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16 Tiergestützte Pädagogik und Therapie Paulihof – Heilende Pädagogik mit Tieren Tiere helfen Kindern, neuen Mut zu fassen Ein Pferd ist ein Pferd und ein Spiegel ist ein Spiegel. Manchmal aber ist ein Pferd auch ein Spiegel. Das ist natürlich nicht wortwörtlich gemeint. Fritz bleibt immer ein Pferd. In der Begegnung mit Kindern und Jugendlichen auf dem Paulihof spiegelt sein Verhalten jedoch das der jungen Menschen wider, die mit ihm eine Beziehung aufzubauen versuchen. Immer dann, wenn ihn der 13 Jahre alte Hannes beispielsweise ungeduldig und ruppig am Zügel zieht, wird Fritz stur und bewegt sich keinen Zentimeter weiter. Nein, er möchte sich lieber freundlich bitten lassen, durch den Hindernisparcours zu traben. Ruft die 12-jährige Paula den Apfelschimmel jedoch nur schüchtern und zögerlich, so bewegt er sich auch nicht vom Fleck. Das Tier braucht klare Ansagen, denen es folgen und eine führende Hand, der es vertrauen kann. Auf dem Paulihof leben verunsicherte, enttäuschte, oft vollkommen verschlossene und scheinbar unzugängliche Kinder und Jugendliche. Viele haben in ihrer Familie nicht die notwendige Zuwendung und Sicherheit erfahren, die ein Kind zur gesunden Entwicklung braucht. Oder sie haben sogar einen tragischen Verlust, Gewalt oder Misshandlungen erlebt. Die Kinder können diese Erlebnisse nicht aus eigener Kraft bewältigen, was in ihrem auffälligen Verhalten zum Ausdruck kommt. Wenn sie beispielsweise ungezügelte Aggressivität oder extreme Verschlossenheit an den Tag legen, stoßen sie damit auf Unverständnis in ihrer Umgebung. Als Folge haben viele von ihnen das Vertrauen in sich und andere Menschen verloren und fühlen sich völlig isoliert. Hofleiterin Ulrike Heigenmooser, ihr pädagogisches Team und eine vielfältige Tierschar nehmen diese Kinder unvoreingenommen an. Tageweise oder für mehrere Monate finden sie auf dem Paulihof einen geschützten Ort, an dem sie in der Begegnung mit Haus- und Hoftieren sich nah dran selbst erkennen lernen, Selbstwertgefühl entwickeln und aus ihren emotionalen und psychischen Krisen herausfinden können. Pferde, Esel, Schafe, Ziegen, Gänse und viele Tiere mehr sind Mittler in diesem Prozess. Die Kinder bauen behutsam Kontakt zu den vierbeinigen oder gefiederten Co-Therapeuten auf und lernen dabei, Ängste zu überwinden, Mut zu fassen und Verantwortung zu übernehmen. Tiere sind authentische und verlässliche Partner Das Konzept, nach dem junge Menschen auf dem Hof bei Augsburg betreut und gefördert werden, heißt tiergestützte Pädagogik. Dabei stehen die Anbahnung und Gestaltung von Beziehungen zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt. Sie lernen, die im Umgang mit den Tieren gemachten Erfahrungen auf den Umgang mit anderen Menschen zu übertragen. Die tierischen Co-Therapeuten nehmen dabei unterschiedliche Rollen ein: Sie sind vertrauensvolle Freunde, folgsame Begleiter, geduldige Lehrer oder eben untrügliche Spiegel der Kinder. Tierpädagogin Ulrike Heigenmooser erklärt, warum Tiere so gut dabei helfen können, wieder Vertrauen und Sicherheit zu erlangen: „Tiere begegnen uns vollkommen unverstellt und spielen uns Menschen nichts vor. Das spüren Kinder sofort. Tiere nehmen uns bedingungslos an, so wie wir sind und sie beurteilen uns nicht nach Äußerlichkeiten, Erfahrungen oder Werten. Sie sind völlig unvoreingenommen und geben uns vor allem immer wieder eine neue Chance.“ Tiere ebnen den Weg zu Gefühlen Wenn Kinder missbraucht oder misshandelt wurden, können sie Berührungen von Menschen häufig nicht mehr zulassen. Sie haben Angst vor zu viel Nähe und weichen zurück. Ein Tier zu streicheln, von sich aus auf eine Ziege oder einen Esel zuzugehen, die Hand auszustrecken und das Fell zu berühren ist leichter. Es ist der erste Schritt, wieder Nähe zu empfinden und zu genießen. Auch coole Jungs, deren Unnahbarkeit häufig einfach ein Schutz vor weiteren Verletzungen ist, wenden sich den Tieren oft ungeahnt zärtlich zu. Sie kuscheln sich zum Beispiel ans weiche Fell, wenn gerade keiner hinschaut und sie sich unbeobachtet fühlen.