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Prinzipiell können drei Gruppen der systemischen Ganzkörperhyperthermie<br />

unterschieden werden:<br />

◆ moderate SGHT bis etwa 40 °C<br />

◆ intermediäre SGHT zwischen 40 °C und 41,5 °C<br />

◆ extreme SGHT zwischen 41,6 °C und 42 °C.<br />

Während das erste Verfahren überwiegend zur <strong>St</strong>imulierung<br />

des Immunsystems angewandt wird, verursachen<br />

die intermediäre und extreme SGHT in Verbindung mit<br />

einer Chemotherapie die direkte Schädigung des Tumors.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich<br />

auf die extreme SGHT.<br />

Methodisches Prinzip<br />

Durch die Erwärmung der Körperperipherie und damit des<br />

Blutes der oberflächlichen Gefäße wird die Wärme durch den<br />

Blutkreislauf ins Körperinnere, den Körperkern, transportiert<br />

und zum Wärmeausgleich an das umliegende Gewebe wieder<br />

abgegeben, dadurch wird Fieber erzeugt.<br />

Die ersten Veröffentlichungen, die sich aus pflegerischer Sicht<br />

mit diesem Thema beschäftigen, gehen auf das Jahr 1937 zurück<br />

(Lehmann 1937). Nach unzähligen Versuchen, die passive<br />

Temperaturerhöhung mittels Überwärmungsbädern, Mi-<br />

Zusammenfassung<br />

Pflegezeitschrift 1/2003<br />

krowellen oder heißen Wachsbädern zu erzielen, wird in der<br />

Gegenwart vorwiegend Infrarotstrahlung genutzt. Bekannteste<br />

Vertreter im europäischen Raum sind Martin Heckel mit dem<br />

Gerät „Heckel HT 2000“ und Manfred von Ardenne mit „Iratherm<br />

2000“.<br />

Kern des Gerätes „Heckel HT 2000“ sind vier Rohrstrahler,<br />

die kurzwelliges Infrarot-Licht aussenden. Eine Total-Reflexionsstreuung<br />

der <strong>St</strong>rahlung durch innenverspiegelte, aluminiumbeschichtete<br />

