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Bindungstheorie, klinische Psychologie und Psychotherapie bei ...

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meisten (retrospektiven) Studien finden die Autoren jedoch kein häufigeres Vorliegen von<br />

tatsächlichen Elternverlusten <strong>bei</strong> Borderline Patienten im Vergleich mit anderen<br />

<strong>klinische</strong>n Gruppen (siehe Links, 1990; Ogatta, Silk & Goodrich, 1988).<br />

Es liegen zahlreiche Hypothesen <strong>und</strong> theoretische Überlegungen von<br />

einigen Autoren vor, die eine Verbindung bestimmter <strong>klinische</strong>r Störungsbilder<br />

mit bestimmten Arten von Bindungsrepräsentationen annehmen.<br />

So vermutet Bowlby (1979, S.169 <strong>und</strong> 1986, S.346ff), daß Personen mit Schulphobien <strong>und</strong><br />

Platzangst früher häufig Erfahrungen mit Angstbindung (Bindungsverhalten wird aus der<br />

Angst heraus, die Eltern zu verlieren, gezeigt) <strong>und</strong> einem Rollentausch mit den Eltern<br />

erlebt haben. Beide Merkmale stehen in Verbindung zur verwickelten Bindungsstrategie. Der<br />

Kernkonflikt bestehe nach Bowlby darin, daß die Personen Angst hätten, das Zuhause (die<br />

sichere Basis) zu verlassen. Ebenso sieht der kognitive Psychotherapeut Liotti (1991;<br />

1992) Panikstörungen <strong>und</strong> Agoraphobien in einer engen Assoziation zum unsicherambivalenten<br />

Bindungsstil, da die genannten <strong>klinische</strong>n Syndrome oft durch Trennungs- oder<br />

Verlustdrohungen, Ehestreitigkeiten oder eine vom Symptomträger wahrgenommene Zurückweisung<br />

von der geliebten Person ausgelöst werden. Eine unsicher-ambivalente Bindungsqualität<br />

<strong>bei</strong>m Kind könnte nach Liotti als ein Startmarker für die Entwicklung einer<br />

späteren Agoraphobie angesehen werden. Ein Zusammenhang zwischen unsicher ambivalenten<br />

Bindungen <strong>und</strong> dem Vorliegen von Angststörungen wird auch durch den Bef<strong>und</strong> belegt, daß in<br />

retrospektiven Befragungen von Patienten mit Angststörungen (Sheehan, Sheehan &<br />

Minichiello, 1981) 33% der Patienten bereits als Kinder unter einer Agoraphobie gelitten<br />

haben (siehe auch Mendel & Klein, 1969, zitiert in Florin & Fiegenbaum, 1990) <strong>und</strong> 22%<br />

unter Schulängsten (Berg, Marks, McGuire & Lipsedge, 1974). Letztere sind als Ausdruck<br />

von Trennungsängsten zu verstehen <strong>und</strong> damit direkt bindungsbezogen. "C-Kinder" (unsicherambivalent<br />

geb<strong>und</strong>en) sind häufig trennungsängstlich. Geht man nun von einer starken Kontinuität<br />

des Vorliegens von Angststörungen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter aus,<br />

dann könnte dies auf eine Häufung von "E-Bindungen" (verwickelt) auch <strong>bei</strong> Erwachsenen mit<br />

Angststörungen schließen lassen.<br />

Betrachtet man die "klassische" psychoanalytische Typologie nach Riemann (1984), so<br />

könnte man am ehesten die "depressive Persönlichkeit" mit dem verwickelten Bindungsstil<br />

in einen Zusammenhang stellen. Hierfür sprechen die starken Trennungs- <strong>und</strong> Verlustängste<br />

solcher Personen, ihre häufige passive Erwartungshaltung, ihr "enges Anklammern" <strong>und</strong> ihre<br />

manipulativen Suiziddrohungen (S. 67). Nicht charakteristisch für den verwickelten Stil<br />

sind jedoch die Merkmale "starke Idealisierung" <strong>und</strong> "Aggressionsunterdrückung". Die<br />

Impulsivität <strong>und</strong> Aggressivität "hysterischer Persönlichkeiten" nach Riemann legt eher<br />

einen verwickelten Bindungsstil nahe. Während die Beschreibung Riemann's "zwanghafter<br />

Persönlichkeit" kaum bindungsrelevante Merkmale offenbahrt, zeigt sich die deutlichste<br />

Analogie zwischen dem "schizoiden Charakter" <strong>und</strong> dem distanzierten Bindungstyp. Der<br />

Schizoide habe ein hohes Autarkie Ideal, sei kalt, distanziert, isoliert <strong>und</strong> emotional<br />

unterentwickelt. Er habe Angst vor Abhängigkeit <strong>und</strong> bemühe sich um Unverletzlichkeit. Ihn<br />

kennzeichne ein Mangel an Bindung (S. 39), <strong>und</strong> er ironisiere häufig Gefühle. Die<br />

analytische Typologie ist jedoch sehr breit angelegt. Jede der vier Klassen beschreiben<br />

Merkmale mehrerer Persönlichkeitsstörungen. Auch steht eine empirische Abgrenzung der<br />

vier Typen nach Kenntnis des Autors noch aus. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß vor<br />

allem der "schizoide" <strong>und</strong> der "depressive" Typ bindungsbezogen beschrieben wurden.<br />

Personen, die eigentlich wütend auf ihre Eltern seien, diese Wut jedoch nicht<br />

äußern würden, hätten nach Bowlby (1979) ein starkes unbewußtes Verlangen nach Liebe <strong>und</strong><br />

Unterstützung, was vielleicht in irgendeiner anomalen Form Fürsorge auslösenden Verhaltens<br />

zum Ausdruck kommt (z.B. in Form von Hypochondrie, halbherzigen Selbstmordversuchen<br />

oder Konversionsstörungen).<br />

Personen mit "zwanghaften Selbstvertrauen", die alles selbst tun wollten <strong>und</strong> keine<br />

Liebe oder Fürsorge suchen würden, neigen nach Bowlby (1979; siehe auch Bowlby, 1983,<br />

S.273) dazu, psychosomatische Symptome oder Depressionen zu entwikeln. Dieses Verhalten<br />

ist ähnlich wie dasjenige der Personen mit distanzierten Bindungsrepräsentationen <strong>und</strong><br />

könnte mit den Störungsbildern "narzißtische, antisoziale, paranoide <strong>und</strong> schizoide<br />

Persönlichkeitsstörung" assoziiert sein.<br />

Als klinisch auffällig beschreibt Bowlby (1979) noch Personen mit "zwanghaftem<br />

Fürsorgeverhalten", die am ehesten den heutigen Störungsbildern der dependenten Persönlichkeitsstörung<br />

oder der inzwischen weit verbreiteten Störung "Co-Abhängigkeit"

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