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase werden die Kinder und Jugendlichen auf dem Hof in die Versorgung und Pflege der Tiere eingebunden. Wenn Hannes die Hufe von Fritz auskratzen soll, sieht das auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär aus. Doch hinter fast jeder Aufgabe auf dem Paulihof steht eine Absicht. Was die Hufpflege mit Therapie oder Pädagogik zu tun hat, macht Pädagogin Heigenmooser schnell deutlich: „Um die Hufe, natürlich unter Anleitung, auskratzen zu können, muss Hannes erst einmal eine sichere Position zum Pferd einnehmen und einen festen Stand finden. Das bedeutet, er muss auf sich Acht geben, aber auch das Sicherheitsbedürfnis von Fritz wahrnehmen und respektieren. Dann muss er das Säubern der Hufe sorgfältig und geduldig bis zum Schluss durchführen. Das macht er auch gewissenhaft, denn Hannes hat gelernt, dass saubere Hufe wichtig sind für Fritz, damit er schmerzfrei laufen kann und keine Hufkrankheit bekommt.“ Manchen Kindern werden auf dem Paulihof erstmals verantwortungsvolle Aufgaben zugetraut. „Die Kinder EinBlick merken schnell, dass sie hier gebraucht werden und dass das Wohlbefinden der Tiere auch von ihrer Achtsamkeit abhängt“, berichtet Ulrike Heigenmooser. Ausbildung und Ausgleich der Tiere Die Tiere auf dem Paulihof sind Lebewesen mit Empfindungen und Bedürfnissen. Sie sind keine „Medizin“, die einfach mehrmals täglich geschluckt werden kann und die dann wirkt. Die Tiere dürfen nicht „benutzt“ werden, sonst werden sie krank und stumpf und können nicht mehr freundlich und gelassen auf die Kinder zugehen. In jedem Fall brauchen die tierischen Co-Therapeuten Fürsorge und Pflege sowie genügend Raum und Zeit, sich auch von Anspannungen und Stress zu erholen. Ulrike Heigenmooser hat daher höchste Ansprüche an die Haltung und Versorgung der Tiere sowie an ihre Ausbildung. „Nur wenn es den Tieren gut geht, können sie sich auf die Beziehungsarbeit mit den Menschen einlassen. Dies erfordert Zeit, Geduld, Liebe – und Geld für den Unterhalt der Tiere, für Futter, Imp- fungen und die tierärztliche Versorgung.“ Trotz dieses Aufwands ist tiergestützte Pädagogik mit heimischen Haus- und Hoftieren im Vergleich zur Delfintherapie beispielsweise in Florida eine kostengünstige Hilfe – und vor allem eine nachhaltige! Zum einen ist keine lange und kostspielige Anreise für Kind und Familie notwendig. Zum anderen haben Kinder und Jugendliche nicht nur ein einmaliges Tiererlebnis in vollkommen alltagsferner Umgebung, sondern sie haben die Möglichkeit, eine intensive Beziehung zum Tier aufzubauen, das sie auf dem mühsamen Weg heraus aus der Isolation begleitet. Zahlen und Standort 10 Fachkräfte sind in Voll- und Teilzeit in diesem Bereich tätig. 41 Kinder, Jugendliche und ihre Familien wurden 2008 im Rahmen eines dauerhaften Aufenthaltes oder Gruppenbesuchen auf dem Paulihof betreut. Paulihof – Heilende Pädagogik mit Tieren Reifersdorfer Straße 2 86556 Kühbach/Unterbernbach Tel. (089) 23 17 16 -7810 oder (08257) 99 78 33 paulihof@kinderschutz.de Schauspielerin Uschi Glas weiht Spielhaus auf dem Paulihof ein und quizzt bei Jörg Pilawa für den Kinderschutz e.V. Der letztjährige Tag der offenen Tür auf dem Paulihof konnte mit gleich zwei prominenten Besucherinnen aufwarten. Schirmherrin Claudia Jung ist auf dem Hof schon ein vertrauter Gast – liegt die heilpädagogische Einrichtung doch in ihrer Gerolsbacher Nachbarschaft. Schauspielerin Uschi Glas, die dem Kinderschutz e.V. schon viele Jahre verbunden ist, war zum ersten Mal auf dem Paulihof zu Gast. Ihr Besuch in Kühbach/Unterbernbach hatte einen besonderen Anlass: Uschi Glas war gekommen, um das von ihr gestiftete Spielhaus persönlich einzuweihen. Das gemütliche Blockhaus lädt die stationär und ambulant auf dem Paulihof betreu- ten Kinder und Jugendlichen ein zum Spielen, Basteln und Verweilen. Ein kleiner Spielplatz mit Rutsche und Sandkiste machen diesen neuen Entdeckungsraum auf dem Paulihof komplett. Wenige Wochen nach dem Tag der offenen Tür trat Uschi Glas an der Seite ihres TV-Partners Elmar Wepper noch einmal für den Kinderschutz e.V. an. 5.000,- Euro erquizzte das Paar mit cleveren Antworten beim Jörg Pilawa Star-Quiz für den Verein. Überzeugt von den Chancen, die Kinder und Jugendliche dort erhalten, widmete Uschi Glas auch diesen Gewinn dem Paulihof – Heilende Pädagogik für Tiere. nah dran 17
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