Folienwände führt zu einer gleichmäßigen<br />

oberflächlichen Bestrahlung. Die Folie und die in der Kabine<br />

stehende heiße Luft hindern den Körper daran, die Wärme<br />

wieder abzugeben. Die Temperatur steigt in circa 150 Minuten<br />

auf etwa 41,8 °C an und kann ohne weitere Wärmezufuhr<br />

über 90 Minuten auf diesem Niveau gehalten werden.<br />

Biologische Grundlagen<br />

Pflegepraxis<br />

■ Systemische Ganzkörperhyperthermie in der Onkologie:<br />

Tödliche Hitze für Tumorzellen<br />

Jana Gaworek und Cvetka Theresa Mayer<br />

Die heilende Wirkung des Fiebers bei verschiedenen<br />

Erkrankungen ist schon seit der Antike bekannt.<br />

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt<br />

die Fieberbehandlung vor allem in der Onkologie<br />

eine Renaissance und hält in immer größerem Umfang<br />

Einzug in onkologische Therapiekonzepte.<br />

Todesfälle bei Krebs sind häufig auf Metastasen der Primärtumore<br />

zurückzuführen. Dies zeigt, wie notwendig eine systemische Behandlung<br />

ist. Umfangreiche <strong>St</strong>udien der letzten 20 Jahren ergaben,<br />

dass länger anhaltende Körpertemperaturen zwischen 41,5 °C und<br />

42 °C verschiedene Prozesse aktivieren, die zur Zerstörung von<br />

Krebszellen führen (Apoptose) und die Wirksamkeit einiger Zytostatika<br />

um ein Mehrfaches verstärken. Daher ist die systemische<br />

Ganzkörperhyperthermie (SGHT) besonders zur Therapie von<br />

Krebserkrankungen mit multipler Metastasierung geeignet, sie wird<br />

aber auch zunehmend zur Metastasenprophylaxe und Zerstörung<br />

von Mikrometastasen eingesetzt. In diesem Beitrag wird ein Überblick<br />

über die Wirkungsweise und Durchführung der Ganzkörperhyperthermie<br />

(SGHT) gegeben.<br />

Schlüsselwörter: Ganzkörperhyperthermie, Krebs, Chemotherapie<br />

Ein Gerät zur systemischen Ganzkörperhyperthermie (SGHT): Aufgrund<br />

biologischer Besonderheiten reagiert Tumorgewebe empfindlicher auf<br />

Hitze <strong>als</strong> andere Körperzellen.<br />

Zellen mit niedrigem ph-Wert und geringer O 2-Sättigung,<br />

wie zum Beispiel die Tumorzelle, reagieren sensibler<br />

auf erhöhte Temperaturen (Dziambor/Hager 1998).<br />

Die Schädigung der Krebszelle ist zurückzuführen auf<br />

die erhöhte <strong>St</strong>offwechsellage und die starren Wände<br />

der Tumorgefäße. Während eine Temperaturerhöhung<br />

im gesunden Gewebe die Gefäße erweitert, wodurch<br />

die Wärme schneller abgegeben wird, ist dieser Mechanismus<br />

im Tumorgewebe nur sehr eingeschränkt<br />

möglich, weil sich die dortigen Gefäße kaum dilatieren.<br />

Eine anfängliche Zunahme der Perfusion im Tumor um<br />

etwa 50 Prozent führt bei andauernder und zunehmender<br />

Hitze durch die fehlende Vasodilatation zu einem<br />

verminderten Abtransport des Blutes und damit zum<br />

Wärmestau. Entstehende Mikrothromben und Endothelschwellungen<br />

verstärken diesen Prozess, der aerobe<br />

15


<strong>St</strong>offwechsel bricht zusammen. Der anaerobe <strong>St</strong>offwechsel und<br />

der reduzierte Abtransport von <strong>St</strong>offwechselendprodukten führen<br />

zur Laktatanreicherung und damit zum Abfall des pH-Wertes.<br />

Die Folge ist eine Azidose. Hitze und Übersäuerung verursachen<br />

eine Denaturierung von Eiweißen und schädigen<br />

Reparaturenzyme. Die Protein-, RNA- und DNA-Synthese wird<br />

gestört und der Zelltod wird eingeleitet (Bogovic/Douwes/<br />

Douwes 1999).<br />

Werden bestimmte Zytostatika in der fortgeschrittenen Erwärmungsphase<br />

appliziert, so verstärkt sich deren Wirkung. Zum<br />

Beispiel steigt die Wirksamkeit von Carboplatin bei Temperaturen<br />

von etwa 42 °C um ein Sechsfaches an (Wiedemannn/<br />

Kasten 1<br />

Pflegepraxis<br />

Kontraindikationen:<br />

◆ ausgeprägte Knochenmarkdepression,<br />

Thrombozyten (PLT) unter 90.000,<br />

Leukozyten (WBC) unter 2000<br />

◆ ausgeprägte kardiale/pulmonale<br />

Insuffizienz > 2. Grades<br />

◆ Thrombosen, Marcumarisierung<br />

◆ Epilepsie, zerebrale Mangeldurchblutung<br />

◆ drohendes Hirnödem, symptomatische<br />

Hirnmetastasen<br />

◆ tumorbedingte Einengung des Spinalkan<strong>als</strong><br />

◆ schwere Lymphödeme<br />

◆ Niereninsuffizienz<br />

◆ Gravidität<br />

◆ akute Infektionen, Körpertemperatur<br />

> 38,5 °C (außer Tumorfieber)<br />

◆ stark reduzierter Allgemeinzustand<br />

(< 60 % Karnowski-Index)<br />

◆ progrediente destruktive Erkrankungen,<br />

zum Beispiel Leberzirrhose<br />

◆ nicht medikamentös eingestellte<br />

Hyperthyreose<br />

◆ akute psychiatrische Erkrankungen<br />

Robins et al. 1996). Ursache für die Wirkungsverstärkung ist<br />

zum einen die erhöhte Membrandurchlässigkeit, die zu einer<br />

besseren Aufnahme der Chemotherapeutika führt, zum anderen<br />

bewirken allein die gesteigerte Durchblutung und der erhöhte<br />

Metabolismus in der Krebszelle eine Konzentrationssteigerung<br />

im Tumor um das 7- bis 1000-Fache im Vergleich zum<br />

Plasma (Dziambor/Hager 1998). Es gibt jedoch auch einzelne<br />

Zytostatika, bei denen die Wirkung nicht durch die Temperaturhöhe<br />

beeinflusst wird.<br />

Einen guten Überblick über die Wirkung verschiedener Zytostatika<br />

unter Hitze bietet Hager (1997, S. 171). Durch die<br />

verbesserte Wirkung der Chemotherapeutika kann die Dosis<br />

erheblich reduziert werden. Nebenwirkungen wie Knochenmarkdepression,<br />

Übelkeit und Erbrechen treten seltener auf,<br />

was eine enorme <strong>St</strong>eigerung der Lebensqualität für die Betroffenen<br />

bedeutet.<br />

Die SGHT in der <strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong><br />

