nah dran - Ausgabe 2008 - Kinderschutz eV
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Tiergestützte Pädagogik und Therapie<br />
Paulihof – Heilende Pädagogik mit Tieren<br />
Neue Chancen<br />
für traumatisierte Kinder<br />
Der Paulihof befindet sich auf einer Hofstelle in der Nähe von Augsburg. Auf dem<br />
Hof werden benachteiligte, traumatisierte und vernachlässigte Kinder und<br />
Jugendliche betreut, deren Lebensalltag schwer beeinträchtigt ist. Im Zuge der<br />
tiergestützten Pädagogik lernen die jungen Menschen durch den behutsamen<br />
Kontaktaufbau mit den vierbeinigen oder gefiederten Freunden, Ängste zu überwinden,<br />
wieder Mut zu fassen und Verantwortung zu übernehmen.<br />
Rund 50 Tiere – von Hunden, über Ziegen,<br />
Schweine und Esel bis hin zu Pferden -<br />
fungieren für die pädagogischen Fachkräfte<br />
des Paulihofs als Co-Therapeuten<br />
bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen.<br />
Bis zu acht Kinder und Jugendliche<br />
können für einen längeren Zeitraum<br />
auf dem Paulihof leben. Die Arbeit<br />
mit den Tieren und klare Strukturen helfen<br />
den Kindern, sich langsam wieder zu öffnen<br />
und neue Perspektiven zu entwickeln.<br />
Die Kinder und Jugendlichen werden in<br />
das Hofleben integriert und müssen sich in<br />
die Gemeinschaft einbringen.<br />
Tiere spiegeln das eigene<br />
Verhalten<br />
Durch die tiergestützte Arbeit können die<br />
Kinder und Jugendlichen neues Selbstbewusstsein<br />
aufbauen. Sie lernen ihre Bedürfnisse<br />
und Grenzen wahrzunehmen.<br />
Das eigene Verhalten wird reflektiert und<br />
die Konzentrationsfähigkeit gestärkt. Der<br />
Abbau von Ängsten und das Trainieren<br />
neuer Verhaltensmuster sind ebenso Ziele<br />
der Arbeit wie die Förderung des Sozialverhaltens.<br />
Zu Beginn der therapeutischen Arbeit<br />
wählen die Kinder und Jugendlichen jeweils<br />
ihr Bezugstier aus, mit dem sie intensiv<br />
arbeiten. Clara beispielsweise hat<br />
sich das Pony Lorenz ausgesucht, obwohl<br />
sie eigentlich Angst vor Pferden hat. Im<br />
Alltag traut sie sich nicht, Wünsche zu äußern<br />
und sagt zu allem einfach „Ja“. Durch<br />
die Arbeit mit dem zutraulichen, aber<br />
manchmal etwas eigensinnigen Lorenz<br />
schafft sie es zunehmend sich durchzusetzen.<br />
Sie hat ihre Angst vor den Pferden<br />
und Ponys abgebaut. Clara arbeitet mit<br />
<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />
Unterstützung der Pädagogen nun intensiv<br />
daran, ihre Erfahrungen mit dem Pony<br />
auf den Umgang mit Menschen zu übertragen.<br />
Ihr Selbstbewusstsein ist merklich<br />
gestiegen und sie ist richtig aufgeblüht.<br />
Aus der ängstlichen, kaum wahrnehmbaren<br />
Clara ist ein „richtiges“ Mädchen geworden,<br />
das auch mal ein bisschen frech<br />
sein kann.<br />
Leon ist ein schwer traumatisiertes Kind,<br />
das von vielen Ängsten gequält wird. An<br />
der Reaktion „seines Tieres“, dem verschmusten<br />
Ziegenbock Ivan, kann er nun<br />
sein Verhalten ablesen. Es hat Leon sehr<br />
betroffen gemacht, wenn Ivan und die anderen<br />
Tiere erschraken oder sogar davonliefen,<br />
wenn er, typisch für sein Verhalten,<br />
laut schrie. Inzwischen kann Leon im Kontakt<br />
mit den Tieren seine Impulse zunehmend<br />
besser kontrollieren und findet gu-<br />
ten Zugang zu den Tieren. Seine Ängste<br />
werden weniger und umfassen nicht mehr<br />
so viele Lebensbereiche. Die positiven Effekte<br />
im Umgang mit den Tieren spiegeln<br />
sich auch in seinem Verhalten in der Schule<br />
wieder. Dort wird er zunehmend besser<br />
und hat darüber wieder Erfolgserlebnisse.<br />
Tierbegegnungen<br />
Über den stationären Bereich hinaus bietet<br />
der Paulihof ambulante Angebote der<br />
tiergestützten Pädagogik für einzelne Kinder<br />
und Jugendliche sowie für Kinder- und<br />
Jugendgruppen. Beispielsweise besucht<br />
eine Gruppe der Lebenshilfe Aichach mit<br />
körperlich und geistig behinderten jungen<br />
Menschen regelmäßig die Hofstelle. Dabei<br />
geht es darum, dass die Kinder Kontakt<br />
zur Umwelt aufnehmen, Selbstvertrauen