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Bindungstheorie, klinische Psychologie und Psychotherapie bei ...

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1<br />

nehmungen <strong>und</strong> Erwartungen als eine Konsequenz der wirklichen elterlichen<br />

Verhaltensweisen <strong>und</strong> Äußerungen zu sehen (z.B. Zurückweisungserlebnisse,<br />

Kritik oder Beleidigungen durch die Eltern).<br />

Der Therapeut kann drittens die Beziehung zum Patienten als das<br />

Abbild der früheren Eltern-Kind Beziehung analysieren. Der Patient<br />

wird wahrscheinlich den Therapeuten in die Rolle eines oder <strong>bei</strong>der<br />

Elternteile drängen. Diese "Übertragung" des Patienten gilt es zu bear<strong>bei</strong>ten.<br />

Der Patient soll viertens lernen, daß die gegenwärtigen Wahrnehmungen,<br />

Erwartungen, Gefühle <strong>und</strong> Gedanken die Folge der Kindheitserlebnisse<br />

mit den Eltern oder dessen sind, was die Eltern ihm<br />

dauernd erzählt ("eingeredet") haben. Der Therapeut soll den<br />

Patienten da<strong>bei</strong> auch das "nicht-denkbare" sich vorstellen oder denken<br />

lassen.<br />

Fünftens soll er in die Lage versetzt werden zu erkennen, daß<br />

sein Bild von sich <strong>und</strong> anderen (z.B. vom Therapeuten), das er durch<br />

schmerzliche Erfahrungen oder durch irreführende Botschaften seiner<br />

Eltern aufgebaut hat, unangemessen für die Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft ist<br />

<strong>und</strong> vielleicht niemals gerechtfertigt war. Die Ziele der Therapie<br />

bestehen damit in der Rekonstruktion eines Bildes von sich selbst als<br />

liebenswert <strong>und</strong> zum anderen in der Kohärenz <strong>und</strong> Integration von Erinnerungen<br />

<strong>und</strong> Gefühlen im Zusammenhang mit den Bindungspersonen.<br />

Bowlby betont ferner, daß der Therapeut dem Patienten keine psychopathologisch<br />

fixierende Deutung "überstülpen" solle, da dieses Vorgehen<br />

respektlos, kalt <strong>und</strong> unempathisch sei, <strong>und</strong> in die gleiche Kerbe<br />

schlage, wie der Patient von den Eltern behandelt wurde, oder häufig<br />

mit sich selbst umgeht (siehe auch Grossmann & Grossmann, 1994;<br />

1995).<br />

Überträgt man das in der <strong>Bindungstheorie</strong> zentrale Konzept der mütterlichen<br />

Feinfühligkeit (Ainsworth et al. 1978; Grossmann et al., 1989)<br />

auf die <strong>Psychotherapie</strong>, dann wäre ein "feinfühliger" Therapeut durch<br />

folgende vier Merkmale gekennzeichnet:<br />

1.er muß die Verhaltensweisen des Patienten aufmerksam wahrnehmen <strong>und</strong><br />

"im Blick" haben (die Wahrnehmungsschwelle darf nicht zu hoch<br />

sein)<br />

2.er sollte die Äußerungen des Patienten aus dessen Lage (<strong>und</strong> nicht<br />

nach seinen eigenen Bedürfnissen) richtig interpretieren.<br />

3.er solle auf die Kommunikation des Patienten prompt reagieren,<br />

damit der Patient eine Verbindung zwischen seinem Verhalten <strong>und</strong><br />

der Reaktion, die er <strong>bei</strong> anderen (dem Therapeuten) auslöst 5<br />

,<br />

knüpfen kann. Letzteres vermittelt dem Patienten das Gefühl der<br />

Effektivität im Gegensatz zu dem der Hilflosigkeit.<br />

4.Die Reaktionen des Therapeuten sollten angemessen sein, also nicht<br />

mehr <strong>bei</strong>nhalten, als das, was vom Patienten verlangt wurde. Die<br />

therapeutischen Reaktionen sollten im Einklang mit den "Entwicklungsprozessen"<br />

des Patienten stehen.<br />

Anzumerken bleibt, daß die von Bowlby geforderten fünf Punkte sich<br />

5 In der Sprache der <strong>Bindungstheorie</strong> solle <strong>bei</strong>m Säugling durch die prompte Reaktion<br />

der Mutter ein "spannungsmildernder" Effekt (Grossmann et al., 1989, S.40) erreicht<br />

werden. Ob dieses Konzept auf die <strong>Psychotherapie</strong> übertragbar bzw. für diese fruchtbar<br />

ist, bleibt zu untersuchen. Gerade für Patienten mit Impulskontrollproblemen (z.B.<br />

Suchtpatienten) scheint ein wichtiger Lernschritt zu sein, daß sie eben nicht alle<br />

Wünsche "jetzt <strong>und</strong> sofort" erfüllt bekommen. Sie sollen mehr Kompetenzen <strong>bei</strong>m "Belohnungsaufschub"<br />

bzw. der Selbstkontrolle erwerben.

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