In der <strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong> werden wöchentlich bis zu 25 Ganzkörperhyperthermien<br />

durchgeführt. Die betroffenen Patienten<br />

sind an den verschiedensten Arten von Karzinomen erkrankt<br />

wie zum Beispiel an Colon-, Mamma-, Ovarial-, Bronchial-,<br />

16<br />

Voruntersuchungen:<br />

◆ Blutbild nicht älter <strong>als</strong> 24 <strong>St</strong>unden<br />

◆ Gerinnungs-, Nieren-, Leber- und<br />

Elektrolytparameter<br />

◆ Lungenfunktionstest<br />

◆ Herzechographie<br />

◆ Abdomensonographie<br />

◆ EKG, bei Bedarf Belastungs-EKG<br />

◆ Vergleichsbilder von bildgebenden<br />

Untersuchungen (CT, Röntgen und<br />

andere)<br />

◆ Urinstatus<br />

Maßnahmen am Vortag<br />

◆ Vorbereitungs- und Aufklärungsgespräch<br />

◆ Festlegung der Chemotherapie<br />

◆ Hydrocolon-Therapie<br />

◆ mittags und abends Suppe, Wasser<br />

bis 6 Uhr morgens, danach nüchtern<br />

Prostata-Karzinom oder Plasmozytom. Bei den meisten von<br />

ihnen wurde eine multiple Metastasierung mit progredientem<br />

Verlauf diagnostiziert. Wünschenswert ist ein frühestmöglicher<br />

Behandlungsbeginn, da durch die systemische Erwärmung<br />

des gesamten Körpers auch noch nicht nachweisbare Mikrometastasen<br />

zerstört werden können.<br />

Über die Indikation zur Hyperthermiebehandlung (Kasten)<br />

entscheidet prinzipiell der Chefarzt bzw. die sogenannte Tumorkonferenz.<br />

Nach Abschluss der Voruntersuchungen findet<br />

zwischen dem Arzt der Hyperthermieabteilung und dem Patienten<br />

ein Aufklärungsgespräch statt. Neben dem Behandlungsablauf<br />

werden auch individuelle Probleme der Betroffenen,<br />

wie zum Beispiel Klaustrophobie oder, wie bei<br />

Patienten mit Pleuraergüssen oder Aszitesbildung<br />

notwendig, das eventuelle Legen von Pleura- oder<br />

intraabdominellen Kathetern besprochen. Die<br />

Patienten erhalten einen Ablaufbogen, der vom<br />

Pflegepersonal entworfen wurde, um den Betroffenen<br />

die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe über<br />

alle relevanten Dinge zu informieren. Denn erfahrungsgemäß<br />

ist die Informationsflut so groß,<br />

dass viele Details überhört oder vergessen werden.<br />

Ziel ist, dass der Patient mit größtmöglicher<br />

Sicherheit die Behandlung beginnt.<br />

Vorbereitung<br />

Die Ganzkörperhyperthermie ist eine intensivmedizinische<br />

Behandlung. Pro Patient ist eine Pflegekraft<br />

zuständig. Die Therapie dauert mit Vor- und<br />

Nachbereitung etwa sieben <strong>St</strong>unden.<br />

Für ein gutes Gelingen der Therapie ist neben der<br />

exakten Voruntersuchung eine vertrauensvolle<br />

Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft notwendig.<br />

So haben ruhiges und sicheres Auftreten,<br />

eine entspannte Atmosphäre und genügend Zeit<br />

für offene Fragen äußerste Priorität und verringern<br />

Nervosität und Angst.<br />

Die Messung der Kerntemperatur erfolgt rektal und<br />

vesikal mittels Temperatursonde. Blutbild- und<br />

Elektrolytbestimmungen am Anfang und Ende der<br />

Behandlung sowie während der Anstiegs- und der<br />

Hochfieberphase geben Aufschluss über notwendige Substituierungen.<br />

Das Monitoring von Blutdruck, Puls, EKG und<br />

