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WAGNER SIEDE SCHARF Gräf-Nachruf - Koleopterologie.de

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ferausbeuten. Fahren-Käferfangen-Fahren-Essen-Schlafen und am nächsten<br />

Tag weiter im selben Rhythmus. Expedition pur, ohne stören<strong>de</strong>n Komfort.<br />

Bereits auf <strong>de</strong>r Hinfahrt zeigte sich, dass HANS' Fahrkünste zwar im Rheinland<br />

hinreichend waren, für das Baskenland aber eher weniger geeignet.<br />

Bald hatte er fast in einer Fußgängergruppe eingeparkt, die diesen Versuch<br />

mit bösartigen Rufen quittierte. Da wir we<strong>de</strong>r spanische volksnahe Spontanjustiz<br />

noch die Macht <strong>de</strong>r Guardia Civil näher kennen lernen wollten,<br />

habe ich HANS auf <strong>de</strong>n Beifahrersitz verdammt und bin dann „<strong>de</strong>n Rest“ <strong>de</strong>r<br />

Strecke bis nahe Gibraltar durchgefahren. So sind wir in ca. 36 Stun<strong>de</strong>n von<br />

Bonn nach Gibraltar gekommen. Los ging es im aprilkalten Rheinland. Im<br />

noch kälteren Zentralspanien versteckten wir uns vor <strong>de</strong>m Eiswind hinter<br />

einer Friedhofsmauer und kochten Tee und Dosenfutter auf meinem Spirituskocher.<br />

Sevilla belohnte uns dagegen mit einem mediterranen Sonnenaufgang<br />

und rasch steigen<strong>de</strong>n Temperaturen. Als wir nach <strong>de</strong>r langen Fahrt<br />

endlich die Schuhe ausziehen wollten, um auf einem Rasthof zu duschen,<br />

mussten wir uns gegenseitig helfen. Die Füße waren vom langen Sitzen<br />

min<strong>de</strong>stens auf Größe 49 angeschwollen. Ich glaube, HANS bemerkte noch,<br />

dass wir die Schuhe jetzt besser als Kö<strong>de</strong>r für Aaskäfer auslegen könnten.<br />

Nach zwei spannen<strong>de</strong>n Käfer-Wochen mit vielen Abenteuern und Halsschmerzen<br />

vom vielen Lachen waren wir in <strong>de</strong>r Nähe von Barcelona angekommen.<br />

Unterwegs hatten wir einige Gesiebe gemacht, eine Fangmetho<strong>de</strong>,<br />

die HANS beson<strong>de</strong>rs liebte. Am Tages-Zielort war ein <strong>de</strong>rartiger Sturm, dass<br />

man sich vor umher fliegen<strong>de</strong>n Gartenmöbeln in Sicherheit bringen musste.<br />

An <strong>de</strong>r Tankstelle musste ich mich im 45-Grad Winkel gegen <strong>de</strong>n Wind<br />

stellen, um nicht weggeblasen zu wer<strong>de</strong>n. So einen Sturm habe ich selbst in<br />

meinen Hamburger Jahren nicht erlebt. Was macht man aber bei solch einem<br />

Sturm mit <strong>de</strong>n Gesieben vom Vortag? Draußen aussuchen, wie wir das<br />

sonst gemacht haben, war absolut un<strong>de</strong>nkbar. HANS hatte wie immer eine<br />

probate I<strong>de</strong>e: wir haben das Gesiebe mit auf unser Pensionszimmer genommen,<br />

das Bettlaken stramm gezogen und es auf <strong>de</strong>m Bett ausgesucht.<br />

Das Knien erleichterten die Kopfkissen. Die Käfer kamen in die bereitgehaltenen<br />

Röhrchen, die Ameisen und Spinnen liefen im Hotelzimmer spazieren<br />

und die Gesiebereste vertrauten wir am offenen Fenster <strong>de</strong>r reinigen<strong>de</strong>n<br />

Wirkung <strong>de</strong>s Sturmes an. Danach haben wir das Bettlaken umgedreht<br />

und uns nach einer Flasche Rotwein – aus Zahnputzgläsern genossen – lachend<br />

zum Schlafen gelegt. Um am an<strong>de</strong>ren Morgen keinen Ärger mit <strong>de</strong>m<br />

Hotelier zu bekommen, haben wir früh und schnell gefrühstückt und uns –<br />

wörtlich genommen – aus <strong>de</strong>m Staube gemacht.<br />

DIETER <strong>SIEDE</strong>

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