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Bindungstheorie, klinische Psychologie und Psychotherapie bei ...

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Scheurer-Englisch, Spangler, Stephan & Suess, 1989). Es wirkt sich im<br />

Sinne von Erwartungen auf individuelle Unterschiede der Persönlichkeitsentwicklung<br />

<strong>und</strong> Organisation <strong>und</strong> des Verhaltens vor allem in engen,<br />

persönlichen Beziehungen über den Lebenslauf hinweg aus.<br />

Mary Main <strong>und</strong> ihre Mitar<strong>bei</strong>ter haben sich besonders der Erfassung der<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmodelle von Bindung gewidmet. Zur Erforschung der Bindungsmodelle<br />

Erwachsener wurde das "Adult Attachment Interview" (AAI)<br />

(George, Kaplan & Main, 1985) entwickelt, ein halbstrukturiertes,<br />

hypothesengeleitetes Interview, in dem die Kindheitserinnerungen<br />

heutiger Erwachsener mit ihren wichtigsten Bezugspersonen <strong>und</strong> die<br />

heutige Bewertung dieser Erfahrungen abgefragt werden. Der Interviewleitfaden<br />

besteht aus 13 Fragen, zu denen jeweils nachexploriert<br />

werden kann, z.B falls eine Frage nicht konkret genug beantwortet<br />

wurde. Die Beschreibung der Beziehung zu <strong>bei</strong>den Eltern wird vorallem<br />

mit folgenden zentralen Fragen erfaßt: "Was hast Du getan, wenn Du<br />

Kummer hattest, traurig oder verletzt warst? Haben diese Erfahrungen<br />

einen Einfluß gehabt? Hat sich die Beziehung zu den Eltern verändert?<br />

Hast Du Dich von Deinen Eltern zurückgewiesen gefühlt oder haben sie<br />

Dir gedroht?".<br />

Einer der wichtigsten Auswertungsaspekte des Interviews ist die<br />

Kohärenz bzw. Inkohärenz der Antworten der Befragten. Kohärenz, in<br />

der Diskussion eigener Kindheitserinnerungen an die Eltern,<br />

bezeichnet die Leichtigkeit der Integration von positiven mit<br />

negativen Aspekten von Ausdruck <strong>und</strong> Gefühl. Inkohärenz dagegen<br />

betrifft negative Erinnerungen, die nicht als Teil eines kohärenten<br />

Ganzen gesehen werden, z.B. Idealisierungen, Widersprüche <strong>und</strong><br />

Ungereimtheiten in der Organisation der Erinnerungen zwischen<br />

semantischen <strong>und</strong> episodischen Beschreibungen der Eltern (Main, Kaplan<br />

& Cassidy, 1985).<br />

Mit dem von Main & Goldwyn (1985, 1992) entwickelten Klassifikationssystem<br />

lassen sich vier Bindungsrepräsentationen <strong>bei</strong> den Erwachsenen<br />

unterscheiden:<br />

Personen mit sicher-autonomer Bindungsrepräsentation (F) ("free to evaluate" oder<br />

"secure autonomous") schätzen Bindungsbeziehungen <strong>und</strong> schreiben ihnen einen Einfluß auf<br />

die eigene Entwicklung zu. Sie können offen <strong>und</strong> kohärent über positive wie negative<br />

Erfahrungen, die sie mit den Eltern gemacht haben sprechen.<br />

Bei "distanziert" Geb<strong>und</strong>enen (Ds) ("dismissing") findet man häufig die Neigung, negative<br />

Gefühle oder Erfahrungen in bezug auf Bindungspersonen zu leugnen oder sie werten die<br />

subjektiven Bedeutung von Bindungsbeziehungen ab. Die Interviewten schildern ihre Eltern<br />

positiv ohne dies mit konkreten Erzählepisoden illustrieren zu können (Idealisierung),<br />

oder stellen sich selbst als selbstständig <strong>und</strong> unabhängig dar.<br />

Die Klassifikation als verwickelt in Bindungsbeziehungen (E)("enmeshed, preoccupied")<br />

wird vergeben, wenn die Interviews sehr inkohärent <strong>und</strong> voller unrelevanter Details sind.<br />

Oft zeigen die Interviewten immer noch Ärger über negative Kindheitserlebnisse <strong>und</strong> es<br />

deutet sich keine neue Beurteilung der Beziehung zu den Eltern an.<br />

Das vierte Muster der "desorganisierten Repräsentation" (U) ("disorganized/unresolved<br />

states of mind") ist vor allem durch einen Mangel der Verar<strong>bei</strong>tung eines vorliegenden<br />

früheren oder aktuellen Traumas gekennzeichnet (zusammenfassend: Main & Hesse, 1990).<br />

Konkreter fällt eine desorganisierte Bindungsrepräsentation durch sprachlich ungewöhnliche<br />

Formulierungen <strong>bei</strong> Themen wie Verlust einer nahestehenden Person oder <strong>bei</strong> Mißhandlung<br />

auf. Der Verlust selbst wird bisweilen völlig verleugnet (z.B. "Der Verstorbene ist noch<br />

anwesend") oder der Befragte sieht sich unbegründeterweise als schuldig am Tod des<br />

Betroffenen. Ferner äußert sich das "desorganisierte Muster" durch das Vorliegen<br />

logischer Fehler (bzw. von Widersprüchen) <strong>bei</strong> der Schilderung von Verlusterlebnissen oder<br />

dadurch, daß unnötige Details berichtet werden, so daß kein klares Bild der tatsächlichen<br />

Ereignisse entsteht.<br />

Die <strong>Bindungstheorie</strong> war von ihrem Begründer John Bowlby als <strong>klinische</strong>

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