Sauerstoffsättigung gehört zu den Routinemaßnahmen.<br />

Bei der Sedierung der Patienten ist die „total intravenöse Analgesie“<br />

(TIVA) das am meisten favorisierte Narkoseverfahren.<br />

Der Patient ist so sediert, dass er tief schläft, aber trotzdem<br />

noch spontan atmet. Verwendet wird hierzu eine Kombination<br />

aus Propofol und Fentanyl. Zur Einleitung hat sich die<br />

einmalige Bolusinjektion von Dormicum ® bewährt.<br />

Im Interesse des Patienten werden alle Interventionen, bei denen<br />

dies möglich ist, auf die Zeit nach dem Narkosebeginn<br />

verschoben. Dazu gehören zum Beispiel das obligate Legen eines<br />

Blasendauerkatheters, die subkutane Injektion von Fragmin ®<br />

zur Thromboseprophylaxe und das Legen eines venösen Zugangs,<br />

wenn ein Portsystem zur Narkoseeinleitung vorhanden<br />

ist, sowie die bereits erwähnten eventuellen Punktionen von<br />

Pleuraerguss oder Aszites. Danach wird der Patient mit drei<br />

großen Frotteetüchern zugedeckt, die Kabine wird geschlossen.<br />

Durchführung<br />

Zur Flüssigkeitssubstitution wird <strong>St</strong>erofundin ® verwendet. Bis<br />

zum Erreichen der Zieltemperatur wird 20-prozentige Glukoselösung<br />

zur Erhöhung des Blutzuckerspiegels auf etwa<br />

Pflegezeitschrift 1/2003


400 mg/dl ± 50 mg/dl appliziert. Damit wird zum einen auf<br />

den erhöhten Energiebedarf des Körpers während der Behandlung<br />

reagiert, zum anderen sollen durch die Hyperglykämie<br />

eine höchstmögliche <strong>St</strong>offwechselaktivität im Tumor und eine<br />

Laktatsteigerung erreicht werden. Der Verbrauch von etwa<br />

1000 ml 20-prozentiger Glukose während der gesamten Hyperthermie<br />

zeigt die enorme Belastung des Körpers. Insgesamt<br />

steht der Einfuhr von etwa 5000 ml Flüssigkeit eine Urinausfuhr<br />

von etwa 2000 bis 3000 ml gegenüber. Das Defizit erklärt<br />

sich zum einen durch das starke Schwitzen unter der Therapie<br />

und der hitzebedingten interstitiellen Ödembildung, zum anderen<br />

durch die relative Exsikkose vom Vortag, da erfahrungsgemäß<br />

bei Nahrungskarenz auch die Flüssigkeitsaufnahme<br />

reduziert wird.<br />

Die Überwachung der Patienten erfordert viel Erfahrung und eine<br />

ausgeprägte Beobachtungsgabe. Neben den Kreislaufparametern<br />

stehen die Temperaturentwicklung und die individuelle<br />

Sedierung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nach anfänglicher<br />

<strong>St</strong>agnation erhöht sich die Temperatur um 1,2 bis 1,5 °C<br />

pro 30 Minuten. Jedes Öffnen der Kabine bewirkt einen Luftaustausch<br />

in der Wärmekammer und somit eine Verzögerung<br />

des Anstieges. Daher ist konzentriertes und strukturiertes Arbeiten<br />

erforderlich, denn jede Zeitverzögerung bedeutet für den<br />

Patienten zusätzlichen <strong>St</strong>ress und zusätzliche Medikation.<br />

Bei 41 °C können die Lampen ausgeschaltet werden, die Körpertemperatur<br />

steigt dann trotzdem noch um etwa 1 °C an.<br />

Die genauen Ursachen für die weitere Erhöhung sind noch<br />

nicht bis ins Detail geklärt. Heckel (1990, S. 23) nennt <strong>als</strong><br />

Gründe hierfür unter anderem die Freigabe von Wärme durch<br />

den erhöhten <strong>St</strong>offwechsel sowie die Auslösung fieberähnlicher<br />

