"Unser Bombenerfolg" Historische Dokumente aus ... - Hildesheim

"Unser Bombenerfolg" Historische Dokumente aus ... - Hildesheim "Unser Bombenerfolg" Historische Dokumente aus ... - Hildesheim

25.04.2013 Aufrufe

"Unser Bombenerfolg" Historische Dokumente aus dem Stadtarchiv (Folge 91) / von Michael Schütz In diesen Tagen wird mit zahlreichen Beiträgen in Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen sowie in Ausstellungen und einer fast unüberschaubaren Anzahl von Büchern des 90. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs gedacht. Wer sich mit der Geschichte dieser "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" beschäftigen möchte, findet auch in der Wissenschaftlichen Bibliothek des Stadtarchivs umfangreiche Literatur vor, von der ein Teil zur Zeit in einer Kabinettausstellung im Foyer des Stadtarchivs präsentiert wird. Bedeutender als die Sekundärliteratur sind natürlich die zeitgenössischen Archivalien, die im Stadtarchiv in mehreren umfangreichen Beständen verwahrt werden. Dies ist schwerpunktmäßig der Bestand 102 mit den städtischen Akten aus der Zeit 1914 bis 1918. Daneben gibt es aber auch eine regional übergreifende Sammlung zum Ersten Weltkrieg (Best. 805) sowie einzelne Nachlässe und Familienpapiere von Hildesheimer Bürgern. Eher unerwartet wird der interessierte Besucher einen Bestand vorfinden, der sich Best. 572 Kriegsmuseum der Stadt Hildesheim nennt. Hildesheim begründete am 22. Februar 1915 zur Wahrung der Erinnerung an die "ruhmreichen Taten der Hildesheimer Söhne in eiserner Zeit" ein Kriegsmuseum, das in Verbindung mit dem Stadtarchiv als eigenständige Neugründung neben dem schon existierenden Roemerund dem Pelizaeus-Museum bestehen sollte. Mit der Leitung und dem Aufbau der Sammlung wurden der Syndikus Dr. Gerland und der Oberlehrer Dr. Kleuker beauftragt. Zum Sammlungsgut, das zum überwiegenden Teil aus übersandtem Material des Hildesheimer Infanterie- Regiments Nr. 79 bestand, zählten Druckschriften, Briefe, Postkarten, Fotos, Karten, Plakate, Uniformen, Waffen und anderes. Eine erste Ausstellung dieser Exponate erfolgte noch 1915 im Knochenhauer-Amtshaus. 1920 wurde das Kriegsmuseum aufgrund mangelnden Interesses der Bevölkerung aufgelöst. Die Bestände wurden teils dem Stadtarchiv, teils der öffentlichen Bücherei und teils dem Roemer-Museum übergeben. Aus den in Best. 572 vorhandenen ca. 800 Plakaten und Anschlägen, 150 Zeitungen und Zeitschriften, 150 Karten und Plänen, 300 Postkarten, 425 Büchern, Broschüren und Druckschriften, 300 Handzetteln, Reklamezetteln, Aushängen und Fotos sowie 75 Feldpostbriefen soll hier ein politisches Plakat vorgestellt werden, das die Signatur Best. 572 Nr. 619 trägt. Das Plakat ist schwarzweiß, hat die ungewöhnlichen Maße 110 x 42 cm und wurde bei der Firma Knackstedt & Co. in Hamburg gedruckt. Am unteren Rand befindet sich der Inventarstempel des Kriegsmuseums der Stadt Hildesheim mit der Inventar-Nr. BB.a.72. Die ungewöhnlichen Maße des Plakats erklären sich durch das abgebildete Objekt, ein in Originalgröße wiedergegebenes 42-cm-Geschoss - wobei eine im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigte Nachbildung allerdings eine Höhe von 155 cm hat. Die 800 kg schweren Panzergranaten konnten mit einem zerlegbaren, 42,6 Tonnen schweren Mörser (Steilfeuergeschütz), der nach dem Straßentransport in vier Stunden feuerbereit gemacht werden konnte, bis zu 9,3 km weit verschossen werden. Der Mörser erhielt von den Soldaten die scherzhafte Bezeichnung "Dicke Bertha", nach der ältesten Tochter von Friedrich Alfred Krupp, in dessen Fabrik er gebaut wurde. Die große Reichweite des Mörsers erklärt auch den makaberen Reim unter der Überschrift "Das Geheimnis von Lüttich": "Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, wie ein Krupp´sches Geschoß von dem man nichts weiß!" Wie die Überschrift andeutet, kam der Mörser - zu Kriegsbeginn existierten nur zwei Exemplare, bis 1918 wurden insgesamt 10 gebaut - im August 1914 bei der Belagerung der Festung Lüttich zum Einsatz. Lüttich (franz.: Liège), eine 150.000 Einwohner große Stadt im Osten Belgiens, war durch zwölf Forts gesichert und Ort der ersten größeren Kriegshandlungen des © Stadtarchiv Hildesheim – Am Steine 7, 31134 Hildesheim Tel. 05121-1681-0 Fax 05121-1681-24 E-Mail info@stadtarchiv-hildesheim.de

