27.04.2013 Aufrufe

Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu

Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu

Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Halbnahe in Schnitt / Gegenschnitt erpresst sie ihn nun mit<br />

Luftanhalten zum Vortrag eines Gedichts und sie benennen<br />

sich gegenseitig – wie schon häufig im Film – mit Eigenschafts -<br />

wörtern. Während dieser so deutlich retardierenden Aktion als<br />

Liebesspiel wechselt die Kamera zwischen der Totale auf die<br />

beiden in der Landschaft und auf die Nahe ihrer jeweiligen<br />

Gesichter. Bis Lotte schließlich in einer Totale umfällt und wir<br />

darüber ebenso erschrecken wie Johann nach ihrem Luftanhalten.<br />

Doch er fängt sie natürlich auf und sagt ihr nun nah ins<br />

Gesicht seine Liebeserklärung als zitiertes Gedicht „es schlug<br />

mein Herz geschwind zu Pferde…“ (verkürzt aus WILLKOMMEN<br />

UND ABSCHIED).<br />

In schnellem Wechsel zwischen beiden Gesichtern nah wächst<br />

unsere Spannung auf ihre Reaktion nun zu ihrem erfüllten<br />

Wunsch, der schon in der vorigen Sequenz (s.o.) gepflanzt war<br />

und wovon sie nun weiß, dass es ihr selbst gilt und nicht nur<br />

so zitiert ist. Doch statt etwa eines Kusses erschreckt uns Lotte<br />

mit der Antwort „lächerlich!“ Wir bleiben auf ihrem Gesicht<br />

und sie wiederholt „Das ist wahrlich lächerlich, dass Sie nicht<br />

an sich glauben.“<br />

Mit dieser Antwort als Höhepunkt der Sequenz statt einer<br />

zärtlichen körperlichen Annäherung leistet die Szene für die<br />

Liebesgeschichte einerseits eine erneute Retardation, anderer -<br />

seits auch eine deutliche Aussage zu ihrer Beziehung, die<br />

nicht in eine erfüllte Liebes-Partnerschaft münden wird. Lotte<br />

ist die erste, die sein Talent anerkennt und sie wird ihn dafür<br />

lieben und unterstützen. Damit ist diese Szene sehr deutlich<br />

und emotional in den Gesamtrahmen des Biopic gehoben,<br />

wo es um Wertschätzung und Erfolg geht. Mit dem Dialogsatz<br />

weist sie ihn auch ganz entschieden auf sich selbst zurück,<br />

wo er für sein Scheitern oder Gelingen selbst verantwortlich<br />

ist (wie er es übrigens auch am Anfang bei der Prüfung schon<br />

war). Er darf von ihr nichts dazu erwarten; nicht sie ist es, die<br />

sein Lebensglück ausmacht – es geht um ihn selbst und seine<br />

Dichtung. Im Vergleich zum WERTHER-Text führt dieser Satz<br />

neben der Anspielung auf Lotte als große rettende Liebesvision<br />

auch zu einem entscheidenden Motiv von Werthers Selbstmord<br />

im Roman hin, seinem mangelnden Selbstwertgefühl.<br />

Die Sequenz endet mit einem Gewitter als Spiegel der Gefühle<br />

wie im WERTHER und nötigt das Paar, die jetzt ganz und gar<br />

wissen, was sie voneinander halten, in erneuter Landschafts-<br />

Totale zum Unterschlupf in einer Ruine – und damit zur Erfüllung<br />

ihrer und unserer Liebeserwartung an dieser Stelle des<br />

Romantischen Dramas.<br />

So hat diese Sequenz ohne direkte Handlungsübersetzung<br />

vom Roman zum Film in ihren beiden Höhepunkten sowohl<br />

die Form der Romanvorlage – die Briefe – dramatisch und<br />

emotional übertragen und sogar hervorgehoben, als auch das<br />

Thema von Selbstwert und Kunstschöpfung aus dem WERTHER<br />

zu GOETHE! geholt. Für diese Art der indirekten Detail-Übertragung<br />

von einem Medium ins andere steht diese Sequenz<br />

paradigmatisch und soll ermuntern, noch weitere solche<br />

Charakteristika der Verfilmung aufzuspüren.<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!