nah dran - Ausgabe 2008 - Kinderschutz eV
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Stationäre Erziehungsangebote und betreute Wohnformen<br />
Amalie-Nacken-Heim<br />
In der Heimat auf Zeit keimen Vertrauen<br />
und Zukunftsperspektiven<br />
Wenn Kinder sich auffällig oder antisozial<br />
verhalten, ist das meist ein Hilfeschrei.<br />
Oftmals ist unsere Gesellschaft aber so<br />
laut, dass wir solche Schreie nicht wahrnehmen.<br />
Die Hilferufe der rund vierzig<br />
Jungen, die im Amalie-Nacken-Heim ein<br />
Zuhause finden, wurden gehört. Hier<br />
erhalten sie Hilfe und Förderung in ihrer<br />
individuellen Krise. Sie lernen und erfahren<br />
in einer vertrauensvollen und geborgenen<br />
Umgebung das, worauf sie in ihrem<br />
bekannten Umfeld vielfach keine Chance<br />
hätten: Vertrauen, Erfolg, Selbstwert -<br />
gefühl, Motivation, einen Schulabschluss<br />
und Perspektiven. Das ist besonders in jungen<br />
Jahren notwendig, um nicht in einen<br />
Lebens(kreis)lauf aus Misserfolgen und<br />
Verzweiflung zu geraten, der dann allzu<br />
oft in Isolation oder sogar Gewalt mündet.<br />
Die Jungen im Alter zwischen sieben und<br />
15 Jahren leben zu maximal neunt in den<br />
heilpädagogischen und therapeutischen<br />
Wohngruppen des Heims. Das bisherige<br />
(Familien-)Leben dieser Kinder und<br />
Jugendlichen ist oft gekennzeichnet von<br />
Beziehungsabbrüchen und seelischen<br />
Verletzungen. Viele haben Scheidung,<br />
Gewalt oder Sucht im Elternhaus erlebt.<br />
Andere leiden aufgrund ihrer Persönlichkeitsstrukturen<br />
unter sozialen und emotionalen<br />
Defiziten. Verhaltensauffälligkeiten<br />
und Entwicklungsstörungen können<br />
sowohl Folge als auch Ursache sein, dass<br />
Eltern vollkommen mit ihrer Erziehungsaufgabe<br />
überfordert sind.<br />
Grenzen schaffen Halt und<br />
Sicherheit<br />
Mittwochnachmittag im Amalie-Nacken-<br />
Heim. Boris kommt gerade von einem<br />
therapeutischen Familiengespräch in seine<br />
Wohngruppe zurück. Er braucht jetzt<br />
unbedingt Ablenkung. Die anderen Jungs<br />
haben sich um den Tischkicker geschart.<br />
Die Plätze in einem der beiden Kickerteams<br />
sind heiß begehrt. Darum wird lautstark<br />
verhandelt, wer wie lange spielen<br />
<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />
darf. Betreuer Martin lässt das die Jungs<br />
unter sich ausmachen, solange keiner<br />
unfair oder zu aggressiv wird. Die Jungen<br />
würden nach der ruhigen Hausaufgabenstunde<br />
am liebsten auf dem Bolzplatz<br />
toben, sich miteinander messen und ihre<br />
Muskeln spielen lassen. Doch an diesem<br />
verregneten Tag muss Mini-Fußball genügen<br />
– bis in zwei Stunden endlich der<br />
wöchentliche Videoabend beginnt.<br />
Die Jungen führen im Amalie-Nacken-<br />
Heim ein sehr strukturiertes Leben. Pädagogische<br />
Rituale, Regeln in den Gruppen<br />
aber auch feste Vereinbarungen mit den<br />
einzelnen Kindern und Jugendlichen sowie<br />
den Familien sind zentraler Bestandteil der<br />
heilpädagogischen und therapeutischen<br />
Maß<strong>nah</strong>men. Was einem Außenstehenden<br />
übertrieben streng erscheinen mag ist genau<br />
das, was diese Jungen brauchen: einen<br />
verlässlichen Rahmen, an dessen Grenzen<br />
sie schon einmal stoßen, der ihnen jedoch<br />
Halt und Sicherheit gibt. Dafür erfahren<br />
sie hier auch persönliche Verlässlichkeit,<br />
Geborgenheit und Verständnis.<br />
Kind und Familie<br />
auf den Weg helfen<br />
Vorrangiges Ziel ist es, durch gleichzeitige<br />
intensive Elternarbeit die Erziehungs -<br />
fähigkeit in der Familie des einzelnen Kindes<br />
zu stärken, so dass eine Rückkehr<br />
möglich ist. Doch auch die Entwicklung<br />
der Jungen während des Heimaufenthalts<br />
wird in den altersgemischten Gruppen gefördert.<br />
Sie erleben soziales Zusammen-<br />
leben mit allen Bereicherungen, Rücksichten<br />
und Pflichten. Rechtzeitig aufstehen,<br />
Körperpflege, Kleidungswechsel,<br />
Ordnung halten, Saubermachen, Umgang<br />
mit Taschengeld, Einkaufen, Kochen etc. –<br />
all dies wird eingeübt und macht die<br />
jungen Menschen „alltagstauglich“.<br />
Etwa zwei Drittel der Jungen besuchen die<br />
benachbarte Dr.-Elisabeth-Bamberger-<br />
Schule, eine Schule zur Erziehungshilfe.<br />
Lehrkräfte und Fachkräfte des Heims<br />
können dadurch eng zusammen wirken in<br />
der Betreuung der Kinder: Nicht nur, indem<br />
sie die individuellen Förderpläne<br />
gemeinsam erarbeiten und sich regelmäßig<br />
über die Situation in Schule, Heim und<br />
Familie austauschen. Jugendhilfe hält<br />
direkt Einzug in den Unterricht der<br />
Förderschüler. Wenn die Jungs im Fach<br />
„Sozialtraining“ lernen, Krisen zu reflektieren<br />
und in Konfliktsituationen fair<br />
miteinander umzugehen, dann lernen sie<br />
nicht für die Schule und nicht (nur) für<br />
das Miteinander im Heim – sondern für<br />
ihr Leben.<br />
Zahlen und Standort<br />
39 Fachkräfte sind in Voll- und Teilzeit in dem<br />
Bereich tätig.<br />
61 Kinder und Jugendliche zwischen<br />
9 und 16 Jahren wohnten 2007 im<br />
Amalie-Nacken-Heim.<br />
Amalie-Nacken-Heim<br />
Hermann-Stockmann-Straße 13<br />
85221 Dachau<br />
Tel. (089) 23 17 16 -8410<br />
amalie-nacken-heim@kinderschutz.de