"<strong>Unser</strong> Bombenerfolg"<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Dokumente</strong> <strong>aus</strong> dem Stadtarchiv (Folge 91) / von Michael Schütz<br />

In diesen Tagen wird mit zahlreichen Beiträgen in Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen sowie<br />

in Ausstellungen und einer fast unüberschaubaren Anzahl von Büchern des 90. Jahrestages<br />

des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs gedacht. Wer sich mit der Geschichte dieser "Urkatastrophe<br />

des 20. Jahrhunderts" beschäftigen möchte, findet auch in der Wissenschaftlichen Bibliothek<br />

des Stadtarchivs umfangreiche Literatur vor, von der ein Teil zur Zeit in einer Kabinett<strong>aus</strong>stellung<br />

im Foyer des Stadtarchivs präsentiert wird.<br />

Bedeutender als die Sekundärliteratur sind natürlich die zeitgenössischen Archivalien, die im<br />

Stadtarchiv in mehreren umfangreichen Beständen verwahrt werden. Dies ist schwerpunktmäßig<br />

der Bestand 102 mit den städtischen Akten <strong>aus</strong> der Zeit 1914 bis 1918. Daneben gibt es<br />

aber auch eine regional übergreifende Sammlung zum Ersten Weltkrieg (Best. 805) sowie<br />

einzelne Nachlässe und Familienpapiere von <strong>Hildesheim</strong>er Bürgern. Eher unerwartet wird der<br />

interessierte Besucher einen Bestand vorfinden, der sich Best. 572 Kriegsmuseum der Stadt<br />

<strong>Hildesheim</strong> nennt.<br />

<strong>Hildesheim</strong> begründete am 22. Februar 1915 zur Wahrung der Erinnerung an die "ruhmreichen<br />

Taten der <strong>Hildesheim</strong>er Söhne in eiserner Zeit" ein Kriegsmuseum, das in Verbindung<br />

mit dem Stadtarchiv als eigenständige Neugründung neben dem schon existierenden Roemerund<br />

dem Pelizaeus-Museum bestehen sollte. Mit der Leitung und dem Aufbau der Sammlung<br />

wurden der Syndikus Dr. Gerland und der Oberlehrer Dr. Kleuker beauftragt. Zum Sammlungsgut,<br />

das zum überwiegenden Teil <strong>aus</strong> übersandtem Material des <strong>Hildesheim</strong>er Infanterie-<br />

Regiments Nr. 79 bestand, zählten Druckschriften, Briefe, Postkarten, Fotos, Karten, Plakate,<br />

Uniformen, Waffen und anderes. Eine erste Ausstellung dieser Exponate erfolgte noch 1915<br />

im Knochenhauer-Amtsh<strong>aus</strong>. 1920 wurde das Kriegsmuseum aufgrund mangelnden Interesses<br />

der Bevölkerung aufgelöst. Die Bestände wurden teils dem Stadtarchiv, teils der öffentlichen<br />

Bücherei und teils dem Roemer-Museum übergeben.<br />

Aus den in Best. 572 vorhandenen ca. 800 Plakaten und Anschlägen, 150 Zeitungen und Zeitschriften,<br />

150 Karten und Plänen, 300 Postkarten, 425 Büchern, Broschüren und Druckschriften,<br />

300 Handzetteln, Reklamezetteln, Aushängen und Fotos sowie 75 Feldpostbriefen soll<br />

hier ein politisches Plakat vorgestellt werden, das die Signatur Best. 572 Nr. 619 trägt. Das<br />

Plakat ist schwarzweiß, hat die ungewöhnlichen Maße 110 x 42 cm und wurde bei der Firma<br />

Knackstedt & Co. in Hamburg gedruckt. Am unteren Rand befindet sich der Inventarstempel<br />

des Kriegsmuseums der Stadt <strong>Hildesheim</strong> mit der Inventar-Nr. BB.a.72.<br />