Mechanismen.<br />

Die Körpertemperatur des Patienten muss 90 Minuten bei etwa<br />

41,8 °C gehalten werden. Hierfür muss die Umgebung<br />

gegebenenfalls angepasst werden: durch Öffnen der Kabine<br />

oder notfalls Aufdecken des ganzen Körpers oder, bei einer<br />

notwendigen Temperaturerhöhung, durch Zuschaltung von<br />

zwei bis vier Lampen. Bei jeder Intervention sind jedoch etwa<br />

fünf Minuten Zeitverzögerung bis zur<br />

Wirkung der Maßnahme am Körperkern<br />

zu berücksichtigen. Dies erfordert eine<br />

exakte kontinuierliche Überwachung der<br />

Patienten und viel Erfahrung auf diesem<br />

Gebiet. Temperaturen über 42 °C sollten<br />

wegen der Gefahr eines Hirnödems vermieden<br />

werden. Zur Prophylaxe eines<br />

Hirnödems kann auch der Kopf des Patienten<br />

außerhalb der Kabine gelagert werden,<br />

ebenso können prophylaktisch die<br />

Carotiden gekühlt und/oder hochdosiert<br />

Cortison verabreicht werden.<br />

Das Chemotherapeutikum wird bei etwa<br />

40,5 °C verabreicht, so dass es in der 90minütigen<br />

Hochfieberphase mit beginnender<br />

Thrombosierung der tumoreigenen<br />

Gefäße bereits im Tumor selbst wirken<br />

kann. Die Zytostatika werden in der Regel<br />

über einen Portkatheter oder andere<br />

venöse Zugänge appliziert. Bei Pleuraergüssen oder Aszites<br />

besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Flüssigkeit abzupunktieren<br />

und die Chemotherapeutika direkt zu applizieren.<br />

Nach 90 Minuten wird die Kabine geöffnet und durch Abkühlung<br />

der Haut senkt sich bald die Körpertemperatur. Im letzten<br />

Drittel der Abkühlphase erwacht der Patient meist aus der<br />

Pflegezeitschrift 1/2003<br />

Narkose. Bis zum vollständigen Erwachen wird er weiterhin<br />

in der SGHT-Abteilung betreut, ehe er am Nachmittag in die<br />

<strong>St</strong>ation zurückverlegt wird. Probleme in dieser Phase können<br />

eventuell Übelkeit mit Erbrechen oder Hypotonie <strong>als</strong> Folge<br />

der Sedierung sein, die in der Regel gut beherrschbar sind.<br />

Der Dauerkatheter wird je nach Mobilität am Abend oder am<br />

nächsten Morgen entfernt. Während der folgenden Tage werden<br />

Blutbild und Elektrolyte sowie Nierenparameter engmaschig<br />

kontrolliert.<br />

Vorbeugung von Hautläsionen<br />

Einen besonderen <strong>St</strong>ellenwert nimmt die Lagerung der Patienten<br />

ein, da infolge der veränderten <strong>St</strong>offwechsellage die<br />

Gefahr besteht, dass sich während der Hyperthermie Hautläsionen<br />

unterschiedlichen Ausmaßes entwickeln.<br />

Als Grund für das gehäufte Auftreten von Hautläsionen wird<br />

ein Hitzestau in der Subkutis angenommen, es können sich<br />

Blasen oder gar Nekrosen bilden. Ursache ist meist eine generelle<br />

Minderdurchblutung, wie sie zum Beispiel im Fettgewebe<br />

bei adipösen Patienten oder im Bereich des Beckenkamms<br />

bei kachektischen Menschen sowie im Narbengewebe<br />

besteht. Hier genügt oftm<strong>als</strong> ein zusätzliches Zudecken, um<br />

die gefährdeten Körperpartien der extremen Hitzeeinwirkung<br />

zu entziehen, die die Temperatur der Hautoberfläche auf 43 °C<br />

ansteigen lassen kann (Abb.). An anderen <strong>St</strong>ellen ist Druck für<br />

die Minderdurchblutung verantwortlich, wobei davon ausgegangen<br />

wird, dass zusätzliche weitere Faktoren das Risiko<br />

für Hautläsionen erhöhen. Hierzu gehören der erhöhte Energie-<br />

und Sauerstoffbedarf der Zellen, die Vasodilatation mit<br />

nachfolgender Verminderung des Blutflusses, die Entstehung<br />

von interstitiellen Ödemen, der ohnehin reduzierte Allgemeinzustand,<br />

eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und<br />

Varizen. So wurden an bestimmten <strong>St</strong>ellen mit Druckeinwirkung<br />

gehäuft Blasenbildungen festgestellt. Dazu gehören der<br />

Auflagepunkt am Hinterkopf, die Fersen, die Fingerkuppen,<br />

an denen der Sensor des Pulsoximeters befestigt ist, sowie die<br />

Kuppen der längsten Zehe.<br />

Abb.: Temperaturverlauf an verschiedenen Messpunkten<br />

Therapie der Wahl ist folglich konsequentes Entlasten des beanspruchten<br />

Gewebes. Bis zum Ende der Hochfieberphase ist<br />

kein Lagewechsel möglich. Kachektische Patienten werden<br />

daher generell in der Region des <strong>St</strong>eißbeins hohl gelagert. Das<br />

