nah dran 2009 - Kinderschutz eV
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Ambulante Erziehungshilfe für Gehörlose<br />
Wertvolle Unterstützung in<br />
einer hörenden Welt<br />
Nach 19 Jahren entschied sich eine 40jährige<br />
Mutter von vier Kindern endgültig<br />
dazu, sich von ihrem gewalttätigen und<br />
spielsüchtigen Ehemann zu trennen und<br />
von nun an das Leben und die Erziehung<br />
ihrer Kinder alleine zu bewältigen. Auch<br />
in ganz normalen Familien ist eine Trennung<br />
ein schwerer Schritt, der viel Kraft<br />
und Mut kostet. Doch in diesem Fall kam<br />
noch ein weiteres Detail hinzu – die in Zukunft<br />
alleinerziehende Mutter ist gehörlos.<br />
Aufgaben, mit denen die meisten Gehörlosen<br />
gut zurecht kommen, können andere<br />
vor große Probleme stellen. Im Fall der<br />
nun alleinerziehenden Mutter hatte sich<br />
früher beispielsweise immer der Mann um<br />
Behördengänge oder den Kontakt mit den<br />
Schulen der Kinder gekümmert. Weil seine<br />
Frau in der „hörenden Welt“ nie auf<br />
sich alleine gestellt war, traf sie in der<br />
neuen Situation als Alleinsorgende auf<br />
zahlreiche Hindernisse. Wie kann sie ohne<br />
ihren Ex-Mann als Übersetzer eine Wohnung<br />
mieten? Wie soll sie an Elternabenden<br />
in den Schulen teilnehmen, ohne ihre<br />
Kinder als Dolmetscherersatz zu überfordern?<br />
Hilfestellung bei allen Fragen<br />
des Alltags<br />
Mit ihren Fragen wandte sich die Mutter<br />
an das Jugendamt, das sie an die Ambulante<br />
Erziehungshilfe (AEH) für Gehörlose<br />
des <strong>Kinderschutz</strong> e.V. vermittelte. Dieses<br />
in München einmalige Angebot für Gehörlose<br />
unterstützt Familien im häuslichen<br />
Umfeld, die Hilfe bei der Erziehung und<br />
der Alltagsbewältigung benötigen. Die<br />
Mitarbeiterinnen begleiteten die alleinerziehende<br />
Mutter während der beschwerlichen<br />
Zeit des Scheidungsverfahrens bis<br />
hin zur Stabilisierung der neuen Lebensverhältnisse<br />
kontinuierlich. Sie informierten<br />
die Frau auch, welche Hilfsangebote<br />
ihr generell zustanden und ermutigten sie,<br />
häufiger einen Dolmetscher hinzuzuziehen.<br />
Denn wie zahlreiche Gehörlose hat-<br />
te auch sie bislang Hemmungen, einen<br />
Dritten in persönlichen Angelegenheiten<br />
ins Vertrauen zu ziehen. Ebenso befand sie<br />
sich über ihren Anspruch auf Kosten-<br />
erstattung im Unklaren und schreckte vor<br />
den teils langen Organisations- und Wartezeiten<br />
zurück. Hier bauten die Mitarbeiterinnen<br />
der AEH gemeinsam mit ihrer<br />
Klientin deren Vorurteile und Ängste ab,<br />
unterstützten sie in ihrem Alltag und<br />
halfen in Erziehungsfragen weiter. Heute<br />
gelingt es der kleinen Familie sehr gut, ihr<br />
gemeinsames Leben alleine zu meistern.<br />
Anlaufstelle für Gehörlose<br />
aus ganz München<br />
Drei Pädagoginnen beschäftigt der <strong>Kinderschutz</strong><br />
e.V. in der AEH für Gehörlose.<br />
Die Mitarbeiterinnen betreuen Kinder und<br />
deren Eltern in ganz München.<br />
Kelly Randler und Anke Klingemann sind<br />
selbst gehörlos, die hörende Gerti<br />
Schaupp-Böhm beherrscht die Gebärdensprache<br />
und kann zwischen den unterschiedlichen<br />