Die ungewöhnlichen Maße des Plakats erklären sich durch das abgebildete Objekt, ein in Originalgröße<br />

wiedergegebenes 42-cm-Geschoss - wobei eine im Deutschen <strong>Historische</strong>n Museum<br />

in Berlin gezeigte Nachbildung allerdings eine Höhe von 155 cm hat. Die 800 kg schweren<br />

Panzergranaten konnten mit einem zerlegbaren, 42,6 Tonnen schweren Mörser (Steilfeuergeschütz),<br />

der nach dem Straßentransport in vier Stunden feuerbereit gemacht werden konnte,<br />

bis zu 9,3 km weit verschossen werden. Der Mörser erhielt von den Soldaten die scherzhafte<br />

Bezeichnung "Dicke Bertha", nach der ältesten Tochter von Friedrich Alfred Krupp, in<br />

dessen Fabrik er gebaut wurde. Die große Reichweite des Mörsers erklärt auch den makaberen<br />

Reim unter der Überschrift "Das Geheimnis von Lüttich": "Kein Feuer, keine Kohle kann<br />

brennen so heiß, wie ein Krupp´sches Geschoß von dem man nichts weiß!"<br />

Wie die Überschrift andeutet, kam der Mörser - zu Kriegsbeginn existierten nur zwei Exemplare,<br />

bis 1918 wurden insgesamt 10 gebaut - im August 1914 bei der Belagerung der Festung<br />

Lüttich zum Einsatz. Lüttich (franz.: Liège), eine 150.000 Einwohner große Stadt im Osten<br />

Belgiens, war durch zwölf Forts gesichert und Ort der ersten größeren Kriegshandlungen des<br />

© Stadtarchiv <strong>Hildesheim</strong> – Am Steine 7, 31134 <strong>Hildesheim</strong><br />

Tel. 05121-1681-0 Fax 05121-1681-24 E-Mail info@stadtarchiv-hildesheim.de


Ersten Weltkriegs. Der Angriff der deutschen Truppen auf Lüttich begann am 4. August 1914.<br />

Nach heftiger Gegenwehr der Belgier gelang es deutschen Einheiten am 7. August die Stadt<br />

und die Zitadelle Lüttich einzunehmen, <strong>aus</strong> der die belgischen Truppen in die Festung Antwerpen<br />

abgezogen waren. Die um die Zitadelle liegenden Forts wurden aber weiterhin von<br />

belgischen Einheiten verteidigt. Um deren Widerstand zu brechen, wurde ab dem 8. August<br />

erstmalig die "Dicke Bertha" eingesetzt. Die Belagerung der Forts zog sich bis zum 16. August<br />

hin.<br />

Zur Illustration dieses Einsatzes sind auf dem Plakat links und rechts von dem historisch inkorrekten<br />

Schriftzug "Lüttich gefallen am 7. August 1914" zwei Fotografien abgedruckt, die<br />

die auf beiden Fotos einheitliche Beschriftung tragen: "Die verheerende Wirkung eines einzigen<br />

deutschen 42 cm-Geschosses auf das Panzerfort Loucin der Festung Lüttich". Das Geschoss<br />

trägt auf dem Plakat - natürlich nicht im Original - an der Spitze eine Fotografie Kaiser<br />

Wilhelms II. in der Uniform der Garde du Corps und in der unteren Hälfte den Reichsadler<br />

mit einem Herzschild, der das Wappen des Königreichs Preußen zeigt, und einer Ordenskette<br />

mit dem Eisernen Kreuz. Das Geschoss ist mit drei Schriftbändern belegt, die auf die Originalgröße<br />

der Abbildung verweisen und in dem makaberen Spruch "<strong>Unser</strong> Bombenerfolg"<br />

gipfeln.<br />

Das Plakat kann wie üblich im August während der Öffnungszeiten des Stadtarchivs im Foyer<br />

des Lesesaals betrachtet werden. Das Stadtarchiv wird im Rahmen des bundesweiten "Tags<br />

der Archive" am 25. September 2004 in seinem Foyer eine Kabinett<strong>aus</strong>stellung "<strong>Hildesheim</strong><br />

im Ersten Weltkrieg" zeigen und in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsforum des <strong>Hildesheim</strong>er<br />

Heimat- und Geschichtsvereins im Roemer- und Pelizaeus-Museum die Ausstellung<br />

"Helft uns siegen! Plakate und Bekanntmachungen des Ersten Weltkriegs <strong>aus</strong> dem Stadtarchiv"<br />

präsentieren.<br />

© Stadtarchiv <strong>Hildesheim</strong> – Am Steine 7, 31134 <strong>Hildesheim</strong><br />

Tel. 05121-1681-0 Fax 05121-1681-24 E-Mail info@stadtarchiv-hildesheim.de

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