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nah dran 2009 - Kinderschutz eV

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Kinderrechte im Alltag<br />

der Kinder- und Jugendhilfe<br />

Einer Nachrichtenmeldung über ein vernachlässigtes<br />

Kind oder über einen Amoklauf folgt<br />

regelmäßig die öffentliche Diskussion darüber,<br />

ob Gesetze geändert oder verschärft werden<br />

müssen bis hin zur Frage, ob Kinderrechte in<br />

die Verfassung gehören oder nicht. Schaut man<br />

einmal genau hin, so wird jedoch deutlich: Wir<br />

haben bereits alle rechtlichen Möglichkeiten.<br />

Wir brauchen weder eine Verfassungsdiskussion<br />

noch Gesetzesänderungen. Was wir brauchen<br />

ist ein verändertes Handeln in der Kinderund<br />

Jugendhilfe. Wir müssen das rechtlich und<br />

fachlich Mögliche lediglich tun und dafür Sorge<br />

tragen, dass junge Menschen und ihre Familien<br />

zu dem Recht kommen, das ihnen zusteht.<br />

Welche Rechte haben ein junger<br />

Mensch und seine Familie?<br />

Grundgesetz, Bürgerliches Gesetzbuch und<br />

Sozialgesetzgebung sichern Kindern und Jugendlichen<br />

gemeinsam umfassende Rechte<br />

zu:<br />

■ Junge Menschen haben ein Recht auf<br />

Achtung und Schutz ihrer Würde, auf<br />

körperliche Unversehrtheit, auf Schutz<br />

vor Gefahren für ihr Wohl und auf<br />

Schutz vor Verwahrlosung.<br />

■ Junge Menschen haben ein Recht auf<br />

Förderung hin zu einer eigenverantwortlichen<br />

und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.<br />

Sie haben ein Recht auf Vermeidung<br />

oder Abbau von Benachteiligung<br />

sowie ein Recht auf Erhalt und Schaffung<br />

von positiven Lebensbedingungen.<br />

■ Junge Menschen haben ein Recht auf Erziehung<br />

(durch ihre Eltern) und sie haben<br />

ein Recht darauf, dass darüber gewacht<br />

wird.<br />

■ Dort, wo Eltern ihren Erziehungsauftrag<br />

aus welchen Gründen auch immer nicht<br />

alleine bewältigen können, haben Eltern<br />

und ihre Kinder Anspruch auf Beratung<br />

und Unterstützung.<br />

■ Schließlich hat ein junger Mensch auch<br />

Recht auf Schutz vor seinen Erziehungsberechtigten,<br />

wenn diese in ihrer Erziehungspflicht<br />

versagen.<br />

Würden diese Rechte wirklich ernst genommen,<br />

bräuchten wir keine Rechtedebatte. Die<br />

folgenden Beispiele zeigen jedoch, wie die<br />

Rechte der Kinder und Jugendlichen selbst im<br />

Alltag der Kinder- und Jugendhilfe leider oft zu<br />

häufig verletzt werden.<br />

Pflichtleistungen vor<br />

freiwilligen Leistungen<br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch und in der<br />

