Journal 4_Journal 3 - Hamburgische Staatsoper
Journal 4_Journal 3 - Hamburgische Staatsoper
Journal 4_Journal 3 - Hamburgische Staatsoper
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
CL: Das kann ich nur unterstreichen. Für mich<br />
ist es großartig, dass mein Arbeitsplatz so selbstverständlich<br />
im Alltag verankert ist. Eine der<br />
ersten Sachen, die mir auffiel, als ich aus den USA<br />
hierher kam, war, dass die Oper sogar bei der<br />
Haltestelle Stephansplatz auf dem HVV-Plan<br />
steht! Das wäre in den Staaten undenkbar – außer<br />
vielleicht bei der MET. Auch dass in der Oper<br />
jeden Abend eine Vorstellung zu sehen ist, und<br />
wir 30 verschiedene Werke im Repertoire haben<br />
– das liebe ich! Und ich finde übrigens auch die<br />
Stadt sehr schön. Beim Vorsingen, im Januar<br />
2010, war gerade die Alster zugefroren, das hat<br />
mich fast ein bisschen an Kanada erinnert (lacht).<br />
MS: Aus Aachen ist es ja nicht ganz so weit wie<br />
aus Korea, Brasilien oder den USA …<br />
KB: Stimmt schon. Ich habe in Aachen meine<br />
Erfahrungen gemacht – doch wenn die Bühne<br />
viel größer ist und doppelt so viele Menschen im<br />
Publikum sitzen, ist das dennoch ein großer<br />
Schritt. Man hat das Gefühl, mehr spielen und<br />
mehr Stimme geben zu müssen. Da find ich’s<br />
schon gut, dass wir nicht gleich die großen<br />
Partien singen, sondern uns erst einmal langsam<br />
herantasten können. Meine erste Partie war die<br />
Papagena, ein guter Start, weil ich da nicht allein<br />
auf der Bühne stand, sondern ein Duett hatte.<br />
Jetzt bin ich auch nicht mehr so nervös wie zu<br />
Beginn. Wenn dann am Schluss der Applaus<br />
kommt, ist man sowieso immer glücklich!<br />
MS: Wie fühlt sich das für Sie an, Melissa? Sie<br />
sind ja direkt vom Studium ins kalte Bühnen -<br />
wasser gesprungen.<br />
MP: Es ist schon sehr aufregend und zu Anfang<br />
auch ganz schön hart. Man hat einfach keine Zeit,<br />
müde zu sein, sondern muss ständig hochkon -<br />
zentriert arbeiten. Wenn man die Kollegen noch<br />
nicht kennt, ist es natürlich noch etwas schwieriger<br />
– denn da gibt es keinen Platz für Zurück -<br />
haltung. Wenn Du zum Beispiel eigentlich<br />
schüch tern bist, aber sexy sein sollst, musst Du<br />
einfach in die Rolle hineinschlüpfen und für den<br />
Moment eine andere Person werden. Das wird<br />
einfacher, wenn man die Menschen ein bisschen<br />
kennen gelernt hat.<br />
MS: Und jetzt sind Sie überhaupt nicht mehr<br />
schüchtern?<br />
MP: (lacht) Naja, das kommt auch auf die<br />
Situa tion an!<br />
MS: Wie sieht’s bei den Herren aus? Welche<br />
Erfahrungen haben Sie bisher gesammelt?<br />
LP: Für mich war es neu, dass man jeden Tag<br />
etwas anderes hat und zeitgleich in verschiedenen<br />
Dingen drin steckt. Von freien Produktionen war<br />
ich das bisher anders gewöhnt: Da kommt man<br />
an einen bestimmten Ort, verbringt die Zeit mit<br />
einem Stück und fährt wieder weg. Hier überlappen<br />
sich ständig verschiedene Projekte und<br />
Partien, und man muss immer top dabei sein –<br />
das ist schon eine große Herausforderung!<br />
MS: Wie gehen die anderen Ensemblemit -<br />
glieder mit Ihnen um? Können Sie sich von denen<br />
Rat holen?<br />
CL: Ja, absolut. Für mich war es ein ziemlicher<br />
Horror, als Monostatos in der »Zauberflöte«<br />
nicht nur auf Deutsch zu singen, sondern auch<br />
noch so viel sprechen zu müssen. Frieder Stricker<br />
– der die Inszenierung ja schon lange kennt – war<br />
so nett, mir die ganzen Dialoge aufzunehmen,<br />
