWONNEN HAT.<br />
Fälle, an der Spitze nach wie vor Griechenland zeigen<br />
erstes Staatsversagen. 1 Viele Zusagen aus dem Jahr 2011,<br />
seien dies nun Privatisierungen, Einführungen einer effizienten<br />
Verwaltung, Abbau des unproduktiven Staatsapparates<br />
wurden mit wenigen Ausnahmen nicht umgesetzt. Zwar<br />
beschloss man dröhnend und medienbeteiligt „Sparhaushalte“,<br />
die Produktivität fiel jedoch auf neue Tiefstände.<br />
Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit und es wurden die<br />
Konten geräumt. Bis zu 800 Millionen EURO pro Tag. Es<br />
droht(e) ein Rette-Sich-Wer-Kann Szenario. Die kleinen Leute<br />
horten ihr Bares, reichere Mitbürger kaufen Berliner Wohnungen<br />
und deutsche Staatsanleihen. Dies gilt keineswegs<br />
nur für Griechenland, wenngleich von dort immerhin am<br />
Anfang Zahlen verfügbar waren. Ihnen gemein ist die Furcht<br />
vor einem weiteren Substanzverlust der Gesellschaft und<br />
einer seriellen Pleite der Banken. Daher auch die Beliebtheit<br />
des Brüsseler Projektes „EU-Bankenunion“. Käme diese,<br />
so würden mehr oder minder alle für alle haften. Einlagensicherung<br />
ist im EU-Durchschnitt höchst unterschiedlich<br />
geregelt und wäre – bei den bankrotten Staatsfinanzen in<br />
Griechenland, Portugal, Zypern und wohl auch Spanien –<br />
örtlich kaum einzuwerben. Was liegt also näher als die<br />
Haftungsebene zu erhöhen? Für deutsche Sparer ist dies<br />
1 Erstmals drohte Griechenland 02/2010 die Zahlungsunfähigkeit.<br />
Damals glaubte „man“ noch an „politische Unterstützung“,<br />
Sparmaßnahmen und 2 Jahre mehr Zeit fürs Defizit. Zwei Monate<br />
später flossen die ersten Kredite (45 Mrd.), nur einen Monat<br />
später musste erneut geholfen werden (110Mrd. über drei<br />
Jahre).Wichtig: schon im März 2011 fiel die „no bail-out“ Klausel.<br />
Der Weg in die Schuldenunion war eröffnet. Im März 2012 stand<br />
Griechenland erneut vor dem Nichts, diesmal gab es ein Sperrkonto.<br />
Erstmals gab es einen Schuldenschnitt: private Gläubiger<br />
verzichteten auf bis zu 53,5% der Forderungen gegen Athen.
VOR ALLEM STEUERFINANZIERTE GESUNDHEITSSYSTEME GERATEN IN NOT: DAS SOLLTE<br />
FÜR UNS GRUND GENUG SEIN, DEN DEUTSCHEN SONDERWEG AUS RELATIV HÖHEREN<br />
FREIHEITSGRADEN, WAHLOPTIONEN UND DEM GEGLIEDERTEN SYSTEM NICHT OHNE NOT<br />
ZU VERLASSEN.<br />
keine gute Nachricht. Wie die Kommission das Projekt<br />
auch immer technisch regeln wird, so wären wir alle in der<br />
Haftung für geradezu astronomische Verbindlichkeiten.<br />
Überhaupt gewinnen wir mit einer Ausweitung unserer<br />
Verantwortlichkeit eher wenig. Gelingt es, die Banken<br />
durchweg direkt mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zu<br />
verknüpfen und die nationale Verantwortlichkeitsschwelle<br />
„Nationalbank“ zu umgehen, etwa weil von dort nichts mehr<br />
zu erwarten wäre, so haften wir über die EZB alle. Das<br />
kann lange Zeit gut gehen; am Ende wird es jedoch zum<br />
„Zahltag“ kommen, es sei denn, dass sich die Prognosen<br />
einer wundersamen Selbstheilung bewahrheiten. Brüssel<br />
sieht seine Chance auf mehr Zuständigkeit auch im Wegbrechen<br />
der nationalen Lösungsfähigkeit. Allerdings muss<br />
es auch erleben, dass der Nationalstaat an sich – in der<br />
EU-Rhetorik der Vergangenheit schon fast überholt – in<br />
Zeiten der hektischen Zahler- und Bürgensuche enorm an<br />
Bedeutung gewonnen hat. Keiner so, wie unser Deutschland.<br />
Im Ausland gilt die Bundeskanzlerin geradezu als<br />
Personifizierung der deutschen Wirtschaftsmacht. 2 Dabei<br />
ist keineswegs alles in der deutschen Krisenpolitik nachvollziehbar.<br />
Aus der Distanz des Auslandes gesehen, überwiegen<br />
jedoch anhaltendes Wachstum, ein stabiler Arbeitsmarkt<br />
und die rekordniedrige Zinsmarge für deutsche<br />
Staatsschulden. Nie borgte unser Land für weniger Geld<br />
geradezu jede Summe. Die Lebens- und Versorgungswirklichkeit<br />
in anderen EU-Welten sieht bitter anders aus. Auch<br />
sie sollte man kennen.<br />
Staatsversagen, Sparpolitik und Versorgung in<br />
EU-Gesundheitssystemen<br />
Je nach Schuldenstand und Produktivitätsverfall zeigen sich<br />
unterschiedliche Stadien des Niederganges in den Gesundheitssystemen<br />
der Eurozone. Griechenland und Portugal<br />
stehen im Verfall eindeutig an der Spitze. Jahrelange wirtschaftliche<br />
Schrumpfung und teilweise rabiat zusammenkomponierte<br />
Spargesetze haben dazu geführt, dass die<br />
dafür ohnehin anfälligen vorwiegend steuerfinanzierten<br />
Gesundheitswesen betroffen wurden. Strukturbedingt –<br />
Griechenland ist eine Mischform aus teilweise öffentlicher<br />
Leistungsbewirkung mit Einheitsfond, Portugal hingegen<br />
hat eine Kopie des britischen nationalen Gesundheitsdienstes<br />
mit abhängig beschäftigten Leistungserbringern –<br />
gibt es Unterschiede. Die Wirkung ist für den Patienten hingegen<br />
identisch. Einrichtungen müssen abbauen, Personal<br />
wird entlassen oder kündigt. Materialrechnungen der<br />
Vergangenheit blieben unbeglichen und führten zum<br />
Belieferungsstopp. 3 Der Verfall ist regional sehr ungleich,<br />
wenn auch in der Tendenz überall erkennbar. Die einst so<br />
alltäglichen illegalen Zusatzzahlungen besserten die unzureichenden<br />
Einkommen auf. Mittlerweile funktioniert auch<br />
der schattenwirtschaftliche Kreislauf nicht mehr, da viele<br />
Leute niemanden mehr schmieren können. Versorgung<br />
findet stellenweise eher aleatorisch statt – wer Glück hat<br />
und auf hilfsbereite Idealisten trifft – mag es besser haben.<br />
Vielen chronisch Kranken fehlt das Geld für die Medikamente.<br />
Im Arzneimittelbereich zeigt sich das Problem des<br />
Systemversagens ganz deutlich – wo nicht mehr bezahlt<br />
wird, dorthin kommen keine Medikamente mehr. 4 Die<br />
obersten Gesellschaftsschichten sind kaum betroffen.<br />
Entweder sie haben das Land bereits verlassen, oder ihr<br />
Vermögen sichert die Nachfragefähigkeit. Allerdings wird<br />
ihre Zahl merklich geringer. Gerade die neue und boombedingt<br />
aufgestiegene Mittelschicht mit (etwas) Eigentum<br />
wird derzeit schwer geprüft. 5 Sie aber war es, die aufstieg,<br />
ihr Einkommen verbesserte, konsumierte und letztendlich<br />
auch überdurchschnittlich in die öffentlichen Kassen aller Art<br />
eingezahlt hat. Gerade die allerorten fühlbare Immobilienkrise<br />
hat sie in kaum vorstellbarem Umfang entreichert.<br />
Ausbildung bis hin zum Studienenabschluß und einstige<br />
Kreditfähigkeit bei örtlich überdurchschnittlichem Einkommen<br />
reichen nicht mehr aus, bzw. sind als Grundlage entfallen.<br />
Auch in Spanien geht es vielerorts rapide bergab. Die dortigen<br />
Gesundheitssysteme in Trägerschaft der Provinz leiden<br />
unter regionalem Einnahmemangel ebenso, wie unter <br />
2 Angela Merkels internationaler Ruf hat im Ausland den deutschen<br />
Sonderweg - Konsensgesellschaft, Wachstumsgewinn und High-<br />
Tech-Schmiede gegen die EU-Tendenzen der Krise enorm mit<br />
einer Person verbunden. Dagegen wollte der Franzose Francois<br />
Hollande „solidarisch“ vorgehen und scheiterte kläglich.<br />
3 Etliche portugiesische und griechische Spitäler haben kein<br />
alltägliches Bedarfsmaterial mehr. Patienten mit Einweisung für<br />
Hüftgelenks-OP werden schon einmal gebeten, das benötigte<br />
Gelenk selbst zu beschaffen.<br />
4 Man kann sich ausmalen, wie der Internetschwarzmarkt –<br />
möglicherweise auch mit Arzneimittelfälschungen – in der<br />
Notlage wächst.<br />
5 Armut zählte in diesen Ländern stets zur Normalität. Die Gewalt,<br />
mit der sich legaler und illegaler Wirtschaftskreislauf verformt<br />
haben, eröffnete jedoch ganz neue – sozusagen drittweltartige-<br />
Armutshorizonte.<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
11<br />
P O L I T I S C H E S
GERADE DIE KRISE ZEIGT EINE TENDENZ,<br />
STAATSVERSAGEN DURCH AUSWEITUNG<br />
DER STAATSZUSTÄNDIGKEIT ZU BEANT-<br />
WORTEN.<br />
Sparvorgaben aus der Hauptstadt. Zwischen den Provinzen<br />
bestanden immer schon große Wohlstandsunterschiede.<br />
Diese sind zwar weitgehend geblieben, dennoch zeigen sich<br />
Auswirkungen des Geldmangels auch in den traditionell<br />
wohlhabenden Landesteilen Baskenland oder Katalonien.<br />
Gerade personalintensive Versorgung bricht weg: so gibt<br />
es massive Probleme bei stationärer psychiatrischer Pflege,<br />
chronisch Kranken im Spital mit hohem medizinischem<br />
Leistungsbedarf und jedweder Form pflegerisch intensiver<br />
Betreuung. Viele Beschäftigte verlassen das Land, um sich<br />
an anderer Stelle in der EU (oder EWR/Norwegen) eine<br />
Anstellung zu suchen. Spaniens Jugend geht – unabhängig<br />
von ihrer Ausbildung – einer düsteren Zukunft entgegen. 6<br />
Immerhin sind über 25 Prozent aller Spanierinnen und<br />
Spanier arbeitslos. Entsprechend sehen die Einnahmen der<br />
Arbeitslosenversicherung aus. 7 Nicht von ungefähr forderte<br />
der ungarische Sozialkommissar der EU – László Andor<br />
bereits eine „EU-weite“ Arbeitslosenversicherung und<br />
damit den Einstieg in die totale und institutionelle Vergemeinschaftung.<br />
8 Die auffällige Staatsnähe, ja Abhängigkeit<br />
steuerfinanzierter Versorgungswelten in den betroffenen<br />
Staaten sollte für uns Grund genug sein, den deutschen<br />
Sonderweg aus relativ höheren Freiheitsgraden, Wahloptionen<br />
und dem gegliederten System, das sich einmal mehr<br />
bewährt hat, nicht ohne Not zu verlassen. Krisenzeiten wie<br />
die jetzigen, deren Ende gewiss niemand seriös fixieren kann,<br />
zeigen auch – für uns noch bequem an fernen Orten – was<br />
man systemtechnisch so falsch machen kann. Sorgenkandidaten<br />
der Extraklasse sind Italien – das Land steht vor<br />
einer Schicksalswahl mit merkwürdigen Alternativen –<br />
und Frankreich, das sich mit seinem neuen Präsidenten<br />
Francois Hollande und einem eindeutigen Umverteilungs-<br />
6 Weit über 50 Prozent sind ohne Job. Schwarzarbeit wird rar und<br />
Arbeitslosigkeit in mehreren Generationen einer Familie belastet<br />
deren Vermögen, sich selbst zu helfen.<br />
7 Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis weitere Leistungskürzungen<br />
den politischen Radikalismus antreiben, wie etwa in<br />
Griechenland.<br />
8 Noch ist dies wenig realistisch. Dennoch zeigt es eine Trendwende<br />
im Denken. Die bislang bemühten „Rezepte“ tragen nicht mehr.<br />
Das Euro-Modell darf jedoch aus vielerlei Gründen nicht offiziell<br />
für gescheitert erklärt werden. Vermutlich würde dies auch nicht<br />
eben viel nützen.<br />
9 Wohl nach Deutschland und dem mehrfach atypischen<br />
Luxemburg<br />
12 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
© WavebreakMediaMicro/Fotolia.com<br />
Spanien hat massive Probleme bei stationärer<br />
psychiatrischer Pflege, chronisch Kranken im Spital und<br />
pflegerischer Intensivbetreuung.<br />
kurs aus der Realität verabschiedet. Noch ist der französische<br />
Sozialstaat eindeutig funktionsfähig, ja einer der<br />
großzügigsten überhaupt. 9 Schon zeigt sich aber im wirtschaftlichen<br />
Niedergang, in hilfloser und wachstumsvermindernder<br />
Steuerpolitik und einem beklemmenden Arbeitsmarkt,<br />
gerade für junge Menschen, auch in Frankreich das<br />
Menetekel der Staatsüberforderung. Offiziell wäre es politisch<br />
inkorrekt, würde man die Frage stellen, bis zu welchem<br />
Grad an Systemversagen denn die Gesundheitsversorgung<br />
in einem EU-Staat hinabsinken kann, ohne dass nach<br />
Hilfen gerufen wird. Sie ist gewiss eine besonders alltagsund<br />
lebensnahe Form, um dieses Nichtmehrkönnen des<br />
Gemeinwesens fühlbar werden zu lassen. Entsprechend<br />
kann man sich wohl darauf einrichten, dass es über kurz<br />
oder lang zu eben solchen Erörterungen kommt. Vermutlich<br />
ist dies auch im Sinne der Demokratiebewahrung richtig.<br />
Schon heute sind jedoch Lehren erkennbar, die wir für<br />
unser System ziehen können. Bequemerweise reicht – in<br />
Zeiten guter Wirtschaftslage zumal – hier oft schlichtes<br />
Unterlassen schon recht weit. Braucht es in der neuen<br />
Legislaturperiode wirklich wieder eine „Jahrhundertreform“<br />
oder sollten wir nicht bewährte Elemente stabilisieren,<br />
Konsens – wo möglich – festigen und uns den klar<br />
erkennbaren strategischen Herausforderungen der Versorgung<br />
einer alternden Gesellschaft zuwenden? Hier sind<br />
DERZEIT LEIDET DER FRIEDENSTIFTENDE<br />
EUROPAGEDANKE ERHEBLICH UNTER DEN<br />
FOLGEN EBEN JENER OPPORTUNISTISCHEN<br />
EU-AUSWEITUNG, DIE DAZU GEFÜHRT HAT,<br />
EIGENE REGELN – DER EUROSTABILITÄT –<br />
DEM WUNSCH NACH WACHSTUM UND<br />
BEDEUTUNG UNTERZUORDNEN.
DIE POLITIK MUSS UNS REDE UND<br />
ANTWORT STEHEN, WO DIE GRENZEN DES<br />
SUBSIDIARITÄTSVERLUSTES VERLAUFEN. Foto:<br />
strukturelle Vielfalt und Bewahrung von möglichst vielen<br />
sozial stabilisierenden Freiheitsgraden nützlich. Gerade die<br />
Krise zeigt jedoch eine Tendenz, Staatsversagen durch<br />
Ausweitung der Staatszuständigkeit zu beantworten. Noch<br />
schlimmer ist der erkennbare Zuständigkeitsverlust durch<br />
„Übersehen“ oder vorauseilendes Mitmachen in sekundären<br />
Handlungsfeldern Brüssels. Was hier heute an subsidiärer<br />
Kompetenz „durchgewunken“ wird, ist auf immer dahin.<br />
EU auf Expansionspfad<br />
Von vielen kaum beachtet, häufen sich in Brüssel die<br />
Gesetzgebungsvorhaben, denen eines weitgehend gemein<br />
ist – die Beschneidung subsidiärer Gestaltungsprinzipien<br />
im Sozialschutz auf dem direkten oder indirekten Weg.<br />
Dazu zählen u.a.: ein Richtlinienentwurf auch über die<br />
Unterwerfung sozialfinanzierter Dienstleistungen unter die<br />
Mehrwertsteuer, das berühmt-berüchtigte „Europäische<br />
Semester“ – die Vorabprüfung des Bundeshaushaltes<br />
durch Brüsseler Stellen - eine neuartige „Verordnung“ zur<br />
Inverkehrbringung von Medizinprodukten bis hin zu Plänen<br />
über „Vergemeinschaftung“ „stabilitätsrelevanter“ Politik –<br />
d.h. von allem, was öffentliche Gelder benötigt. 10 Gerade<br />
das Haushaltsrecht bietet Einfallmöglichkeiten in subsidiäre<br />
Räume, deren Weitungen sich erst dann zeigen, wenn es<br />
schon zu spät ist. Schnell sind systemrelevante ordnungspolitische<br />
Fragen mit dabei. 11 Die deutsche Politik, oft in<br />
10 Die Mehrwersteuerfrage ist vielfach noch undefiniert. Der<br />
Eindruck festigt sich jedoch, dass hier das Volumen dieser –<br />
für Brüssel relevanten – Steuerart ausgeweitet werden soll. Das<br />
„Semester“ meint die Haushaltsvorprüfung, auch wenn dies<br />
Politiker nicht gern so sagen. Wer bestimmte dann repräsentativ<br />
über die deutschen Steuergelder? Der Vorschlag zur Medizinprodukteverordnung<br />
– nicht wie bisher Richtlinien, ein „kleineres<br />
Instrument – greift vieles auf, bleibt aber bislang in wesentlichen<br />
Dingen den Industrieinteressen mehr verhaftet, als dem Patientenwohl.<br />
Man denke an die weitgehend privaten „Benannten<br />
Stellen“, die - wettbewerblich die Zertifizierung machen.<br />
11 Vgl. die Diskussion über Vereinbarkeiten nationaler Sozialschutzpraxis<br />
mit EU-formulierten Haushaltszielen. Was für die armen<br />
Schuldner von heute gilt, kann morgen leicht auf uns – die<br />
Zahler – übertragen werden.<br />
12 Betriebsmittelkredite sind in Spanien, aber auch anderswo mittlerweile<br />
ein echtes Problem. Wer, wenn nicht der Mittelstand,<br />
könnte hier aktiv sein? Immerhin hat es Deutschlands duale<br />
Berufsausbildung schon zum Vorbild anderer gebracht. Der GAU<br />
Bankenpleite ist sehr wichtig, jedoch sind mittelständische<br />
Potentiale nicht zweitklassig.<br />
Günther Danner, ist stv. Direktor der Europavertretung der<br />
Deutschen Sozialversicherung in Brüssel und Pers. Referent und<br />
Berater des Vorstandes der Techniker Krankenkasse in Hamburg.<br />
Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.<br />
auffälligem Kontrast zu anderen Systemakteuren, ist hier<br />
bisweilen sehr still. Nach wie vor ist der deutsche EU-Offizielle<br />
durchdrungener „Europäer“, oftmals sehr im Unterschied<br />
zu anderen Nationen. Derzeit leidet der friedenstiftende<br />
Europagedanke erheblich unter den Folgen eben jener<br />
opportunistischen EU-Ausweitung, die dazu geführt hat,<br />
eigene Regeln – der Eurostabilität – dem Wunsch nach<br />
Wachstum und Bedeutung unterzuordnen. Millionen Mitteleuropäer<br />
verlieren ihren (bescheidenen)Wohlstand, erleben<br />
das Versagen ihrer Sozialräume und billige Phrasen aus<br />
der Politik. Alte Feindbilder der schlimmsten Sorte tauchen<br />
auf. Das alles auf dem Weg ins Definitionsnirvana der<br />
„echten“ Währungsunion .Anders bei uns, wo es für so<br />
viele noch Perspektiven gibt. Auch diejenige, etwas selbst<br />
bestimmen zu dürfen. Europa ist sicherlich eine Schicksalsgemeinschaft,<br />
allerdings im Interesse der Völker und Kulturen,<br />
nicht zur Kräftigung einer volksfernen Bürokratie. Statt heute<br />
etwa in Spanien schlimmeres Elend durch Stimulieren mittelständischer<br />
Produktivität zu verhüten, lähmt noch immer<br />
die Angst vor der seriellen EU-weiten Bankenpleite. 12 Unser<br />
Wahljahr sollte zum Fragenstellen anregen. Die Politik hat<br />
uns bislang vor schlimmen Krisenfolgen bewahrt. Sie muss<br />
allerdings Rede und Antwort stehen, wo die Grenzen des<br />
Subsidiaritätsverlustes verlaufen. Unser Gesundheitswesen<br />
in seiner Strukturvielfalt hat allen gedient. Krisenstaaten<br />
zeigen eine Flucht in Verstaatlichung – mithin die Höhle<br />
des Löwen. Subsidiarität und nationale Versorgungsgestaltung<br />
bleiben unverzichtbar. Sie helfen mit, sozialen Konsens,<br />
Wahlmöglichkeiten und Freiräume für alle zu bewahren. <br />
— Günter Danner, PhD<br />
Quelle: ärztepost 1/<strong>2013</strong><br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
© Dr. Danner<br />
13<br />
P O L I T I S C H E S
Koordinierungskonferenz<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:<br />
RISIKOGRUPPEN ERREICHEN – EIN GESAMTGESELLSCHAFTLICHES PROBLEM<br />
Zu ihrer zweitägigen Frühjahrsveranstaltung<br />
trafen sich die mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
befassten Vertreter der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigungen und der Zahnärztekammern am 1. und 2.<br />
März – diesmal unter Federführung der Kassenzahnärztlichen<br />
Bundesvereinigung (KZBV) in Saarbücken.<br />
Der Focus der Zahnmedizin hat sich in den letzten drei<br />
Jahrzehnten von den überwiegend kurativen zu den<br />
präventiven Möglichkeiten verschoben. Die Zahnärzteorganisationen<br />
in Deutschland haben als Fernziel formuliert,<br />
dass die Menschen auch bei steigender Lebenserwartung<br />
und individuellen Risikofaktoren ihre natürlichen Zähne bis<br />
an ihr Lebensende gesund erhalten können sollen.<br />
Allerdings gibt es Bevölkerungsgruppen, die deutlich häufiger<br />
und schwerere Zahn-, Mund und Kiefererkrankungen<br />
aufweisen als der Durchschnitt. Die Gründe dafür sind<br />
vielfältig und nicht nur medizinischen, sondern auch psychischen<br />
und sozialen Faktoren zuzuordnen.<br />
Defizite bei der Zahngesundheit treten oft in Verbindung<br />
mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen auf. Schlechte<br />
Gesundheit, eine schwierige finanzielle Lage und ein Mangel<br />
an Partizipation gehen oft Hand in Hand. Sie sind dann<br />
unterschiedliche Facetten eines Armutsphänomens und<br />
damit eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.<br />
Zunächst erfolgte „Die Einordnung der Risikogruppenproblematik<br />
in die politische Strategie der Zahnärzteschaft“ durch<br />
einen Vortrag, den sich der KZBV-Vorsitzende Dr. Fedderwitz<br />
mit dem Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer<br />
(BZÄK), Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, teilte. Anschließend<br />
trug der neue Leiter des „Institut der Deutschen Zahnärzte<br />
– IDZ“, PD Dr. Andreas Reiner Jordan, eine mit reichlich<br />
Zahlenmaterial unterlegte epidemiologische und sozialmedizinische<br />
Bestandsaufnahme zu Risikogruppen in der<br />
zahnmedizinischen Versorgung vor. Der Zusammenhang<br />
14 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
Als gemeinsame Ausrichter der „Koordinierungskonferenz<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ hatten die Kassenzahnärztliche<br />
Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer<br />
(BZÄK) insgesamt 66 Teilnehmer nach Saarbrücken eingeladen.<br />
zwischen Armut, Migration und Gesundheit wurde von<br />
Prof. Dr. Nico Dragano vom Universitätsklinikum Düsseldorf<br />
eindrucksvoll verdeutlicht. Die Vortragsreihe des ersten<br />
Tages wurde von Franz J. Gigout, Geschäftsführer der Landes-<br />
Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Saarland e.<br />
V. (LAGS) abgeschlossen, der die Arbeitsweise seiner Institution<br />
hinsichtlich der Angebote zur Gesundheitsförderung<br />
für sozial Benachteiligte darstellte. Schließlich wurde der<br />
Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten und Instrumente<br />
zur Bekämpfung von gesundheitlicher Benachteiligung<br />
und zur effektiven Ansprache betroffener Gruppen zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Ziel der Veranstaltung war es, möglichst konkrete Vorstellungen<br />
darüber zu entwickeln, welchen gemeinsamen<br />
Beitrag die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der zahnärztlichen<br />
Organisationen bei der Ansprache zahnmedizinischer<br />
Risikogruppen und der Verbesserung ihrer Mundgesundheit<br />
leisten kann und soll. <br />
— KZBV/loe
Fotos: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
Tagung der PAR-Obergutachter<br />
und PAR-Referenten<br />
Am 6. März fand in Köln in den Räumen der Kassenzahnärztlichen<br />
Bundesvereinigung (KZBV) die PAR-Obergutachterund<br />
PAR-Referententagung <strong>2013</strong> statt. Der stellvertretende<br />
Vorsitzende der KZBV Herr Kollege Dr. Wolfgang Eßer<br />
begrüßte die Teilnehmer, die aus allen KZV-Bereichen<br />
Deutschlands angereist waren. Herr Prof. Dr. Peter Eickholz<br />
referierte über aktuelle Entwicklungen in der Parodontologie.<br />
Hierbei ging es um die zentrale Fragestellung: „Was ist das<br />
Therapieziel?“. In diesem Kontext stellte er heraus, dass<br />
der wesentliche Bestandteil der PAR-Therapie die Beherrschung<br />
des Infektes darstellt. Hiermit verbunden ist das<br />
Ziel des Zahnerhalts, das Stoppen der parodontalen<br />
Destruktion und als hohes Ziel die Regeneration, die in<br />
ausgewählten Fällen dann auch zu erreichen ist. Interessant<br />
war die Darstellung der Leitlinien der SSO, die im Kreis der<br />
ebenfalls teilnehmenden Hochschulprofessoren mit den<br />
Geht doch!<br />
Wenn es nicht so traurig wäre,…<br />
Nachdem die Vertreterversammlung alle für den Medizinischen<br />
Dienst der Krankenversicherung (MDK) tätigen<br />
Zahnärzte aufgefordert hatte, diese Tätigkeit zu beenden,<br />
gab es im Raum Osnabrück eine erfreuliche Resonanz:<br />
Alle Kollegen kamen dieser Aufforderung nach! Nach<br />
Rücksprache mit dem Verwaltungsstellenvorsitzenden<br />
hat die KZVN darauf dieselben Kollegen im Oktober<br />
den Verbänden der Krankenkassen als Vertragsgutachter<br />
vorgeschlagen und um das Einvernehmen gebeten!<br />
Bis Ende des Jahres war offensichtlich eine Entscheidung<br />
nicht möglich, so dass ein Kollege es leider vorzog, sich<br />
den Kassen wieder anzudienen.<br />
Anfang des Jahres fragte die KZVN noch einmal nach,<br />
verbunden mit einem weiteren Vorschlag eines<br />
„unbelasteten“ Kollegen.<br />
PAR-Obergutachtern und<br />
PAR-Referenten diskutiert<br />
wurden. Des Weiteren wurden<br />
Studien zur Prognose,<br />
Effektivität verschiedener<br />
Therapiemethoden und<br />
auch Sonderfälle bei<br />
Transplantationspatienten<br />
dargestellt und diskutiert.<br />
Dr. Tim Hörnschemeyer,<br />
Osnabrück.<br />
Am Ende der Veranstaltung hatten alle Teilnehmer infolge<br />
des regen Informationsaustausches sich gemeinsam zum<br />
aktuellen Stand der Parodontologie kalibriert. <br />
— Dr. Tim Hörnschemeyer, Osnabrück<br />
Referent des KZVN-Vorstands für Leistungsabrechnung<br />
Parodontologie (PAR)<br />
Im März stellte die KZVN dann einen Antrag auf eine<br />
einstweilige Anordnung beim Sozialgericht, die Verbände<br />
zu verpflichten, sich vertragsgemäß zu verhalten,<br />
und – schwups – auf wundersame Weise war innerhalb<br />
weniger Tage das Einvernehmen hergestellt!<br />
An dieser Stelle Dank an die Osnabrücker Kollegen, die<br />
die Nerven bewahrt haben!<br />
In anderen Regionen sollten die für den MDK Tätigen<br />
noch einmal darüber nachdenken, ob sie ihren<br />
Sachverstand nicht auch lieber als Vertragsgutachter<br />
einbringen wollen im Einvernehmen mit den gewählten<br />
Vertretern aller Kolleginnen und Kollegen!<br />
Die KZVN wird jeden bis dahin für den MDK Tätigen<br />
den Kassen als Vertragsgutachter vorschlagen, der die<br />
fachliche und kollegiale Akzeptanz der Kollegen vor Ort<br />
besitzt (und dies hat nichts mit dem „Krähen-Prinzip“<br />
zu tun!).<br />
Vielleicht geht es ja in Zukunft auch wieder etwas<br />
schneller! <br />
— <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
15<br />
P O L I T I S C H E S
Neuer Fortbildungsgang der Akademie<br />
für freiberufliche Selbstverwaltung und<br />
Praxismanagement<br />
Anfang 2014 startet der neue, inzwischen<br />
achte Fortbildungsgang der Akademie für<br />
freiberufliche Selbstverwaltung und Praxismanagement.<br />
Interessenten können sich jetzt anmelden.<br />
Seit zwölf Jahren bietet die zahnärztliche Selbstverwaltung<br />
mit großem Erfolg ein besonderes berufsbegleitendes Fortbildungsangebot<br />
für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
an, die Interesse an der Übernahme von Verantwortung in<br />
Gremien der zahnärztlichen Berufspolitik und Selbstverwaltung<br />
haben und sich das notwendige Know-how dafür<br />
zulegen wollen.<br />
Derzeit tragen neben der KZV Niedersachsen vierzehn weitere<br />
zahnärztliche Körperschaften unter der Schirmherrschaft<br />
von BZÄK und KZBV die Fortbildungsplattform, mit dem Ziel<br />
einer umfassenden wissenschaftlich und systematisch ausgerichteten<br />
Selbstprofessionalisierung der Zahnärzteschaft<br />
für den Erhalt und die Stärkung der Freiheit im Heilberuf.<br />
Rüstzeug für die Praxis<br />
Neben der politischen Fortbildung erhalten die Teilnehmer<br />
zudem auch Rüstzeug für das betriebswirtschaftliche<br />
Management ihrer Praxis. Zum Themenspektrum der Akademie<br />
gehören u. a. Recht und Ökonomie des Gesundheitswesens<br />
und der Zahnarztpraxis, Gesundheitssystemforschung,<br />
Rhetorik, Öffentlichkeitsarbeit, Diskussionsforen<br />
zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen mit Entscheidungsträgern<br />
und Besuche bei Institutionen in Berlin und<br />
Brüssel runden ein vielseitiges interdisziplinäres Studienprogramm<br />
ab.<br />
Den siebten Studiengang der Akademie werden Ende dieses<br />
Jahres 18 Kolleginnen und Kollegen erfolgreich mit dem<br />
Zertifikat „Manager in Health Care Systems“ abschließen.<br />
Im Februar 2014 beginnt dann der neue Studiengang der<br />
AS-Akademie. Dieser achte postgraduale Fortbildungsgang<br />
erstreckt sich über zwei Jahre bis Ende 2015. Die Veranstal-<br />
16 P O L I T I S C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Der aktuelle 7. Studiengang der Akademie am 25.02.2012<br />
in Berlin mit zwei Zahnärztinnen und zwei Zahnärzten des<br />
Berufsverbands ZfN aus Niedersachsen.<br />
tungen finden an insgesamt zehn Wochenenden (jeweils<br />
von Donnerstagnachmittag bis Samstagmittag) in Form von<br />
Seminarblöcken statt. Die Veranstaltungen finden sowohl<br />
in Berlin, aber auch an wechselnden Orten im Bereich der<br />
Trägerkörperschaften in Form von Seminarblöcken statt.<br />
Wissenschaftlicher Leiter ist Prof. Burkhard Tiemann, die<br />
Geschäftsführung hat Dr. Sebastian Ziller.<br />
Vier Semester umfassender Stoff<br />
Die Lehrveranstaltungen werden als Vorlesungen, Übungen<br />
und Seminare abgehalten. Die Kurse sind mit rund 20 Teilnehmern<br />
besetzt. Die ersten beiden Semester bilden einen<br />
Grundkurs, in dem das Recht der Heilberufe, Grundlagen der<br />
Freiberuflichkeit, politische Entscheidungsverfahren sowie<br />
Foto: © AS-Akademie
Grundzüge der Volkswirtschaftslehre angeboten werden.<br />
Des Weiteren stehen das Recht der GKV, Grundzüge der<br />
Gesundheits- und Sozialpolitik, zahnärztliche Selbstverwaltung,<br />
Meinungsbildung und Entscheidungsverfahren<br />
in der Berufspolitik sowie Grundzüge der Betriebswirtschaft<br />
auf dem Lehrplan. Das dritte und vierte Semester<br />
sind als Aufbaukurs konzipiert. Hier geht es dann um<br />
Praxis- und Qualitätsmanagement, Gesundheitsökonomie,<br />
Gesundheitssystemforschung, Sozialmedizin, Epidemiologie,<br />
europäische Entwicklungen, Verbandsstrategien,<br />
Kommunikation sowie Öffentlichkeits- und Pressearbeit.<br />
Die Studienvermittlung erfolgt unter Leitung von Prof.<br />
Dr. B. Tiemann durch hochkarätige Dozenten aus Wissenschaft<br />
und Praxis. Für das zweijährige Curriculum wird<br />
eine Gebühr in Höhe von 3.900 EUR erhoben.<br />
Die Teilnahme wird gemäß den Leitsätzen der BZÄK/<br />
DGZMK/ KZBV zur zahnärztlichen Fortbildung mit<br />
Punkten bewertet.<br />
Seit 2011 besteht eine teilweise Anrechnungsmöglichkeit<br />
des AS-Curriculums auf das postgraduale Studium an<br />
der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft<br />
Bremen zum Master of Health Management. Eine<br />
Anmeldung ist bis zum Jahresende möglich<br />
Info<br />
Die unter Schirmherrschaft von BZÄK und KZBV stehende<br />
AS-Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und<br />
Praxismanagement wird derzeit von der Ärztekammer<br />
Saarland (Abt. Zahnärzte), den Zahnärztekammern<br />
Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Westfalen-Lippe und<br />
Schleswig-Holstein sowie den KZVen Bremen, Niedersachsen,<br />
Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein,<br />
Westfalen-Lippe sowie dem Zahnärztlichen Bezirksverband<br />
Schwaben getragen und kooperiert mit dem Bundesverband<br />
der Zahnmedizinstudenten in Deutschland<br />
(BdZM e.V.).<br />
Weitere Informationen und Anmeldung:<br />
www.zahnaerzte-akademie-as.de <br />
Kontakt<br />
Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und<br />
Praxismanagement<br />
Chausseestraße 13<br />
10115 Berlin<br />
Ansprechpartner: Birgit Koch<br />
Tel.: 030 40005-101<br />
Fax: 030 40005-169<br />
E-Mail: b.koch@bzaek.de<br />
Zahnärzte bewerten<br />
Krankenkassen<br />
ONLINE-UMFRAGE DER<br />
KASSENZAHNÄRZTLICHEN<br />
BUNDESVEREINIGUNG (KZBV)<br />
Eingangsseite der KZBV-Onlineumfrage zur Kassenbewertung.<br />
Auf ihrer Homepage bittet die KZBV die Kollegenschaft<br />
darum, Krankenkassen online zu bewerten: „Die Zusammenarbeit<br />
mit Krankenkassen kann für den Vertragszahnarzt<br />
positive und negative Seiten aufweisen.<br />
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung möchte in<br />
dieser Umfrage erfahren, wie die Zahnärztinnen und<br />
Zahnärzte ihre Erfahrungen mit den rund 140 Krankenkassen<br />
in Deutschland beurteilen. Die Fragen beziehen<br />
sich auf die Serviceorientierung, das Leistungsspektrum<br />
sowie die Bürokratielast, die Praxen bewältigen müssen.<br />
Die Umfrage nimmt nur wenige Minuten Zeit in Anspruch.“<br />
Nach der Anmeldung mit Ihrem Namen, Ihrer E-Mail-<br />
Adresse und Ihrer KZV-Abrechnungsnummer können<br />
Sie sich unter http://www.kzbv.de/ an der Umfrage<br />
beteiligen.<br />
Die <strong>NZB</strong>-Redaktion bittet die Kolleginnen und Kollegen<br />
um eine rege Beteiligung an der Umfrage der KZBV. <br />
QR-Code zur<br />
KZBV-Onlineumfrage.<br />
— Ihre <strong>NZB</strong>-Redaktion<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
17<br />
P O L I T I S C H E S
Fotos: © ZÄ Sarah Gronwald<br />
Versorgung einer jugendlichen Patientin<br />
mit Amelogenesis imperfecta<br />
Im vorliegenden Beitrag wird der Behandlungsablauf<br />
bei der Versorgung einer Patientin mit einer<br />
erblichen Zahnhartsubstanzanomalie beschrieben. Derartige<br />
Behandlungen sind komplexe Eingriffe, da nicht<br />
nur die fachliche, sondern auch psychologische/soziale<br />
Komponenten berücksichtigt werden müssen. Die Behandlung<br />
erstreckte sich insgesamt über einen Zeitraum<br />
von mehr als fünf Jahren und umfasste u. a. eine Sitzung<br />
in Intubationsnarkose und begleitende kieferorthopädische<br />
Maßnahmen.<br />
Bei Strukturanomalien handelt es sich häufig um hereditäre<br />
Erkrankungen, bei denen primär der Schmelz und/oder das<br />
Dentin betroffen sind. Sie treten meist isoliert auf, können<br />
aber auch mit systemischen Erkrankungen oder Syndromen<br />
vergesellschaftet sein. Die hereditären Zahndysplasien werden<br />
in den meisten Fällen autosomal-dominant, gelegentlich<br />
aber auch autosomal-rezessiv oder geschlechtsgebunden<br />
vererbt und beruhen im Wesentlichen auf Einzelgendefekten.<br />
Genetisch bedingte Dysplasien des Schmelzes werden als<br />
Abb. 01: Ausgangsbefund vom 21.01.2005.<br />
18 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Amelogenesis imperfecta bezeichnet. Durch den genetischen<br />
Defekt wird die Differenzierung oder die Funktion der<br />
Ameloblasten gestört, sodass chemisch, quantitativ<br />
und/oder strukturell abnormaler Schmelz gebildet wird. In<br />
der Regel sind alle Zähne einer oder beider Dentitionen<br />
betroffen. Die Dentinstruktur ist normal. Bis zu zwölf unterschiedliche<br />
Ausprägungen der Amelogenesis imperfecta<br />
werden beschrieben. Therapeutisch relevant ist die Differenzierung<br />
in hypoplastische, hypomaturierte und hypokalzifizierte<br />
Formen.<br />
Bei den hypoplastischen Formen ist die Schmelzschicht in<br />
der Quantitität reduziert (d. h. dünner), die Qualität des<br />
Schmelzes entspricht aber der Norm. (Konsequenz: Säure-<br />
Ätz-Technik ist problemlos möglich). Bei der Hypomaturation<br />
bilden die Ameloblasten zwar die normale Menge an<br />
Schmelzmatrix – die Mineralisation erfolgt jedoch unvollständig,<br />
d. h. es liegt eine gute Quantität, aber schlechte<br />
Qualität vor! (Konsequenz: Säure-Ätz-Technik ist nicht erfolgreich).<br />
Bei der Hypokalzifikation schließlich resultiert ein<br />
sehr weicher, schlecht mineralisierter Schmelz mit gelblich-<br />
Abb. 02: OPG vom 21.01.2005. Abb. 03: Fernröntgenseitenbild<br />
vom <strong>04</strong>.05.2005.
Abb. <strong>04</strong>: Zahnstatus vom 10.07.2006.<br />
bräunlicher Farbe. Innerhalb weniger Monate geht dieser<br />
Schmelz durch Attrition verloren, das freiliegende Dentin<br />
kann sehr schmerzempfindlich sein.<br />
Bei der zahnärztlichen Behandlung von Patienten mit<br />
Amelogenesis imperfecta ist zunächst auf eine intensive<br />
präventive Betreuung mit engen Recallterminen zu achten.<br />
Regelmäßige professionelle Zahnreinigungen sind wichtig,<br />
da es an den rauen Zahnoberflächen zu verstärkter Plaqueanlagerung<br />
kommt und auch das Risiko der Zahnsteinbildung<br />
erhöht ist. Neben den kosmetischen Beeinträchtigungen durch<br />
Verfärbungen können speziell die Substanzverluste im Seitenzahnbereich<br />
frühzeitig zu funktionellen Problemen führen.<br />
In vielen Fällen müssen deshalb bereits frühzeitig temporäre<br />
Kronen im Seitenzahnbereich eingegliedert werden.<br />
Bei der Therapieplanung ist weiterhin zu berücksichtigen:<br />
In mehr als der Hälfte der Fälle besteht eine Durchbruchsverzögerung<br />
sowie eine Tendenz zum offenen Biss.<br />
Die Anfertigung von Langzeitprovisorien oder/und eine<br />
kieferorthopädische Begleitbehandlung sind häufig nicht<br />
zu vermeiden. 1<br />
Anamnese<br />
Die seinerzeit zehnjährige Patientin stellt sich erstmals<br />
am 21.01.2005 im ZFZ vor. Sie war vom Kieferorthopäden<br />
überwiesen worden, der eine bereits begonnene KFO-<br />
Behandlung abbrechen musste.<br />
Hintergrund für den Abbruch war zum<br />
einen die drastische Verschlechterung<br />
des Zahnzustandes (massiver Verlust<br />
von Zahnschmelz) und zum anderen<br />
die immer stärkere psychische Belastung<br />
der Patientin, die von den<br />
Mitschülerinnen und Mitschülern aufgrund<br />
ihrer „gelben Zähne“ gehänselt<br />
wurde. Die Patientin wie auch ihre<br />
Eltern äußerten einen zentralen<br />
Wunsch: „Normale Zähne“. Eine erbliche<br />
Komponente war trotz intensiver Befragung im Familienkreis<br />
anamnestisch nicht abzuleiten.<br />
Ausgangsbefund<br />
Der klinische und röntgenologische Ausgangsbefund vom<br />
21.01.2005 ist aus dem Behandlungsblatt und dem vom<br />
Kieferorthopäden erstellten OPG ersichtlich.<br />
Wechselgebiss,<br />
Nichtanlage 22,<br />
persistierende 71+81 bei Nichtanlage 31+41,<br />
Amelogenesis imperfecta im Milch- und<br />
bleibenden Gebiss,<br />
Offener Biss (Abb. 1, 2 und 3).<br />
Aufgrund der vorliegenden Befunde wurde in Kooperation<br />
mit der behandelnden Kieferorthopädin eine erste Planung<br />
erstellt, die folgende zentrale Komponenten aufwies:<br />
Regelmäßige Intensivprophylaxe,<br />
Extraktion der Milchzähne um einen schnelleren<br />
Zahnwechsel zu provozieren,<br />
Versorgung durch Zahnersatz (Kronen und Veneers),<br />
KFO-Behandlung im Wesentlichen zur Reduktion des<br />
offenen Bisses.<br />
Ab dem 2. Quartal 2005 wurden die Milchzahnextraktionen<br />
durchgeführt. Zusätzlich erfolgten in Abständen von drei <br />
1 Auszug aus Pieper, K.: Zahnanomalien und ihre Versorgung in: Johannes Einwag und Klaus Pieper: Kinderzahnheilkunde,<br />
3. Auflage, Elsevier - Urban und Fischer 2008)<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
– Anzeige –<br />
19<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 05: Frontalaufnahme. Ausgangssituation<br />
vor der Sanierung: Der offene Biss,<br />
die Nichtanlage 22, die persistierenden<br />
Milchzähne und das gesamte Ausmaß<br />
der Hartsubstanzanomalie sind gut zu<br />
erkennen.<br />
<br />
Monaten regelmäßig Prophylaxesitzungen mit professionellen<br />
Zahnreinigungen und professionellen Fluoridierungen als<br />
zentralem Bestandteil. Die kieferorthopädische Behandlung<br />
wurde wieder aufgenommen.<br />
Kernbehandlungsphase<br />
Im Juli 2006 waren mit Ausnahme der persistierenden<br />
Milchzähne 71 und 81 und des nicht angelegten Zahnes<br />
22 alle bleibenden Zähne bis zu den Sechs-Jahr-Molaren<br />
vollständig durchgebrochen. 27 befand sich im Durchbruch<br />
(Abb. 4).<br />
Der Leidensdruck (bezüglich der Ästhetik) auf die nunmehr<br />
elfjährige Schülerin hatte zwischenzeitlich derart zugenommen,<br />
dass die Eltern im Rahmen eines ausführlichen Beratungstermines<br />
den ausdrücklichen Wunsch formulierten,<br />
die KFO-Behandlung einzustellen und sofort mit einer<br />
definitiven prothetischen Versorgung der erkrankten Zähne<br />
zu beginnen. Ein weiteres Hinwarten (z. B. in der Hoffnung<br />
auf eine Absenkung des offenen Bisses) sei aus psychischen<br />
Gründen (Pubertät) nicht mehr zumutbar (Abb. 5, 6 und 7).<br />
Im Rahmen der Beratung wurde eine Versorgung der vorhandenen<br />
bleibenden Zähne mit VMK-Kronen und der<br />
persistierenden Milchzähne mit Kunststoffveneers vereinbart.<br />
Die Präparation, Abformung und Herstellung der Provisorien<br />
sollte während einer Sanierung in endotrachealer Intubationsnarkose<br />
durchgeführt werden. Für Einproben, Bissnahmen<br />
Abb. 08: Situation nach Präparation in<br />
Intubationsnarkose.<br />
20 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Abb. 06: Oberkiefer. Ausgangssituation<br />
vor der Sanierung im OK.<br />
Abb. 07: Unterkiefer. Ausgangssituation<br />
vor der Sanierung im UK.<br />
und Einsetzen der Kronen waren ambulante Sitzungen<br />
vorgesehen. Die Versorgung wurde beantragt und gutachterlich<br />
genehmigt. (Kommentar: Grundsätzlich erfolgt die<br />
Erstattung der Kosten bei der prothetischen Versorgung<br />
von Patienten mit Hartsubstanzanomalien nach den allgemeingültigen<br />
Richtlinien für den Zahnersatz. Für Patienten<br />
mit Amelogenesis imperfecta sind keine Sonderregelungen<br />
vorgesehen. Das heißt: Grundsätzlich müssen die Eltern mit<br />
finanziellen Eigenbeteiligungen in den Größenordnungen<br />
rechnen, wie sie auch bei der Versorgung von Zähnen mit<br />
z. B. kariös bedingter Zerstörung auftreten würden. Tatsächlich<br />
ist die Erstattung im Einzelfall jedoch durchaus unterschiedlich.<br />
Die Argumentation, dass es sich in derartigen<br />
Fällen ja um die Versorgung genetisch und nicht verhaltensbedingter<br />
Schäden handelt, ist sehr hilfreich.)<br />
Am 15.08.2006 erfolgte die Behandlung in Intubationsnarkose.<br />
Dabei wurden die Zähne entsprechend der Planung<br />
präpariert, die Abformungen im OK und UK vorgenommen<br />
und die Provisorien angefertigt (Abb. 8 und 9). Drei Tage<br />
später wurden die notwendigen Bissnahmen/Bissregistrate<br />
in einer separaten ambulanten Behandlungssitzung erstellt.<br />
Anfang September erfolgte eine Gerüsteinprobe. Dabei<br />
wurden neben der Überprüfung der Passung und der Bisshöhe/Bisslage<br />
nochmals die Form der Zähne im Allgemeinen<br />
(und insbesondere im Bereich der Nichtanlage des<br />
Zahnes 22) sowie die definitive Farbauswahl intensiv<br />
diskutiert. (Kommentar: 1. Farbe: Patienten mit derartigen<br />
Abb. 09: Provisorische Versorgung. Abb. 10: Situation bei der Gerüsteinprobe.
