nah dran 2009 - Kinderschutz eV
nah dran 2009 - Kinderschutz eV
nah dran 2009 - Kinderschutz eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
24<br />
Vormundschaft<br />
Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge<br />
Lotsen auf einem hoffnungsvollen<br />
Weg ins Ungewisse<br />
Jamil war 15, als sich sein Leben radikal<br />
wendete. Damals fiel der junge Afghane<br />
den Taliban in die Hände, die ihn in ein<br />
Ausbildungslager für Selbstmordattentäter<br />
verschleppten. Seit die muslimischen<br />
Fundamentalisten zunehmend<br />
wieder an Einfluss gewinnen, rekrutieren<br />
sie 10- bis 17-Jährige dazu, ihr Leben für<br />
den fundamentalistischen Glauben zu<br />
opfern. Besonders Jungen, die nicht die<br />
Madrasa, die Koranschule besuchen, leben<br />
in weiten Teilen des Landes gefährlich.<br />
Viele von ihnen wurden bereits von der<br />
Straße weg entführt, um in Camps zu<br />
Märtyrern „ausgebildet“ zu werden.<br />
Johanna Auer-Göpfert und Beate Matzken<br />
führen beim <strong>Kinderschutz</strong> e.V. Vormundschaften<br />
für unbegleitete minderjährige<br />
Flüchtlinge. In dieser Rolle begleitet<br />
Juristin Matzken den mittlerweile 16-jährigen<br />
Jamil auf seinem Weg in Deutschland<br />
bis er volljährig ist. Als er hier in<br />
München ankam, hatte er eine lange,<br />
zermürbende und angsterfüllte Flucht<br />
hinter sich. Jamil hatte das Glück, dem<br />
Taliban-Camp nach einer Woche entfliehen<br />
zu können. Kurz darauf legte seine Familie<br />
das Schicksal des Jungen in die Hände von<br />
Schleppern, die ihn nach Deutschland und<br />
damit in Sicherheit fernab der Heimat<br />
bringen sollten. Johanna Auer-Göpfert und<br />
Beate Matzken betreuen zwischenzeitlich<br />
immer mehr Jugendliche, die alleine aus<br />
dem Irak oder aus Afghanistan in die Bundesrepublik<br />
geflüchtet sind. Es ist nicht<br />
der Traum von Karriere und Wohlstand, der<br />
sie in die westliche Welt treibt, sondern<br />
der schlichte Wille zu überleben.<br />
Zwischen 10.000 und 15.000 Dollar muss<br />
die Familie irgendwie aufbringen um einen<br />
Schlepper zu bezahlen, der Menschen<br />
wie Vieh auf einem wochenlangen,<br />
manchmal sogar monatelangen Landweg<br />
über die Grenzen transportiert und am<br />
Zielort irgendwo absetzt. Krieg, Verfolgung,<br />
lebensbedrohliche Armut – das sind<br />
<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />
die Gründe für das eigentlich Unbegreifliche:<br />
dass Eltern in den Krisengebieten dieser<br />
Welt ihre noch minderjährigen Söhne und<br />
Töchter ganz alleine auf einen gefährlichen<br />
Weg ins Ungewisse schicken.<br />
Halt für die Seele und Bildung<br />
für die Perspektive<br />
Sprachlos, haltlos, orientierungslos – so<br />
finden sich zahllose Flüchtlinge auch in<br />
München wieder. Im Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
ist geregelt, dass Minderjährige,<br />
die nicht unter elterlicher Sorge stehen,<br />
einen vom Vormundschaftsgericht bestellten<br />
Vormund erhalten bis zur Erlangung<br />
der Volljährigkeit. Formal gesehen<br />
haben die beiden Vormunde des <strong>Kinderschutz</strong><br />
e.V. vor allem zwei Aufgaben: sich<br />
um eine Vermittlung der jungen Menschen<br />
in Jugendhilfemaß<strong>nah</strong>men zu<br />
kümmern und sie juristisch durch das<br />
Asylbewerberverfahren zu begleiten. Der<br />
weitere Lebensweg der entwurzelten<br />
Flüchtlinge hängt maßgeblich vom Engagement<br />
ihrer sorgeberechtigten Vertreter<br />
ab. So ist es den beiden Juristinnen zunächst<br />
ein großes Anliegen, ihren Schützlingen<br />
eine kind- oder jugendgerechte<br />
Unterbringung und Betreuung zu organisieren<br />
– auch wenn es dafür permanent<br />
an Plätzen mangelt. Die meisten jungen<br />
Flüchtlinge benötigen darüber hinaus<br />
Therapie, um qualvolle Fluchterlebnisse,<br />
die Bedrohungen in ihrem Heimatland<br />
und die Sorge um die Daheimgebliebenen<br />
zu bewältigen.<br />
Darüber hinaus setzen sich die beiden<br />
Vormunde dafür ein, den jungen Flüchtlingen<br />
Zugang zu Bildung und damit<br />
überhaupt Perspektiven für eine Integration<br />
zu verschaffen. So versuchen sie,<br />
auch die nicht mehr schulpflichtigen über<br />
16-Jährigen noch in Bildungsmaß<strong>nah</strong>men<br />
zu vermitteln. Dort lernen die jungen<br />
Flüchtlinge zunächst Deutsch, haben aber<br />
auch die Möglichkeit, einen qualifizie-<br />
Johanna Auer-Göpfert im Gespräch mit drei<br />
ihrer Mündel, die alleine nach Deutschland<br />
geflüchtet sind.<br />
renden Schulabschluss und damit Aussichten<br />
auf eine Ausbildung zu erhalten.<br />
Ehrenamtliche willkommen<br />
Johanna Auer-Göpfert und Beate Matzken<br />
sind froh, wenn sie jeden der ihnen<br />
anvertrauten jungen Menschen einmal im<br />
Monat persönlich treffen können. Für eine<br />
intensivere Förderung reicht die Zeit<br />
meist leider nicht. Die beiden möchten<br />
daher freiwillige „Paten“ dazu motivieren,<br />
die Jugendlichen für einige Stunden im<br />
Monat zu begleiten. Ehrenamtliche können<br />
die Flüchtlinge insbesondere durch<br />
Nachhilfe fördern, aber auch im Rahmen<br />
gemeinsamer Unternehmungen unterstützen,<br />
sich in Deutschland besser zurecht<br />
zu finden.<br />
Zahlen und Standort<br />
Außer den Vormundschaften für minderjährige<br />
Flüchtlinge führt der Verein noch weitere<br />
Vormundschaften und Pflegschaften.<br />
4 Fachkräfte sind in Voll- und Teilzeit<br />
in diesem Bereich tätig.<br />
140 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene<br />
wurden 2008 als Mündel betreut und begleitet.<br />
Vormundschaft<br />
Liebherrstraße 5<br />
80538 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -9710<br />
vormundschaft@kinderschutz.de