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Ausgabe 07-08/2011 (PDF, 8364 kByte) - Landesärztekammer ...

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KammerInformatIonen/GesundheItspolItIK<br />

pId und sterbehIlfe<br />

der Ärztetag spricht klare worte zu ethischen fragen<br />

Wie wollen wir leben? Wie wollen<br />

wir sterben? Diese Fragen betreffen<br />

jeden von uns. Aber keine<br />

Berufsgruppe wird in ihrem<br />

Arbeitsalltag so häufig mit ihnen<br />

konfrontiert wie die Ärzte in den<br />

Praxen und Kliniken. Daher war es<br />

wichtig, dass der 114. Deutsche<br />

Ärztetags klare Worte zu schwierigen<br />

ethischen Themen wie Präimplantationsdiagnostik<br />

(PID) und<br />

Sterbehilfe fand.<br />

Die Delegierten sprachen sich bei<br />

der PID für eine Zulassung in engen<br />

Grenzen und unter kontrollierten Voraussetzungen<br />

aus. Auch Paare mit einem<br />

hohen genetischen Risiko sollen<br />

die Chance haben, eine Schwangerschaft<br />

mit einem unbelasteten Embryo<br />

einzugehen. „Es geht uns nicht darum,<br />

Designerbabies zu schaffen, sondern<br />

Unheil von der Familie und der<br />

Frau abzuwenden“, sagte Dr. Theodor<br />

Windhorst, Präsident der Ärztekammer<br />

Westfalen Lippe. So sahen es auch die<br />

Delegierten. Mit 204 Ja-Stimmen fand<br />

das Memorandum des Vorstands der<br />

Bundesärztekammer und seines wissenschaftlichen<br />

Beirats eine klare<br />

Mehrheit.<br />

PID in engen Grenzen<br />

erlaubt<br />

Das Votum ist auch eine Reaktion<br />

auf die internationalen Erfahrungen<br />

mit der PID und den ethischen Konsequenzen<br />

der Pränataldiagnostik (PND).<br />

Es bedeutet eine Abkehr von der bisherigen<br />

Haltung, die zuletzt auf dem<br />

Ärztetag 2002 bekräftigt wurde. Das<br />

Memorandum sieht nun die in-vitro-<br />

Befruchtung mit Hilfe der PID „in bestimmten<br />

Fällen ethisch weniger problematisch<br />

als eine Pränataldiagnostik<br />

mit nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch.“<br />

Sie soll ausschließlich Paaren<br />

vorbehalten sein, für deren Kinder ein<br />

hohes Risiko von in der Familie bekannten<br />

und schwerwiegenden genetischen<br />

Erkrankungen besteht. Geschlechtsbestimmung,<br />

das Alter der<br />

Eltern oder reproduktionsmedizinische<br />

Maßnahmen lassen hingegen keinen<br />

8 | Brandenburgisches Ärzteblatt 7 – 8 •<strong>2011</strong><br />

Einsatz der PID zu. Im Vorfeld ist außerdem<br />

eine umfassende Information<br />

und Beratung der Betroffenen verpflichtend.<br />

Inzwischen hat der Bundestag sich<br />

für eine Zulassung der PID entschieden.<br />

Die Bundesärztekammer wird im<br />

nächsten Schritt über die Zusammensetzung<br />

einer Arbeitsgruppe entscheiden,<br />

welche die Richtlinie erarbeiten<br />

soll, die das Indikationsspektrum, die<br />

personellen und apparativen Anforderungen<br />

sowie die Information und<br />

Beratung festlegt. Das Memorandum<br />

spricht sich dafür aus, dass sich die<br />

Ärzteschaft in diesem Fall „an einer<br />

verantwortungsbewussten Umsetzung<br />

nicht zuletzt im Interesse einer optimalen<br />

Versorgung und Behandlung der<br />

