Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
die freie Entscheidung, für die Wahl der Neigungen oder der Selbstüberwindung.<br />
Die Prüfung des Paradieses erscheint als die Herausforderung<br />
der Freiheit, sich seiner Vernunft inne zu werden und von der<br />
Unvernunft abzustehen, d.h. die ablenkende Kraft des isolierenden<br />
Verlangens in der Selbstbeherrschung aufzuheben. Es soll sich also der<br />
himmlische Adam auch in der Verbindung mit seiner Gefährtin Eva<br />
gegenüber der Faszination von Samael/Lucifer behaupten, welche in<br />
der Möglichkeit der Verkürzung des Wollens auf die Eigenwilligkeit<br />
des Begehrens beruht, welche das Selbst unter seine Möglichkeiten<br />
stellt, anstatt es über sich hinauszuführen.<br />
Nur die verbotene Frucht, die Konzentration auf das gegenseitige Begehren<br />
aneinander, lockt den Eigenwillen aus dem selbstlosen Dasein<br />
im Paradies hervor und fesselt das künftige Leben an sich, das nach<br />
ihrer Kost nicht mehr Teil ist von allem, sondern alles, was der Eigenwille<br />
nicht ist, von sich abtrennt und als Objekt seines Begehrens sich<br />
gegenüberstellt. Nach dem Sündenfall verfällt das Paradies in die verwirrende<br />
Vielfalt des Wettbewerbs der Verlockungen, welche sich um<br />
die Aufmerksamkeit des Begehrens streiten, und das Leben in den<br />
Widerstreit der Begierden, die sich gegenseitig dessen Kräfte abjagen.<br />
Das Früchteraubmotiv erscheint als ein weiterer Baustein der Handlungsführung,<br />
dessen Herkunft die Bearbeitung der einzelnen Bestandsstücke<br />
der Gesamthandlung durch die Redakteure des Pentateuch<br />
sehr gut verbirgt. Denn es stellt sich doch die Frage, warum der<br />
Mensch sich im Paradies überhaupt als Schatzwächter bewähren sollte,<br />
oder welchen Vorteil ihm der Früchteraub böte, da er doch schon mit,<br />
wie in und an allem partizipierte, was das Paradies zu bieten hatte.<br />
Samael/Lucifer antwortet darauf: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Diese<br />
Gottes-Illusion des Eigenwillens, nicht nur mit allem nach Maß und<br />
Status verbunden und druchtränkt zu sein, was das Paradies ja bot, sondern<br />
alles so zu sein, wie es der Wille anmaßend darüber hinausschreitend<br />
will, der Wunsch gleich Befehl, das ist der Preis, für den das<br />
Paradies aufs Spiel gesetzt worden ist.<br />
Weder den Versucher noch seine Komplizin, die Verräterin ihres paradiesischen<br />
Gefährten, brauchte die Genesis-Redaktion lange im eigenen<br />
Traditionsgut wie dem der Nachbarn zu suchen.<br />
Die Schlange gibt Eva den Apfel, der sie befruchtet wie die großen<br />
antiken Göttinnen die Mandel, das Kraut oder der Granatapfel. Die<br />
orientalischen Mysterien nennen die äquivalenten Früchte, Kerne oder<br />
Samen. Diese Auffassung gebietet schon ihr Name. "Die semitische<br />
Form der Eva "Hawwat" ist mit der lykischen chba-eni= Mutter Hepi,<br />
71