Hinterhaupt kann durch stündliches Drehen des Kopfes entlastet<br />

werden, ebenso schützen das stündliche Wechseln der<br />

Fingerkuppe, an welcher der Sensor des Pulsoximeters ange-<br />

17


Pflegepraxis<br />

bracht wird, sowie die Hochlagerung der<br />

Fersen vor Hautläsionen. Im <strong>Klinik</strong>um<br />

<strong>St</strong>. <strong>Georg</strong> werden die Zehen der Patienten<br />

so mit einer Zellstoffkompresse<br />

(Zetuvit ® ) eingebunden, dass zwischen<br />

Zehenkuppe und Kompresse eine Luftschicht<br />

besteht, die verhindert, dass die<br />

Abdeckung einen unmittelbaren Auflagedruck<br />

bewirkt.<br />

Zur Zeit evaluiert das Pflegepersonal,<br />

wie sich die Häufigkeit von Hautläsionen<br />

durch diese Maßnahmen verändert<br />

hat. Die ersten Ergebnisse sind erfolgversprechend.<br />

Leider gibt es bislang keine<br />

aktuellen Veröffentlichungen, in denen<br />

dieses Phänomen aus pflegerischer Sicht<br />

behandelt wird. In der Regel beschränken<br />

sich <strong>St</strong>udien zur SGHT auf die Wirksamkeit<br />

der Behandlung.<br />

Hygiene<br />

Die Arbeit in der Hyperthermieabteilung<br />

erfordert den hochsterilen Umgang mit<br />

Wunden, da die Wärme und die durch<br />

Transpiration entstehende Luftfeuchtigkeit<br />

einen optimalen Nährboden für die<br />

Vermehrung von Bakterien bieten.<br />

Vor Beginn und am Ende der Behandlung<br />

werden alle Wunden und Punktionsstellen<br />

sorgfältig auf Infektionszeichen<br />

hin inspiziert und gegebenenfalls<br />

bestehende Auffälligkeiten dokumentiert.<br />

Ein Erfassungsbogen wird dazu mit auf<br />

die nachbetreuenden <strong>St</strong>ationen geleitet<br />

und danach in der SGHT-Abteilung archiviert.<br />

Aufgrund der starken Schweißbildung<br />

werden nach Therapieende alle<br />

Verbände erneuert. Mit einem erhöhten<br />

Infektionsrisiko sind auch das Legen des<br />

transurethralen Dauerkatheters sowie die<br />

endotracheale Absaugung verbunden.<br />

Risiken und Nebenwirkungen<br />

Bei sorgfältiger Planung und Durchführung<br />

der Hyperthermie lassen sich die<br />

Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren.<br />

Eine Sinustachykardie entspricht<br />

einer natürlichen physiologischen<br />

Anpassung an die Hyperthermiebedingungen<br />

und sollte erst bei einer Herzfrequenz<br />

von 130 bis 140 Schlägen pro<br />

Minute behandelt werden.<br />

Die Gefäßweitstellungen in der Erwärmungsphase<br />

führen oft zu einer Hypotonie,<br />

der aber mit einer erhöhten Flüs-<br />

Anzahl der Behandlungen 2001 bis 31.10. 2002<br />

n % n %<br />

Mamma-Karzinom 237 29,4 293 37,8<br />

Kolon-/Rektum-Karzinom 114 14,1 123 15,9<br />

Ovarial-Karzinom 100 12,4 107 13,8<br />

Prostata-Karzinom 72 8,9 65 8,4<br />

Osteo- und Weichteil-Sarkome 43 5,3 12 1,5<br />

Bronchial-Karzinom 34 4,2 56 7,2<br />

Karzinom mit unbekanntem Primärtumor 22 2,7 16 2,1<br />

andere 183 23 103 13,3<br />

Anzahl der Gesamtbehandlungen 805 775<br />

männlich 315 264<br />

weiblich 490 511<br />

davon Mamma-Ca 48,4 % 57,3 %<br />

<strong>St</strong>atistische Angaben über die Durchführung von systemischen Ganzkörperhyperthermien an<br />

der <strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong> in Bad Aibling vom 01.01.2001 bis 31.10.2002<br />

