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Brandenburgisches Ärzteblatt 03/2010 - Landesärztekammer ...

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fortBIldunG<br />

multIple sKlerose<br />

die Versorgung von betroffenen in brandenburg<br />

Andreas Bitsch, Karl Baum, Jürgen Faiss, Judith Haas<br />

Für den Ärztlichen Beirat der Deutschen<br />

Multiple Sklerose Gesellschaft<br />

(DMSG), Landesverband Brandenburg,<br />

Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />

Weitere Mitglieder des Beirats: Nannette<br />

Altmann (Potsdam), Christel Müller<br />

(Cottbus), Gisela Damaschke (Lübben),<br />

Janet Knauß (Grünheide)<br />

Therapie der Multiplen<br />

Sklerose<br />

Die Multiple Sklerose ist die häufigste<br />

neurologische Erkrankung des jungen<br />

Erwachsenenalters. In Brandenburg<br />

sind ca. 4500 Menschen betroffen.<br />

Die Erkrankung trifft die meisten<br />

Patienten (Frauen : Männer = 2,5 : 1)<br />

in einer kritischen Lebensphase, in der<br />

es zum Beispiel um Ausbildung, Berufseinstieg<br />

und Familienplanung geht. Es<br />

handelt sich um eine in den ersten Jahren<br />

weitgehend entzündliche Erkrankung,<br />

deren Ursache immer noch Fragen<br />

aufwirft. Die zunehmende Aufklärung<br />

der Krankheitsmechanismen hat<br />

in den vergangenen knapp 20 Jahren<br />

zu einer deutlichen Erweiterung des<br />

Therapiespektrums geführt. Nach Einführung<br />

der Beta-Interferone in der<br />

ersten Hälfte der 90er Jahre wurde<br />

Anfang des neuen Jahrtausends Glatirameracetat<br />

zugelassen. Später dann<br />

folgte das Immunsuppressivum Mitoxantron<br />

und als zunächst letzte Innovation<br />

der monoklonale Antikörper Natalizumab.<br />

Aktuell stehen wir vor der Einführung<br />

weiterer, zum Teil sehr innovativer<br />

Präparate wie zum Beispiel des<br />

Sphingosin-I-Phosphat-Rezeptor-Agonisten<br />

Fingolimod. Der differenzierte<br />

Einsatz dieser zum Teil hochpreisigen<br />

und nicht immer nebenwirkungsarmen<br />

Präparate erfordert umfangreiche<br />

Kenntnisse über die Erkrankung selbst<br />

und umfassende Erfahrungen in der<br />

Betreuung von MS-Patienten. Dies ist<br />

die Voraussetzung für einen erfolgreichen,<br />

rationalen und sicheren Einsatz<br />

dieser Therapien.<br />

Um die für den individuellen Patienten<br />

optimale Therapieentscheidung<br />

zu treffen, ist die Integration einer<br />

14 | <strong>Brandenburgisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> 3 • <strong>2010</strong><br />

