Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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4 Einleitung Drachenkampfmythen oder -sagen zählen zu jenem Typus von Mythen über den aufklärenden Charakter von Grenzsituationen oder über die Existenzerhellung durch Grenzsituationen, zu den Mythen der Beschreibung von Grenz- oder Schwellenüberschreitungen als kalkulierten Gefahren, die entweder als innerliche, emotionale oder charakterliche zu bewältigen sind oder als öffentliche Prüfungen des Könnens und Sollens durch den Ernstfall; Mythen welche dementsprechend entweder die Überwindung von Angst und Furcht als Voraussetzung dafür darstellen, sich überhaupt der Herausforderung stellen zu können, oder ein bestimmtes Urvertrauen in das erworbene und von seiner Kultur vermittelte Wissen und Können vorstellen, das im Ernstfall auf die Probe gestellt wird. Sie repräsentieren also auch einen Typus des Übergangsmythos, eine Typus von Mythen der Prüfung und der Bewährungsproben. Die Herausforderung kann die Zustände, Verhältnisse oder Sitten eines Volkes generell betreffen, ja den ganzen Kosmos überhaupt oder den Charakter, die Reife oder das Können von bestimmten Person ansprechen. Die Gefahren, die herausfordern, werden stets ambivalent vorgestellt, also nicht ausschließlich negativ, weshalb es auch nicht um deren bloße Abwehr geht, sondern um den Gewinn, den die Überwindung oder Bewältigung der Gefahr verspricht. Es geht bei den Gefahren, die herausfordern, vor allem um die Chancen, die Rettung oder den Schatz, die ihre Übrwindung versprechen, und ohne diese Leistung nicht zu erwerben sind. Die Gefahren der Drachenkampfmythen erscheinen als der Preis der aufzubietenden Mühen für den Erwerb der in Aussicht gestellten Schätze, welche den Helden erst dazu zu bewegen vermögen, ihnen überhaupt entgegen zu treten, von Versprechungen des Glücks, des innerlichen wie äußerlichen Gewinns, versteckt hinter dem Schrecken und den Todesdrohungen, mit denen sie jeden anderen als den Helden davon abhalten, sich ihnen zu stellen, versteckt hinter den Beispielen an Leid und Schmerz oder den Nachrichten vom Tode der Gescheiterten, die das ihre dazu beitragen, eine Mehrzahl davon abzuhalten, die Herausforderung anzunehmen. Wenn die herkömmlichen Tugenden, Regeln und Bräuche der Gemeinschaft zur Abwehr der Gefahren im Ernstfall oder Notstand nicht mehr ausreichen, dann hofft sie auf den Helden, der nicht nur die Gefahren überwindet, sondern auch nach der Aufhebung des Notstandes ihre Ordnung bestätigt und sich eingliedert in die Gemeinschaft. Das typische Erzählschema des Drachenkampfmythos ist die Geschichte der Herausforderung eines meist jugendlichen Helden durch eine tödliche Gefahr (Grenzsituation, Ernstfall), vergegenständlicht in der Gestalt eines Ungeheuers, meist reptilischen Wesens, welches dem Helden entweder etwas verweigert, was ihm oder seinem Volke zusteht, oder welches ihn oder sein Volk
unmittelbar an Leib und Leben bedroht, und damit dessen oder deren Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bedroht oder beeinträchtigt. Dementsprechend variieren auch die Bilder des Helden, der Gefahr und des Schatzes mit den Optionen des Ausgangs der Handlung, aber vor allem mit der Kultur und dem Entwicklungszustand der Gesellschaften, welche diese Mythen oder Sagen erzählen. 5
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