Abb. 11: Zwischenbefund nach Abschluss<br />
der prothetischen Versorgung.<br />
Schmelzbildungsstörungen tendieren in der Regel zu<br />
extrem hellen Farben, weil sie auf diese Weise die Defizite<br />
der Vergangenheit kompensieren wollen! Hier ist viel<br />
Fingerspitzengefühl bei der Beratung angesagt. 2. Form:<br />
Hier ist zu berücksichtigen, dass eine definitive Versorgung<br />
erfolgen soll. Das bedeutet: Die Form der Zähne muss<br />
derjenigen eines Erwachsenen entsprechen und ist somit<br />
in dieser Altersphase teilweise gewöhnungsbedürftig<br />
(Abb. 11).<br />
Vier Wochen nach der Präparation konnten die Kronen und<br />
Veneers in einer weiteren ambulanten Sitzung eingegliedert<br />
werden. Sowohl bezüglich der Ästhetik (Lückenschluss in<br />
regio 22 und Umgestaltung des Zahnes 23 in einen seitlichen<br />
Schneidezahn) als auch der Kaufunktion konnte durch die<br />
prothetischen Maßnahmen ein zufriedenstellendes Ergebnis<br />
erzielt werden. Die Mundhygiene ist ebenfalls erfreulich.<br />
Zahn 27 ist noch im Durchbruch – er wurde zunächst nicht<br />
versorgt (Abb. 11 und Abb. 12).<br />
Eine Herausforderung ist nach wie vor der offene Biss. Die<br />
Eltern konnten vom Sinn und Nutzen einer Fortsetzung der<br />
kieferorthopädischen Behandlung überzeugt werden. Diese<br />
erfolgte mit abnehmbaren Apparaturen.<br />
Ein halbes Jahr später waren – bedingt durch die kieferorthopädische<br />
Behandlung und den weiteren Durchbruch<br />
der Zähne (gut zu erkennen am Verlauf der zervikalen<br />
Ränder der Veneers an 71 und 81) – die Folgen sichtbar:<br />
Der offene Biss wurde reduziert (Abb. 14 und 15).<br />
Abb. 12: Beste gingivale Verhältnisse. 27<br />
ist noch nicht versorgt.<br />
Aktuell – zwei Jahre nach Abschluss der prothetischen<br />
Versorgung hat sich die Situation weiter stabilisiert. Funktionell<br />
wie auch ästhetisch kann jetzt von einem guten<br />
Behandlungsergebnis gesprochen werden. Bezüglich der<br />
sozialen Akzeptanz bestehen keinerlei Einschränkungen<br />
mehr. Die Zwölf-Jahr-Molaren werden zeitnah in einer<br />
ambulanten Behandlungssitzung versorgt werden (Abb. 16,<br />
17 und 18).<br />
Epikrise und Prognose<br />
Abb. 13: Nach prothetischer Versorgung:<br />
Der offene Biss ist deutlich erkennbar.<br />
Eine in ästhetischer und kaufunktioneller Hinsicht ausreichende<br />
Versorgung von erwachsenen Patienten mit Hartsubstanzanomalien<br />
ist durch die modernen Möglichkeiten<br />
der zahnärztlichen Prothetik und Werkstoffkunde weitgehend<br />
gewährleistet. Herausforderungen ergeben sich dagegen<br />
häufig bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen,<br />
da ein in der Entwicklung befindliches Kauorgan endgültige<br />
rekonstruktive Maßnahmen kaum zulässt. Für das<br />
Wechselgebiss stellen sich besonders folgende Aufgaben:<br />
das Verhindern weiterer Abrasionen an den schon<br />
durchgebrochenen Zähnen<br />
die Anhebung eines in der Regel schon abgesunkenen<br />
Bisses und Stabilisierung einer „normalen“ Bisslage<br />
(Wieder-)Herstellung einer zufriedenstellenden Ästhetik<br />
Verhinderung der Entwicklung kariöser Läsionen <br />
Abb. 14: Durchbruch. Anfang 2007 befinden sich alle zweiten Molaren im Durchbruch. Abb. 15: Absenkung. Der offene Biss hat<br />
sich leicht abgesenkt.<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
21<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 16: Oberkiefer. Vorläufiger Abschluss<br />
im Oberkiefer.<br />
<br />
und dies alles bei einem möglichst geringen, den Patienten<br />
und sein Umfeld nicht über die Maßen belastenden<br />
zeitlichen und finanziellen Aufwand.<br />
Der vorliegende Fall kann unter diesen Prämissen als<br />
„mittelschwer“ klassifiziert werden (wenn man einmal von<br />
der Sitzung in Intubationsnarkose absieht), da die Wechselgebissphase<br />
doch schon weitgehend abgeschlossen war<br />
und eine Kombination aus prothetischen und kieferorthopädischen<br />
Maßnahmen im Rahmen einer Kernbehandlungsphase<br />
ausreichte, um das Wunschziel zu erreichen.<br />
SARAH GRONWALD<br />
Studium:<br />
WS 1992/93 Universität des<br />
Saarlandes, Saarbrücken,<br />
Anglistik/Romanistik<br />
SS 1993 Auslandsaufenthalt<br />
WS 1993/94-WS 1999/2000 Albert-Ludwigs-Universität<br />
Freiburg i. Br., Zahnmedizin<br />
Seit März 2000 zahnärztliche Angestellte im<br />
Zahnmedizinischen Fortbildungszentrum Stuttgart (ZFZ)<br />
Schwerpunkt:<br />
Kinderzahnheilkunde mit ITN- Zahnsanierung in<br />
Kooperation mit dem Klinikum Stuttgart Olgahospital<br />
komplexe Behandlungsfälle z.B. bei Schmelzbildungsstörungen<br />
(MIH, Amelogenesis/Dentinogenesis imperfecta,<br />
Erosionen)<br />
Lehrtätigkeit und Prüferin:<br />
Fortbildungen für ZFA (zur ZMP, ZMF, DH)<br />
Kollegiales Abschluss-Fachgespräch der<br />
zertifizierten Fortbildung<br />
Curriculum Kinderzahnheilkunde (ZFZ)<br />
Mitglied: DGZMK, DGK<br />
22 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Abb. 17: Unterkiefer. Vorläufiger Abschluss<br />
im Unterkiefer.<br />
Abb. 18: Aktueller klinischer Eindruck.<br />
Bei Vorstellung der Patientin im frühen Wechselgebiss<br />
wäre ein derartiges Vorgehen nicht möglich. Hier sind in<br />
der Regel zwei Kernbehandlungsphasen, einmal zur prothetischen<br />
Versorgung der bleibenden Frontzähne und der<br />
Sechs- Jahr-Molaren (je nach Durchbruch in der Regel im<br />
Alter von 8 bis 9 Jahren) und zum zweiten Mal im Alter von<br />
12 bis 14 Jahren (zur Versorgung der Eckzähne, Prämolaren<br />
und Zwölf-Jahr-Molaren) einzuplanen.<br />
Sinnvoll sind gelegentlich auch Langzeitprovisorien, vor allem<br />
dann, wenn die Entwicklung der Kiefer nicht hinreichend<br />
genau abgeschätzt werden kann.<br />
Materialtechnisch bieten sich heute – durch Einsatz moderner<br />
zementierbarer Keramiken – auch bei den hypokalzifizierten<br />
und hypomaturierten Formen der Amelogenesis<br />
funktionell und ästhetisch überlegene Alternativen. Optisch<br />
störende Metallränder (bei Metallkeramikversorgungen), die<br />
aufgrund der Eingliederung in der Wechselgebissphase<br />
und einem zu erwartenden weiteren Zahndurchbruch<br />
auftreten können, sind so zu vermeiden. Die Prognose im<br />
vorliegenden Fall ist grundsätzlich gut. Die Lebensdauer<br />
der eingegliederten prothetischen Restauration entspricht<br />
derjenigen bei Patienten ohne Hartsubstanzanomalien.<br />
Aufgrund der frühen Eingliederung kann davon ausgegangen<br />
werden, dass im frühen Erwachsenenalter aller Voraussicht<br />
nach eine erneute Versorgung der Zähne im sichtbaren<br />
Bereich erforderlich wird, um den ästhetischen Anforderungen<br />
zu genügen. Nicht vorhersagbar ist das Schicksal der<br />
persistierenden Milchzähne. Hier steht im Versorgungsfall<br />
die gesamte Palette der modernen Restaurativen Zahnheilkunde<br />
zur Verfügung. <br />
— ZÄ Sarah Gronwald,<br />
Prof. Dr. Johannes Einwag,<br />
Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum Stuttgart<br />
Quelle: Zahnärzteblatt Baden-Württemberg 5/2011
Behandlungsmöglichkeiten bei<br />
„Molar-Incisor-Hypomineralisation“<br />
Abb. 01: Ausgangsbefund vom 26.05.2008.<br />
Fotos: © S. Gronwald<br />
Im vorliegenden Beitrag werden die Behandlungsmöglichkeiten<br />
bei Schmelzbildungsstörungen<br />
im Milch- bzw. im Wechselgebiss, genauer bei der<br />
sogenannten Molar-Incisor-Hypomineralisation/Molaren-<br />
Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) am Beispiel eines<br />
4-jährigen Jungen und eines 9-jährigen Mädchens<br />
beschrieben.<br />
Für die betroffenen Patienten sind Schmelzbildungsstörungen<br />
generell zunächst ein nicht zu unterschätzendes ästhetisches<br />
Problem. Den behandelnden Zahnarzt wiederum stellen sie<br />
mitunter vor erhebliche therapeutische Herausforderungen.<br />
Zur Entscheidungsfindung müssen verschiedene Faktoren<br />
gegeneinander abgewogen werden, um letztendlich eine<br />
für alle Seiten zufrieden stellende Lösung zu finden.<br />
Die Frage nach der adäquaten Versorgung der betroffenen<br />
Zähne hat eine große Bedeutung – mit welchem Material<br />
und zu welchem Zeitpunkt sollte versorgt werden? Einerseits<br />
droht rascher posteruptiver Substanzverlust, die Mundhygiene<br />
ist oft mangelhaft und dadurch die Kariesanfälligkeit<br />
noch zusätzlich erhöht. Auf der anderen Seite kann die<br />
Kooperationsbereitschaft der jungen Patienten durch<br />
Hypersensibilität und damit verbundene vorausgegangene<br />
negative Erfahrungen stark eingeschränkt sein.<br />
Bevor mit der Behandlung begonnen wird, sollte in schweren<br />
Fällen zunächst mit einem Kieferorthopäden abgeklärt<br />
werden, ob die Zähne überhaupt erhaltungswürdig sind.<br />
Bei sich entwickelndem Engstand ist es manchmal sinnvoll,<br />
die Zähne zu gegebener Zeit zu extrahieren. Bei der<br />
MIH treten meist an permanenten Inzisiven und ersten<br />
Molaren (manchmal auch cheese molars genannt)<br />
Schmelzbildungsstörungen mit nach wie vor teilweise<br />
unklarer Genese auf. Die Variabilität des Erkrankungsbildes<br />
ist erheblich: Es sind von einem bis zu allen vier Sechsjahresmolaren<br />
betroffen, oft in unterschiedlichem Ausmaß,<br />
häufig kombiniert mit den bleibenden Frontzähnen. Die<br />
Oberkiefer-Frontzähne sind häufiger beteiligt, die Unterkiefer-<br />
Frontzähne eher selten, Milchzähne nahezu nie. Da die<br />
Defekte der Schneidezähne meist milder ausgeprägt sind<br />
als die der Molaren, stellen sie, wenn überhaupt, nur ein<br />
kosmetisch/ästhetisches Problem dar. Die betroffenen<br />
Schmelzareale können bei Bedarf mit Kompositen bei<br />
kleineren Defekten oder mit Veneers bei flächigeren und/<br />
oder dunkleren Defekten versorgt werden. Die Prävalenz in<br />
Deutschland liegt zwischen 0,6% bis 5,6%, in anderen<br />
Ländern wird über Werte zwischen 3,6% bis 25% berichtet. 1<br />
Das Problem der MIH findet in der Mineralisationsphase <br />
Abb. 02: Rö-Bissflügel rechts und links vom 23.06.2008. Abb. 03: Befund bei Wiedervorstellung vom <strong>04</strong>.<strong>04</strong>.2011.<br />
1 Auszug aus Pieper, K.: Zahnanomalien und ihre Versorgung in Johannes Einwag und Klaus Pieper.<br />
Kinderzahnheilkunde 3. Auflage, Elsevier – Urban und Fischer 2008<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
23<br />
F A C H L I C H E S
der Zahnkronen dieser Zähne statt, das Zeitfenster reicht<br />
vom achten Schwangerschaftsmonat bis zum 5. Lebensjahr.<br />
Es wird angenommen, dass Ameloblasten in dieser<br />
Phase teilweise irreversibel zerstört werden und andere sich<br />
wieder „erholen“ können – somit kann das klinische<br />
Erscheinungsbild unterschiedlich sein und auch der<br />
Schweregrad innerhalb einer Mundhöhle.<br />
Die Farbe der Schmelzoberfläche variiert von creme-weiß<br />
über gelb bis braun. Je dunkler die Farbe, desto poröser die<br />
Zahnsubstanz und desto größer die Gefahr posteruptiver<br />
Substanzverluste. Je mehr Molaren betroffen sind, desto<br />
größer wiederum ist die Gefahr, dass auch die Inzisivi mit<br />
betroffen sind. Der hypomineralisierte Schmelz hat im<br />
Vergleich zu normalem Schmelz einen niedrigeren Kalziumund<br />
Phosphorgehalt sowie einen höheren Kohlenstoffanteil.<br />
Die mechanische Belastbarkeit des betroffenen Schmelzes<br />
ist herabgesetzt, wodurch es schon unter normaler Kaubelastung<br />
zu Schmelzabsprengungen kommen kann. Teile<br />
des betroffenen Zahnschmelzes können kurz nach dem<br />
Zahndurchbruch unter der Einwirkung von Kaukräften<br />
verloren gehen, dies führt zu Dentinfreilegungen.<br />
Betroffene Molaren können empfindlich auf thermische,<br />
chemische und mechanische Reize reagieren. Oft kann<br />
schon die Zahnpflege schmerzhaft sein, was dann, bei einer<br />
Vernachlässigung der Mundhygiene, zu einer schnellen<br />
Kariesentwicklung führen kann. Bei der Anwendung von<br />
Lokalanästhesie an den betroffenen Zähnen kann auch<br />
oft keine oder keine ausreichende Schmerzausschaltung<br />
erreicht werden.<br />
Abb. <strong>04</strong>: Fotostatus, intraoraler Befund vom <strong>04</strong>.<strong>04</strong>.2011.<br />
24 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Die Entscheidung „Extraktion oder Restauration“ der betroffenen<br />
Zähne hängt v. a. von der Defektgröße und der<br />
Schmelzqualität ab, ebenso vom Alter des Kindes und von<br />
den kieferorthopädischen Möglichkeiten des Lückenschlusses.<br />
Generell sollten diese Kinder engmaschig in einem Intensivprophylaxeprogramm<br />
betreut werden mit entsprechenden<br />
professionellen und häuslichen Fluorid- und Chlorhexidin-<br />
Anwendungen. Bei engmaschigem Recall (mindestens alle<br />
drei Monate) können ggf. auch minimal befallene Okklusalflächen<br />
mit Fissurenversiegelungen versorgt werden. Wenn<br />
eine Behandlung mit SÄT und Komposit als Füllungsmaterial<br />
vorgesehen ist, sollten aufgrund des schwachen/veränderten<br />
Ätzprofils alle veränderten Schmelzareale zumindest am<br />
Präparationsrand entfernt werden, ansonsten ist eine schnelle<br />
Randspaltbildung und/oder Sekundärkaries die Folge.<br />
Als zeitlich begrenzte Übergangslösung bis zur definitiven<br />
Überkronung oder bis zur Extraktionstherapie und kieferorthopädischen<br />
Mesialisierung der 2. Molaren können die<br />
Sechsjahresmolaren mit konfektionierten Stahlkronen<br />
versorgt werden.<br />
Als langfristige Lösung können Goldteilkronen/Goldkronen,<br />
Verblendkeramikkronen oder Keramikteilkronen/Keramikkronen<br />
(adhäsiv befestigt oder zementierbar mit entsprechender<br />
Keramik) eingesetzt werden. Dies ist jedoch mit einem<br />
höheren zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden<br />
und ist auch abhängig vom Alter und der Kooperationsfähigkeit<br />
des Kindes.<br />
Teilweise ist eine Behandlung in Narkose unumgänglich,<br />
wenn die Schmerzausschaltung für die Behandlung (sei es
Füllungstherapie oder Präparation) mit lokaler Anästhesie<br />
nicht möglich ist. Sollte eine lokale Schmerzausschaltung<br />
an diesen Zähnen nicht möglich sein, bietet die Behandlung<br />
mit Lachgas leider oft keine Alternative. Diese wäre<br />
allenfalls eine Sedierung, die jedoch einen vergleichbaren<br />
Aufwand entsprechend der Narkose bedeutet (Anästhesist,<br />
Aufwachraum, Monitoring etc.) – mit erhöhtem Risiko<br />
(unklare Dosis/Wirkung, ungesicherte Atmung etc.).<br />
Ursachen<br />
Angesichts der bestehenden Versorgungsproblematik<br />
sind alle Maßnahmen zur Vorbeugung der Erkrankung zu<br />
begrüßen.<br />
Nur: Wo soll man ansetzen? Als Ursachen der MIH werden<br />
u. a. diskutiert: Pneumonie, hohes Fieber, hochdosierte<br />
Antibiotikagabe, Störung im Mineralhaushalt, Dioxin oder<br />
polychloriertes Biphenyl in der Muttermilch und mehr als<br />
neun Monate langes Stillen, Frühgeburt und Sauerstoffmangel<br />
bei der Geburt oder später respiratorische<br />
Erkrankungen in der frühen Kindheit (Asthma bronchiale,<br />
rezidivierende Bronchitiden) oder Infektionskrankheiten<br />
wie Diphtherie, Scharlach, Mumps und Masern während<br />
der ersten drei Lebensmonate. Eine tatsächliche Ursache<br />
konnte bislang allerdings nicht verifiziert werden und so<br />
kann man auch vermuten, dass es ein multifaktorielles<br />
Geschehen sein kann.<br />
Hypomineralisationen an den Sechsjahresmolaren können<br />
nach Wetzel und Reckel in drei Schweregrade eingeteilt<br />
werden:<br />
Schweregrad 1 (leicht): Molaren mit Schweregrad 1<br />
weisen einzelne weiß-cremig abgegrenzte Opazitäten<br />
im Bereich der Kaufläche und/oder der Höcker des<br />
oberen Kronendrittels ohne Substanzverlust auf.<br />
Schweregrad 2 (mittel): Bei diesem Schweregrad<br />
erfassen die Opazitäten fast alle Höcker und das obere<br />
Kronendrittel mit geringem Substanzverlust.<br />
Schweregrad 3 (schwer): Dieser ist durch großflächige<br />
gelb-braune Verfärbungen mit Defekten der Kronenmorphologie<br />
aufgrund ausgeprägter Schmelzverluste<br />
gekennzeichnet.<br />
Alle Schweregrade können mit oder ohne Beteiligung der<br />
Schneidezähne auftreten. Die Verteilung auf die einzelnen<br />
Schweregrade ist annähernd identisch. Ebenso sind Mädchen<br />
und Jungen gleichermaßen betroffen.<br />
Differenzialdiagnostisch müssen folgende Krankheitsbilder<br />
in Betracht gezogen werden: Amelogenesis imperfecta,<br />
Dentalfluorose, Schmelzfehlbildungen durch Tetrazyklingabe,<br />
Trauma, apikale Entzündungen der Milchzähne (Folge:<br />
Turnerzahn) sowie Karies.<br />
Abb. 05: Nachkontrolle. Röntgenologische Nachkontrolle nach<br />
sechs Monaten.<br />
Patientenfall<br />
Die vorliegenden Fälle zeigen den Ablauf der Behandlung<br />
am Beispiel eines 4-jährigen Jungen.<br />
Anamnese<br />
Der 4-jährige Junge stellte sich erstmals im Mai 2008 mit<br />
seinen Eltern aufgrund der Überweisung vom Hauszahnarzt<br />
im Zahnmedizinischen Fortbildungszentrum (ZFZ)<br />
Stuttgart vor. Aufgrund einer notwendigen Herzoperation<br />
wegen eines angeborenen Herzfehlers (mit der Komplikation<br />
eines intraoperativen Herzinfarktes) wurde die Zahnsanierung<br />
in ITN beim Hauszahnarzt vom Anästhesisten<br />
abgelehnt und sollte nun in Zusammenarbeit mit dem<br />
ZFZ (Zahnarzt) und dem Klinikum Stuttgart Olgahospital<br />
(Anästhesie und Überwachung) stattfinden.<br />
Ausgangsbefund<br />
Während der extraorale Befund unauffällig war, zeigte der<br />
intraorale Befund ein kariöses Milchgebiss (s. Abb. 1 und<br />
2). Im Juni 2008 fand die Milchzahnsanierung in ITN statt.<br />
Dabei wurde die notwendige Füllungstherapie mit Kompositen<br />
sowie eine Pulpotomie durchgeführt. Anschließend<br />
wurde der Patient wieder zum Hauszahnarzt zur regelmäßigen<br />
Kontrolle und Intensivprophylaxe zurück überwiesen.<br />
Befund 3 Jahre später<br />
Im April 2011 stellte sich der Patient erneut im ZFZ vor.<br />
Mittlerweile war der Patient 7 Jahre und im beginnenden<br />
