02.10.2012 Aufrufe

Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.

Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.

Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Lili-Tempel 35<br />

Offenbach war früher eine Stadt mit großzügigen Parkanlagen. Auch wurde der Stadt<br />

kurzzeitig der Bäderstatus verliehen. Von der alten Pracht ist <strong>nicht</strong> mehr viel übrig<br />

geblieben, auch wenn Offenbach auch heute noch die ba<strong>um</strong>reichste Stadt Deutschlands<br />

ist.<br />

Der Lilitempel stand in einem Park, der <strong>zu</strong> den Gärten des Tabakfabrikanten Georg<br />

d'Orville gehörte und in Terrassen bis an den Main reichten. Lili (eigentlich Anna Elisabeth)<br />

Schönemann war oft bei ihrem Onkel in Offenbach <strong>zu</strong> Gast. Goethe besuchte sie<br />

in jenem Badetempel häufig im Frühling und Sommer des Jahres 1775. Seit April waren<br />

Goethe und die Bankierstochter verlobt, doch schon im Herbst des gleichen Jahres<br />

wurde die Verbindung wieder aufgelöst.<br />

Zusammen mit anderen Offenbacher Freunden, unter anderem den Notendruckern<br />

André, verbrachten Goethe und Lili viele Stunden auf dem Gelände der d'Orvilles.<br />

Häufig wurde musiziert oder deklamiert. Insbesondere das Deklamieren dehnten Lili<br />

und Goethe sehr lange aus, <strong>um</strong> sich noch <strong>nicht</strong> so früh voneinander trennen <strong>zu</strong> müssen.<br />

Im Gedicht Lilis Park schreibt Goethe:<br />

Ist doch keine Menagerie<br />

So bunt als meiner Lili ihre!<br />

Sie hat darin die wunderbarsten Tiere<br />

Und kriegt sie ’rein, weiß selbst <strong>nicht</strong> wie.<br />

O wie sie hüpfen, laufen, trappeln,<br />

Mit abgest<strong>um</strong>pften Flügeln zappeln,<br />

Die armen Prinzen allz<strong>um</strong>al,<br />

In nie gelöschter Liebesqual!<br />

"Wie hieß die Fee? Lili?" – Fragt <strong>nicht</strong> nach ihr!<br />

Kennt ihr sie <strong>nicht</strong>, so danket Gott dafür.<br />

Welch ein Geräusch, welch ein Gegacker,<br />

Wenn sie sich in die Türe stellt<br />

Und in der Hand das Futterkörbchen hält!<br />

Welch ein Gequiek, welch ein Gequacker!<br />

Alle Bä<strong>um</strong>e, alle Büsche<br />

Scheinen lebendig <strong>zu</strong> werden:<br />

So stürzen sich ganze Herden<br />

Zu ihren Füßen; sogar im Bassin die Fische<br />

Patschen ungeduldig mit den Köpfen heraus.<br />

Und sie streut dann das Futter aus<br />

Mit einem Blick – Götter <strong>zu</strong> entzücken,<br />

Geschweige die Bestien. Da geht’s an ein Picken,<br />

An ein Schlürfen, an ein Hacken;<br />

Sie stürzen einander über die Nacken,<br />

Schieben sich, drängen sich, reißen sich,<br />

Jagen sich, ängsten sich, beißen sich,<br />

Auf Goethes Spuren<br />

35 a) S. Hock, Wie finden Sie Goethe? – Goethestätten in Frankfurt am Main, Institut für Stadtgeschichte<br />

Frankfurt am Main, 1999, Kap. 13; b) O. Krätz, Goethe und die Naturwissenschaften, Callwey-Verlag,<br />

München, Sonderausgabe 1998, S. 184–187.<br />

24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!