18<br />

Tabelle<br />

Zu den Autoren<br />

Jana Gaworek ist<br />

Krankenschwester. Seit zwei Jahren arbeitet<br />

sie <strong>als</strong> stellvertretende <strong>St</strong>ationsleitung in der<br />

Abteilung für systemische<br />

Ganzkörperhyperthermie<br />

(SGHT) der <strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong><br />

in Bad Aibling. Parallel dazu<br />

studiert sie seit 2001 Pflege<br />

an der Fachhochschule<br />

in Jena.<br />

Cvetka Theresa Mayer ist<br />

Krankenschwester und arbeitet<br />

seit elf Jahren in der<br />

<strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong>. Sie war<br />

am Aufbau der SGHT-Abteilung beteiligt<br />

und ist dort <strong>St</strong>ationsleitung.<br />

sigkeitssubstitution begegnet werden<br />

kann. Vor allem der diastolische Wert<br />

ist meist während der gesamten Therapie<br />

infolge des verminderten peripheren<br />

Gefäßwiderstandes erniedrigt, was sich<br />

aber meist in der Abkühlungsphase wieder<br />

normalisiert.<br />

Zerebrale Krämpfe sind sehr selten und<br />

werden mit intravenöser Diazepamgabe<br />

behandelt. Übelkeit und Erbrechen <strong>als</strong><br />

Folge der Chemotherapie an den darauf<br />

folgenden Tagen gehören zu den häufigsten<br />

Beschwerden und werden mit geeigneten<br />

Antiemetika therapiert. Wenig<br />

beeinflussbar ist der Ausbruch einer Herpesinfektion<br />

im Mund- und Nasenraum<br />

meist am dritten Tag. Hautläsionen können<br />

wie oben beschrieben auftreten. Allgemeine<br />

Schwäche und Müdigkeit halten<br />

etwa drei bis sieben Tage an.<br />

Ein Brennen beim Wasserlassen innerhalb<br />

der ersten 36 <strong>St</strong>unden nach der<br />

Therapie ist normal, bei länger anhaltenden<br />

Beschwerden sind Urinkontrollen<br />

erforderlich. Zur Vermeidung einer<br />

Infektion sind weitere Wundkontrollen<br />

obligat. Erneut auftretende Temperaturen<br />

bis 39 °C an den folgenden Tagen sind<br />

möglich und wünschenswert, da sie <strong>als</strong><br />

immunologische Antwort zu werten sind,<br />

und sollten somit nicht medikamentös<br />

behandelt werden.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Die Ganzkörperhyperthermie stellt ein<br />

sinnvolles Verfahren dar, um die Wirksamkeit<br />

von Zytostatika zu erhöhen und<br />

gleichzeitig ausgeprägte Nebenwirkungen<br />

wie Mundschleimhautentzündung,<br />

Hämato- und Neurotoxizität zu verringern.<br />

Sie grenzt sich deutlich von der<br />

sogenannten Alternativmedizin ab. Einheitliche<br />

Qualitätsrichtlinien müssen<br />

sowohl auf der medizinischen wie auch<br />

auf der pflegerischen Seite noch erarbeitet<br />

werden, um Ergebnisse effektiver<br />

miteinander vergleichen zu können. Ansätze<br />

dafür sind bei der Internationalen<br />

und bei der Europäischen Gesellschaft<br />

für Hyperthermie (http://www.hyperthermia-ichs.org<br />

und http://www.esmo.<br />

org) zu finden.<br />

Jana Gaworek, <strong>Klinik</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georg</strong>, Bad Aibling,<br />

Onkologische Fachklinik, Rosenheimer<br />

<strong>St</strong>raße 6–8, 83043 Bad Aibling, E-Mail:<br />

janagaworek@web.de<br />

Die Literaturliste zu diesem Beitrag kann<br />

in der Redaktion unter der Telefonnummmer<br />

(07 11) 78 63-74 72 angefordert<br />

oder unter www.pflegezeitschrift.de heruntergeladen<br />

werden. ◆<br />

Pflegezeitschrift 1/2003

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