Wechselgebiss zeigten sich Schmelzhypoplasien der Sechsjahresmolaren<br />
(MIH, s. Abb. 3 und 4). Da die Zähne starke<br />
Empfindlichkeiten und zunehmende Substanzverluste<br />
trotz bereits applizierter Fissurenversiegelungen aufwiesen,<br />
hat sich der Hauszahnarzt mit den Eltern entschieden,<br />
den Patient zur erneuten Versorgung im Rahmen einer<br />
ITN-Behandlung wieder ans ZFZ zu überweisen. <br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
25<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 06: Röntgenkontrolle in ITN der Stahlkronen an den Zähnen 26, 36, 46;<br />
Bissflügel rechts und links vom 26.05.2011.<br />
<br />
Therapie<br />
Im ZFZ erfolgte im Anschluss an die Befunderhebung und<br />
Einschätzung der Kooperationsbereitschaft des Kindes in<br />
Absprache mit den Eltern die individuelle Therapieplanung.<br />
Es wurden die Behandlungsmöglichkeiten und -alternativen<br />
besprochen: betroffene, aber kariesfreie Zähne zu versiegeln<br />
bzw. die Fissurenversiegelung zu erneuern, die bereits vorhandenen<br />
kleineren Kavitationen, nach Entfernung kariöser<br />
Stellen und hypoplastischer Schmelzanteile mit lichthärtendem<br />
Komposit wieder aufzubauen bzw. die Versorgung<br />
mit konfektionierten Stahlkronen vorzunehmen. Aufgeklärt<br />
wurde u. a. ebenfalls über die Möglichkeiten der definitiven<br />
Überkronung mit Goldteilkronen/Goldkronen, VMK oder<br />
Keramikkronen sowie einer Extraktionstherapie inkl. begleitender<br />
KFO.<br />
Unabhängig davon gilt: Die definitive Entscheidung kann<br />
manchmal erst während der Behandlung fallen, wenn es<br />
z. B. doch zu einer Pulpabeteiligung kommt und somit<br />
eine sofortige Extraktionstherapie sinnvoller erscheint.<br />
Auch dies ist den Eltern gegenüber zu kommunizieren.<br />
Aufgrund der noch nicht eindeutigen Gebissentwicklung<br />
des Patienten und der Tendenz zum Engstand wurde im<br />
konkreten Fall in Absprache mit den Eltern, dem Hauszahnarzt<br />
und dem Kieferorthopäden die Entscheidung getroffen,<br />
dass die stärker betroffenen und sehr empfindlichen<br />
Zähne 26, 36 und 46 mittels Stahlkronen versorgt und<br />
Abb. 08: Befund nach ITN vom 26.05.2011.<br />
26 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Zahn 16 neu versiegelt werden sollten. Somit kann die<br />
Entscheidung der Extraktionstherapie noch hinausgezögert<br />
werden. Sie wird in der Regel vom Kieferorthopäden ca.<br />
mit dem 9. Lebensjahr des Patienten entschieden. Mit ca.<br />
9 Jahren ist die Extraktionstherapie, wenn notwendig, meist<br />
am sinnvollsten, da sich der Zahnkeim des 2. Molaren am<br />
günstigsten nach mesial entwickelt.<br />
Ebenso sorgfältig sollte im Voraus ein möglichst schonendes<br />
und ausreichendes Anästhesieverfahren gewählt werden.<br />
Abzuwägen sind die Kooperationsbereitschaft des Kindes,<br />
die Anzahl und der Grad der Schädigung der zu behandelnden<br />
Zähne und eventuell zu erwartende Probleme bei der<br />
Lokalanästhesie. In diesem Fall war die Entscheidung zur<br />
ITN-Behandlung durch den Hauszahnarzt schon abgeklärt.<br />
Die Vorbehandlung mit Fissurenversiegelung konnte trotz<br />
guter Compliance des Kindes nur mit mangelnder/fehlender<br />
Schmerzausschaltung stattfinden. (Bei manchen Kindern<br />
kann man bereits das Entstehen eines sogenannten<br />
„Schmerzgedächtnisses“ beobachten: Anhaltende und<br />
wiederkehrende Schmerzen können dazu führen, dass<br />
die sensiblen und schmerzleitenden neuralen Strukturen<br />
empfindlicher werden und schon auf relativ schwache<br />
Signale reagieren. Im Extremfall kann bereits ein normaler<br />
Reiz eine Schmerzempfindung auslösen.)<br />
Prognose<br />
Abb. 07: Stahlkrone an Zahn 46<br />
als Langzeitprovisorium in ITN vom<br />
26.05.2011.<br />
Aufgrund der guten Compliance des Patienten und der<br />
Eltern ist der weiter notwendige Behandlungsverlauf als<br />
positiv einzuschätzen. Sowohl eine später notwendige<br />
definitive Überkronung oder alternativ eine Extraktionstherapie<br />
mit folgender kieferorthopädischer Behandlung<br />
wird voraussichtlich mit einer intensiven zahnärztlichen<br />
prophylaktischen Betreuung positiv verlaufen. Trotzdem<br />
darf, v. a. in solchen Patientenfällen mit Vorerkrankungen,<br />
die psychische Belastung des Kindes durch den erhöhten<br />
therapeutischen Aufwand nicht unterschätzt werden.<br />
Mit der aktuellen Versorgung, die sich oft über mehrere
zeitintensive Sitzungen hinstreckt, ist die Therapie nicht<br />
abgeschlossen, da diese in der Regel nur eine mittelfristige<br />
oder langzeitprovisorische Restauration darstellt.<br />
Stahlkronen der Sechsjahresmolaren sind ähnlich anzuwenden<br />
wie die etwas besser bekannten Stahlkronen im<br />
Milchgebiss. Im Gegensatz hierzu ist jedoch auf eine möglichst<br />
schonende Präparation zu achten, um genügend<br />
Substanz für die spätere definitive Versorgung zu erhalten,<br />
die bis zum 15. Lebensjahr erfolgen sollte.<br />
Die konfektionierten Kronen kommen dann zur Anwendung,<br />
wenn die Zähne zumindest über einen gewissen Zeitraum<br />
erhalten werden sollen, die Defekte jedoch zu groß für die<br />
Füllungstherapie sind. Leider ist die Präparation der Sechsjahrmolaren<br />
(im Vergleich zur Versorgung von Milchmolaren)<br />
oft zeitraubend. Nach versuchter schonender tangentialer<br />
Präparation mesial und distal sowie Reduktion der<br />
Höhe um ca. 1,5 mm wird die entsprechende Kronengröße<br />
ausgewählt. Diese kann noch durch Kürzen oder Biegen<br />
des Randes individualisiert werden. Wichtig ist es, vor dem<br />
definitiven Einsetzen der Kronen den korrekten Sitz mittels<br />
Röntgenbild zu überprüfen. Bedingt durch das Fehlen eines<br />
basalen Schmelzwulstes, lässt sich die Konfektionskrone<br />
auf dem konisch beschliffenen Zahn nur schwer fixieren,<br />
ein exakter Randschluss ist praktisch nicht zu erreichen.<br />
Insbesondere interdental, am Übergang zwischen Krone<br />
und Zahn, sind in jedem Fall Retentionsnischen vorhanden<br />
(Wechselgebiss), die die Ansammlung von Plaque begünstigen.<br />
Zentrales Folgeproblem ist eine dauerhafte Irritation<br />
des marginalen Parodontiums. Um Knochenabbau zu<br />
vermeiden, sollten die konfektionierten Kronen spätestens<br />
nach Abschluss der Wechselgebissphase durch eine exakt<br />
sitzende definitive Versorgung ersetzt werden.<br />
2. Patientenfall, Anamnese<br />
Die 9-jährige Patientin stellte sich im Mai 2011 im ZFZ vor.<br />
Bei einer bestehenden Cystinose mit Nierentransplantation<br />
im November 2010 sowie einer Operation der Beine stellte<br />
der Hauszahnarzt eine Schmelzhypoplasie der Sechsjahrmolaren<br />
und der Frontzähne fest mit starker Schmerzempfindlichkeit<br />
bei thermisch/chemischen und mechanischen<br />
Reizen.<br />
Auch in diesem Fall ist die Sorge der Eltern vielschichtig und<br />
betrifft nicht nur die bevorstehende zahnärztliche Therapie,<br />
sondern auch die Frage nach der Schuld (Was hätten sie<br />
als Eltern besser/anders machen können? War die häusliche<br />
Zahnpflege ausreichend? Wurde nicht genug auf die<br />
Ernährung geachtet? Waren sie zu spät beim Zahnarzt?)<br />
sowie der psychischen Belastung ihres Kindes (die Eltern<br />
deuten an, dass ihr Kind von Mitschülern zunehmend auf<br />
die Zahnverfärbungen angesprochen wird!).<br />
Bei solch einer Vorgeschichte und den entsprechenden<br />
offenen Fragen ist der Behandler schon am ersten Termin<br />
2 Literatur: R. Steffens, H. van Waes, Quintessenz 2011; 62 (12): 1585-1592<br />
Abb. 09: Ausgangsbefund vom 10.05.2011.<br />
Abb. 10: Panoramaschichtaufnahme vom 10.05.2011.<br />
sehr gefordert – ein ängstliches Kind, verunsicherte Eltern,<br />
viele offene Fragen und ihr dringender Wunsch nach einer<br />
schnellen Behandlungslösung/-umsetzung.<br />
Hier ist es wichtig, die Eltern umfassend über alle Behandlungsmöglichkeiten<br />
(Seitenzahnbereich: Füllungstherapie,<br />
Stahlkronen, Gold- oder Keramikkronen, Extraktionstherapie<br />
mit KFO; Frontzahnbereich: Füllungstherapie oder Veneer)<br />
sowie Vor- und Nachteile und mögliche Folgebehandlungen<br />
zu informieren und als Behandlungsbeginn die Aufnahme<br />
in ein Intensivprophylaxeprogramm zu starten, welches<br />
meist durch vertrauensbildende Maßnahmen auch schnell<br />
die Patientencompliance fördern kann.<br />
Da junge Patienten mit MIH (mit oder ohne zusätzliche<br />
Vorerkrankung) bereits oft eine chronische Schmerzgeschichte<br />
haben, ist eine MIH-spezifische Schmerzkontrolle<br />
und Verhaltenssteuerung notwendig. 2<br />
Befund<br />
Abgesehen von einer insgesamt verzögerten körperlichen<br />
und dentalen Entwicklung aufgrund der Vorerkrankung,<br />
zeigte sich der extraorale Befund unauffällig, der intraorale<br />
Befund (Abb. 9 und 10) zeigte ein Wechselgebiss. An allen<br />
ersten Milchmolaren konnte Approximalkaries festgestellt<br />
werden. Alle Sechsjahrmolaren sowie die Schneidezähne<br />
im Ober- und Unterkiefer waren, unterschiedlich ausgeprägt,<br />
von MIH betroffen. Das Zähneputzen und Essen wurde<br />
aufgrund der Schmerzempfindlichkeit zunehmend zur<br />
Belastung. Außerdem wurde Substanzverlust an Zahn 46<br />
registriert. <br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
27<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 11: Fotostatus vom 11.11.2011.<br />
<br />
Therapie<br />
Nach Befundaufnahme und Besprechung mit den Eltern<br />
und dem hinzugezogenen Kieferorthopäden wurden alle<br />
Behandlungsalternativen ausführlich besprochen. Aufgrund<br />
der Vorerkrankung und der täglichen Belastung des Kindes<br />
entschieden sich die Eltern für eine möglichst schnelle und<br />
langfristige Lösung. Außerdem sollte die Ästhetik, also<br />
Zahnfarbe auch im Seitenzahnbereich, mit berücksichtigt<br />
werden (Abb. 11). Gemeinsam wurde entschieden, dass<br />
die nicht so schmerzempfindlichen Frontzähne zunächst<br />
so belassen werden und ggf. später, wenn die optimale<br />
Zahnstellung erreicht ist, mit Füllungen oder Veneers<br />
versorgt werden. Die Zähne 16, 26 und 46 sollten mit Keramikkronen<br />
versorgt werden, der weniger stark betroffene<br />
Zahn 36 sowie die Milchzähne 64, 74 und 84, wenn<br />
möglich, mit einer Kunststofffüllung (Eine mögliche spätere<br />
Extraktionstherapie je nach Engstand oder auch anstelle<br />
einer ggf. notwendigen Entfernung der Weisheitszähne<br />
Abb. 12: Röntgenbefund in ITN vom 11.11.2011.<br />
28 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
wurde abgeklärt.). Der Zahn 54 wurde extrahiert, da die<br />
Wurzelresorption für eine Pulpotomie schon zu weit fortgeschritten<br />
war.<br />
Aufgrund der Vorbelastung der jungen Patientin und der<br />
starken Schmerzempfindlichkeit wurde die Behandlung in<br />
ITN durchgeführt (Abb. 15). Das Zementieren der Keramikkronen<br />
(hier mit Oxidkeramik/e. max ® ) konnte wiederum in<br />
der Praxis durchgeführt werden (Abb. 16), da die Patientin<br />
großes Vertrauen zeigte und sich ihr Wunsch nach<br />
schmerzfreien Zähnen erfüllte. Ansonsten wäre optional<br />
noch – zusätzlich zur Lokalanästhesie – eine Behandlung<br />
unter Analgosedierung (Lachgas) anstelle eines zweiten<br />
kurzen ITN-Termines möglich gewesen.<br />
Prognose<br />
Auch hier ist aufgrund der guten Compliance der Patientin<br />
und der Eltern der weitere notwendige Behandlungsverlauf<br />
als positiv einzuschätzen. Bei entsprechender Mundhygiene<br />
und Intensivprophylaxe kann eine weitere Behandlung<br />
sicherlich längerfristig vermieden werden. Sollte sich doch<br />
ein durch Extraktion therapiebedürftiger Engstand ergeben,<br />
so kann in ein paar Jahren immer noch entschieden werden,<br />
ob es sinnvoller ist, die Sechsjahrmolaren zu entfernen<br />
(mit folgender Multibandtherapie) oder ob die Weisheitszahnentfernung<br />
ausreichend ist. Aufgrund der verzögerten<br />
dentalen Entwicklung kann in diesem Fall aus kieferorthopädischer<br />
Sicht noch abgewartet werden.<br />
Ob bei den beiden beschriebenen Patientenfällen die<br />
jeweilige Vorerkrankung mit ihrer jeweiligen Folgeproblematik<br />
(Herzfehler, Cystinose/ Nierentransplantation) Ursache<br />
für die MIH sein kann, bleibt bislang noch ungeklärt.<br />
Auf jeden Fall spielt die Behandlung von hypomineralisierten<br />
Zahndefekten bei Kindern eine zunehmend große Rolle,<br />
da bei gleichzeitigem Kariesrückgang die Prävalenz von<br />
MIH zuzunehmen scheint (unabhängig auch von Vorerkrankungen<br />
und möglichen Zusammenhängen, wie bei<br />
den beiden beschriebenen Patientenfällen). Die Ausprägung<br />
der Hypomineralisationen und die daraus resultie-
ende Problematik können stark differieren. Wesentlich ist<br />
zum einen die Aufklärung der Eltern durch den behandelnden<br />
Zahnarzt, zum anderen sollte der Zahnarzt selbst über<br />
die zwar noch ungeklärten, aber möglichen frühkindlichen<br />
Risikofaktoren, das klinische Erscheinungsbild und die Therapiemöglichkeiten<br />
der Erkrankung informiert sein. Es muss<br />
zudem erkannt und ernst genommen werden, dass Kinder<br />
mit MIH deutlich vermehrt unter Hypersensibilitäten, Zahnarztangst<br />
und Sekundärkaries leiden.<br />
Folgende Grundsätze sollten bei der Verhaltenssteuerung<br />
und Schmerzkontrolle unbedingt beachtet werden:<br />
Schmerzvermeidung bei jedem Behandlungsschritt<br />
(z. B. Prämedikation bei Behandlung hypersensibler<br />
MIH-Zähnen)<br />
Einsatz der bestmöglichen Schmerzkontrolle<br />
strikte Beachtung der Schmerzrückmeldung des Patienten<br />
Ein entsprechendes Therapiekonzept unter Berücksichtigung<br />
einer optimalen Schmerzkontrolle und Verhaltenssteuerung<br />
richtet sich also nach dem Befund und individuell auch<br />
nach dem Grad der Beschwerden. So können Patienten mit<br />
MIH frühzeitig erfasst und in eine umfassende Betreuung<br />
sowie in ein engmaschiges Recall-Programm aufgenommen<br />
werden. Damit wächst die Chance, eine in funktioneller/<br />
schmerzfreier und ästhetischer Hinsicht zufriedenstellende<br />
Rehabilitation zu erreichen. <br />
— Sarah Gronwald, Zahnärztin<br />
Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum Stuttgart<br />
Quelle: Zahnärzteblatt Baden-Württemberg Nr. 10+11/2012<br />
Abb. 15: Präparation in ITN, Zähne 16, 26, 46 am 11.11.2011.<br />
Abb. 16: Zementierte Keramikkronen Zähne 16, 26, 46 am 18.11.2011.<br />
Abb. 13: Befund nach Einsetzten der Keramikkronen am<br />
18.11.2011.<br />
Abb. 14: Röntgenkontrolle mit Keramikkronen an den<br />
Zähnen 16, 26, 46 am 18.11.2011.<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
29<br />
F A C H L I C H E S
Fotos: © Dr. S. Feierabend<br />
Möglichkeiten und Grenzen des<br />
Zahnerhalts bei Milchzähnen<br />
Noch immer wird fast<br />
die Hälfte aller Kinder<br />
in Deutschland mit Karies eingeschult.<br />
Zusätzlich bleibt eine große Anzahl<br />
kariöser Läsionen unversorgt. Daneben<br />
nimmt die Polarisation der<br />
Karies zu, es gibt also weiterhin<br />
eine kleine Gruppe von Kindern und<br />
Jugendlichen, die überdurchschnittlich<br />
viel Karies(-erfahrung) haben.<br />
Gerade solche Randgruppen werden<br />
oft durch die etablierte Gruppen- und<br />
Individualprophylaxe nicht erreicht.<br />
Der Behandlungsumfang solcher<br />
Kinder ist dann meist sehr groß, oft<br />
in ambulanter Behandlung nicht zu<br />
bewältigen, und erfordert maximal<br />
präventive Maßnahmen durch den<br />
Behandler. Der folgende Fall gibt<br />
eine Übersicht über restaurative<br />
30 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Maßnahmen wie Füllungen mit<br />
plastischen Materialien, Milchzahnendodontie<br />
und Versorgungen mit<br />
konfektionierten Milchzahnkronen.<br />
Über den im Durchschnitt guten<br />
Ergebnissen der Kinder- und Jugendgruppe<br />
der vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie<br />
(DMS IV) gerät die<br />
weiterhin hohe Prävalenz der Milchzahnkaries<br />
beinahe in Vergessenheit.<br />
Bei den jüngeren Kindern ist nach<br />
wie vor das Problem der Fläschchenkaries<br />
dominant. Hier ist nur bis zu<br />
einem Drittel der Läsionen überhaupt<br />
versorgt.<br />
Mögen die Gründe für die Nicht-Versorgung<br />
vielfältig sein, so bestehen<br />
dennoch medizinische (allgemeinme-<br />
Abb. 01: Klinischer Befund vor der Sanierung in Intubationsnarkose.<br />
dizinische und zahnmedizinische),<br />
ethische und psychosoziale Aspekte,<br />
die eine Behandlung in jedem Fall<br />
erforderlich machen. Das bedeutet,<br />
Kinder mit frühkindlicher Karies sind<br />
oft anfälliger für Infektionskrankheiten,<br />
leiden an den Folgen einer Fehl- und<br />
Mangelernährung – bedingt durch eine<br />
Beeinträchtigung der Kaufunktion –,<br />
Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung,<br />
Störungen im Wachstum aufgrund<br />
vertikaler und horizontaler Dimensionsverluste<br />
und nicht zuletzt leiden<br />
sie oft unter ihrem Aussehen, was bei<br />
kariöser Zerstörung der Oberkieferfrontzähne<br />
besonders hervortritt.<br />
Anamnese<br />
Bei der hier vorgestellten knapp<br />
sechsjährigen, allgemeinmedizinisch<br />
gesunden Patientin war im Rahmen<br />
der halbjährlichen Kontrolluntersuchungen<br />
eine tiefe Dentinkaries an<br />
den Zähnen 54 und 74 diagnostiziert<br />
worden. Während der ambulanten<br />
Behandlung verweigerte sie die<br />
weitere Mitarbeit, sodass die eröffnete<br />
Pulpa nur notdürftig mit einem Calciumhydroxidpräparat<br />
abgedeckt und der<br />
Zahn mit einem Glasionomerzement<br />
gefüllt wurde. Wenige Wochen später<br />
klagte sie über Schmerzen in dieser<br />
Region und es wurde eine Behandlung<br />
unter Dormicum ® angestrebt, die<br />
erfolglos blieb. Es folgte die Überweisung<br />
in eine Zahnklinik. Da der<br />
Behandlungsumfang verhältnismäßig<br />
groß war, die Mitarbeit der Patientin<br />
inzwischen aber sehr gering, wurde<br />
eine Behandlung in Allgemeinnarkose<br />
(ITN) angestrebt.
