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Bindungstheorie, klinische Psychologie und Psychotherapie bei ...

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1<br />

nicht wider- bzw. belegbaren <strong>und</strong> schlecht untersuchten hypothetischen<br />

Annahmen der Psychoanalyse (z.B. Triebtheorie, Neurosenkonzept) wurden<br />

aus den neueren DSM Versionen <strong>und</strong> zunehmend auch im ICD-10<br />

ausgegrenzt; die psychoanalytische Theorie scheint als "strukturelles<br />

Rahmenmodell" für die Erklärung der Verbindungen der einzelnen Formen<br />

psychischer Störungen für viele Forscherinnen <strong>und</strong> Kliniker nicht mehr<br />

tragbar oder fruchtbar zu sein. Ohne eine Theorie, die<br />

Operationalisierbarkeit, Falsifizierbarkeit <strong>und</strong> Replizierbarkeit<br />

erlaubt, ist der SChritt von der deskriptiven Diagnostik zu<br />

entwicklungspsychopathologischen Prozessen nicht möglich (siehe<br />

Petzold, H., 1993).<br />

Die <strong>Bindungstheorie</strong> bietet eine Möglichkeit, die zusammen auftretenden<br />

Symptome bestimmter <strong>klinische</strong>r Störungsbilder des DSM-III-<br />

R/IV bzw. ICD-10 besser zu verstehen (z.B. für die Agoraphobie<br />

Liotti, 1991; oder dependente Persönlichkeitsstörung, Livesley et<br />

al., 1990; ferner: Parkes, Stevenson-Hinde & Morris, 1991). Sie könnte<br />

Anhaltspunkte dafür bieten, einige der Schwierigkeiten mit den<br />

Achse II Störungen zu beleuchten: So ist die diagnostische Einteilung<br />

in die vorliegenden 11 (DSM) bzw. 9 (ICD-10) offiziellen spezifischen<br />

Persönlichkeitsstörungen, von Fiedler (1994, S.28) auch maßgeblich<br />

als interpersonelle oder Beziehungsstörungen gekennzeichnet 2<br />

, bisher<br />

noch unbefriedigend gelöst. Zwar lassen sich mit strukturierten<br />

Interviews (z.B. SKID-II; IPDE) oder <strong>klinische</strong>n Checklisten (<strong>und</strong> zwar<br />

nur mit diesen!, siehe Mellsop, 1982; Fydrich & Schmitz, in Vorb.)<br />

Beurteilerübereinstimmungen erreichen, die an die der eher akuten<br />

Symptomdiagnosen der Achse I des DSM heranreichen, jedoch findet sich<br />

in allen bisherigen Ar<strong>bei</strong>ten eine beträchtliche Überlappung der<br />

diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen (empirische Komorbidität;<br />

Fiedler, 1994; Mestel, 1994b). Es ist unbekannt, wieviele<br />

Persönlichkeitsstörungen es "wirklich" gibt (Fiedler, 1994), bzw.<br />

wieviele sinnvollerweise anzunehmen sind. Verschiedene Instrumente<br />

zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen bringen kaum vergleichbare<br />

Ergebnisse (Bronisch, 1992). Ferner ließ sich die Clustereinteilung<br />

nach den zuständigen DSM Ausschüssen in "exzentrische" (Cluster A),<br />

"dramatische" (Cluster B) <strong>und</strong> "ängstliche" (Cluster C) Persönlichkeitsstörungen<br />

empirisch meistens nicht replizieren. Auch von psychoanalytischen<br />

Autoren (z.B. Kernberg, 1988) wird diese Gliederung<br />

angegriffen.<br />

Die <strong>Bindungstheorie</strong> könnte ein Rahmenmodell zumindest für die<br />

Beziehungsstörungen (Persönlichkeitsstörungen) des DSM-III/IV darstellen.<br />

Interessanterweise sind die Weiterentwickler der interpersonellen<br />

Theorie (z.B. Benjamin, 1993; Kiesler, 1983) unabhängig von der<br />

<strong>Bindungstheorie</strong> im Rahmen der interpersonellen Zirkumplexmodelle<br />

(Leary, 1957) ebenso auf die Hauptdimension "Interdependence" mit den<br />

<strong>bei</strong>den Polen "Enmeshment" <strong>und</strong> "Differentiation" gestoßen.<br />

Anhaltspunkte für das hier vorgestellte Modell bietet auch eine<br />

empirisch induktiv angelegte Studie von Saß (1995), in der sich nach<br />

einer Clusteranalyse einer größeren Stichprobe von Patienten auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der aller einzelnen 104 DSM-III-R Persönlichkeitsstörungskriterien<br />

eine ähnliche Clustereinteilung der Persönlichkeitsstörungen<br />

ergab, wie sie oben ausgeführt wurde. Zum Beispiel wurde<br />

2<br />

Nach Fiedler (1994, S.135) solle "der Diagnostiker sich strikt darum bemühen,<br />

Persönlichkeitsstörungen als wiederholt beobachtbare Interaktionsbesonderheiten der<br />

Betroffenen zu betrachten". "Die Diagnose "Persönlichkeitsstörungen" kann <strong>und</strong> sollte<br />

[...] also erst dann erwogen <strong>und</strong> gestellt werden, wenn zwischenmenschliche Beziehungskonflikte<br />

in einer Weise so weit extremisieren, daß die private <strong>und</strong> berufliche Leistungsfähigkeit<br />

<strong>und</strong>/oder die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigt ist<br />

<strong>und</strong>/oder wenn diese Beeinträchtigung <strong>bei</strong> den Beteiligten zu erheblichen subjektiven<br />

Beschwernissen führen" (Kursivdruck im Original).

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