Praxis wird unterschieden zwischen so genannten<br />

freiwilligen Leistungen und Pflichtleistungen<br />

der Kinder- und Jugendhilfe.<br />

Vereinfacht ausgedrückt liegt immer dann<br />

eine Pflichtleistung vor, wenn Eltern und/oder<br />

junge Menschen einer individuellen Unterstützung<br />

bedürfen um eine Notlage zu überwinden.<br />

Hierzu zählen beispielweise Hilfen<br />

wie Erziehungsberatung, heilpädagogische<br />

Tagesangebote oder auch die Heimerziehung.<br />

Je mehr solcher Pflichtleistungen erbracht<br />

und durch die Kommune finanziert werden<br />

müssen, desto weniger Geld bleibt jedoch<br />

übrig für die so genannten freiwilligen Leistungen.<br />

Bei diesen freiwilligen Leistungen<br />

handelt es sich aber in aller Regel genau um<br />

solche Leistungen, die dafür sorgen sollen,<br />

dass junge Menschen und Familien erst gar<br />

nicht in eine Notlage geraten. Dazu zählen<br />

Angebote der Jugendarbeit oder die Förderung<br />

der Jugendverbände ebenso wie das<br />

Recht jedes jungen Menschen auf Bildung.<br />

Wer sogenannte freiwillige Leistungen nachrangig<br />

zu Pflichtleistungen behandelt, missachtet<br />

den Willen des Gesetzgebers.<br />

Jugendamt als Anlaufstelle für<br />

Eltern und junge Menschen?<br />

Um ihr Recht auf Beratung und Unterstützung<br />

in Anspruch nehmen zu können, müssen Eltern<br />

und junge Menschen sich jederzeit und<br />

in allen Angelegenheiten der Erziehung und<br />

Entwicklung an das Jugendamt wenden können.<br />

Was sich so einfach liest, erweist sich in<br />

der Praxis als hehres Ziel. Es setzt nämlich voraus<br />

zu wissen, dass es das Jugendamt überhaupt<br />

gibt, welche Aufgaben es hat und wo<br />

es zu finden ist. Wer sich nicht auskennt, der<br />

kann auch sein Recht nicht wahrnehmen.<br />

Was aber tun Kommunen dafür, dass jede Bürgerin<br />

und jeder Bürger diese Informationen erhält,<br />

unabhängig von Bildungsniveau, Migrationshintergrund<br />

oder Zugang zu (elektronischen)<br />

Informationsmedien? Es ist anzunehmen,<br />

dass die Mehrheit der rat- und<br />

hilfesuchenden Kinder, Jugendlichen und Familien<br />

sich eben gerade nicht auskennt. Darüber<br />

hinaus steht dem Recht, sich jederzeit<br />

und in allen Angelegenheiten an das Jugendamt<br />

wenden zu dürfen, häufig entgegen, dass<br />

die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner<br />

im Jugendamt eben keine (jeder)zeit haben<br />

– wie sollten sie auch bei der personellen Ausstattung,<br />

die man ihnen zugesteht.<br />

Schließlich stellt sich die Frage, wie bereitwillig<br />

sich Bürgerinnen und Bürgern an ein Jugendamt<br />

wenden das dazu da ist, Kinder aus<br />

der Familie zu nehmen, wenn sie geschlagen<br />

werden oder hungern müssen? So nämlich lautet<br />

die „Selbstdarstellung“ des Jugendamtes<br />

beispielsweise im Einbürgerungstest der Bundesrepublik<br />

Deutschland (Frage 258). Der<br />

Schutzauftrag des Jugendamtes soll hier nicht<br />

in Abrede gestellt werden. Aber ist dieser<br />

Schutzauftrag wirklich der zentrale Aspekt,<br />

den es derart hervorzutun gilt? Führt diese<br />

Selbstdarstellung nicht eher zu der Grundhaltung,<br />

dass man mit einem solchen Amt besser<br />

nichts zu tun haben möchte?<br />

Geeignete und notwendige Hilfe<br />

für den Einzelfall<br />

Geeignete Unterstützung für Eltern und junge<br />

Menschen muss sich von Fall zu Fall am Bedarf<br />

orientieren. Entscheidend sind dabei die einzelfallbezogenen<br />

Parameter „geeignet“ und<br />

„notwendig“. In der Praxis und in Anbetracht<br />

des allgemeinen Sparzwangs sind es jedoch<br />

häufig andere Steuerungsparameter, nach denen<br />

über die „geeignete“ Hilfe entschieden<br />

wird: Gesteuert wird beispielsweise über den<br />

Versorgungsrichtwert. Diese Kennzahl legt fest,<br />

wie viele Kinder gleichzeitig stationär unter-<br />

<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />

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