Abb. 02: Rechte Bissflügelaufnahme<br />
(Ausschnitt). Zahn 54 mit interradikulärer<br />
Osteolyse und als Folge Resorptionen<br />
der distalen Wurzel.<br />
Abb. 03: Linke Bissflügelaufnahme<br />
(Ausschnitt). Im Gegensatz zum klinischen<br />
Erscheinungsbild ist der Fortschritt der<br />
okklusalen kariösen Läsion bis in das<br />
Dentin deutlich zu sehen. Ebenso zeigt<br />
sich deutlich die Nähe der okklusalen<br />
Läsion des Nachbarzahnes zur Milchzahnpulpa.<br />
Die Eltern der Patientin gaben an,<br />
größtenteils auf eine ausgewogene<br />
Ernährung und eine durchschnittlich<br />
gute Mundhygiene zu achten, wussten<br />
aber gleichzeitig um ihre Inkonsequenz<br />
hinsichtlich zahlreicher über den Tag<br />
verteilter Zuckerimpulse, die die Entstehung<br />
der Milchzahnkaries durchaus<br />
erklärten.<br />
Befund<br />
Klinisch dominierten die kariösen<br />
Läsionen, teils mit eingebrochener<br />
Oberfläche (Abb. 1). Die Mundhygiene<br />
zum Zeitpunkt der Aufnahmeuntersuchung<br />
war sehr gut, der Approximalraum-Plaque-<br />
Index (API) betrug nur<br />
13 Prozent, der modifizierte Sulkus-<br />
Blutungs-Index (SBI mod.) 8 Prozent.<br />
Röntgenologisch: Die angefertigten<br />
Bissflügelaufnahmen erlaubten aufgrund<br />
ihrer Größe (Speicherfolie, 3x4 cm)<br />
eine approximale, interradikuläre und<br />
apikale Diagnostik, insb. der Milchmolaren<br />
(Abb. 2 und 3).<br />
Die Zähne 65, 84 und 85 wiesen eine<br />
Schmelzkaries auf, die Zähne 54, 55,<br />
74 und 75 eine in das Dentin fortgeschrittene<br />
Karies, Zahn 54 zusätzlich<br />
eine interradikuläre und apikale<br />
Radioluzenz sowie pathologische<br />
Wurzelresorptionen.<br />
Therapie<br />
Aufgrund des umfangreichen Behandlungsbedarfs<br />
sowie der gegenwärtig<br />
neu aufgetretenen Beschwerden war<br />
eine Behandlung in Intubationsnarkose<br />
indiziert, insbesondere auch in Hinblick<br />
auf die erfolglose Behandlung<br />
unter Dormicum ® .<br />
Die kariöse Läsion an Zahn 55 wies<br />
eine typische Kavitätengröße auf, bei<br />
der eine Füllungstherapie mit einem<br />
plastischen Material im Milchzahn<br />
noch möglich ist (Abbildungen 4 bis<br />
6). Da für den zentralen Anteil der Kavität<br />
von einer Restdentinschichtstärke<br />
von mehr als 1 mm ausgegangen<br />
wurde, wurde hier auf eine Cariesprofunda-Therapie<br />
verzichtet.<br />
Der Milchmolar 75 zeigte eine dezente<br />
Verfärbung im distalen Bereich der<br />
Fissur (Abb. 7). Obwohl hier zunächst<br />
klinisch nur der Verdacht einer<br />
Abb. <strong>04</strong>: Eröffnung der kariösen Läsion<br />
an Zahn 55. Zahn 54 wurde bis zum<br />
Abschluss der Versorgung an Zahn 55<br />
belassen, um ein suffizient trockenes<br />
Arbeitsfeld beizubehalten.<br />
Fissurenkaries bestand, so zeigte die<br />
Bissflügelaufnahme (Abb. 2) auch hier<br />
schon eine bis in das Dentin fortgeschrittene<br />
Karies, die aber aufgrund<br />
der frühen Diagnostik ebenfalls mit<br />
einer plastischen Füllung versorgt<br />
werden konnte (Abb. 8 und 9). Als<br />
Füllungsmaterial wurde hier ein<br />
Kompomer (Dyract, Dentsply, DeTrey)<br />
in Kombination mit einem Einflaschenadhäsiv<br />
(Prime&Bond NT, Dentsply<br />
DeTrey) verwendet. Die Behandlung<br />
des Zahnes 74 mit einer Vitalamputation<br />
wird im folgenden Abschnitt<br />
„Milchzahnendodontie“ beschrieben.<br />
Pulpabeteiligung<br />
Die okklusale Karies des ersten Milchmolaren<br />
im Unterkiefer (Zahn 74)<br />
konnte nicht mehr durch eine alleinige<br />
Füllungstherapie behandelt werden<br />
(s. Abbildungen 7 bis 9). Die Ausdehnung<br />
der Karies hatte zwangsläufig<br />
eine umfangreiche Beteiligung der<br />
Pulpa zur Folge, ebenso wie eine<br />
großflächige Eröffnung derselben bei<br />
der Exkavation. In der Kinderzahnheilkunde<br />
ist in solchen Fällen eine Ausräumung<br />
der gesamten Kronenpulpa<br />
(Vitalamputation/Pulpotomie), die<br />
Applikation eines Medikamentes auf<br />
die Pulpastümpfe und ein bakteriendichter<br />
Verschluss die Therapie der<br />
Wahl. Da zusätzlich approximal (distal)<br />
kaum Zahnhartsubstanz verblieb,<br />
wurde dieser Zahn mit einer konfektionierten<br />
Krone (Stahlkrone, 3M Espe)<br />
versorgt (Abb. 9). <br />
Abb. 05: Anlegen eines Matritzensystems<br />
(Triodent V3 ® ), das Teilmatrizen in<br />
besonders kleinen Größen anbietet und<br />
daher gut für Milchzähne geeignet ist.<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
31<br />
F A C H L I C H E S
Abb. 06: Fertige Milchzahnfüllung.<br />
Der approximale Kasten blieb in<br />
oro-vestibulärer Richtung klein, sodass<br />
die Füllung mit einem Kompomer<br />
vorgenommen wurde.<br />
<br />
Konfektionierte Kronen<br />
Sobald der approximale Kasten im<br />
Milchzahn eine weiter ausladende<br />
Form annimmt (Abb. 10), sollte von<br />
einer plastischen Füllung abgesehen<br />
und eine konfektionierte Krone präferiert<br />
werden. Im vorliegenden Fall<br />
war die Ausdehnung des okklusalen<br />
Defektes nach distal (vgl. Abb. 8) für<br />
die Entscheidung zur Krone ausschlaggebend.<br />
Die Patientin war noch<br />
verhältnismäßig jung und dieser Zahn<br />
benötigte dementsprechend eine<br />
dauerhaft gute Versorgung.<br />
Epikrise<br />
Bei der hier vorgestellten Patientin<br />
war die initiale Behandlung aufgrund<br />
geringer Compliance auch in Sedierung<br />
nicht erfolgreich, was einen Eingriff in<br />
Intubationsnarkose notwendig machte.<br />
Die Therapie erstreckte sich von der<br />
Füllungstherapie über die Milchzahnendodontie<br />
mit anschließender Kronenversorgung<br />
bis hin zu frühzeitiger<br />
Extraktion bei interradikulärer und<br />
apikaler Osteolyse.<br />
Füllungstherapie<br />
Größere Kavitäten als die bei der vorgestellten<br />
Patientin sind zwar kurzfristig<br />
auf diesem Weg meist auch zu versorgen,<br />
neigen aber zu Füllungs-und/oder<br />
Zahnfrakturen oder auch vorzeitigem<br />
Verlust – was eine erneute Behandlung<br />
des Kindes zur Folge hätte. Als<br />
Füllungsmaterial im Milchgebiss eignen<br />
sich heute hauptsächlich Kompomere;<br />
32 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Abb. 07: Ausgedehnte eingebrochene<br />
kariöse Läsion an Zahn 74. Zahn 75<br />
dagegen zeigt eine nur wenig auffällige<br />
Verfärbung im distalen Anteil der<br />
Hauptfissur.<br />
dennoch erfordern auch sie einen gewissen<br />
Grad an Mitarbeit, um sorgfältig<br />
verarbeitet werden zu können. Von<br />
Füllungsmaterialien, die eine Mindestmaterialschichtstärke<br />
erfordern (z. B.<br />
Glasionomerzemente oder Amalgam)<br />
sollte abgesehen werden, da die<br />
dünnen Zahnhartsubstanzschichten<br />
der Milchzähne mit gleichzeitig voluminöser<br />
Pulpa eine weitreichende<br />
Präparation nur aufgrund der Materialanforderungen<br />
eigentlich verbieten.<br />
Milchzahnendodontie<br />
Sie erstreckt sich von der indirekten<br />
Überkappung bis hin zur Pulpektomie.<br />
Eine der am häufigsten angewendeten<br />
Maßnahmen ist die Pulpotomie (auch<br />
Vitalamputation). In der Regel erfolgt<br />
hier die Entfernung der Pulpa mit<br />
einem Diamanten bis zum Eingang der<br />
Wurzelkanäle. Da es hier natürlich zu<br />
einer Blutung kommt, ist die Blutstillung<br />
vor Applikation eines geeigneten<br />
Medikamentes auf die Pulpastümpfe<br />
von besonderer Bedeutung. Eine nicht<br />
zu stillende Blutung ist ein Zeichen<br />
für noch vorhandenes pulpitisch<br />
verändertes Gewebe und bedingt den<br />
nächsten Schritt, die Entfernung der<br />
Wurzelpulpa mit einem Diamanten im<br />
oberen Bereich der Wurzeln (= zervikal/<br />
hohe Pulpotomie). Der Übergang zur<br />
Vitalexstirpation (Pulpektomie) ist ab<br />
hier fließend. Zur Blutstillung eignet<br />
sich in der Kinderzahnheilkunde insbesondere<br />
die Applikation von Eisen-<br />
III-Sulfat, da dieses sehr schnell (ca.<br />
Abb. 08: Tatsächliche Größe der Läsion<br />
nach Entfernung des kariös veränderten<br />
Dentins. Die Läsion wurde mit einem<br />
Kompomer gefüllt. Gleichzeitig wurde<br />
währenddessen die Blutstillung am<br />
pulpotomierten Nachbarzahn mittels<br />
Wattepellet vorgenommen.<br />
15 bis 30 Sekunden) einen mechanischen<br />
Gefäßverschluss bewirkt. In<br />
Frage kommt auch die Blutstillung<br />
mittels eines in Kochsalz getränkten<br />
Wattepellets, was aber bis zu vier<br />
Minuten in Anspruch nimmt (s. a. Abb. 8).<br />
Als Medikament zur Abdeckung der<br />
Pulpastümpfe werden gegenwärtig<br />
eine wässrige Calciumhydroxidsuspension<br />
oder Mineral Trioxid Aggregate<br />
(MTA) empfohlen (gemeinsame Wissenschaftliche<br />
Mitteilung der DGK und<br />
DGZ). Die Möglichkeiten des Zahnerhaltes<br />
mit dieser Methode sind allerdings<br />
begrenzt. So sollte ab einer<br />
(physiologischen) Wurzelresorption<br />
von etwa einem Drittel der Wurzellänge<br />
(also zwischen dem 7. und 9.<br />
Lebensjahr des Patienten) keine<br />
endodontische Maßnahme mehr<br />
erfolgen. Ebenso sollte ein Röntgenbild<br />
vorliegen, das über eine mögliche interradikuläre<br />
(ggf. apikale) Radioluzenz<br />
Aufschluss gibt. Eine Pulpaamputation<br />
ist dann in der Regel nicht mehr indiziert,<br />
ebenso nicht bei Schmerzen,<br />
Aufbissempfindlichkeit, Zahnlockerung<br />
oder auch Fistelbildung bzw. (rezidivierender)<br />
Schwellung. Im vorliegenden<br />
Fall kamen die Vitalamputation mit<br />
vollständiger Ausräumung der Kronenpulpa<br />
und eine anschließende Versorgung<br />
mit einer Stahlkrone zum Einsatz<br />
(Abb. 9).<br />
Kronen für Milchmolaren<br />
Milchzahnkronen bieten maximalen<br />
Schutz vor Sekundärkaries, Füllungs-
und Zahnfrakturen. Sie sind in der<br />
Regel auch unter suboptimalen Bedingungen<br />
(mäßig kooperatives Kind)<br />
deutlich besser als eine Füllung zu<br />
applizieren; zudem weniger techniksensitiv.<br />
Gerade bei Kindern, die trotz<br />
Behandlung ein unverändert hohes<br />
Kariesrisiko aufweisen, sind Stahlkronen<br />
manchmal die einzige langfristige<br />
Restauration, die in situ verbleibt, im<br />
Extremfall auch als Versorgung für die<br />
Sechsjahrmolaren. Die anatomische<br />
Form der Milchmolaren ist für eine<br />
Versorgung mit konfektionierten<br />
Kronen sehr gut geeignet. Der basale<br />
Schmelzwulst mit der darunter liegenden<br />
deutlichen Einziehung ermöglicht<br />
die Passung von Kronen mit elastischem<br />
Federrand. Zur Präparation für<br />
die Aufnahme konfektionierter Kronen<br />
ist einzig eine okklusale Reduktion<br />
von 1 bis 1,5 mm notwendig, eine<br />
approximale Separation (die zahnärztliche<br />
Sonde sollte sich gut durch den<br />
Approximalkontakt führen lassen) und<br />
das Abrunden sämtlicher Kanten<br />
(s. Abb. 10). Die Kronen selbst sind<br />
Vita DR. STEFANIE FEIERABEND<br />
Abb. 09: Stahlkronenversorgung an Zahn<br />
74 nach Vitalamputation, Applikation<br />
eines Medikamentes, Aufbaufüllung und<br />
Präparation.<br />
in Sets mit verschiedenen Größen für<br />
jeden der Milchmolaren erhältlich, das<br />
Aussuchen der entsprechenden<br />
Größe erfordert gewöhnlich nur etwas<br />
Übung. Nach Überprüfung der Okklusion<br />
wird die Krone mit einem beliebigen<br />
Zement definitiv eingesetzt.<br />
Da die Grenzen der Füllungstherapie<br />
im Milchgebiss im Vergleich zu den<br />
bleibenden Zähnen immer noch recht<br />
eng gesteckt sind, ergeben sich zahlreiche<br />
Indikationen für Milchzahnkro-<br />
2000 bis 2005: Studium der Zahnheilkunde<br />
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster<br />
10/2005 bis 05/2007: wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie<br />
der Julius-Maximilians-Universität Würzburg<br />
(Direktor: Prof. Dr. B. Klaiber)<br />
12/2006: Promotion zum Dr. med. dent<br />
<strong>04</strong>/2007: Übernahme des Funktionsbereichs Kinderzahnheilkunde in der Poliklinik<br />
für Zahnerhaltung und Parodontologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg<br />
(Direktor: Prof. Dr. B. Klaiber)<br />
06/2007 bis 02/2010: Oberärztin in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie<br />
der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Direktor: Prof. Dr. B. Klaiber)<br />
Seit 03/2010: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Zahnerhaltung<br />
und Parodontologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Direktor Prof. Dr. E.<br />
Hellwig); Leitung des Fachbereichs Kinder- und Jugendzahnmedizin<br />
Preise<br />
2011 Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg für den Kurs<br />
„Problemorientiertes Lernen in der Kinderzahnheilkunde“<br />
2011 GABA-Praktikerpreis für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit<br />
Strukturanomalien<br />
Abb. 10: Abrundung der Kanten. In orovestibulärer<br />
Richtung weit ausgedehnter<br />
approximaler Kasten; der Zahn wurde<br />
deshalb zur Aufnahme einer Stahlkrone<br />
präpariert.<br />
nen; allen voran sind die Überkronung<br />
nach Milchzahnendodontie, die<br />
Überkronung bei hoher Kariesaktivität<br />
und/oder mäßiger Compliance und<br />
die Versorgung breitflächiger Approximalkontakte<br />
zu nennen. Kontraindikationen<br />
bestehen nur, wenn der Zahn<br />
kurz vor der physiologischen Exfoliation<br />
steht oder eine nachgewiesene Allergie<br />
gegen Kronenbestandteile besteht<br />
(Stichwort Nickelallergie, bis dato aber<br />
noch nicht für Kinderkronen nachgewiesen).<br />
Bei korrekter Indikationsstellung ist ein<br />
Zahnerhalt im Milchgebiss in vielen<br />
Fällen möglich. Die Anwendung<br />
geeigneter Therapiemaßnahmen steht<br />
in der Kinderzahnheilkunde im Vordergrund,<br />
was bedeutet, dass eine unreflektierte<br />
Übertragung der Maßnahmen<br />
vom bleibenden auf den Milchzahn<br />
nicht stattfinden sollte. Angezeigt sind<br />
spezielle Maßnahmen wie die Vitalamputation<br />
als sehr häufige endodontische<br />
Maßnahme im Milchgebiss<br />
oder auch der Zahnerhalt mittels<br />
Milchzahnkronen. Für die Kinder<br />
bedeutet eine adäquate Versorgung<br />
einen Gewinn in vielen Bereichen,<br />
von der Allgemein- über die Mundgesundheit<br />
hin zu Kau- und Sprechkomfort<br />
sowie ein Nachlassen sozialer<br />
Ausgrenzung durch kariös zerstörte<br />
Zähne. <br />
— Dr. Stefanie Feierabend<br />
Quelle: Zahnärzteblatt<br />
Baden-Württemberg Nr. 8-9/2011<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
33<br />
F A C H L I C H E S
Therapieoptionen im Milchgebiss<br />
PRAKTISCHE TIPPS ZUR KINDERZAHNHEILKUNDE FÜR GENERALISTEN<br />
Sonntagmorgen, Notdienst<br />
und eine verzweifelte<br />
Mutter steht mit ihrem Vierjährigen in<br />
der Praxis. Das Kind hat nachts nicht<br />
geschlafen, seine Wange ist dick<br />
geschwollen (Abb. 1) und die Mutter<br />
ganz aufgeregt. Diese Situation kennt<br />
fast jeder Zahnarzt aus seinem Praxisalltag<br />
und fordert das zahnärztliche<br />
Team. Eine speziell für Kinder eingerichtete<br />
Spielecke im Wartezimmer<br />
verkürzt den Kindern die Wartezeit, in<br />
der die Mutter den Anamnesebogen<br />
ausfüllt. Im Behandlungszimmer sollten<br />
Besonderheiten im Anamnesebogen<br />
mit der Mutter nochmal besprochen<br />
werden. Ein besonderes Augenmerk<br />
muss auf Herzerkrankungen gelegt<br />
werden. Die Keimverschleppung ist<br />
bei diesen Kindern besonders groß.<br />
Die Befundaufnahme am Kind<br />
schließt die intra- und extraorale<br />
Inspektion ein.<br />
Bei der Therapie des odontogenen<br />
Abszesses müssen die Schmerzbeseitigung<br />
sowie die Infektionskontrolle<br />
im Vordergrund stehen. Diese kann<br />
bei sehr kooperativen Kindern und<br />
34 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
guter Schmerzausschaltung in der<br />
Extraktion des schuldigen Zahnes<br />
bestehen. Falls die Kooperation keine<br />
Behandlung zulässt, besteht die Möglichkeit<br />
der Infektionskontrolle mittels<br />
eines Antibiotikums. Die Verordnung<br />
wird entsprechend dem Körpergewicht<br />
des Kindes für die Dauer von acht<br />
Tagen vorgenommen. Der Einsatz von<br />
Antibiotika im Kindesalter ist stets<br />
sorgfältig abzuwägen und nur in Ausnahmesituationen<br />
indiziert. In Tabelle<br />
1 sind Empfehlungen zur Antibiotikagabe<br />
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für<br />
Chemotherapie dargestellt.<br />
Bei massiver extraoraler Schwellung<br />
der Wange und reduziertem Allgemeinzustand<br />
(z. B. Fieber) sollte das Kind<br />
zur intravenösen Antibiose stationär<br />
aufgenommen werden. Eine Inzision<br />
des Abszesses ist bei Kindern oft nur<br />
unter Allgemeinanästhesie möglich.<br />
Der schuldige Milchzahn wird gleichzeitig<br />
extrahiert. Damit ist eine Drainage<br />
sichergestellt. In der Regel ist<br />
eine Inzision bei Milchzähnen selten<br />
notwendig und sollte in Verbindung<br />
mit der Extraktion erfolgen.<br />
Wird der kleine Patient initial mit Hilfe<br />
eines Antibiotikums therapiert, sollte<br />
nach fünf bis acht Tagen eine Kontrolle<br />
in der Zahnarztpraxis stattfinden<br />
und die weitere Behandlung in Ruhe<br />
geplant werden. Wichtig ist eine<br />
Gesamtplanung, zu der auch eine<br />
Beratung über Ernährungs- und Trinkgewohnheiten<br />
und die Ursachen der<br />
Karies gehören. Gegebenenfalls wird<br />
das Kind zur Weiterbehandlung an<br />
einen Spezialisten überwiesen.<br />
Für die Weiterbehandlung stehen<br />
mehrere Therapieoptionen zur Auswahl,<br />
die sich an der Leitlinie „Endodontie<br />
im Milchgebiss“ der DGZMK<br />
(2011) orientieren sollten und mit den<br />
Eltern besprochen werden müssen.<br />
Wichtig: Eine unterschriebene Behandlungseinwilligung<br />
der Erziehungsberechtigten<br />
muss bei Kindern unter<br />
14 Jahren vorliegen.<br />
Die Extraktion des schuldigen Milchzahnes<br />
im akuten Stadium ist nicht<br />
immer möglich, da die Lokalanästhesie<br />
nur begrenzt wirkt und durch solche<br />
negativen Erfahrungen die Kinder<br />
dauerhaft traumatisiert werden. Die<br />
Diagnose Häufigste Erreger Mittel der Wahl Alternativen Evidenz-Grad<br />
Odontogene<br />
Infektionen<br />
Streptokokken<br />
Peptostreptokokken<br />
Bacteroides-Spezies<br />
Fusobakterien<br />
Phenoxymethylpenicillin<br />
Phenoxymethylpenicillin-<br />
Benzathin<br />
Clindamycin<br />
Aminopenicillin+ BLI<br />
Makrolid<br />
Tab. 1.: Empfehlungen zur Therapie häufiger Infektionskrankheiten im ambulanten Bereich für Kinder und Jugendliche (wenn es im<br />
Kindesalter keine Alternative p.o. gibt, wird eine Alternative i.v. angegeben und als solche ausgewiesen) (BLI= Beta-Lactamase-Inhibitor).<br />
Scholz und Vogel (2002),Chemotherapie Journal 11. Jhg.<br />
III
Fotos: © R. Otto<br />
Abb.1: extraorale Schwellung bei<br />
4-jährigem Kind.<br />
Abb.2: Kontrollaufnahme der Wurzelfüllung<br />
an Zahn 75 mit Vitapex, Pulpotomie an<br />
Zahn 74.<br />
weitere Behandlung anderer Zähne<br />
ist dann meist nicht mehr möglich.<br />
Eine solche Behandlung sollte frühestens<br />
nach achttägiger Antibiotikagabe<br />
erfolgen. Vor der Extraktion ist ein<br />
Röntgenbild sinnvoll, um eine Nichtanlage<br />
des bleibenden Zahnes auszuschließen.<br />
Nach der Extraktion sollte<br />
die Notwendigkeit eines Platzhalters<br />
geprüft werden und gegebenenfalls in<br />
Zusammenarbeit mit einem Kieferorthopäden<br />
abgeklärt werden. Platzhalter<br />
können in herausnehmbarer oder<br />
festsitzender Form gestaltet werden.<br />
Weil die Eckzähne die Platzhalter für<br />
das Frontzahnsegment sind, bedarf es<br />
nach Extraktion der Oberkieferfrontzähne<br />
in der Regel keines Platzhalters.<br />
Die Trepanation von Milchzähnen als<br />
alleinige Behandlungsmethode wird<br />
nicht mehr empfohlen. Durch Belassen<br />
eines trepanierten Zahnes bleibt auch<br />
die Entzündung im Zahn und im<br />
Knochen weiter bestehen, wodurch<br />
der Zahnkeim des bleibenden Zahnes<br />
geschädigt werden kann.<br />
Wird der Milchzahnerhalt durch eine<br />
Wurzelkanalbehandlung (Pulpektomie)<br />
angestrebt, ist vor der Behandlung ein<br />
diagnostisches Röntgenbild erforderlich.<br />
Kontraindikationen für Wurzelkanalbehandlungen<br />
stellen Abszesse und<br />
apikale oder interradikuläre Aufhellungen<br />
dar, eine erhöhte Mobilität sowie<br />
Zähne, deren Wurzelresorption weiter<br />
als ein Drittel fortgeschritten ist. Kinder<br />
haben aufgrund von Seitenkanälen am<br />
Pulpaboden eher eine interradikuläre<br />
Aufhellung.<br />
Bei Kindern mit Herzvitien bzw. einem<br />
Herzpass ist die Behandlung kontraindiziert.<br />
Weitere Kontraindikationen sind<br />
eine Strahlentherapie, Transplantationen<br />
oder eine zyklische oder chronische<br />
Verminderung der Granulozyten. Dies<br />
schränkt die Indikation bei Kindern<br />
schon sehr stark ein, besonders da<br />
diese Behandlung von der Kooperation<br />
des kleinen Patienten abhängig ist.<br />
Die Wurzelkanalbehandlung sollte –<br />
wie auch die Empfehlung für die<br />
Endodontie bei Erwachsenen – unter<br />
Kofferdam stattfinden. Neben den<br />
bekannten Vorteilen schützt der Kofferdam<br />
das Kind, falls es sich unkontrolliert<br />
bewegt, vor Verletzungen mit den<br />
zahnärztlichen Intrumenten. Nach erfolgter<br />
Lokalanästhesie und Anlegen<br />
des Kofferdam werden der Zahn<br />
trepaniert und etwaige Gewebereste<br />
aus der Kronenpulpa und aus den<br />
Kanälen entfernt. Anschließend werden<br />
die Kanäle gesäubert und erweitert.<br />
Eine Überinstrumentierung ist wegen<br />
der Gefahr der Keimschädigung unbedingt<br />
zu vermeiden, daher soll die<br />
Aufbereitung der Wurzelkanäle ein bis<br />
zwei Millimeter vor dem röntgenologischen<br />
Apex enden. Nach dem Spülen<br />
mit Natriumhypochloridlösung und<br />
Trocknen der Kanäle können diese<br />
mit einem resorbierbaren Wurzelfüllmaterial<br />
keimdicht verschlossen<br />
werden. Hierfür eignet sich eine Jodoformpaste<br />
mit Calciumhydroxid (z.B.<br />
Vitapex, Neo Dental International INC.).<br />
Auch der Pulpaboden wird mit <br />
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– Anzeige –<br />
35<br />
F A C H L I C H E S
Abb.3: konfektionierte Stahlkrone 85. Abb.4: kindgerechte Behandlungsweise in einer<br />
Kinderzahnarztpraxis.<br />
<br />
Wurzelfüllmaterial bedeckt, um etwaige<br />
Seitenkanäle abzudichten. Zum<br />
Abschluss ist eine Röntgenkontrolle<br />
der Wurzelfüllung indiziert (Abb. 2)<br />
und der Aufbau des Zahnes zur<br />
weiteren Versorgung. Die Erfolgsquote<br />
der Pulpektomie schwankt sehr stark<br />
und ist im besonderen Maße abhängig<br />
von der Kooperation des Kindes.<br />
Nach erfolgreicher endodontologischer<br />
Behandlung muss ein dichter Verschluss<br />
angestrebt werden. Dieser kann mit<br />
einem plastischen Füllungsmaterial<br />
erreicht werden. Alternativ stehen<br />
konfektionierte Stahlkronen zur Verfügung<br />
(Abb. 3). Diese sind mit vertretbarem<br />
Präparationsaufwand anzupassen<br />
und besitzen aufgrund der Milchzahn-<br />
Vita<br />
REBECCA OTTO<br />
Zahnärztin Rebecca Otto eröffnete im Januar 2009 die<br />
erste Zahnarztpraxis nur für Kinder in Thüringen. Das<br />
Konzept dieser Praxis wurde sogar im Dezember 2009<br />
im Rahmen des Thüringer Businessplanwettbewerbes<br />
vom Thüringer Wirtschaftsminister mit dem 1. Platz<br />
ausgezeichnet.<br />
36 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
anatomie einen guten Randschluss.<br />
Sie stellen eine sehr langlebige und<br />
hochwertige Versorgung bis zur natürlichen<br />
Exfoliation des Milchmolaren dar.<br />
Die Keimbesiedelung ist nachgewiesener<br />
Maßen geringer im Vergleich zu<br />
einer 3-flächigen Füllung. Diese Kinderkronen<br />
sind auch zahnfarben erhältlich<br />
für die Front- und Seitenzähne (z.B.<br />
NuSmile, NuSmile ® Primary Crowns).<br />
Eine Vitalamputation der Kronenpulpa<br />
wird bei Beschwerdefreiheit und tiefer<br />
kariöser Läsion am Milchzahn in<br />
Betracht gezogen. Das Ziel der Pulpotomie<br />
ist eine entzündungsfreie Restpulpa.<br />
Hier wird die erkrankte Kronenpulpa<br />
entfernt und eine Blutstillung<br />
mit Eisen-III-Sulfat herbeigeführt.<br />
Die Erfahrungen in moderner Kinderzahnheilkunde und wirtschaftlicher Praxisführung<br />
sammelte Rebecca Otto in der Zahnarztpraxis Dr. Roloff in Hamburg.<br />
Frau Otto ist in Mitglied im Fortbildungsausschuss der Landeszahnärztekammer<br />
Thüringen und in folgenden Fachgesellschaften: AAPD, EAPD, DGZMK, DKG, Bukiz.<br />
Anschließend werden die amputierten<br />
Stümpfe der Wurzelpulpa und das<br />
Cavum der Kronenpulpa dicht verschlossen.<br />
Die Weiterversorgung<br />
dieses Zahnes sollte mit einer dichten<br />
plastischen Füllung oder einer konfektionierten<br />
Stahlkrone erfolgen. Die<br />
Indikation zur Pulpektomie besteht<br />
bei Milchzähnen mit pulpitischen<br />
Beschwerden, hier ist die Erfolgsquote<br />
für eine Vitalamputation sehr gering.<br />
Mortalverfahren mit formaldehydhaltigen<br />
Medikamenten sind obsolet und<br />
dürfen nicht am Milchzahn angewendet<br />
werden.<br />
Abschließend lässt sich sagen, dass<br />
die Behandlung von Kindern jeden<br />
Zahnarzt besonders fordert. Sicherlich<br />
sind es nicht die Füllungen und die<br />
Extraktionen, die Schwierigkeiten bereiten,<br />
sondern der kleine Patient oder<br />
die Wünsche der Eltern. Es empfiehlt<br />
sich, die Behandlung von Kindern mit<br />
