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nah dran 2009 - Kinderschutz eV

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12<br />

Beratung<br />

Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle<br />

für männliche Opfer sexueller Gewalt (kibs)<br />

Offensichtlich unsichtbar –<br />

sexuelle Gewalt gegen Jungen<br />

Die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für männliche Opfer sexueller<br />

Gewalt (kibs) hilft Jungen und jungen Männern, die von sexueller Gewalt betroffen<br />

sind oder waren, durch persönliche Information, Beratung und Betreuung. Die Idee<br />

zur Gründung stammt ursprünglich von Ulrike Tümmler-Wanger. Sie machte in<br />

ihrer langjährigen sozialpädagogischen Tätigkeit mit Jugendlichen immer wieder die<br />

Erfahrung, dass für Jungen, die von sexueller Gewalt betroffen waren, keinerlei<br />

Hilfsangebote bestanden. Seit 1999 leitet Frau Tümmler-Wanger die Beratungsstelle.<br />

Zusammen mit ihrem Kollegen Stefan Port gibt sie tiefere Einblicke in die<br />

Arbeit von kibs.<br />

Wie hilft kibs Jungen, die Opfer sexueller<br />

Gewalt geworden sind?<br />

TÜMMLER-WANGER: Das Angebot von<br />

kibs richtet sich in erster Linie an die betroffenen<br />

Jungen, aber auch an deren<br />

Eltern, Geschwister, Freunde. Die Aufdeckung<br />

sexuellen Missbrauchs oder der<br />

Verdacht allein stürzt meist das gesamte<br />

Umfeld in eine Krise, deshalb müssen<br />

sie ebenfalls in den Hilfsangeboten mit<br />

bedacht werden. Beim Verdachtsfall<br />

kommt in der Regel die Mutter oder ein<br />

Angehöriger in unsere Beratungsstelle.<br />

Es wird dann gemeinsam – unter Einbezug<br />

des Helfersystems – versucht, die<br />

Verdachtsmomente abzuklären. Verschiedene<br />

Beobachtungen werden zusammen<br />

getragen, um sich ein Bild machen<br />

zu können.<br />

PORT: Wir versuchen dann wieder Ruhe<br />

ins System zu bringen. Der aufgeregten<br />

Mutter zu helfen, dass sie wieder handlungsfähig<br />

wird. Dadurch gehen auch die<br />

Auffälligkeiten des Jungen zurück. Das<br />

Helfersystem wird ebenfalls dahingehend<br />

beraten, dass es nicht mit in die<br />

Krise fällt und sich nicht durch den<br />

Missbrauchsfall überfordert fühlt. Dies<br />

wirkt sich wiederum positiv auf den Jungen<br />

aus. Die Arbeit mit dem gesamten<br />

System ist ein langwieriger Prozess. Je<br />

nach Bedarf werden für den betroffenen<br />

Jungen individuell Hilfen eingeleitet.<br />

Bei den älteren Jungen zwischen 12 und<br />

17 Jahren gestaltet es sich meist sehr<br />

schwierig, weil die eher das Gefühl vermitteln:<br />

„Das war o.k. Ich pack das<br />

<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />

schon. Ich komme damit alleine klar. Ich<br />

brauche keine Hilfe.“ Dann müssen wir<br />

sehr kreativ sein, um sie mit unseren Angeboten<br />

zu erreichen.<br />

Wie sieht dieses „kreative Hilfsangebot“<br />

für die betroffenen Jungen aus?<br />

TÜMMLER-WANGER: Wir stellen beispielsweise<br />

nicht die Erwartung an die<br />

Jungen, dass sie unbedingt in die Beratungsstelle<br />

kommen. Wir treffen uns<br />

dann oft an Plätzen, welche die Jungen<br />

vorschlagen, die für sie unverfänglich<br />

sind – im Fastfood-Restaurant, im Café…<br />

Wir vermitteln ihnen sehr schnell, dass<br />

sie die Inhalte der Gespräche bestimmen,<br />

dass sie uns nichts erzählen müssen,<br />

dass wir sie nicht „ausquetschen“ werden<br />

und sie Tempo und Inhalt der Beratung<br />

bestimmen. Wir haben im Laufe der<br />

Zeit gelernt, wie wichtig es ist bei der<br />

Terminvergabe flexibel zu sein. Wir<br />

machen keinen Druck, wenn Termine<br />

kurzfristig abgesagt, verschoben oder<br />

vergessen werden. Viele brauchen erfahrungsgemäß<br />

länger, um sich auf die<br />

Hilfe einlassen zu können.<br />

Was können Sie zur generellen Versorgung<br />

von Jungen die Opfer sexueller<br />

Gewalt geworden sind in Deutschland<br />

und Bayern sagen?<br />

TÜMMLER-WANGER: Deutschlandweit<br />

können wir immer noch sagen, dass wir<br />

in dieser geschlechtsspezifischen Form<br />

einzigartig sind. Es gibt mittlerweile -<br />

zum Glück - auch anderswo Angebote<br />

für Jungen. Doch richten sie sich meist<br />

nicht in dieser Ausschließlichkeit an die<br />

Opfer, sondern sind eher in Kombinationen<br />

mit anderen Maß<strong>nah</strong>men zu sehen.<br />

In Bayern gibt es die wenigsten Angebote.<br />

Das führte dazu, dass wir Anfragen<br />

aus ganz Bayern erhalten. Dadurch<br />

ist ein Modellprojekt mit Erziehungsberatungsstellen<br />

entstanden.<br />

Wie wurde das Modellprojekt mit den<br />

Erziehungsberatungsstellen umgesetzt?<br />

TÜMMLER-WANGER: Wir haben Erziehungsberatungsstellen<br />

bayernweit zur<br />

Thematik sexuelle Gewalt an Jungen geschult.<br />

Wir versuchen nun Anfragen an<br />

Kolleginnen und Kollegen dieser Erziehungsberatungsstellen<br />

zu vermitteln.<br />

Wir stehen mit ihnen in engem Kontakt<br />

und versuchen die Betroffenen dort anzubinden.<br />

PORT: Es ist ein Netzwerk entstanden.<br />

Wir kommen in die Region der Erziehungsberatungsstelle<br />

und stellen dort<br />

im Arbeitskreis unsere Arbeit vor. Dadurch<br />

können wir die Kolleginnen und<br />

Kollegen stärker für diese Thematik sensibilisieren.<br />

Was können die Erziehungsberatungsstellen<br />

leisten und wo stößt diese Arbeit<br />

an ihre Grenzen?<br />

TÜMMLER-WANGER: Die Erziehungsberatungsstellen<br />

haben ein sehr breitgefächertes<br />

Angebot und sind für alle<br />

Auffälligkeiten von Kindern und Erziehungsfragen<br />

zuständig. Sie haben dabei

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