Welten der Hörenden und<br />
Nicht-Hörenden vermitteln. Eine Betreuung<br />
der Klienten durch Mitarbeiterinnen,<br />
die selbst gehörlos sind, ist besonders<br />
wertvoll. Zum einen verläuft die sprachliche<br />
Verständigung ohne einen vermittelnden<br />
Dolmetscher einfacher und direkter.<br />
Außerdem befinden sich die Gehörlosen<br />
in derselben Lebenswelt. Dadurch fällt<br />
es ihnen oftmals leichter, die Probleme<br />
und Konflikte der Familien zu verstehen.<br />
Gehörlose Menschen benötigen barrierefreien<br />
Zugang zu Informationen und Beratung.<br />
Dies ist nur möglich, wenn eine<br />
gebärdensprachkompetente Betreuung<br />
gesichert ist, Gebärdensprachdolmetscherinnen<br />
und -dolmetscher zur Verfügung<br />
stehen und technische Informationsmöglichkeiten<br />
bereitstehen. Die soziale Unterstützung<br />
und Versorgung von Gehörlosen<br />
in München ist in dieser Hinsicht noch lückenhaft.<br />
Für viele Bereiche existieren entweder<br />
gar keine Fachdienste, oder der Zu-<br />
gang zu ihnen ist so kompliziert, dass die<br />
Hilfesuchenden sofort abgeschreckt werden.<br />
Deshalb setzt sich die AEH für Gehörlose<br />
für eine stärkere Vernetzung der<br />
bestehenden Hilfsangebote ein und wirkt<br />
darauf hin, die bestehenden Lücken zu<br />
verringern. Mit ihrer Arbeit öffnet diese<br />
spezielle AEH nicht hörenden Eltern und<br />
ihren Kindern Türen zu Hilfsangeboten, die<br />
ihnen im Normalfall versperrt bleibt.<br />
Zahlen und Standorte<br />
In fünf Münchner Sozialregionen bietet der<br />
<strong>Kinderschutz</strong> e.V. in Kooperation mit anderen<br />
Trägern der Kinder- und Jugendhilfe Ambulante<br />
Erziehungshilfe an. Das Angebot für Gehörlose<br />
ist überregional für Familien, Kinder und<br />
Jugendliche aus allen Stadtbezirken.<br />
Ambulante Erziehungshilfe<br />
Au/Haidhausen/Bogenhausen<br />
Muspillistraße 21<br />
81925 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7310<br />
aeh5-13@kinderschutz.de<br />
Ambulante Erziehungshilfe Hasenbergl/<br />
Feldmoching<br />
Walter-Sedlmayr-Platz 9<br />
80995 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7510<br />
aeh24@kinderschutz.de<br />
Ambulante Erziehungshilfe Milbertshofen/<br />
Am Hart/Harthof<br />
Milbertshofener Straße 12<br />
80807 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7110<br />
aeh11@kinderschutz.de<br />
Ambulante Erziehungshilfe Ramersdorf/Perlach<br />
Feichtstraße 5<br />
81735 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7410<br />
aeh16@kinderschutz.de<br />
Ambulante Erziehungshilfe<br />
Schwabing/Freimann<br />
Heidemannstraße 25-27<br />
80939 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7210<br />
aeh4-12@kinderschutz.de<br />
Ambulante Erziehungshilfe für Gehörlose<br />
Milbertshofener Straße 12<br />
80807 München<br />
Tel. (089) 23 17 16 -7110<br />
Bildtel. (089) 23 17 16 -7126<br />
aeh-gehoerlose@kinderschutz.de<br />
73 Fachkräfte sind in Voll- und Teilzeit in<br />
diesem Bereich tätig.<br />
319 Kinder, Jugendliche und deren Familien<br />
wurden 2008 im Rahmen der Angebote betreut<br />
und begleitet.<br />
<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />
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