Ruhe durchzuführen und dafür genügend<br />
Zeit einzuplanen. Hilfreich ist<br />
auch eine Assistenz, die einen guten<br />
Draht zu Kindern hat. Ziel ist eine<br />
kindgerechte Behandlungsweise<br />
(Abb. 4), die den Zahnarztbesuch für<br />
die kleinen Patienten zum Erlebnis<br />
werden lässt und ein glückliches<br />
Kinderlachen zaubert. <br />
— Rebecca Otto, Jena<br />
Quelle: Thüringer Zahnärzteblatt<br />
1/2012
Bekanntmachung<br />
der nächsten ordentlichen Sitzung der<br />
Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigung Niedersachsen<br />
am Samstag, dem 25.05.<strong>2013</strong><br />
Beginn der Sitzung: 9.00 Uhr s.t.<br />
Tagungsort:<br />
Verwaltungsgebäude der KZV Niedersachsen, 5. OG<br />
Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />
Tel.: 0511 8405-0, Fax: 8405-300<br />
TAGESORDNUNG:<br />
1. Eröffnung<br />
2. Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung und der Anwesenheit der Vertreter<br />
3. Feststellung der Beschlussfähigkeit<br />
4. Fragestunde<br />
5. Bericht des Vorstandes und der ständigen Ausschüsse<br />
6. Wahl der Vertreter und Stellvertreter im Zulassungsausschuss Nds. vom 01.01.2014-31.12.2017<br />
7. Wahl der Vertreter und Stellvertreter im Berufungsausschuss Nds. vom 01.01.2014-31.12.2017<br />
8. Änderung der Wahlordnung der KZVN<br />
9. Anfragen<br />
Zur Information:<br />
Im Anschluss an Punkt 4 der Tagesordnung (Fragestunde) ist geplant, die Sitzung für einen Vortrag<br />
von Herrn Prof. Dr. Kai Bussmann zum Thema „Zuweisungen gegen Entgelt“ im Gesundheitswesen<br />
zu unterbrechen.<br />
Dr. Joachim Wömpner<br />
Vorsitzender der Vertreterversammlung<br />
der KZV Niedersachsen<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
37<br />
F A C H L I C H E S
Sedierung mit Lachgas in der<br />
Zahnarztpraxis<br />
In den letzten Jahren hat die Lachgassedierung in<br />
der Zahnmedizin in Deutschland ein zunehmendes<br />
Interesse unter den Zahnärzten erfahren. Mit modernen,<br />
technisch ausgereiften Lachgasgeräten wirbt die Industrie<br />
und verspricht dabei, sichere und für den Zahnarzt<br />
selbstständig durchführbare Lachgasbehandlungen zu<br />
ermöglichen. In speziellen Schulungen werden dem<br />
Zahnarzt und seinem Team die notwendigen Kenntnisse<br />
vermittelt.<br />
Lachgas<br />
Lachgas ist ein geschmack- und farbloses, nicht reizendes<br />
Gas mit leicht süßlichem Geruch. Es ist mit einer Dichte<br />
von 1,97kg/m 3 , etwa 1,5 Mal schwerer als Luft. Lachgas<br />
liegt mit einem Dampfdruck von 51 Bar, bei 20° C in der<br />
Gasdruckflasche in flüssiger Form vor. Lachgas ist nicht<br />
brennbar, kann aber andere Stoffe oxidieren. Daher wirkt<br />
es brandfördernd! Insbesondere in der Mischung mit Sauerstoff<br />
ist die Brandgefahr nicht zu unterschätzen. Sie können<br />
sich bei unmittelbarem Kontakt mit Stoffgeweben und<br />
Kleidung anreichern und zu einer extremen Entzündbarkeit<br />
führen. Bereits eine Zigarettenglut kann ein fackelartiges,<br />
nicht löschbares Abbrennen des Gewebes verursachen.<br />
Daher ist jegliches offenes Feuer strengstens untersagt. Die<br />
Gasflaschen müssen ggf. in speziellen Lagerräumen und<br />
gegen Umstürzen gesichert aufbewahrt werden. Stoffspezifische<br />
Betriebsanweisungen müssen berücksichtigt<br />
werden. Die Verwendung von Lachgas ist verbindlich in<br />
der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) Nr. 525 beschrieben<br />
und ist mit einer Reihe von Auflagen verbunden.<br />
Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die<br />
TRGS 402 /403 (Ermittlung und Beurteilung der Gefährdung<br />
durch Inhalative Exposition) sowie TRGS 900 (Arbeitsplatzgrenzwert).<br />
Die derzeitigen technischen Regeln sind in der<br />
Praxis nur schwer einzuhalten (siehe unten).<br />
Lachgas beschleunigt den Klimawandel und ist daher<br />
neben FCKW eine der größten Gefahren für die Ozonschicht<br />
schreiben Akkihebbal Ravishankara und seine Kollegen vom<br />
staatlichen Earth System Research Laboratory in Boulder<br />
im Fachjournal „Science”.<br />
38 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Schmerzstillende und sedierende Wirkung<br />
Die schmerzstillende und sedierende Wirkung von Lachgas<br />
wurde bereits im 18. Jahrhundert von Joseph Priestley<br />
entdeckt. Die besonderen medizinischen Eigenschaften<br />
wurden von dem Chemiker Humphry Davy (1799) durch<br />
Selbstversuche entdeckt.<br />
Der erste Zahnarzt, der Lachgas als Narkosemittel verwendete,<br />
war Horace Wells in Hartford. Er setzte Lachgas ab<br />
1844 bei Zahnextraktionen ein, nachdem er dessen<br />
schmerzreduzierende Wirkung zufällig bei einer Jahrmarktveranstaltung<br />
beobachtete.<br />
Heute steht eher die angstlösende Eigenschaft bei der<br />
Behandlung von Patienten im Vordergrund (Sedierung). In<br />
einer Stellungnahme des BDA und des DGAI zur Einführung<br />
von Livopan ® (Gasmischung 50% Sauerstoff / 50% Lachgas)<br />
vom 21.<strong>04</strong>.2009 wird auf die analgetische sowie sedierende,<br />
anxiolytische und amnestische Wirkung hingewiesen.<br />
Verstärkt würden diese Effekte durch Komedikation mit<br />
anderen zentral dämpfend wirkenden Substanzen. Bei<br />
sachgerechter Anwendung ließe sich mit diesem Medikament<br />
allein keine Allgemeinanästhesie durchführen. Beim<br />
bewusstseinsklaren Patienten ohne Komedikation sei vor<br />
allem ein analgetischer Effekt mit leichter Sedierung zu<br />
erwarten; Spontanatmung, Schutzreflexe und Hämodynamik<br />
blieben im Allgemeinen unbeeinträchtigt.<br />
Bei bewusstseinsgetrübten Patienten sowie unter dem<br />
Einfluss von anderen zentral dämpfend wirkenden Medikamenten<br />
oder Drogen seien mittlere oder sogar tiefe<br />
Sedierungsgrade mit Beeinträchtigung der Spontanatmung,<br />
der Schutzreflexe und des Kreislaufs möglich.<br />
Vor- und Nachteile<br />
Vorteilhaft sind die Geruchlosigkeit, die schnelle An- und<br />
Abflutung, die geringfügige Atemdepression und die minimale<br />
Kreislauf-Beeinflussung. Nachteilig sind neben den<br />
unerwünschten Folgen einer zentralen Depression (s.o.)<br />
die Druckerhöhung in luftgefüllten Körperhöhlen, die relativ<br />
hohe Emesis-Rate, die Beeinflussung des Methionin- und<br />
des Folsäurestoffwechsels bei Langzeit- und häufiger<br />
Anwendung sowie Aspekte der Arbeitsplatzbelastung.
Wie erfolgt eine Zahnbehandlung unter Lachgas?<br />
Über eine Nasenmaske wird in der Regel ein Gemisch aus<br />
Sauerstoff und Lachgas verabreicht. Die Wirkung setzt<br />
bereits nach wenigen Atemzügen ein. Mit der Angst nimmt<br />
auch die Empfindlichkeit für Schmerzen ab. Der Zahnarzt<br />
kann über das Mischungsverhältnis (Sauerstoff/Lachgas)<br />
die Intensität der Sedierung verändern und individuell für<br />
den Patienten dosieren.<br />
Risikofälle<br />
„Als Risikofälle gelten Personen mit einer instabilen angina<br />
pectoris, Lungenerkrankung mit partieller oder globaler<br />
Ventilationsstörung, einem Alter über 80 Jahre, einer erheblichen<br />
Adipositas (BMI > 30). Entsprechende Sorgfalt muss<br />
auf die Erhebung der Anamnese, insbesondere hinsichtlich<br />
der Vitalfunktionen, sowie von Allergien gelegt werden.<br />
Vorbereitend muss darüber hinaus eine genaue körperliche<br />
Untersuchung, vor allem der oberen Luftwege, erfolgen<br />
(cave: Patient mit eingeschränkter Mundöffnung).“<br />
(so Prof. Dr. Dr. Alexander Hemprich im ZBB, Ausgabe<br />
4/2011)<br />
Personelle Voraussetzungen<br />
Hemprich weist darauf hin, dass der Zahnarzt nicht in der<br />
Lage ist, parallel zur Behandlung, die Vitalfunktionen des<br />
Patienten in ausreichendem Maße zu überwachen. Somit<br />
sei es zwingend erforderlich, bei allen Formen der<br />
Analgosedierung eine weitere – entsprechend qualifizierte<br />
– Person mit der Durchführung und Überwachung des<br />
Analgosedierungsverfahrens zu betrauen. Diese dürfe nicht<br />
in die eigentliche Behandlung involviert sein.<br />
Bei moderaten Formen der Analgosedierung (Stufe 1 und<br />
2) könne auch qualifiziertes, nicht ärztliches Personal, eine<br />
solche Überwachung übernehmen. Sollte jedoch eine<br />
Komplikation eintreten, so würde die Problematik des<br />
Organisations-/Übernahmeverschuldens grundsätzlich<br />
beim Arzt/Zahnarzt verbleiben.<br />
Räumlich apparative Voraussetzungen<br />
Hemprich gibt weiterhin an, auch bei minimalen Analgosedierungen<br />
müsse eine Pulsoxymetrie vorgenommen werden<br />
können. Im Falle von moderaten und tiefen Analgosedierungen<br />
müsse eine entsprechende Ausstattung des<br />
Arbeitsplatzes zur Überwachung von Atmung und Herzund<br />
Kreislauffunktion vorhanden sein. Darüber hinaus sei<br />
es aus Arbeitsschutzgründen erforderlich, für eine korrekte<br />
Absaugung des Gases N 2O zu sorgen, um sich und seine<br />
Mitarbeiter nicht zu gefährden.<br />
Strengere Maßgaben für Kinder<br />
Obwohl die Sedierung mit Lachgas von den Befürwortern<br />
– gerade auch für Kinder – propagiert wird, gießen die<br />
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivme-<br />
Foto: © ZBWL<br />
dizin sowie der Berufsverband Deutscher Anästhesisten für<br />
die Analgosedierung bei diagnostischen und therapeutischen<br />
Maßnahmen im Kindesalter (Philippi-Höhne et al., 2010)<br />
Wasser in den reinen Wein.<br />
Dort heißt es: „Sedierung, bzw. Analgosedierungen sollen<br />
durch im Umgang mit Kindern erfahrene Anästhesisten<br />
und Pädiater mit intensivmedizinischen Kenntnissen<br />
durchgeführt werden (...). Der Sedierende müsse die Basis<br />
und die weiteren lebensrettenden Maßnahmen bei<br />
Kindern sicher beherrschen, eine suffiziente Maskenbeatmung<br />
durchführen können, Techniken zur Atmungssicherung<br />
kennen und beherrschen und einen Venenzugang<br />
sicher schaffen können.“<br />
Arbeitsplatz für Analgosedierung<br />
DGAI und BDA fordern für Sedierungen der Stufe II<br />
folgende Minimalausstattung:<br />
1. Beatmungsmöglichkeiten<br />
2. Instrumentarien zum Freihalten der Atemwege<br />
3. Möglichkeit zur Gabe von 100% Sauerstoff<br />
4. Zugriff auf Notfallausrüstung zur Reanimation<br />
5. Sekretabsaugung<br />
6. Pulsoxymetrie<br />
7. Ausrüstung zur Unterstützung und Überwachung von<br />
Atemwegen und Herz-Kreislaufsystem<br />
Arbeitsschutzvoraussetzungen für den<br />
Einsatz von Lachgas:<br />
Für den Einsatz von Lachgas zur Sedierung bestehen<br />
Arbeitsplatzgrenzwerte. Der Kurzzeitwert (15 Minuten)<br />
beträgt 360 mg/m 3 Luft und der Grenzwert je 8h Schicht<br />
beträgt 180 mg/m 3 , in einzelnen Bundesländern 90 mg/m 3<br />
Diese Grenzwerte sind gesichert einzuhalten. Da in der<br />
Praxis nicht permanent sediert wird, kommt insbesondere<br />
dem Kurzzeitwert eine erhöht Bedeutung zu.<br />
Ob eine raumlufttechnische Anlage benötigt wird, hängt<br />
von dem tatsächlichen Einsatz ab. Dabei spielen neben<br />
der gerätetechnischen Ausstattung insbesondere das<br />
individuelle Handling und das Verhalten des Patienten<br />
eine Rolle. Eine individuelle Aussage dazu kann nur<br />
nach intensiver Prüfung der Einsatzbedingungen und<br />
messtechnischen Überprüfung unter realistischen Bedingungen<br />
vor Ort gemacht werden. <br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
39<br />
F A C H L I C H E S
Messtechnische Überprüfungen können (kostenpflichtig)<br />
von der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und<br />
Wohlfahrtspflege oder freien Messtechnischen Diensten<br />
angefordert werden. Untersuchungen der Berufsgenossenschaft<br />
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege<br />
zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin haben ergeben, dass eine Gefährdung<br />
der Behandler und weiteren Mitarbeiter nicht unwahrscheinlich<br />
ist. Da sie allerdings sehr individuell sein<br />
kann, muss in jedem Einzelfall eine genaue Analyse<br />
der Arbeitsbedingungen vor Ort gemacht werden, um<br />
die individuellen Schutzmaßnahmen (z.B. Lachgasabsaugung<br />
vor Ort, technische Belüftungsanlage des<br />
Behandlungszimmers, Training der Mitarbeiter unter<br />
Messung der Belastungswerte, Wartung und Pflege der<br />
Anlage) fundiert festzulegen.<br />
ggfs. Monitoring der Lachgaskonzentration in Atemhöhe<br />
schriftliche dokumentierte Gefährdungsbeurteilung unter<br />
Berücksichtigung der o.g. Parameter<br />
MPG Voraussetzungen:<br />
CE gekennzeichnete Anlage<br />
Dokumentierte Einweisung durch den Hersteller<br />
Regelmäßige Durchführung der vom Hersteller genannten<br />
sicherheitstechnisch und messtechnischen Kontrollen<br />
Korrekte Aufbereitung der Gerätschaften vor Benutzung<br />
am Patienten<br />
Nachweis der Schulung im Umgang mit Lachgas<br />
Rechtsprobleme<br />
Zahnärzte, die das Verfahren anwenden möchten, sollten<br />
sich darüber im Klaren sein, dass sie dann auch sämtliche<br />
möglichen Komplikationen beherrschen müssen, wollen<br />
sie nicht unter dem Aspekt eines „Übernahmeverschuldens“<br />
haften.<br />
Wichtig ist auch eine entsprechende vorherige ordnungsgemäße<br />
Aufklärung und die Einholung der Einwilligung<br />
des Patienten. Besondere Probleme bestehen hier bei der<br />
Behandlung von Kindern. Die Sicherungsaufklärung über<br />
das Verhalten nach dem Eingriff ist obligat.<br />
Die Entlassung des Patienten sollte in Begleitung erfolgen.<br />
Das selbstständige Führen eines Kraftfahrzeuges – nach<br />
erfolgter Sedierung – ist zu vermeiden. Darauf sollte der<br />
Zahnarzt hinweisen.<br />
Eine geeignete Dokumentation der Sedierung und der<br />
obligat durchgeführten kontinuierlichen Überwachung der<br />
peripheren Sauerstoffsättigung und etwaigen Erfassung<br />
weiterer Vitalparameter wird dringlich empfohlen.<br />
Die Durchführung der Sedierung und des Eingriffs durch<br />
den Zahnarzt (in Personalunion) ist abzulehnen. Die Überwachung<br />
der Sedierung ist durch eine speziell geschulte<br />
qualifizierte Person durchzuführen, die diese Aufgabe<br />
zuverlässig wahrnimmt. Diese Person darf nicht noch<br />
40 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
zusätzlich Assistenzaufgaben für den Eingriff wahrnehmen.<br />
Da unter Umständen die Gefahr einer Diffusionshypoxie und<br />
anderer Komplikationen besteht, sind eine entsprechende<br />
Ausbildung des Behandlers und der überwachenden<br />
Person im Notfallmanagement sowie die Möglichkeit zum<br />
Legen eines intravenösen Zugangs erforderlich.<br />
Versicherungstechnisch<br />
Jeder Zahnarzt ist berufshaftpflichtversichert. Die Berufshaftpflichtversicherung<br />
kennt allerdings eine Reihe von allgemeinen<br />
und speziellen Ausschlüssen. Spezielle Ausschlüsse sind:<br />
Nutzung von Apparaten oder Behandlungen, die nicht<br />
in der Zahnheilkunde anerkannt sind<br />
Kosmetische Eingriffe<br />
Operationen ohne zahnmedizinische Indikation<br />
Tätigkeiten, die nicht dem versicherten Beruf eigen sind<br />
Tätigkeiten, die nicht dem versicherten Risiko zuzurechnen<br />
sind<br />
Erkundigen Sie sich also vorsichtshalber bei Ihrer Berufshaftpflichtversicherung,<br />
ob diese für Lachgassedierungen<br />
Ausschlüsse enthält.<br />
Abrechnung<br />
Die Lachgassedierung ist keine Vertragsleistung. Sie ist<br />
demnach nach GOZ/ GOÄ zu berechnen. Die hierfür vorgesehene<br />
Position ist die GOÄ-Nr. 450 „Rauschnarkose – auch<br />
mit Lachgas“, die mit 10,19 € im 2,3fachen Satz bewertet<br />
ist. Allerdings ist die Nr. 450 für Zahnärzte nicht eröffnet, so<br />
dass für medizinisch notwendige Lachgassedierungen nur<br />
die Analogberechnung infrage kommt.<br />
Die in der GOZ im Kapitel A „Allgemeine zahnärztliche Leistungen“<br />
zur Verfügung stehenden Leistungen für Anästhesien<br />
sind allerdings sehr schlecht bewertet und erfassen<br />
nicht ansatzweise die Kosten und den Zeitaufwand der<br />
Lachgassedierung. Der Zahnarzt müsste sich demnach eine<br />
andere – nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige<br />
Leistung – aus der GOZ suchen.<br />
Für Sedierungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch<br />
notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinaus gehen,<br />
besteht die Möglichkeit der Berechnung nach § 2 Abs. 3<br />
GOZ „Verlangensleistung“. Hier könnte die fragliche Leistung<br />
„kalkuliert“ werden. Eine Leistung nach § 2 Abs. 3 wirft<br />
aber andere Probleme auf, so z.B. die einer möglichen<br />
Umsatzsteuerpflicht.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Lachgassedierung ist ein Verfahren, zu dessen Durchführung<br />
der Zahnarzt (unter bestimmten Voraussetzungen)<br />
berechtigt ist. Eine euphorische oder unkritische Betrachtung<br />
des Verfahrens verbietet sich. Es sind – schon im eigenen<br />
Interesse des Zahnarztes – zahlreiche Vorgaben zu<br />
beachten. — Dr. Detlev Buss/Dr. Hendrik Schlegel<br />
Quelle: Zahnärzteblatt Westfalen-Lippe 2/2012
KOOPERATION MIT DER DEUTSCHEN KNOCHENMARKSPENDERDATEI<br />
Patienten-Information in Ihrer Praxis<br />
Alle 45 Minuten erhält in Deutschland ein<br />
Patient die Diagnose Leukämie. Unter den<br />
Erkrankten sind viele Kinder und Jugendliche. Zahlreichen<br />
dieser Patienten kann nur durch eine Stammzelltransplantation<br />
geholfen werden. Da höchstens 30 Prozent der<br />
Patienten einen geeigneten Spender innerhalb der Familie<br />
finden, ist der Großteil auf einen Fremdspender, also einen<br />
Spender außerhalb der Familie, angewiesen.<br />
Bei der frisch geschlossenen Kooperation zwischen der<br />
Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Deutschen Knochenmarkspenderdatei<br />
gemeinnützige Gesellschaft mbH<br />
(DKMS) startet zum Frühjahr eine Kommunikationskampagne,<br />
die sich an Patienten und Medien richtet und die auf das<br />
gemeinsame Engagement hinweist.<br />
Spenderdatei kontinuierlich ausbauen<br />
Ziel der DKMS ist es, durch Unterstützung von Knochenmarkspenden<br />
die Heilungschancen von an Leukämie und<br />
anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen des blutbildenden<br />
Systems Erkrankten zu verbessern. Sie ist bekannt durch<br />
ihre Informationskampagnen mit engagierten Personen<br />
des öffentlichen Lebens, Sportlern und aktiven Mitbürgern<br />
sowie durch ihre öffentlichen Typisierungsaktionen. Mit<br />
etwa drei Millionen registrierten Spendern ist sie die weltweit<br />
größte Stammzellspenderdatei. Jeder fünfte Patient<br />
findet jedoch noch immer keinen passenden Spender,<br />
darum bleibt es das Hauptanliegen der DKMS, die Stammzellspenderdatei<br />
kontinuierlich auszubauen, damit zukünftig<br />
noch mehr Patienten eine Überlebenschance gegeben<br />
werden kann.<br />
Schnittstelle: Wangenabstrich<br />
Für eine Zusammenarbeit der Zahnärzteschaft mit der DKMS<br />
gibt es eine offensichtliche Schnittstelle: den Wangenabstrich.<br />
Für beide fängt Gesundheit im Mund an. Der Wangenabstrich<br />
ist prädestiniert für den Zugang über den Zahnarzt. Somit<br />
kann der Aktionsradius der Zahnmedizin authentisch ausgeweitet<br />
werden und die Zahnärzteschaft kann ihr gesellschaftliches<br />
Engagement und ihre soziale Verantwortung<br />
einmal mehr unter Beweis stellen.<br />
Auch Sie und Ihr Team haben die, Möglichkeit, ihr soziales<br />
Engagement den Patienten gegenüber sichtbar zu machen.<br />
Die Zusammenarbeit ergibt einen Dreifachnutzen; an erster<br />
Stelle für leukämiekranke Patienten, zudem für den Berufsstand<br />
und die einzelnen Praxen sowie für die DKMS auf<br />
der Suche nach neuen Spendern.<br />
Kleiner Aufwand – große Wirkung<br />
Der Aufwand in der Zahnarztpraxis ist gering; Sie können<br />
beispielsweise in Ihrem Wartezimmer Informationsmaterial<br />
auslegen oder Plakate anbringen. Der interessierte Patient<br />
kann Sie und Ihre Praxismitarbeiter zu Hintergründen<br />
befragen und sich selbst über die Homepage der DKMS<br />
ein Registrierungsset mit Wattestäbchen bestellen. Damit<br />
kann er zu Hause den Wangenabstrich durchführen und<br />
das Set in die Post geben. Der direkte Wangenabstrich in<br />
der Praxis wird nicht anvisiert, zum einen wegen der erforderlichen<br />
Bedenkzeit, zum anderen, um die Anonymität<br />
der Daten zu unterstreichen.<br />
Engagement der Zahnärzteschaft<br />
So können wir gemeinsam helfen: öffentlichkeitswirksam<br />
transportiert, unaufwändig und datenschutzsensibel. Mit<br />
diesem Projekt bekommen wir die Chance, einmal mehr<br />
das umfangreiche Engagement des zahnärztlichen Berufsstandes<br />
zu verdeutlichen – und sichtbar nach außen zu<br />
kommunizieren. Wir bitten Sie und Ihr Praxisteam um Ihre<br />
Unterstützung.<br />
Sie können kostenlos Infomaterial (Flyer, Dispenser und<br />
Plakat) für ihre Praxen unter www.dkms.de/bzaek anfordern. <br />
— Bundeszahnärztekammer und Zahnärztekammer Berlin<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
41<br />
© PeJo29/iStockphoto.com<br />
F A C H L I C H E S
© Mihai Simonia/Fotolia.com<br />
Steril – steriler – am sterilsten<br />
Das Robert-Koch-Institut hat die neue Empfehlung<br />
„Anforderungen an die Hygiene bei<br />
der Aufbereitung von Medizinprodukten“ veröffentlicht.<br />
Leichte Kost ist es nicht gerade, was das Robert-Koch-Institut<br />
da erarbeitet hat. Der niedergelassene Zahnarzt wird von<br />
der Lektüre überrascht sein, denn im Vergleich zur RKI-<br />
Empfehlung für die Zahnheilkunde aus dem Jahre 2006<br />
besticht das neue Werk zwar durch wissenschaftlichen<br />
Anspruch, bietet aber nicht gerade einen leicht verständlichen<br />
Leitfaden für die Praxishygiene an.<br />
Zunächst sei die Frage geklärt, ob wir uns an diese Empfehlung<br />
überhaupt halten müssen, denn eine Empfehlung<br />
ist doch kein Gesetz, oder? Das ist zwar richtig, dennoch<br />
haben RKI-Empfehlungen den Charakter eines „antizipierten<br />
Sachverständigengutachtens“, d.h., im Streitfalle könnte ein<br />
Gericht auf dieses Werk zurückgreifen, um einen medizinischen<br />
Standard zu definieren.<br />
Was also gibt es Neues?<br />
Erst einmal eine der wenigen positiv für die Zahnärzteschaft<br />
zu bewertenden Klarstellungen: Die Qualifikation zur Aufbereitung<br />
ist gegeben, sobald eine Praxismitarbeiterin eine<br />
„nachgewiesene Ausbildung in einem Medizinalfachberuf“<br />
hat. Die bestandene Prüfung zur ZFA ist also ausreichend,<br />
jede Art von Zusatzqualifikation wie „Sterilgutassistentin“<br />
etc. ist freiwillig! Sollten Praxismitarbeiter die Aufbereitung<br />
durchführen, die keine Ausbildung abgeschlossen haben,<br />
42 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
werden die bekannten Kurse in der Zahnärztekammer als<br />
Qualifikation ausdrücklich anerkannt.Ein separater „Steri“-<br />
Raum wird gewünscht, allerdings wird bestehenden Praxen<br />
ein Bestandsschutz eingeräumt. Nur bei Neu- und Umbauten<br />
muss es ein eigener Raum sein.<br />
Das waren dann auch schon die guten Nachrichten.<br />
Im Bereich der Validierung des Aufbereitungsvorganges<br />
wird erneut betont, dass jeder Schritt der Aufbereitungskette<br />
nachvollziehbar und „beweisbar“ sein muss. Das beginnt<br />
bei der exakten Arbeitsanweisung für die Tauchdesinfektion.<br />
Die regelmäßige Dokumentation der nach Ist-Wert-Temperaturanzeige<br />
erreichten Temperatur eines Thermodesinfektors<br />
und die vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungen und<br />
Validierungen (am besten beim Kauf Kosten erfragen!) und<br />
bei älteren Geräten die arbeitstägliche Temperaturkontrolle<br />
mit Datenlogger und Prüfung der Reinigungsleistung mit<br />
Reinigungsindikatoren gehören ebenso dazu. Auch das<br />
Einschweißgerät will überprüft werden, eine wöchentliche<br />
Kontrolle mit z.B. „Seal-Check“-Folien wird gefordert. Dass<br />
ein Klasse-B-Steri in jeder Praxis vorausgesetzt wird, dürfte<br />
mittlerweile niemanden mehr überraschen, und dieser soll<br />
natürlich auch durch eine Helix mit eingelegtem Chemoindikator<br />
überwacht werden. Neben den vom Hersteller vorgeschriebenen<br />
Wartungen sollte man auch die in Hamburg<br />
beim Hygieneinstitut durchzuführenden halbjährlichen<br />
Sporentests weiter machen lassen. Neu ist die geforderte<br />
„Messung von Druck und Temperaturverlauf … durch z. B.<br />
Logger“ durch einen „qualifizierten Validierer“, die bei neu<br />
angeschafften Geräten zur „Leistungsqualifikation“ gehören.<br />
Das sollte das Depot hoffentlich hinbekommen.<br />
Apropos Thermodesinfektor. Das ewige Hick-Hack um die<br />
verpflichtende Anschaffung eines solchen teuren Gerätes<br />
geht weiter. In der neuen Richtlinie heißt es geheimnisvoll,<br />
„grundsätzlich“ sei ein solches Gerät bei der Aufbereitung<br />
von Medizinprodukten Kritisch B erforderlich. Der Jurist sieht<br />
beim Wort „grundsätzlich“ allerdings begründete Ausnahmen<br />
als machbar an. Dennoch sollte jede chirurgisch ausgerichtete<br />
Praxis auch vor dem Hintergrund mehrerer Gerichtsentscheidungen<br />
einen Thermodesinfektor zur Desinfektion<br />
von Kritisch B Medizinprodukten nutzen. Die eher nichtchirurgisch<br />
tätigen Praxen sollten bei der Risikobewertung<br />
ihrer Medizinprodukte dringend prüfen, ob überhaupt<br />
Kritisch B Produkte vorliegen. Denn Kritisch A und Semikritisch<br />
B dürfen weiterhin manuell per Wannendesinfektion<br />
desinfiziert werden, bevor es dann in den Steri geht. Allerdings<br />
gibt das RKI auch hier den maschinellen Verfahren<br />
mit dem Thermodesinfektor den „Vorrang“.
