25.04.2013 Aufrufe

30. Das Hildesheimer Stadtrechtsprivileg von 1249 (hr)

30. Das Hildesheimer Stadtrechtsprivileg von 1249 (hr)

30. Das Hildesheimer Stadtrechtsprivileg von 1249 (hr)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Das</strong> <strong>Hildesheimer</strong> <strong>Stadtrechtsprivileg</strong> <strong>von</strong> <strong>1249</strong><br />

Historische Dokumente aus dem Stadtarchiv (Folge 30) / <strong>von</strong> Herbert Reyer<br />

Bei dieser Urkunde handelt es sich um einen Pergamentrotulus, also um eine Urkundenrolle,<br />

in der beeindruckenden Länge <strong>von</strong> 109 Zentimetern und einer Breite <strong>von</strong> etwa 27 cm. Sie ist<br />

nicht datiert, ist aber ausweislich des angehängten, nur leicht beschädigten Siegels <strong>von</strong> Bischof<br />

Heinrich I. ausgestellt worden, der <strong>von</strong> 1246 bis 1257 in Hildesheim amtierte. I<strong>hr</strong>e zeitliche<br />

Zuordnung auf „etwa <strong>1249</strong>“ erfolgt ausschließlich aufgrund historischer Interpretation.<br />

Die Ausfertigung eines solchen Stückes mit der Gewä<strong>hr</strong>ung weitgehender Rechte an die Stadt<br />

lässt sich nur aus einer besonderen politischen Situation heraus erklären, auf die gleich noch<br />

näher eingegangen wird. Die Urkunde wird im Stadtarchiv Hildesheim unter der Signatur<br />

Best. 1, Nr. 790, aufbewa<strong>hr</strong>t.<br />

<strong>Das</strong> Stück trägt auf seiner Rückseite die zutreffende Bezeichnung „Vogteistatuten“. Es handelt<br />

sich nämlich um die Aufzeichnung <strong>von</strong> Rechtssätzen, die sich im überwiegenden Maße<br />

auf die Kompetenzen des vom bischöflichen Landesherren eingesetzten „Vogtes“ beziehen,<br />

der im Namen des Bischofs in der Stadt die hoheitlichen Rechte, insbesondere die Gerichtsbarkeit,<br />

wa<strong>hr</strong>zunehmen hat.<br />

Die Urkundenrolle umfasst insgesamt 54 Paragraphen, in denen vorrangig privat- und strafrechtliche<br />

Bestimmungen niedergelegt sind, außerdem prozessrechtliche Verfa<strong>hr</strong>ensvorsc<strong>hr</strong>iften<br />

sowie Regelungen über Zollangelegenheiten und Zuständigkeitsfragen getroffen sind.<br />

Ferner finden sich noch Bestimmungen über rechtlich zulässige Selbsthilfe und Regelungen<br />

über Eidesleistung und Bürgenbestellung. Die zahlreichen, ein weites Spektrum abdeckenden<br />

Rechtssätze beziehen sich im Wesentlichen auf die damit erstmals festgesc<strong>hr</strong>iebenen und -<br />

was se<strong>hr</strong> wichtig ist - künftig nicht me<strong>hr</strong> willkürlich auf Kosten der Bürgerschaft auszudehnenden<br />

Kompetenzen des bischöflichen Vogtes.<br />

Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Stadt Hildesheim ist der 52. Artikel der<br />

Urkunde, der den bekannten Rechtssatz „Stadtluft macht frei“ in lateinischer Formulierung<br />

klar zum Ausdruck bringt: „Si quis intrat civitatem ad manendum et manserit anno et die sine<br />

requisicione, postea non potest eum aliquis requirere.“ Allein dieser Artikel rechtfertigt es<br />

schon, die vorliegende Urkunde als <strong>Stadtrechtsprivileg</strong> zu bezeichnen. Auch die beiden letzten<br />

Artikel, die offenbar später <strong>von</strong> anderer Hand nachgetragen wurden, sind für die Entwicklung<br />

der städtischen Kompetenzen und Freiheiten gegenüber dem bischöflichen Landesherren<br />

<strong>von</strong> besonderer Bedeutung: In ihnen werden Zuständigkeiten in Liegenschafts- und Erbschaftsangelegenheiten<br />

festgehalten, deren Erledigung spätestens <strong>von</strong> jetzt an ausdrücklich<br />

vor den <strong>Hildesheimer</strong> Ratsherren („coram consulibus“) zu erfolgen hat.<br />

Die Ausstellung des Privilegs besonders mit dem weitgehenden Zugeständnis des 52. Artikels<br />

dürfte als Gegenleistung des Bischofs und Landesherrn an „seine“ Stadt Hildesheim zu verstehen<br />

sein, die ihn bei der Auseinandersetzung um die Besetzung des Bischofsstuhls gegen<br />

seinen Konkurrenten unterstützt hatte: Nachdem Bischof Konrad II. (1221-1246) das Bischofsamt<br />

aufgegeben hatte, bestand im Domkapitel, das den neuen Bischof zu wählen hatte,<br />

Uneinigkeit über die Nachfolge.<br />

Streit um den Bischofsstuhl<br />

In dem sich daraufhin entspannenden Streit um den Bischofsstuhl behielt Heinrich, Propst <strong>von</strong><br />

Heiligenstadt, gegen seinen Widersacher, Hermann Graf <strong>von</strong> Gleichen, die Oberhand, und<br />

konnte 1246 das Bischofsamt antreten. Die Stadt aber ließ sich ganz offensichtlich im gleichen<br />

Atemzuge mit der Beendigung der Kämpfe zwischen beiden Kontrahenten im Ja<strong>hr</strong>e<br />

<strong>1249</strong> i<strong>hr</strong>e Unterstützung vom obsiegenden Kandidaten mit diesem <strong>Stadtrechtsprivileg</strong> belohnen.<br />

© Stadtarchiv Hildesheim – Am Steine 7, 31134 Hildesheim<br />

Tel. 05121-1681-0 Fax 05121-1681-24 E-Mail info@stadtarchiv-hildesheim.de


Die Urkunde ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Wege zur kontinuierlich angestrebten Unabhängigkeit<br />

der Stadt vom unmittelbaren Einfluss des Landesherren. 1281 muss Bischof<br />

Siegfried II. die besondere Rolle des Rates anerkennen, bei strittigen Fragen zwischen Stadt<br />

und Landesherren als Schiedsinstanz wirken zu können. Und im Ja<strong>hr</strong>e 1300 gibt sich der Rat<br />

der Stadt Hildesheim gar ein eigenes, vom Bischof gänzlich unabhängig formuliertes umfängliches<br />

Stadtrecht in mittelniederdeutscher Sprache zur Regelung der inneren Angelegenheiten.<br />

© Stadtarchiv Hildesheim – Am Steine 7, 31134 Hildesheim<br />

Tel. 05121-1681-0 Fax 05121-1681-24 E-Mail info@stadtarchiv-hildesheim.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!