damit ich sie üben kann. Ich finde die Kollegen<br />
insgesamt sehr nett...<br />
KB: Das sehe ich auch so. Alle schauen einem<br />
zu und helfen mit ihrer Erfahrung weiter. Und wir<br />
unterstützen uns auch gegenseitig: Bei französischen<br />
Texten können wir Mélissa um Rat fragen,<br />
bei der englischen Aussprache Chris. Koreanische<br />
Stücke kommen vielleicht nicht ganz so oft vor<br />
(lacht).<br />
JM: Unter den koreanischen Sängern herrscht<br />
ja oft ein ziemlicher Konkurrenzdruck, weil es bei<br />
uns nur wenige Opernhäuser gibt und die meis -<br />
ten sehr gern hier bleiben wollen. Deswegen ha -<br />
ben wir nicht so etwas wie eine koreanische<br />
Community oder so. Aber mit den Kollegen hier<br />
am Haus ist es sehr angenehm, wir gehen schon<br />
auch mal einen Kaffee trinken.<br />
MS: Apropos Kaffee trinken: Vielleicht mögen<br />
einige von Ihnen verraten, was Sie in ihrer knapp<br />
bemessenen Freizeit tun?<br />
PP: Wenn ich zu Hause in Brasilien bin, verbringe<br />
ich viel Zeit in meiner Familie. Ich spiele<br />
Fußball mit Freunden und bin außerdem ein gro -<br />
ßer Motorsport-Fan und fahre gerne Kart! Und<br />
hier – naja, ich schlafe gern (allgemeines großes<br />
Gelächter).<br />
CL: Früher habe ich sehr gern ausgiebig ge -<br />
kocht (allgemeines großes Raunen).<br />
MS: Klingt ganz so, als sollten Sie das wieder<br />
öfter machen und die Kollegen einladen.<br />
(Allgemeines großes Zustimmungsmurmeln.)<br />
MS: Zum Schluss würde mich noch interessieren,<br />
ob Sie bestimmte Vorbilder und vielleicht<br />
auch konkrete Ziele für die Zukunft haben.<br />
DHL: Ich habe viele Vorbilder. Aber am liebsten<br />
mag ich Renato Bruson. Er ist auch Bariton und<br />
so ein richtiger Verdiano, ein absoluter Traum! Da<br />
möchte ich auch mal hin. Momentan bin ich<br />
noch nicht so weit und singe eher Puccini und<br />
Verismo – aber später vielleicht!<br />
JM: Früher habe ich vor allem Teresa Berganza<br />
verehrt, aber jetzt sind es eher Elina Garanča und<br />
Joyce DiDonato. Als sie in Hamburg war, bin ich<br />
mit Mélissa zusammen hingegangen – sie hat eine<br />
perfekte Technik und einen super Ausdruck. Jetzt<br />
ist sie meine Heldin! (lacht)<br />
MP: DiDonato hat mich auch sehr beeindruckt<br />
– aber ich habe kein bestimmtes Vorbild,<br />
sondern versuche, mir überall etwas herauszupicken<br />
und daraus etwas Eigenes zu machen.<br />
PP: Pavarotti ist für mich perfekt! Ich mag<br />
auch Corelli, di Stefano und den jungen Carreras.<br />
Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Haupt -<br />
sache, ich werde kein Bariton. (lacht sehr laut<br />
und sehr tenoral)<br />
CL: Auch nach 44 Jahren bin ich noch nicht<br />
über den Tod von Fritz Wunderlich weggekommen<br />
…<br />
MS: Na, da waren Sie doch noch gar nicht auf<br />
der Welt!<br />
CL: Trotzdem. Schade, dass man bei ihm keinen<br />
Meisterkurs mehr machen kann.<br />
LP: Bryn Terfel ist zwar nicht mein Fach, aber<br />
was ich von ihm gehört habe, war eine Klasse<br />
für sich, mit dieser Stimme, seiner natürlichen<br />
Ges tal tung und der Überzeugungskraft – ohne<br />
dass er dafür viel Aufwand treibt. Egal, in welchem<br />
Genre, ob Oper, Musical oder Volkslied: Es<br />
hat immer Klasse!<br />
KB: Ich habe auch kein bestimmtes Vorbild,<br />
sondern finde viele toll. Auch hier am Haus gibt<br />
es super Sänger, von denen wir eine Menge mitnehmen<br />
können.<br />
Marcus Stäbler arbeitet u. a. für den NDR, das Hamburger<br />
Abendblatt, die Neue Zürcher Zeitung und das Fachmagazin<br />
Fono Forum.<br />
<strong>Journal</strong> 4 | 27