Foto: © HZB<br />
Konstantin v. Laffert, Mitglied im Vorstand der<br />
Zahnärztekammer Hamburg.<br />
Auch in dieser Richtlinie ist das Problem des RKI erkennbar:<br />
Alle Medizinprodukte und Fachbereiche werden über einen<br />
Kamm geschoren und die Aufbereitung eines in einem<br />
Operationssaal in einer sterilen Köperhöhle zum Einsatz<br />
kommenden Instrumentes wird mit zahnmedizinischen<br />
Produkten, die in einer von Keimen wimmelnden Mundhöhle<br />
zum Einsatz kommt, gleichgesetzt. Auch die Organisationsform<br />
des Krankenhauses mit seinen Großsterilisatoren<br />
etc. atmet aus vielen Zeilen der Richtlinie. Da hat es<br />
die Zahnmedizin mal wieder schwer, individuelle und<br />
praktikable Lösungen durchzusetzen. Ein Zahnmediziner<br />
war an dieser Empfehlung leider nicht beteiligt.<br />
Vom Spülwasser über die Verpackung bis zur Kennzeichnung<br />
verpackter Medizinprodukte und der Dokumentation<br />
sagt die Empfehlung zu fast allem etwas. Vieles bleibt für<br />
den Praktiker allerdings nebulös. Und wenn man sich durch<br />
die Richtlinie gekämpft hat, sind auch die Tabellen in den<br />
Anlagen noch harter Lesestoff, den es zu beachten gilt.<br />
Wenn Sie es dann geschafft haben, dieses Werk zu lesen,<br />
zu verstehen und in der Praxis umzusetzen, gönnen Sie<br />
sich zur Belohnung ein schönes Abendessen in einem tollen<br />
Restaurant. Aber bitte mit ordentlich gespülten Gläsern<br />
ohne Lippenstift dran und länger als 10 Minuten bei 93°C<br />
gespültem Geschirr… <br />
— Konstantin v. Laffert<br />
Mitglied im Vorstand der Zahnärztekammer Hamburg<br />
Quelle: Hamburger Zahnärzteblatt 2/<strong>2013</strong><br />
„Anforderungen an die Hygiene bei der<br />
Aufbereitung von Medizinprodukten“<br />
zu finden auf den Internetseiten des RKI<br />
unter >„Kommissionen“, >„Empfehlungen<br />
der KRINKO“ >„Aufbereitung von Medizinprodukten“<br />
– http://bit.ly/WjJW7P<br />
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43<br />
F A C H L I C H E S
Bedeutung einer Tugendethik für die<br />
gegenwärtige Zahn-Medizin-Ethik – Teil 2:<br />
DAS FÜR DEN PATIENTEN GUTE ALS ZWECKERFÜLLUNG KLINISCHER MEDIZIN<br />
Teil 1 dieser Beitragsreihe beleuchtet das historische<br />
Paradigma der Tugendethik als ethische<br />
Richtschnur (zahn-)ärztlicher Grundhaltung. Der (zahn-)ärztliche<br />
Bekenntnisakt als moralische Selbstverpflichtung<br />
unserer Profession rückt hierbei in den Mittelpunkt. Der<br />
vorliegende Teil 2 widmet sich den Zielen und Zwecken<br />
klinischer Medizin, sowie der Bedeutung des für den<br />
Patienten Guten.<br />
Ziel und Zweck Klinischer Medizin<br />
Pellegrino definiert klinische Medizin als die Anwendung<br />
medizinischen Wissens und Könnens im persönlichen Arzt-<br />
Patienten-Verhältnis. Deren eindeutig benennbares Ziel ist<br />
eine richtige und gute Heilsentscheidung und -Maßnahme<br />
für einen konkreten Patienten. Medizinisches Wissen wird<br />
zu einem Teil der klinischen Medizin und des ärztlichen<br />
Bekenntnisses zum Beruf, wenn es hier und jetzt eingesetzt<br />
wird zur Behandlung einer konkret leidenden Person. Denn<br />
dann genau dient medizinisches Wissen der Zweck-Erfüllung<br />
klinischer Medizin, d.h. dem für den Patienten Guten.<br />
Darüber hinaus ist Klinische Medizin auch das Werkzeug,<br />
mit dessen Hilfe die öffentliche Politik in das Leben Kranker<br />
eingreift; in der Gesundheitspolitik treten klinische und<br />
soziale Medizin miteinander in Beziehung. Zweck der<br />
Sozialmedizin ist die Gesundheit einer ganzen Bevölkerungsgruppe<br />
oder der ganzen staatlichen Gemeinschaft.<br />
Die klare Unterscheidung zwischen klinischer Medizin – mit<br />
dem Hauptzweck des für den Patienten Guten – und Sozialmedizin<br />
– mit dem Hauptzweck der Gesundheit für eine<br />
Bevölkerungsgruppe – kann nicht deutlich genug betont<br />
werden. Hindernisse, um zu einem Konsens über Ziele und<br />
Zwecke der Medizin zu gelangen, entstehen, wenn diese<br />
Unterscheidungen nicht klar genug aufgezeigt werden.<br />
Pellegrino appelliert an das klassische Verständnis von den<br />
Zielen der klinischen Medizin: Der Bezug zum Guten und<br />
dem Verhältnis zwischen der Idee des Guten und der Ethik.<br />
Das Gute ist Ziel und Zweck, das telos menschlichen Tuns.<br />
„Zweck ist, wozu etwas existiert; was eine Handlung zu<br />
wirken bestimmt ist, wozu die Handlung gut ist“. Ziel und<br />
Zweck liegen also in der Natur der Dinge selbst – nicht wir<br />
44 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
erlegen den Dingen Zwecke auf. Dinge sind nicht gut, weil<br />
wir sie erstreben; vielmehr erstreben wir sie, weil sie gut<br />
sind. Das bedeutet für die Medizin: Wir als Ärzte können<br />
die Medizin auf bestimmte Ziele und Zwecke lenken; aber<br />
ob der Einsatz der Medizin dafür gut oder schlecht ist, hängt<br />
davon ab, ob der Einsatz uns den Zielen näher bringt,<br />
derentwegen die Medizin existiert.<br />
Ziele und Zwecke der Klinischen Medizin herauszuarbeiten<br />
bedeutet, Ziel und Zweck der Begegnung desjenigen, der<br />
Hilfe sucht, mit demjenigen, der Hilfe verspricht, zu definieren.<br />
Klinische Medizin ist zentriert auf das klinische Gegenüber<br />
desjenigen mit medizinischem Wissen (Arzt), und desjenigen,<br />
der dieses Wissens bedarf, um die durch Krankheit gestörte<br />
Funktion wiederherzustellen (Patient). Konkret ist für den<br />
Patienten eine Entscheidung zu treffen, die für diesen Zeitpunkt<br />
und eine überschaubare Zeit annähernd das für den<br />
Patienten Gute herbeiführen wird. In diese Entscheidung<br />
und ihre Absicherung muss der Arzt den Patienten einbeziehen.<br />
Sie ist, soweit möglich, eine gemeinsame Aufgabe.<br />
Das für den von Beschwerden Geplagten oder Kranken Gute<br />
ist das, was der Patient braucht und unmittelbar sucht:<br />
Hilfe, Zuwendung, Heilbehandlung. Sie zu gewährleisten, ist<br />
„dem Kliniker qua Kliniker aufgegeben“. Das hat er während<br />
der ärztlichen Ausbildung, wie auch aus Erfahrung gelernt;<br />
dies ist sein „Handwerk“.<br />
Insoweit wäre die Medizin eine techné, eine Kunst oder<br />
praktisches Wissen, wie etwas zu machen ist. Klinische<br />
Medizin ist aber mehr als eine techné. Sie schließt auch<br />
die Kenntnis der Gründe und Prinzipien ein, die eine gute<br />
Erfüllung der Aufgabe voraussetzt. Wäre die Medizin nur<br />
eine Kunst, würden wir sie nur danach beurteilen, in wie<br />
weit ihre technischen Leistungen ihre Zwecke erfüllen.<br />
Dann wäre der Arzt mit dem Künstler zu vergleichen; er<br />
würde beurteilt nach seiner Beherrschung von Diagnose,<br />
Therapie und Prognose. Dass er selbst ein guter Mensch<br />
sei, wäre nicht gefordert. Es genügten also die Tüchtigkeiten,<br />
die sein Kunsthandwerk verlangt. Und heute gibt es<br />
international einen zunehmenden Trend zu einer solchen<br />
Betrachtung der inzwischen in hohem Maße industrialisierten,<br />
kommerzialisierten und bürokratischen Medizin.
Eine solche Teilansicht der Medizin und ihrer Ziele bloß als<br />
eine „Kunst“ ist unhaltbar, sobald man das Arzt-Patienten-<br />
Verhältnis betrachtet. Gewiss muss der Arzt seine Kunst<br />
beherrschen; nicht minder muss er aber auch den spezifischen<br />
moralischen Anforderungen seines Ziels genügen.<br />
Die klinische Medizin kann ihre Ziele nicht erreichen, wenn<br />
sie nicht im Dienst eines umfassenden moralischen Ziels<br />
erbracht werden; und das ist das für einen konkreten<br />
Patienten Gute. Ziel und Zweck der Medizin ist das Heilen.<br />
Heilen trägt beides in sich, die technische und moralische<br />
Zielsetzung der Medizin, wenn sie im Sinne des für den<br />
Patienten Guten tätig wird. „Wo immer möglich, zielt Heilen<br />
auf die Wiederherstellung der Gesundheit, also drauf, die<br />
seelischen und physischen Brüche in der Lebensbalance<br />
einer Person rückgängig zu machen“. Ist das nicht möglich,<br />
tritt Linderung von Schmerz und Leiden, sowie die Wiederherstellung<br />
von Funktionen in den Vordergrund. Pflichtziel<br />
der Medizin und nie vernachlässigbar bleibt in jedem Fall<br />
die Sorge um den Patienten. Der (Zahn-)Arzt bedarf hierzu<br />
intellektueller und moralischer Tugenden.<br />
Das für den Patienten Gute<br />
Zur näheren Betrachtung der intellektuellen und moralischen<br />
Tugenden fordert Pellegrino, das für den Patienten Gute<br />
genauer zu differenzieren. Heilen ist ein Gut, das die<br />
ganze Person erfasst; Pellegrino spricht hier den Menschen<br />
in seiner psychosozialen, biologischen, personalen und<br />
spirituellen Dimension an, die in unterschiedlichem Grad<br />
durch Beschwerden oder Krankheit verletzt sein kann –<br />
und idealerweise jede für sich geheilt werden muss, wenn<br />
die Person als Ganze geheilt werden soll. Es werden folglich<br />
vier Ebenen benannt, auf denen Heilung erfolgt. Eine<br />
Gewichtung wird hier nicht vorgenommen; das Verhältnis<br />
der Güterebenen zueinander bleibt dem Patienten überlassen.<br />
Und deshalb darf der Kliniker ein Gut weder zu Lasten<br />
eines anderen übertreiben, noch zu dessen Gunsten<br />
vernachlässigen. Es würde die Einheit des für den Patienten<br />
Guten entstellen:<br />
Ebene 1 – das medizinisch Gute<br />
Eine Leistung der rein medizinischen Kunst. Zweck ist die<br />
Wiederherstellung physischer und psychischer Funktion,<br />
Linderung von Schmerzen und Leiden. Auf dieser Ebene<br />
hängt das für den Patienten Gute am Wissen und Können<br />
des Arztes. Das medizinisch Gute muss zudem in ein<br />
angemessenes Verhältnis mit dem für den Patienten Gute<br />
auf den anderen Ebenen gebracht werden. Was also rein<br />
medizin-technisch gut ist, kann gegen das für den Patienten<br />
Gute, wie er es selbst wahrnimmt, verstoßen und damit<br />
eben nicht gut sein.<br />
Ebene 2 – Das Gute, wie es der Patient wahrnimmt<br />
Hier sind wir mit den persönlichen Präferenzen des Patienten<br />
konfrontiert, mit seiner Wahl, seinen Wertungen, und der<br />
Art, wie er zu Leben wünscht. Einschätzungen und Wertungen<br />
sind ureigene Sache jedes Patienten und dürfen<br />
weder vom Arzt, noch von Dritten aufgedrängt werden.<br />
Sie hängen ab vom Alter, Geschlecht, Lebenssituation,<br />
Beschäftigung usw., die den Lebenslauf des jeweiligen<br />
Patienten ausmachen. Um dem Guten, wie es der Patient<br />
wahrnimmt, gerecht zu werden, muss sich das medizinisch<br />
Gute einordnen ins Ganze seines Lebensentwurfs.<br />
Ebene 3 – das allgemein für Menschen Gute<br />
Damit ist das Gute gemeint, in dem Aristoteles das telos<br />
des menschlichen Lebens sieht. Auf dieser Ebene geht es<br />
um das Gute, soweit es spezifisch das Menschsein betrifft:<br />
Selbsterhaltung, Wahrung der Würde der menschlichen<br />
Person, Achtung vor seiner Vernunftbegabung als Geschöpf,<br />
das seinen Zweck in sich selbst hat und niemals ein Mittel<br />
sein darf, dessen Wert unveräußerlich ist, unabhängig von<br />
Besitz, Bildung, Lebensstellung usw.<br />
Ebene 4 – Das spirituell Gute<br />
Für viele Patienten stellt die oberste Stufe des Guten ihr<br />
spirituelles Wohl dar. Das kann, muss aber nicht religiös<br />
verstanden sein. Die meisten Patienten sind von der Existenz<br />
einer spirituellen Dimension überzeugt, wie immer sie das<br />
ausdrücken mögen. Sie sehen hierin ihr oberstes Gut für<br />
sich und die anderen und bringen dafür oft größte Opfer.<br />
Der spirituelle Bereich prägt für viele den Sinn ihres Lebens.<br />
Für diese Menschen muss sich das Gute auf den drei zuvor<br />
beschriebenen Ebenen dem spirituellen Wohl unterordnen.<br />
Obschon im zahnmedizinischen Kontext eher seltener relevant,<br />
sei hier als Beispiel die Ablehnung einer Blutspende<br />
durch die Zeugen Jehovas genannt, für eine gläubige<br />
Katholikin die Abtreibung eines genetisch geschädigten<br />
Fötus, oder für einen orthodoxen Juden die Ablehnung<br />
lebensverlängernder Maßnahmen.<br />
Die Erfassung und Wahrung der Komplexität des für den<br />
Patienten Guten setzt intellektuelle und moralische Tugenden<br />
voraus. <br />
Der dritte Teil dieses Beitrages befasst sich mit moralischen und<br />
intellektuellen Tugenden, sowie deren Praxisrelevanz. Teil 1 dieser<br />
Abhandlung finden Sie bei Interesse im <strong>NZB</strong> 03/<strong>2013</strong> (S. 30f).<br />
— Dr. Peter Weißhaupt, M.Sc., Iserlohn<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
Literaturangaben findet der interessierte Leser auf der<br />
Homepage des <strong>NZB</strong>s (www.nzb.de) unter „Literaturlisten“.<br />
Empfehlen möchten wir unseren an der Thematik interessierten<br />
Lesern auch das Buch von Dr. Weißhaupt „Zahn-<br />
Medizin-Ethik“, erschienen im Shaker Verlag, Aachen,<br />
ISBN978-3-8440-0583-7.<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
45<br />
F A C H L I C H E S
Das war die IDS <strong>2013</strong> in Zahlen<br />
IDS <strong>2013</strong> SCHLOSS AM 16. MÄRZ IHRE PFORTEN MIT REKORDWERTEN:<br />
BESUCHER-, AUSSTELLER- UND FLÄCHENZUWACHS.<br />
An der IDS <strong>2013</strong> beteiligten sich auf einer Bruttoausstellungsfläche von<br />
150.000 m 2 (2011: 145.000 m 2 ) 2.058 Unternehmen aus 56 Ländern (2011:<br />
1.954 Unternehmen aus 58 Ländern). Darunter befanden sich 643 Aussteller<br />
und 12 zusätzlich vertretene Firmen aus Deutschland (2011: 654 Aussteller<br />
und 17 zusätzlich vertretene Firmen) sowie 1.347 Aussteller und 56 zusätzlich<br />
vertretene Unternehmen aus dem Ausland (2011: 1.250 Aussteller und 33<br />
zusätzlich vertretene Unternehmen). Der Auslandsanteil lag bei 68 Prozent<br />
(2011: 66 Prozent). Rund 125.000 Fachbesucher aus 149 Ländern kamen zur<br />
IDS (2011: 117.697 Fachbesucher aus 149 Ländern), davon rund 48 Prozent<br />
(2011: 42 Prozent) aus dem Ausland.<br />
Die nächste IDS findet statt vom 10. bis 14. März 2015. <br />
— Quelle: Pressemitteilung Kölnmesse<br />
46 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Fotos: <strong>NZB</strong>-Archiv
Rechtstipp<br />
Der angestellte Zahnarzt (Assistent)<br />
und seine rechtliche Außenwirkung<br />
Es besteht häufig ein Interesse des Praxisinhabers,<br />
nach außen kenntlich zu<br />
machen, dass Frau/Herr XY als Zahnärztin/Zahnarzt<br />
in seiner Praxis tätig ist. Ist die Zahnärztin/der<br />
Zahnarzt nicht als Selbständiger in der Praxis tätig,<br />
sondern angestellt, ist zu beachten, dass stets darauf<br />
hinzuweisen ist, dass Frau/Herr XY nicht Praxisinhaber,<br />
sondern nur angestellt ist.<br />
Kommt der Patient in die Praxis und lässt sich von<br />
der angestellten Zahnärztin beispielsweise behandeln,<br />
schließt der Patient nicht mit der angestellten<br />
Zahnärztin, sondern mit dem Praxisinhaber den<br />
Behandlungsvertrag ab. Diesem schuldet der Patient<br />
das Honorar, der Zahnarzt die Behandlung nach<br />
zahnmedizinischem Standard.<br />
Begeht die angestellte Zahnärztin einen Behandlungsfehler,<br />
haftet der Praxisinhaber neben der<br />
angestellten Zahnärztin. Unterläuft dem Praxisinhaber<br />
ein Fehler, haftet nur er dem Patienten für diesen<br />
Fehler.<br />
Wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt,<br />
dass Frau/Herr XY Partner und nicht angestellte<br />
Zahnärztin/angestellter Zahnarzt ist, wird rechtlich<br />
von einer sogenannten „Scheinsozietät“ z.B. einer<br />
Schein-Gemeinschaftspraxis ausgegangen. Für die<br />
angestellte Zahnärztin/den angestellten Zahnarzt<br />
bedeutet dies, dass sie/er, weil er den Rechtsschein<br />
eines Partners in der Öffentlichkeit setzt, für Fehler<br />
und Schulden des Praxisinhabers haftet.<br />
Ein solcher Rechtsschein wird z.B. gesetzt, wenn<br />
der angestellte Zahnarzt auf dem Briefkopf mit<br />
aufgeführt wird, ohne dass auf sein Anstellungsverhältnis<br />
hingewiesen wird. Gleiches gilt für Praxisflyer<br />
und die Vorstellung der Praxis im Internet.<br />
Die niedersächsische Berufsordnung der Zahnärzte<br />
schreibt in § 18 Absatz 4 vor, dass über die<br />
Beschäftigung angestellter Zahnärzte in „öffentlichen<br />
Ankündigungen“ nur mit dem Hinweis auf<br />
das Anstellungsverhältnis informiert werden darf.<br />
Der Begriff „öffentliche Ankündigung“ ist nicht<br />
definiert. Meines Erachtens soll hierunter jede Form<br />
von öffentlicher Darstellung gemeint sein, wie z. B.<br />
Praxisflyer, Internetseite, aber auch das Praxisschild.<br />
Soll der angestellte Zahnarzt auf das Praxisschild<br />
mit aufgenommen werden, damit für die Öffentlichkeit<br />
deutlich wird, dass er in der Praxis tätig ist, so<br />
ist zugleich eindeutig und unmissverständlich für<br />
jeden Dritten erkennbar der Zusatz aufzunehmen,<br />
dass er in der Praxis im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses<br />
tätig ist.<br />
Eine eindeutige Darstellung der rechtlichen Verhältnisse<br />
liegt im Interesse des Praxisinhabers und des<br />
angestellten Zahnarztes. <br />
Wencke Boldt,<br />
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht<br />
Hildesheimer Straße 33, 30169 Hannover<br />
Tel.: 0511 8074-995, Fax: 0511 8074-997<br />
— Quelle: www.zfn-online.de<br />
© Matthias Eckert/Fotolia.com<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />
47<br />
© vschlichting/Fotolia.com<br />
F A C H L I C H E S
Aktuelle Urteile…<br />
…AUS DER ARBEITSWELT<br />
Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld: Nach 13 Jahren „ohne<br />
Vorbehalt“ nicht den Spieß einfach umdrehen<br />
Aus jahrelang freiwillig gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldern,<br />
die ein Arbeitgeber jeweils in Höhe<br />
eines halben Monatsgehalts ohne einen wirksamen<br />
Freiwilligkeitsvorbehalt geleistet hat, kann er nicht von<br />
einem ihm genehmen Zeitpunkt an aussteigen. Es<br />
hatte sich bereits nach der dritten Zahlung eine<br />
betriebliche Übung ergeben, die einem Rechtsanspruch<br />
gleichkam. Dass der Arbeitgeber die Zahlungen zwei<br />
Jahre lang komplett ausfallen ließ, ohne dass sich die<br />
Mitarbeiter darüber beschwerten, ändert daran nichts.<br />
Es war ihnen (wie hier einem langjährigen Beschäftigten)<br />
auch möglich, die Ansprüche für die betreffenden<br />
Jahre noch ein beziehungsweise zwei Jahre später gerichtlich<br />
geltend zu machen. Dem konnte der Arbeitgeber<br />
nicht mit der Begründung entgegen treten, durch<br />
eine „gegenläufige betriebliche Übung“ (2 Jahre lang<br />
„unbeanstandet“ keine Zahlungen) habe sich der<br />
Rechtsanspruch erledigt. (LAG Hamm, 15 Sa 1826/11)<br />
Urlaubsrecht: Spätestens nach 15 Monaten<br />
ist Schluss mit der Barabgeltung<br />
Ein Arbeitnehmer, der bei Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses<br />
mehrere Jahre lang arbeitsunfähig krank<br />
ist, kann nicht erwarten, dass er – endet sein Arbeitsverhältnis<br />
– von seinem Arbeitgeber für den gesamten<br />
Zeitraum den “nicht genommenen Urlaub” bar abgegolten<br />
