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nah dran 2009 - Kinderschutz eV

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16<br />

Tiergestützte Pädagogik und Therapie<br />

Paulihof – Heilende Pädagogik mit Tieren<br />

Tiere helfen Kindern,<br />

neuen Mut zu fassen<br />

Ein Pferd ist ein Pferd und ein Spiegel ist<br />

ein Spiegel. Manchmal aber ist ein Pferd<br />

auch ein Spiegel. Das ist natürlich nicht<br />

wortwörtlich gemeint. Fritz bleibt immer<br />

ein Pferd. In der Begegnung mit Kindern<br />

und Jugendlichen auf dem Paulihof spiegelt<br />

sein Verhalten jedoch das der jungen<br />

Menschen wider, die mit ihm eine Beziehung<br />

aufzubauen versuchen. Immer dann,<br />

wenn ihn der 13 Jahre alte Hannes beispielsweise<br />

ungeduldig und ruppig am Zügel<br />

zieht, wird Fritz stur und bewegt sich<br />

keinen Zentimeter weiter. Nein, er möchte<br />

sich lieber freundlich bitten lassen,<br />

durch den Hindernisparcours zu traben.<br />

Ruft die 12-jährige Paula den Apfelschimmel<br />

jedoch nur schüchtern und zögerlich,<br />

so bewegt er sich auch nicht vom<br />

Fleck. Das Tier braucht klare Ansagen, denen<br />

es folgen und eine führende Hand, der<br />

es vertrauen kann.<br />

Auf dem Paulihof leben verunsicherte, enttäuschte,<br />

oft vollkommen verschlossene<br />

und scheinbar unzugängliche Kinder und<br />

Jugendliche. Viele haben in ihrer Familie<br />

nicht die notwendige Zuwendung und Sicherheit<br />

erfahren, die ein Kind zur gesunden<br />

Entwicklung braucht. Oder sie haben<br />

sogar einen tragischen Verlust, Gewalt<br />

oder Misshandlungen erlebt. Die Kinder<br />

können diese Erlebnisse nicht aus eigener<br />

Kraft bewältigen, was in ihrem auffälligen<br />

Verhalten zum Ausdruck kommt. Wenn sie<br />

beispielsweise ungezügelte Aggressivität<br />

oder extreme Verschlossenheit an den Tag<br />

legen, stoßen sie damit auf Unverständnis<br />

in ihrer Umgebung. Als Folge haben viele<br />

von ihnen das Vertrauen in sich und andere<br />

Menschen verloren und fühlen sich<br />

völlig isoliert.<br />

Hofleiterin Ulrike Heigenmooser, ihr pädagogisches<br />

Team und eine vielfältige<br />

Tierschar nehmen diese Kinder unvoreingenommen<br />

an. Tageweise oder für mehrere<br />

Monate finden sie auf dem Paulihof einen<br />

geschützten Ort, an dem sie in der Begegnung<br />

mit Haus- und Hoftieren sich<br />

<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />

selbst erkennen lernen, Selbstwertgefühl<br />

entwickeln und aus ihren emotionalen und<br />

psychischen Krisen herausfinden können.<br />

Pferde, Esel, Schafe, Ziegen, Gänse und<br />

viele Tiere mehr sind Mittler in diesem<br />

Prozess. Die Kinder bauen behutsam Kontakt<br />

zu den vierbeinigen oder gefiederten<br />

Co-Therapeuten auf und lernen dabei,<br />

Ängste zu überwinden, Mut zu fassen und<br />

Verantwortung zu übernehmen.<br />

Tiere sind authentische und<br />

verlässliche Partner<br />

Das Konzept, nach dem junge Menschen<br />

auf dem Hof bei Augsburg betreut und gefördert<br />

werden, heißt tiergestützte Pädagogik.<br />

Dabei stehen die Anbahnung und<br />

Gestaltung von Beziehungen zwischen<br />

Mensch und Tier im Mittelpunkt. Sie lernen,<br />

die im Umgang mit den Tieren gemachten<br />

Erfahrungen auf den Umgang<br />

mit anderen Menschen zu übertragen. Die<br />

tierischen Co-Therapeuten nehmen dabei<br />

unterschiedliche Rollen ein: Sie sind vertrauensvolle<br />

Freunde, folgsame Begleiter,<br />

geduldige Lehrer oder eben untrügliche<br />

Spiegel der Kinder. Tierpädagogin Ulrike<br />

Heigenmooser erklärt, warum Tiere so gut<br />

dabei helfen können, wieder Vertrauen<br />

und Sicherheit zu erlangen: „Tiere begegnen<br />

uns vollkommen unverstellt und spielen<br />

uns Menschen nichts vor. Das spüren<br />

Kinder sofort. Tiere nehmen uns bedingungslos<br />

an, so wie wir sind und sie beurteilen<br />

uns nicht nach Äußerlichkeiten,<br />

Erfahrungen oder Werten. Sie sind völlig<br />

unvoreingenommen und geben uns vor<br />

allem immer wieder eine neue Chance.“<br />

Tiere ebnen den Weg zu Gefühlen<br />

Wenn Kinder missbraucht oder misshandelt<br />

wurden, können sie Berührungen von<br />

Menschen häufig nicht mehr zulassen. Sie<br />

haben Angst vor zu viel Nähe und weichen<br />

zurück. Ein Tier zu streicheln, von<br />

sich aus auf eine Ziege oder einen Esel zuzugehen,<br />

die Hand auszustrecken und das<br />

Fell zu berühren ist leichter. Es ist der erste<br />

Schritt, wieder Nähe zu empfinden und<br />

zu genießen. Auch coole Jungs, deren Un<strong>nah</strong>barkeit<br />

häufig einfach ein Schutz vor<br />

weiteren Verletzungen ist, wenden sich<br />

den Tieren oft ungeahnt zärtlich zu. Sie<br />

kuscheln sich zum Beispiel ans weiche Fell,<br />

wenn gerade keiner hinschaut und sie sich<br />

unbeobachtet fühlen.

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