Übungsfall zum Urheberrecht mit Lösungsskizze - Hans-Bredow ...
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<strong>Übungsfall</strong>:<br />
Der Verleger Schinkenhubel (S) aus Hannover hat durch eine großangelegte Werbekampagne<br />
für die Autobiographie des Prominenten Sängers und Musikproduzenten Rager (R) geworben.<br />
Nachträglich stellt sich heraus, dass entgegen den Wünschen Ragers eine Textpassage nicht<br />
gestrichen wurde, in der von einem amourösen Abenteuer die Rede ist. Rager bittet<br />
Schinkenhubel darum, die Bücher so nicht zu veröffentlichen. Schinkenhubel beruft sich<br />
darauf, dass er bereits 5000 Exemplare gedruckt habe und will auf jeden Fall zur Tat (d.h.<br />
<strong>zum</strong> Verkauf der Bücher) schreiten. Kann Rager einen Beseitigungs- oder<br />
Unterlassungsanspruch geltend machen?<br />
A. Anspruch des R gegen S auf Beseitigung nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG<br />
Dies setzt voraus, dass aufgrund einer widerrechtlichen Verletzung des <strong>Urheberrecht</strong>s eine<br />
Beeinträchtigung besteht.<br />
(a) widerrechtliche Verletzung des <strong>Urheberrecht</strong>s? Hier ggf. durch Eingriff in das<br />
Urheberpersönlichkeitsrecht des R nach § 14 UrhG<br />
Voraussetzungen:<br />
Buch als Werk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UrhG?<br />
Entstellung i.S.d. § 14 UrhG? Der Norm liegt die Wertung zugrunde, dass dem<br />
Urheber das alleinige Recht zusteht, darüber zu entscheiden, in welcher Gestalt sein<br />
Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. S hat entgegen den von R<br />
geäußerten Vorstellungen die entscheidende Passage nicht gestrichen. Darauf - und<br />
nicht etwa auf den Eindruck eines objektiven Beobachters - kommt es an. Eine<br />
Verletzung liegt also vor. Gleichzeitig kommt eine Verletzung des<br />
Vervielfältigungsrechtes in Betracht. Zwar haben R und S einen Verlagsvertrag über<br />
die Autobiographie abgeschlossen, wo<strong>mit</strong> regelmäßig auch das Vervielfältigungsrecht<br />
auf S übertragen wurde. Dieser bezog sich jedoch allein auf die um die fragliche<br />
Episode gekürzte Autobiographie; nicht auf das in der vorliegenden Fassung<br />
gedruckte Werk. Auch insoweit kommt eine Verletzungshandlung in Betracht.<br />
(b) Ferner setzt der Beseitigungsanspruch das Bestehen einer Beeinträchtigung (Störung)<br />
voraus. Danach muss die Störung bereits eingetreten sein und weiterhin andauern. Fraglich<br />
ist, ob angesichts der bei S vorhandenen Druckexemplare von einer andauernden Störung<br />
auszugehen ist. Da der Beseitigungsanspruch – anders als ein Schadensersatzanspruch – kein<br />
Verschulden voraussetzt und deshalb über den Beseitigungsanspruch nicht Naturalrestitution<br />
i.S.d.. § 249 BGB gewährt werden darf, kommt es nach h.M. entscheidend darauf an, dass<br />
sich weiterhin ein Andauern der Störung feststellen lässt. Hier wird man ggf. differenzieren<br />
müssen: - Im Hinblick auf den Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG könnte<br />
die Störung beendet sein, weil der Druckvorgang diesbezüglich abgeschlossen ist. Gerade im<br />
Augenblick vervielfältigt S keine weiteren Exemplare in der ungenehmigten Version.<br />
Insoweit dauert die Störung also nicht mehr an.<br />
- Im Hinblick auf § 14 UrhG besteht die Störung aber weiter fort; denn das Werk ist nun in<br />
einer Fassung konkretisiert, die sich von dem Erscheinungsbild unterscheidet, das R sich<br />
vorgestellt hatte. Ein Problem liegt allenfalls darin, dass das Werk zur Zeit nicht der<br />
Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG zugänglich gemacht ist, so dass das in § 14 UrhG<br />
geschützte Interesse des R am Erscheinungsbild des Werkes in der Öffentlichkeit noch nicht<br />
nachhaltig betroffen ist. Auch insoweit bestehen Zweifel, ob eine andauernde<br />
Beeinträchtigung anzunehmen ist (An dieser Stelle ist auch eine andere Meinung vertretbar).<br />
Danach wäre der Anspruch nicht begründet.
B. Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG<br />
Die widerrechtliche Verletzung könnte in der durch die Verbreitung zu erwartenden<br />
Verletzung der in §§ 14, 17 UrhG geschützten Inhalte des <strong>Urheberrecht</strong>s von R bestehen.<br />
(a) Wenn S das Werk in der von R nicht autorisierten Fassung verbreitet, kommt eine<br />
Entstellung des von R konzipierten Werks i.S.d. § 14 UrhG in Betracht (vgl. oben). Zugleich<br />
liegt darin ein Verstoß gegen das Verbreitungsrecht des R. Zwar wurde dieses an S<br />
übertragen, nur bezog sich das dort übertragene Verbreitungsrecht auf eine andere Fassung<br />
des Werks.<br />
(b) Weiterhin setzt der Unterlassungsanspruch Wiederholungsgefahr voraus. Zunächst besteht<br />
nicht die Gefahr, dass S die Verbreitung des Werkes wiederholen wird; er hat noch nicht <strong>mit</strong><br />
der Verbreitung begonnen. In Betracht kommt jedoch Erstbegehungsgefahr, also die Gefahr,<br />
dass der Anspruchsgegner durch sein erstmaliges Verhalten Rechtsgüter des<br />
Anspruchsberechtigten verletzt. Dies lässt sich hier bejahen, da S trotz der Bedenken des R<br />
angekündigt hat, "zur Tat zu schreiten".<br />
(c) Zweifelhaft ist indes, ob R von S vollständige Unterlassung der Verbreitung verlangen<br />
könnte. Dagegen könnte nämlich ein Argument aus § 98 Abs. 3 UrhG sprechen. Als Verletzer<br />
müsste S dem R die gedruckten Bücher (=Vervielfältigungsstücke) wohl nicht nach § 98 Abs.<br />
1 oder Abs. 2 UrhG übereignen, wenn dies unverhältnismäßig wäre und der rechtswidrige<br />
Zustand sich auf andere Weise beseitigen ließe (Abs. 3). Dann darf R den S, sobald<br />
entsprechende Vorkehrungen getroffen sind, wohl auch ansonsten nicht in seiner<br />
Verfügungsbefugnis gegenüber Dritten einschränken. Fraglich ist daher, ob die<br />
Voraussetzungen des § 98 Abs. 3 UrhG vorliegen. Hier wäre wohl das Einstampfen der<br />
gedruckten Exemplare ein besonders schwerer Eingriff in die Rechte des S, <strong>zum</strong>al eine<br />
mildere Maßnahme, das Schwärzen der Exemplare, ebenfalls zu einer Beseitigung der<br />
Rechtsgutsbeeinträchtigung führen würde. Verhältnismäßigkeit bestünde daher mangels<br />
Erforderlichkeit der Maßnahme nicht.<br />
Daher ist der Unterlassungsanspruch des R nicht auf Unterlassung der Verbreitung der<br />
gedruckten Buchexemplare gerichtet, sondern nur auf Unterlassung der Verbreitung der<br />
Buchexemplare in der Gestalt, in der die kritischen Passagen ungeschwärzt sind.<br />
(3) In Betracht kommt ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG wegen<br />
Verletzung des Vervielfältigungsrechts nach § 16 UrhG. Hier wird anders als bei (1) kein<br />
Andauern der Störung, dafür aber Verschulden vorausgesetzt. Wird dies bejaht, kommt ein<br />
eventueller. Ersatz von Schäden des R in Betracht. Vermögensschäden sind indes hier nicht<br />
ersichtlich.<br />
C. Anspruch aus § 97 Abs. 2 i.V.m. § 14 UrhG<br />
R könnte schließlich einen Anspruch aus § 97 Abs. 2 i.V.m. § 14 UrhG wegen Verletzung<br />
seines Urheberpersönlichkeitsrechts durch die entstellende Vervielfältigung haben. Hier ist<br />
nur zu beachten, dass der bloße Vervielfältigungsakt (ohne anschließende Verbreitung) die<br />
Urheberehre vergleichsweise gering belastet und daher das Kompensationsbedürfnis fraglich<br />
erscheint.