Brandenburgisches Ärzteblatt 03/2010 - Landesärztekammer ...
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MS-Patienten in den Praxen behandelt<br />
werden, die nicht geantwortet haben.<br />
Unklar bleibt naturgemäß auch, in welcher<br />
Form die Betreuung der Patienten<br />
in den Praxen vollzogen wird.<br />
Neben den niedergelassenen Kollegen<br />
waren in Brandenburg vor Umsetzung<br />
des §116b SGB V drei MS-Ambulanzen<br />
an Krankenhäusern aktiv (Hennigsdorf,<br />
Neuruppin, Teupitz). Diese<br />
drei und mittlerweile auch noch weitere<br />
sind vor kurzem nach §116b SGB<br />
V zugelassen worden, als hochspezialisierte<br />
Leistung MS-Patienten am Krankenhaus<br />
zu behandeln. Die Voraussetzungen<br />
für die Zulassung sind durch<br />
den gemeinsamen Bundesausschuss<br />
festgelegt (Tabelle 2). Die Zahl der in<br />
den Krankenhausambulanzen behandelten<br />
Patienten ist nicht bekannt. In<br />
Hennigsdorf und Teupitz werden jeweils<br />
>400 Patienten behandelt und in<br />
Neuruppin >150.<br />
Optimierung der MS-Versorgung<br />
in Brandenburg<br />
Der Ärztliche Beirat des Landesverbandes<br />
Brandenburg der DMSG hat<br />
sich in den vergangenen 12 Monaten<br />
mit dem Thema beschäftigt, wie die<br />
Versorgung MS-Betroffener in Brandenburg<br />
verbessert werden kann. Es<br />
wurde ein Kriterienkatalog erstellt, der<br />
aus Sicht des ärztlichen Beirats von allen<br />
MS-Therapeuten in Brandenburg<br />
erfüllt werden sollte (Tabelle 3). Dieser<br />
Katalog orientiert sich an den Kriterien<br />
des DMSG Bundesverbandes („anerkanntes<br />
MS-Zentrum“). Problematisch<br />
sind naturgemäß die in den Kriterien<br />
des Landesverbandes geforderten Mindestzahlen.<br />
Für die Basisversorgung<br />
sind diese aus Sicht des Ärztlichen Beirats<br />
aber nicht zwingend erforderlich.<br />
Fraglich ist allerdings, ob eine moderne<br />
Versorgung von MS-Patienten auch<br />
von überwiegend psychiatrisch tätigen<br />
Nervenärzten geleistet werden kann.<br />
Überhaupt erscheint das Konstrukt<br />
des Nervenarztes zunehmend schwierig<br />
in Zeiten, in denen sich in der Neurologie<br />
und der Psychiatrie von Jahr zu<br />
Jahr die diagnostischen und therapeutischen<br />
Optionen zunehmend differenziert<br />
haben.<br />
Es ist darüber hinaus auch die Meinung<br />
des Ärztlichen Beirats, das bereits<br />
jetzt – und noch mehr in der<br />
nahen Zukunft nach Zulassung weiterer<br />
Präparate – die Notwendigkeit besteht,<br />
die Therapielenkung und zum<br />
Teil auch die Therapie-Durchführung<br />
und die Therapie-Überwachung durch<br />
MS-Zentren zu gewährleisten, die auch<br />
die Kriterien des Bundesverbandes erfüllen<br />
(„anerkanntes“ oder „regionales<br />
MS-Zentrum“). Dieser Vorschlag orien-<br />
Soziale Situation<br />
Kinderwunsch<br />
Art der Anwendung<br />
Behinderungsgrad<br />
MRT-Befund<br />
MS-<br />
Therapie<br />
Vortherapie<br />
Zulassung<br />
Begleitmedikation<br />
Leitlinien<br />
Wunsch des Patienten<br />
Nebenwirkungsspektrum<br />
tiert sich an den Erfahrungen anderer<br />
Länder, z.B. Kanada, das ebenfalls ein<br />
Flächenland ist, und der Notwendigkeit,<br />
diese Therapie sicher und rational<br />
anzuwenden. Gerade die Erfahrungen<br />
mit dem 2007 zugelassenen monoklonalen<br />
Antikörper Natalizumab, der mit<br />
einer Häufigkeit von ca. 1:1000 eine<br />
progressive multifokale Leukenzehalopathie<br />