Vielzahl verschiedener Informationen<br />

notwendig (Abbildung). Dabei hat sich<br />

in den vergangenen Jahren – basierend<br />

auf einer Vielzahl experimenteller<br />

und klinischer Studien – das Prinzip<br />

durchgesetzt, die Erkrankung bereits<br />

in einem frühen Stadium zu behandeln<br />

und nicht erst, wenn schon ein<br />

großer Schaden entstanden ist. Dies<br />

bedeutet, dass auf die Adhärenz der<br />

Patienten großes Augenmerk gelegt<br />

werden muss, da für den einzelnen, in<br />

der Frühphase der Erkrankung in der<br />

Regel nur gering betroffenen Patienten<br />

der Sinn bestimmter Maßnahmen<br />

manchmal nicht unmittelbar erkennbar<br />

ist. Ein Großteil der Gewebeschädigung<br />

– nicht nur die Demyelinisierung,<br />

sondern auch die Schädigung<br />

von Axonen und Neuronen – findet<br />

aber in der Frühphase der Erkrankung<br />

statt und macht sich später dann z.B.<br />

durch kognitive Defizite oder einen<br />

zunehmenden Grad der Behinderung<br />

bemerkbar. Immer noch werden viele<br />

MS-Patienten bereits in den ersten<br />

Jahren ihrer Erkrankung berentet – eine<br />

Entwicklung, die durch den frühzeitigen<br />

Einsatz von Medikamenten, die<br />

den Krankheitsverlauf beeinflussen,<br />

verzögert oder sogar vermieden werden<br />

kann. Nicht nur aus diesem Grunde<br />

hat die optimale Behandlung der<br />

Multiplen Sklerose auch sozioökonomische<br />

Bedeutung.<br />

Versorgung von Multiple<br />

Sklerose Patienten<br />

In Deutschland und auch in vielen anderen<br />

Ländern der Welt werden Multiple<br />

Sklerose Patienten überwiegend<br />

ambulant behandelt. Die Primärdiagnostik<br />

erfolgt (unter anderem wegen<br />

der notwendigen Lumbalpunktion)<br />

häufig stationär. In Ballungszentren mit<br />

kurzen Anfahrwegen kann die Lumbalpunktion<br />

im Einzelfall auch ambulant in<br />

spezialisierten Facharzt-Praxen durchgeführt<br />

werden. Im Falle schwerer<br />

Schübe erfolgt die Behandlung ebenfalls<br />

häufig stationär – entweder weil<br />

das Ausmaß der neurologischen Beeinträchtigung<br />

sehr groß ist oder weil invasive<br />

Therapien notwendig sind (z.B.<br />

Plasmapherese). Die ambulante Versorgung<br />

geschieht in Neurologen- und<br />

Nervenarzt-Praxen, Ermächtigungs-<br />

Sprechstunden von Krankenhausärzten<br />

und (neuerdings) in nach §116b<br />

SGB-V zugelassenen Krankenhäusern.<br />

In einem Flächenland wie Brandenburg<br />

bewegt sich die Versorgung von MS-<br />

Patienten in einem Spagat zwischen<br />

wohnortnaher Versorgung in der allgemeinen<br />

Neurologen- oder Nervenarztpraxis<br />

und der zentralen Versorgung<br />

in auf MS spezialisierten MS-Praxen<br />

oder Kliniken. Um für den einzelnen<br />

Patienten erkennbar zu machen, ob<br />

eine Praxis oder Einrichtung Expertise<br />

in der Behandlung von MS-Patienten<br />

hat und diese auch nach bestimmten<br />

standardisierten und nachprüfbaren<br />

Qualitätskriterien durchführt, hat die<br />

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft<br />

ein Zertifikat eingeführt (Tabelle<br />

1). Derzeit sind zwei Kliniken in Brandenburg<br />

im Besitz des Zertifikats „anerkanntes<br />

MS-Zentrum“ (Hennigsdorf<br />

und Teupitz), eine weitere hat das Zertifikat<br />

„regionales MS-Zentrum“ beantragt<br />

(Neuruppin). International ist es<br />

in einigen Ländern Standard, dass bestimmte<br />

innovative Therapien nur von<br />

MS-Zentren veranlasst und bisweilen<br />

auch durchgeführt werden dürfen. In<br />

Deutschland ist dies derzeit nicht der<br />

Fall.<br />

Aktueller Stand der Versorgung<br />

MS-Betroffener in<br />

Brandenburg<br />

Basierend auf den verfügbaren Einwohnerzahlen<br />

von Brandenburg<br />

(2007) und der in der Literatur beschriebenen<br />

Prävalenz der Erkrankung<br />

sind in Brandenburg ca. 4500 Einwohner<br />

an MS erkrankt. Der Landesverband<br />

der DMSG Brandenburg hat im<br />

Jahre 2009 eine Umfrage unter allen<br />

Neurologen-/Nervenarzt-Praxen Brandenburgs<br />

durchgeführt mit der Frage,<br />

wie viele MS-Patienten pro Jahr betreut<br />

werden. Von 101 angefragten<br />

Praxen haben 61 geantwortet. In diesen<br />

Praxen sind 2526 MS-Patienten in<br />

Behandlung. Das entspricht 56% aller<br />

MS-Patienten. Unklar bleibt, wie viele

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