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nah dran - Ausgabe 2008 - Kinderschutz eV

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18<br />

Heilpädagogische Tagesstätte<br />

Verhaltensauffällige Kinder<br />

erfahren ihre Stärken und<br />

Grenzen<br />

Die Heilpädagogische Tagesstätte (HPT) in Dachau besteht aus einem heilpädagogischen<br />

Kindergarten für Vorschulkinder ab drei Jahre sowie aus zwei Gruppen für<br />

Grund- und Hauptschüler bis 14 Jahre. Hier erhalten verhaltensauffällige und in<br />

ihrer Entwicklung verzögerte Kinder tagsüber intensive pädagogische und therapeutische<br />

Betreuung. Gleichzeitig wird ihnen ermöglicht, weiter in ihrer Familie und<br />

in ihrem sozialen Umfeld zu leben.<br />

Grund für die Auf<strong>nah</strong>me in die HPT sind<br />

meist Auffälligkeiten im Sozialverhalten<br />

der Kinder. Sie reagieren oft unangemessen<br />

auf harmlos scheinende Situationen,<br />

sind aggressiv, verschlossen oder verweigern<br />

sich total. Infolgedessen haben sie<br />

nicht selten auch erhebliche Schulprobleme.<br />

Die Ursachen für diese Verhaltensauffälligkeiten<br />

sind vielfältig und liegen oft im<br />

familiären Umfeld.<br />

Raus aus dem Teufelskreis<br />

Viele Kinder haben schon mehrfach Enttäuschungen<br />

und Zurückweisungen erlebt,<br />

kämpfen mit Selbstzweifeln und können<br />

die ersehnte Zuwendung nicht zulassen.<br />

In den meisten Fällen sind die Eltern mit<br />

dieser Situation überfordert. Sie haben das<br />

Gefühl, versagt zu haben und können ihre<br />

Kinder selbst nicht mehr unterstützen.<br />

Als Oliver beispielsweise vor einem Jahr in<br />

die HPT kam, wirkte er verzweifelt und<br />

vereinsamt. Seine Grundschulzeugnisse<br />

waren schlecht, doch seine alleinstehende<br />

Mutter hatte weder die Zeit noch die Kraft,<br />

ihn ausreichend zu fördern. Oliver spielte<br />

kaum mit anderen Kindern, aus Angst vor<br />

Zurückweisung und Hänseleien. Durch die<br />

immer wiederkehrenden Misserfolge geriet<br />

er in einen Teufelskreis aus Misserfolgen,<br />

negativem Selbstwertgefühl und weiteren<br />

Rückschlägen.<br />

Das Ziel der HPT-Betreuung ist es zum einen,<br />

dem Kind bei der Überwindung seiner<br />

Schwierigkeiten zu helfen. Gleichzeitig<br />

wird die Familie durch intensive Elternarbeit<br />

stabilisiert mit dem Ziel, dass sie ihre<br />

Erziehungsaufgaben zukünftig eigenstän-<br />

<strong>nah</strong> <strong>dran</strong><br />

dig bewältigen können. In neun von zehn<br />

Fällen gelingt es, dass durch die Arbeit der<br />

HPT auf eine stationäre Unterbringung z.B.<br />

in einem Heim verzichtet werden kann<br />

und das Kind im familiären Umfeld wieder<br />

guten Anschluss findet.<br />

Klare Strukturen schaffen<br />

Sicherheit und Erfolge<br />

In der HPT erleben Kinder einen strukturierten<br />

Tag. Regelmäßige „Programmpunkte“<br />

wie das gemeinsame Mittagessen,<br />

Hausaufgabenzeiten oder eine wöchentliche<br />

Kinderkonferenz geben ihnen einen<br />

sicheren Rahmen. Es gibt Regeln, die sie<br />

beachten müssen und Anreize, sie einzuhalten.<br />

Montags versammeln sich z.B. die<br />

Kinder der Gruppe 2 zur Taschengeldverteilung.<br />

Für „gutes Verhalten“ gibt es bis<br />

zu zwei Euro in die Spardose. Worauf gespart<br />

wird, schreiben die Kinder vorher auf.<br />

Der Reihe nach beurteilen sie selbst ihr<br />

Verhalten in der vergangenen Woche, die<br />

beiden Betreuer ergänzen oder korrigieren<br />

aus ihrer Sicht: Wie war der Umgang mit<br />

Erwachsenen und den anderen Kindern?<br />

Wurden die Hausaufgaben immer gemacht?<br />

Hat jeder sein „Amt“ erfüllt – z.B.<br />

den Küchendienst erledigt oder die Fenster<br />

abends geschlossen? Hat jeder mit<br />

mindestens drei anderen Kindern verschiedene<br />

Spiele gespielt? Hatte jeder eine<br />

Uhr dabei? Oder hat jemand sogar etwas<br />

besonderes für die Gruppe geleistet? Für<br />

jede erfüllte Aufgabe oder eingehaltene<br />

Regel gibt es 25 Cent in die Spardose, 50<br />

Cent können sich alle „verdienen“, die sich<br />

„keinen großen Schmarrn“ geleistet haben<br />

– z.B. Nachsitzen oder einen Schulverweis.<br />

Oliver hat in einem Jahr viel gelernt. Er<br />

hat erkannt, dass er Dinge beherrscht, auf<br />

die er stolz sein kann. Seine Erfolgserlebnisse<br />

haben ihn ermutigt, auch die nicht<br />

so einfachen Aufgaben anzupacken. Auch<br />

wenn es hin und wieder mal Rückschläge<br />

gibt, eine fünf in Deutsch oder Tränen<br />

wenn jemand ihn einen Feigling schimpft,<br />

Oliver hat gelernt, nicht aufzugeben und<br />

sich Fehler ein- und zuzugestehen. Er weiß<br />

jetzt, dass er trotzdem geliebt und respektiert<br />

wird.

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