bekommt. Der maximale Zeitraum beträgt 15<br />
Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Das bedeutet:<br />
Bei dauernder Arbeitsunfähigkeit verfällt der Urlaubsanspruch,<br />
der bar abgegolten werden müsste, spätestens<br />
mit dem 31. März des übernächsten Jahres.<br />
(LAG Niedersachsen, 16 Sa 1642/10)<br />
48 F A C H L I C H E S | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
© Sandor Jackal/Fotolia.com<br />
Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />
…AUS DEM SOZIALRECHT<br />
Krankenversicherung: „Nicht verschreibungspflichtig“<br />
hat „nicht leistungspflichtig“ zur Folge<br />
Das Bundesverfassungsgericht hält die 20<strong>04</strong> ins Sozialgesetzbuch<br />
aufgenommene Regelung, dass nicht verschreibungspflichtige<br />
Arzneien aus dem Leistungskatalog der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung herausgenommen<br />
wurden, für mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Belastung<br />
der gesetzlich Krankenversicherten mit dadurch entstandenen<br />
Zusatzkosten stehe „in einem angemessenen Verhältnis<br />
zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die Kosten im<br />
Gesundheitswesen zu dämmen“. (Hier ging es um eine<br />
Patienten, dessen Atemwegserkrankung dauerhaft mit<br />
einem Medikament behandelt wurde, das nicht verschreibungspflichtig<br />
ist. Der Versicherte musste dafür monatlich<br />
28,80 € aufwenden, die von seiner Krankenkasse nicht<br />
übernommen wurden. Das Bundesverfassungsgericht stellte<br />
– wie vorher schon das Bundessozialgericht – fest: „Die<br />
gesetzlichen Krankenkassen sind nicht gehalten, alles zu<br />
leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung<br />
der Gesundheit verfügbar ist.“ Zumutbare Eigenleistungen<br />
könnten verlangt werden. (BVfG, 1 BvR 69/09)<br />
Rentenversicherung:<br />
Auch DDR-Bürger müssen den Stichtag akzeptieren<br />
Das Hessische Landessozialgericht hat entschieden, dass<br />
die bei der Wiedervereinigung durch die Rentenüberleitungsvorschrift<br />
eingeführte Stichtagsregelung verfassungsgemäß<br />
ist, wonach sich die Rentenberechnung ehemaliger DDR-<br />
Bürger, die am 18.05.1990 bereits in die Bundesrepublik<br />
übergesiedelt waren, nur für vor 1937 Geborene nach dem<br />
Fremdrentengesetz richtet. Im konkreten Fall ging es um<br />
einen Ingenieur, der 1947 in der DDR geboren wurde und<br />
als Betriebsleiter tätig war. Nachdem er seinerzeit einen<br />
Ausreiseantrag stellte, war er in der Folgezeit nur noch als<br />
Hilfsarbeiter tätig. Nach der Ausreise 1989 arbeitete er 20<br />
Jahre lang versicherungspflichtig in der Bundesrepublik. Bei<br />
der Berechnung seiner Altersrente bewertete die Rentenversicherung<br />
die im Beitrittsgebiet erworbenen Rentenzeiten<br />
nach tatsächlich gezahlten Beiträgen. Dagegen ging der<br />
Mann an. Seine Argumente, diese Bewertung verstoße<br />
gegen das Sozialstaatsprinzip, den Gleichheitsgrundsatz<br />
sowie die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie,<br />
zogen nicht. Denn es gebe keine Rechtsgrundlage dafür,<br />
das Fremdrentenrecht für nach 1936 geborene Flüchtlinge<br />
und Übersiedler heranzuziehen. Die Wiedervereinigung habe<br />
eine Neuregelung des im Fremdrentengesetz geregelten<br />
Kriegsfolgenrechts und eine rentenrechtliche Einheit in<br />
West- und Ostdeutschland erforderlich gemacht.<br />
(Hessisches LSG, L 5 R 144/12)
Terminliches Persönliches<br />
BEZIRKSSTELLE VERDEN<br />
24.4.<strong>2013</strong><br />
Referent: Dr. med. dent. Diana Wolff,<br />
Heidelberg<br />
Thema: Faserverstärkte Kompositbrücken<br />
22.5.<strong>2013</strong><br />
Referent: Dr. Jan Behring, Hamburg<br />
Thema: Chirurgische Kronenverlängerung<br />
19.6.<strong>2013</strong><br />
Referent: Prof. Dr. Werner Geurtsen,<br />
Hannover<br />
Thema:<br />
Biokompatibilität zahnärztlicher<br />
Werkstoffe auf Kunststoffbasis<br />
28.8.<strong>2013</strong><br />
Referentin: Dr. Heidi Diamanti, Hamburg<br />
Thema: Homöopathie in der<br />
zahnärztlichen Praxis<br />
Ort: Haags Hotel Niedersachsenhof,<br />
Lindhooper Straße 97, 27283 Verden<br />
Fortbildungsreferent:<br />
Dr. Walter Schulze.<br />
Zahnärztekammer Niedersachsen /<br />
Bezirksstelle Verden, Nordstraße 5,<br />
27356 Rotenburg/W.<br />
Tel.: <strong>04</strong>261 3665, Fax: <strong>04</strong>261 4742<br />
E-Mail: drws.walter@t-online.de<br />
BEZIRKSSTELLE HANNOVER<br />
05.06.<strong>2013</strong><br />
Referent:<br />
Priv.-Doz. Dr. M. Oliver Ahlers, Hannover<br />
Thema: „Funktionsdiagnostik,<br />
Funktionstherapie und restaurative<br />
Weiterbehandlung mit repositions-<br />
Onlays und -Veneers“<br />
Ort: Hannover Congress Centrum,<br />
Theodor-Heuss-Platz 1-3,<br />
30175 Hannover<br />
Fortbildungsreferent:<br />
Dr. Kai-Petrik Worch, M.S. (USA)<br />
c/o Zahnärztekammer Niedersachsen<br />
Zeißstr. 11b, 30519 Hannover<br />
Tel.: 0511 83391-190/191<br />
Fax: 0511 83391-196<br />
E-Mail: bezhannover@zkn.de<br />
Internet: www.zkn.de<br />
„Mein Engagement soll der Kollegin und<br />
dem Kollegen und den Mitarbeitern in<br />
der Praxis nützen“<br />
DR. JOACHIM WÖMPNER WURDE 65 JAHRE JUNG<br />
Viele Referenten möchten diesen Satz 1:1<br />
umsetzen, nur Wenigen gelingt das. Zu diesen<br />
Wenigen gehört der Freund und Kollege<br />
Joachim Wömpner.<br />
Auch wenn er findet, dass Geburtstage<br />
eigentlich abgeschafft gehören, kann ich ihm<br />
diesen Gefallen nicht tun. Gerade sein Engagement<br />
für die Kollegenschaft kann nicht oft<br />
genug lobend erwähnt werden. Seit nunmehr<br />
über 20 Jahren hat er sich damit einen<br />
Namen gemacht, der weit über die Landesgrenzen<br />
von Niedersachsen hinausgeht. Die<br />
Grundlage für sein profundes Fachwissen ist<br />
in vielen Jahren im Wirtschaftlichkeitsprüfungsbereich<br />
und als Gutachter, sowohl für die vertragszahnärztliche<br />
Versorgung, wie auch für den Bereich der GOZ gewachsen.<br />
Seine langjährige Tätigkeit als ZMF-Kursleiter hat ihm immer den Blick für die<br />
Nöte und Wünsche unserer Praxismitarbeiterinnen erhalten, was sich in seinen<br />
aktuellen Vorträgen niederschlägt. Er hat mir oft gesagt: Vorträge, die für die<br />
Praxis keinen Nutzen erbringen, kann ich mir von vornherein schenken.<br />
Da ist ihm seine Frau eine wertvolle Ratgeberin, weil sie in seiner Praxis<br />
mitarbeitet und täglich sieht, wo es Probleme gibt, die sich dann in seinen<br />
Vortragstexten wiederfinden.<br />
1993 wurde er Mitglied im Vorstand der Zahnärztekammer Niedersachsen<br />
und ab 1997 bis 2005 war er Vizepräsident. Seit dem Jahr 2010 ist er Vorsitzender<br />
der Vertreterversammlung der KZVN. Er leitet die Sitzungen souverän<br />
und bemüht sich, sowohl der Mehrheits- wie der Oppositionsfraktion gleichermaßen<br />
gerecht zu werden.<br />
Beeindruckend ist die Konsequenz mit der er sich neuen Herausforderungen<br />
widmet. Sein zweites Steckenpferd, die elektronischen Medien, sind ihm<br />
dabei eine große Hilfe. Hierdurch glänzen seine professionell gestalteten<br />
Vorträge und erschließen dem Zuhörer durch seine launige Vortragsweise<br />
damit selbst trockenste Themen. Aktuell liegen ihm das Qualitätsmanagement<br />
und die Hygieneanforderungen in den Praxen ganz besonders am Herzen.<br />
Die komplizierten Vorschriften, die daraus entstehenden Ängste versucht er<br />
in seinen Vorträgen so herunterzubrechen, dass die Kursteilnehmer erkennen<br />
können, wie relativ einfach es sein kann, wenn man seine Arbeit an<br />
bestimmten Punkten systematisiert. Ich wünsche mir dieses Engagement<br />
noch lange, weil es einfach Spaß macht, mit ihm zusammenzuarbeiten.<br />
Ohne seine Familie könnte er diese Arbeit nicht leisten. Deshalb geht mein<br />
ganz besonderer Dank von dieser Stelle dorthin.<br />
Ich wünsche dem Geburtstagskind alles Gute, vor allem Gesundheit. <br />
— Dr. Jobst-W. Carl, Osnabrück<br />
Dr. Joachim Wömpner.<br />
Foto: <strong>NZB</strong>-Archiv<br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | T E R M I N L I C H E S<br />
49<br />
F A C H L I C H E S<br />
T E R M I N L I C H E S<br />
P E R S Ö N L I C H E S
AUSZUG AUS DER ZULASSUNGSVERORDNUNG<br />
FÜR VERTRAGSZAHNÄRZTE (ZV-Z)<br />
§ 18<br />
(1) Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. In dem<br />
Antrag ist anzugeben, für welchen Vertragszahnarztsitz<br />
und gegebenenfalls unter welcher Gebietsbezeichnung<br />
die Zulassung beantragt wird. Dem Antrag sind<br />
beizufügen<br />
a) Ein Auszug aus dem Zahnarztregister, aus dem der<br />
Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das<br />
Zahnarztregister und gegebenenfalls der Tag der<br />
Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten<br />
Gebietsbezeichnung hervorgehen müssen,<br />
b) Bescheinigungen über die seit der Approbation<br />
ausgeübten zahnärztlichen Tätigkeiten,<br />
c) gegebenenfalls eine Erklärung nach § 19 a Abs. 2<br />
Satz 1, mit der der aus der Zulassung folgende<br />
Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt wird.<br />
(2) Ferner sind beizufügen:<br />
1. ein Lebenslauf,<br />
2. ein polizeiliches Führungszeugnis,<br />
3. Bescheinigungen der Kassenzahnärztlichen<br />
Vereinigungen, in deren Bereich der Zahnarzt bisher<br />
niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen<br />
war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen<br />
Niederlassung oder Zulassung und der Grund<br />
einer etwaigen Beendigung ergeben,<br />
4. eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung<br />
bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse<br />
unter Angabe des frühestmöglichen Endes des<br />
Beschäftigungsverhältnisses,<br />
5. eine Erklärung des Zahnarztes, ob er drogen- oder<br />
alkoholabhängig ist oder innerhalb der letzten fünf<br />
Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten<br />
fünf Jahre einer Entziehungskur wegen Drogen- oder<br />
Alkoholabhängigkeit unterzogen hat und dass<br />
gesetzliche Hinderungsgründe der Ausübung des<br />
zahnärztlichen Berufs nicht entgegenstehen.<br />
(3) An Stelle von Urschriften können amtlich beglaubigte<br />
Abschriften beigefügt werden.<br />
(4) Können die in Absatz 1 Buchstabe b und in Absatz<br />
2 Buchstabe c bezeichneten Unterlagen nicht vorgelegt<br />
werden, so ist der nachzuweisende Sachverhalt<br />
glaubhaft zu machen.<br />
50 K Z V N | N Z B | A P R I L 2 0 1 3<br />
Niederlassungshinweise<br />
Kolleginnen und Kollegen, die sich in Niedersachsen<br />
niederlassen möchten, wenden sich bitte an die<br />
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />
Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />
Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />
Tel. 0511 8405-323/361, E-Mail: info@kzvn.de.<br />
Antragsformulare können entweder bei der Geschäftsstelle<br />
des Zulassungsausschusses Niedersachsen<br />
angefordert oder unter www.kzvn.de als PDF-Dokument<br />
heruntergeladen werden.<br />
Bitte achten Sie darauf, bei der Einreichung der Anträge<br />
zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit sämtliche in § 18<br />
Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (ZV-Z)<br />
aufgeführten Unterlagen beizufügen.<br />
GEMEINSAME AUSÜBUNG DER<br />
VERTRAGSZAHNÄRZTLICHEN TÄTIGKEIT<br />
(Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft)<br />
Bei Anträgen auf Genehmigung der gemeinsamen<br />
Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ist<br />
grundsätzlich die Vorlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages<br />
notwendig.<br />
Bitte achten Sie bei entsprechenden Anträgen darauf,<br />
den Gesellschaftsvertrag spätestens bis zum Abgabetermin<br />
bei der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />
einzureichen.<br />
VERLEGUNGEN<br />
Nach § 24 Abs. 7 ZV-Z ist im Falle einer Verlegung des<br />
Vertragszahnarztsitzes grundsätzlich ein entsprechender<br />
Antrag an den Zulassungsausschuss zu richten. Die Verlegung<br />
ist erst möglich, wenn der Zulassungsausschuss<br />
diesem Antrag stattgegeben hat.
SITZUNGEN DES<br />
ZULASSUNGSAUSSCHUSSES<br />
NIEDERSACHSEN FÜR ZAHNÄRZTE<br />
Alle Anträge an den Zulassungsausschuss Niedersachsen<br />
sind unter Beifügung sämtlicher erforderlicher Unterlagen<br />
rechtzeitig bis zum Abgabetermin bei der<br />
Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />
Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />
in Urschrift und eigenhändig unterschrieben einzureichen.<br />
Abgabe bis 14.05.<strong>2013</strong><br />
Sitzungstermin 12.06.<strong>2013</strong><br />
Abgabe bis 23.08.<strong>2013</strong><br />
Sitzungstermin 18.09.<strong>2013</strong><br />
Abgabe bis 25.10.<strong>2013</strong><br />
Sitzungstermin 20.11.<strong>2013</strong><br />
HINWEISE AUF PRAXISORTE<br />
FÜR NIEDERLASSUNGEN<br />
Fachzahnärzte für Kieferorthopädie<br />
In folgenden Planungsbereichen besteht Bedarf an<br />
Fachzahnärzten für Kieferorthopädie:<br />
Verwaltungsstelle Braunschweig<br />
Planungsbereich Landkreis Gifhorn:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Gifhorn mit 34.412 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 34,9 % versorgt.<br />
Planungsbereich Landkreis Peine:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Peine mit 25.277 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,6% versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Braunschweig der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Helmut Peters, Münzstraße 9,<br />
38100 Braunschweig, Tel. 0531 13605, Fax 0531 4811315,<br />
E-Mail: braunschweig@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Lüneburg<br />
Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg mit<br />
8.321 zu versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 48,1%<br />
versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Lüneburg der KZVN,<br />
Vorsitzender: Zahnarzt Thomas Koch, Sülztorstraße 1,<br />
21335 Lüneburg, Tel. <strong>04</strong>131 732770, Fax <strong>04</strong>131 732772,<br />
E-Mail: lueneburg@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Oldenburg<br />
Planungsbereich Landkreis Oldenburg:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Oldenburg mit 25.053 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,9% versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Oldenburg der KZVN,<br />
Vorsitzende: Zahnärztin Silke Lange, Bloher Landstraße 24,<br />
26160 Bad Zwischenahn, Tel. <strong>04</strong>41 6990288,<br />
Fax <strong>04</strong>41 691650, E-Mail: oldenburg@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Osnabrück<br />
Planungsbereich Landkreis Osnabrück:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Osnabrück mit<br />
72.357 Einwohnern ist derzeit zu 49,8% versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Osnabrück der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Carsten Vollmer, Lotter Straße 127,<br />
49078 Osnabrück, Tel. 0541 76099965, Fax 0541 45363,<br />
E-Mail: osnabrueck@kzvn.de<br />
Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />
Planungsbereich Landkreis Aurich:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Aurich mit 36.970 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 43,3% versorgt.<br />
Planungsbereich Landkreis Leer:<br />
Der Planungsbereich Landkreis Leer mit 33.003 zu<br />
versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 42,4% versorgt.<br />
Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Ostfriesland der KZVN,<br />
Vorsitzender: Dr. Jörg Hendriks, Julianenburger Straße 15,<br />
26603 Aurich, Tel. <strong>04</strong>941 2655, Fax <strong>04</strong>941 68633,<br />
E-Mail: ostfriesland@kzvn.de<br />
— Stand 18.03.<strong>2013</strong><br />
A P R I L 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />
51<br />
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zahnärztlichen Kollegenschaft<br />
verwenden Sie bitte immer das für<br />
Sie vorbereitete Auftragsformular.<br />
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Abwicklung. Einfach ausfüllen und<br />
an die angegebene Nummer faxen.<br />
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Staatlicher Beratungszuschuss bei Vorlage der Voraussetzungen möglich!<br />
richten Sie bitte an:<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt<br />
(<strong>NZB</strong>), c/o KZVN, Barbara Podgorski,<br />
Chiffre-Nr.-----------------------------------<br />
Zeißstraße 11, 30519 Hannover<br />
Ihr Ansprechpartner:
Ihr Kleinanzeigenauftrag<br />
Auch online möglich:<br />
www.kzvn.de im Zahnarztportal unter Publikationen/<strong>NZB</strong><br />
oder Fax: 0511 8405-262<br />
Niedersächsisches Zahnärzteblatt (<strong>NZB</strong>)<br />
c/o KZVN<br />
Barbara Podgorski<br />
Zeißstraße 11<br />
30519 Hannover<br />
Folgende Kleinanzeige bitte<br />
nur einmal<br />
in den nächsten Ausgaben<br />
veröffentlichen unter der Rubrik:<br />
Verkauf<br />
Ankauf<br />
Stellenmarkt<br />
Verschiedenes<br />
Ich ermächtige Sie hiermit, den Gesamtbetrag von dem unten genannten Konto abzubuchen.<br />
Name<br />
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Kontoinhaber<br />
Bankinstitut<br />
Konto-Nr./BLZ<br />
Datum, Unterschrift des Auftraggebers<br />
Nur für Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />
Kleinanzeigen erscheinen als fortlaufender Text ohne<br />
Hervorhebungen. Bitte tragen Sie Ihren gewünschten<br />
Text in Druckschrift gut leserlich in die unten stehenden<br />
Kästchen ein, für jeden Wortzwischenraum und jedes<br />
Satzzeichen bitte ein Feld benutzen. Die Zeilen werden<br />
im <strong>NZB</strong> veröffentlicht wie von Ihnen im Formular vorgegeben.<br />
Die Anzahl der (angefangenen) Zeilen und<br />
damit den Preis Ihrer Anzeige bestimmen Sie selbst.<br />
Bei Chiffre Anzeigen rechnen Sie zur Zeilengebühr<br />
noch die Gebühr von 10,- EUR für die Chiffre Nr.<br />
hinzu. – Für alle Kleinanzeigenaufträge ist Ihre Einzugsermächtigung<br />
für den Bankeinzug erforderlich.<br />
Annahmeschluss für Kleinanzeigen ist der<br />
17. des Vormonats vor Erscheinen der Zeitschrift.<br />
Das <strong>NZB</strong> macht Sommerpause. Es erscheint Mitte<br />
Juli eine Doppelausgabe. Das darauf folgende <strong>NZB</strong><br />
wird wieder Mitte September veröffentlicht.<br />
Raum für interne Vermerke<br />
Zeilengebühr<br />
Die Anzeige soll unter Chiffre<br />
erscheinen, Chiffregebühr 10,- EUR<br />
Die Anzeige soll auch im Internet<br />
erscheinen (www.assistentenboerse.de)<br />
Gesamtbetrag<br />
Preis je angefangene<br />
Zeile 5,20 EUR<br />
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davon die 1. Zeile fett)<br />
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26,00 €<br />
31,20 €<br />
36,40 €<br />
41,60 €<br />
46,80 €<br />
52,00 €<br />
57,20 €<br />
62,40 €<br />
67,60 €<br />
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