betroffenen Paare umsichtig mitwirken“<br />

wird.<br />

Prof. Dr. Hermann Hepp, der Vorsitzende<br />

der zuständigen Arbeitsgruppe,<br />

entkräftete in der Diskussion die<br />

Befürchtungen, die Erlaubnis der PID<br />

könne zu einem Dammbruch führen.<br />

Nach allen vorliegenden Daten seien in<br />

Deutschland lediglich etwa 200 Paare<br />

betroffen. Auch den Vorwurf, die PID<br />

führe zu einer Diskriminierung Behinderter,<br />

ließ Prof. Dr. Hepp nicht gelten.<br />

Schließlich richte sich die Absicht von<br />

Eltern, Kinder ohne schwere genetische<br />

Krankheiten zur Welt zu bringen,<br />

nicht gegen die Würde behinderter<br />

Menschen. „Diesen Vorwurf müsste<br />

man der PND dann in noch stärkerem<br />

Maße machen“, meinte Prof. Dr. Hepp.<br />

Tötung auf Verlangen<br />

und Selbsttötung bleiben<br />

verboten<br />

Für die Begleitung Sterbender hat<br />

der Ärztetag ebenfalls eine unmissverständliche<br />

Formel gefunden: „Ärztinnen<br />

und Ärzte haben Sterbenden<br />

unter Wahrung ihrer Würde und unter<br />

Achtung ihres Willens beizustehen. Es<br />

ist ihnen verboten, Patienten auf deren<br />

Verlangen zu töten. Sie dürfen keine<br />

Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ So<br />

steht es im neuen Paragraphen 16 der<br />

(Muster-) Berufsordnung (MBO). „Damit<br />

ist jetzt für jeden klar, dass Ärzte<br />

keinen Suizid unterstützen dürfen“,<br />

kommentierte Prof. Dr. Jörg-Dietrich<br />

Hoppe den Antrag. Denn wenn ein<br />

Mensch den Wunsch zu Sterben äußert,<br />

stecken häufig andere Beweggründe<br />

dahinter – etwa die Angst davor,<br />

allein oder von der Pflege anderer<br />

abhängig zu sein. „Manche Menschen<br />

äußern den Wunsch, lieber tot zu sein,<br />

als ihr Leiden noch länger ertragen zu<br />

müssen, leiden aber eigentlich an einer<br />

leicht behandelbaren Depression“,<br />

stellte der Potsdamer Onkologe Prof.<br />

Dr. Georg Maschmeyer klar. Schon<br />

nach wenigen Stunden Zuwendung<br />

fänden diese Menschen ihren Lebenswillen<br />

wieder.<br />

Engagierte Diskussion<br />

der Delegierten<br />

Der Abstimmung ging eine dreistündige,<br />

engagiert und sehr kontrovers<br />

geführte Diskussion voraus. Es wurde<br />

deutlich, wie sehr dieses Thema jeden<br />

einzelnen Delegierten persönlich<br />

bewegt. Am Ende stimmten 166 Delegierte<br />

für den Antrag. Dr. Udo Wolter,<br />

der Präsident der <strong>Landesärztekammer</strong><br />

Brandenburg, ist mit dem Ergebnis<br />

sehr zufrieden: „Das Votum der Delegierten<br />

ist eine klare Stellungnahme zu<br />

diesen schwierigen Fragen. Die Debatten<br />

werden oft von Meinungsführern<br />

beherrscht, die weder direkt betroffen<br />

sind, noch über das notwendige Fachwissen<br />

verfügen. Daher ist es wichtig,<br />

dass die Ärzteschaft sich einmischt<br />

und klar Stellung bezieht. Das ärztliche<br />

Ethos ist eine Klammer, die uns<br />

alle zusammenhält“, erklärte Dr. Udo<br />

Wolter. Mit seinen Entscheidungen hat<br />

der 114. Ärztetag diesen Zusammenhalt<br />

deutlich demonstriert.<br />

n Mark Berger, LÄKB

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