(PML) auslösen kann, untermauern<br />
die Notwendigkeit dieses Ansatzes.<br />
Fazit<br />
Krankheitsverlauf<br />
Erfahrungen des Arztes<br />
Krankheitsstadium<br />
Begleiterkrankungen<br />
Prognose<br />
Die Versorgung von MS-Patienten<br />
steht vor einem Umbruch, der verursacht<br />
wird durch die sich glücklicherweise<br />
zunehmend erweiternden therapeutischen<br />
und diagnostischen Möglichkeiten,<br />
die aber auch verbunden<br />
sind mit höheren Therapiekosten und<br />
-risiken. Der differenzierte Umgang mit<br />
diesen Optionen und die Individualisierung<br />
der Therapie macht eine Spezialisierung<br />
der Therapeuten notwendig.<br />
Mittelfristig sollte jeder Patient –<br />
auch in Brandenburg – Zugang zu einem<br />
MS-Zentrum haben, das über die<br />
nötige Expertise im Umgang mit den<br />
innovativen Therapien verfügt. Dies<br />
wird zukünftig vermutlich auch von<br />
den zuständigen Gremien so entschieden<br />
werden. Für ein Flächenland wie<br />
Brandenburg gilt aber darüber hinaus<br />
auch, dass eine wohnortnahe neurologische<br />
Basisversorgung weiterhin bestehen<br />
bleiben muss. Auch diese muss<br />
fortBIldunG<br />
bestimmten Qualitätsansprüchen genügen.<br />
Der Ärztliche Beirat des Landesverbandes<br />
Brandenburg der DMSG<br />
möchte gerne mit den niedergelassenen<br />
und auch den am Krankhaus tätigen<br />
Kolleginnen und Kollegen in einen<br />
Dialog eintreten, um die Qualität der<br />
Versorgung der Brandenburger MS-<br />
Patienten auf hohem Niveau zu halten<br />
und noch zu verbessern.<br />
Abbildung<br />
Auswahl von Faktoren, die Therapieentscheidungen<br />
bei Patienten mit<br />
multipler Sklerose beeinflussen<br />
können.<br />
Tabelle 1. Auswahl von Kriterien, die<br />
erfüllt sein müssen, damit die DMSG<br />
das Zertifikat „Anerkanntes MS-Zentrum“<br />
oder „Regionales MS-Zentrum“<br />
an Akutkliniken, Rehakliniken oder<br />
Arztpraxen vergibt (nähere Informationen<br />
unter www.dmsg.de).<br />
• Betreuung durch eine/n Facharzt/<br />
Fachärztin für Neurologie<br />
• Mindestens 5-jährige Erfahrung in<br />
der medizinischen Betreuung von<br />
MS-Patienten<br />
• Das medizinische Fachpersonal soll<br />
mindestens 2 Jahre Erfahrung mit<br />
MS-Patienten haben.<br />
• Als Initialkontakt erfolgt eine mindestens<br />
1-stündige Konsultation<br />
• Mindestzahl an behandelten MS-<br />
Patienten (Einzelfälle) pro Jahr: 400<br />
(anerkanntes MS-Zentrum), 150 (regionales<br />
MS-Zentrum)<br />
• Standardisierte Befunderhebung und<br />
Dokumentation<br />
• Standardisierte Ableitung und Dokumentation<br />
evozierter Potenziale<br />
• Liquordiagnostik durch ein zertifiziertes<br />
Labor<br />
• Kooperation mit (Neuro)Radiologen<br />
und etabliertes Protokoll zur MRT-<br />
Durchführung<br />
• Möglichkeit der Durchführung und<br />
Betreuung indizierter Therapiemaßnahmen<br />
(Kortison-Pulstherapie, Plasmapherese,<br />
Mitoxantron, Cyclophosphamid)<br />
• Regelmäßige Fortbildung/Schulung<br />
zu MS-relevanten Themen für Patienten,<br />
Mitarbeiter und interessierte<br />
Kollegen in der Umgebung<br />
Tabelle 2. Auswahl der Voraussetzungen,<br />
die Krankenhäuser erfüllen müssen,<br />
um nach §116b SGB V MS-Patienten<br />
ambulant behandeln zu dürfen.<br />
<strong>Brandenburgisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> 3 • <strong>2010</strong> | 15