Journal 4_Journal 3 - Hamburgische Staatsoper

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OPER REPERTOIRE ›EUGEN ONEGIN‹ ›LE NOZZE DI FIGARO‹ ›CARMEN‹ Peter I. Tschaikowsky Eugen Onegin MUSIKALISCHE LEITUNG Karen Kamensek INSZE NIE - RUNG Adolf Dresen BÜHNENBILD Karl-Ernst Herrmann KOSTÜME Margit Bárdy CHOR Christian Günther CHOREOGRAFIE Rolf Warter SPIELLEITUNG Petra Müller Larina Katja Pieweck · Tatjana Tamar Iveri · Olga Cristina Damian · Filipjewna Susanne Sommer · Eugen Onegin Lauri Vasar · Wladimir Lenski Dovlet Nurgeldiyev · Fürst Gremin Alexander Tsymbalyuk · Ein Hauptmann Dong-Hwan Lee · Saretzki Levente Páll · Triquet Jürgen Sacher · Vorsänger Eun-Seok Jang/Yue Zhu Wiederaufnahme 17. Februar 2011, 19.00 Uhr Aufführungen 20. (18.00 Uhr), 23. Februar; 2. März 2011 um 19.00 Uhr 12 | <strong>Journal</strong> 4 Wolfgang Amadeus Mozart Le Nozze di Figaro MUSIKALISCHE LEITUNG Alexander Joel INSZENIERUNG Johannes Schaaf BÜHNENBILD UND KOS TÜME Ezio Toffolutti CHOREOGRAFIE Rolf Warter CHOR Christian Günther SPIELLEITUNG Nicola Panzer Il Conte di Almaviva Lauri Vasar · La Contessa di Almaviva Meagan Miller · Susanna Ha Young Lee · Figaro Wilhelm Schwinghammer · Cherubino Cristina Damian · Marcellina Katja Pieweck · Bartolo Steven Humes · Don Basilio Jürgen Sacher · Don Curzio Frieder Stricker · Barbarina Mélissa Petit · Antonio Dieter Schweikart · Due Donne Christiane Donner/Annegret Gerschler · Corinna Meyer- Esche/Gisela Weintritt Gefördert durch die Daimler AG Niederlassung Hamburg Aufführungen 26., 29. Januar 2011 um 19.00 Uhr Georges Bizet Carmen MUSIKALISCHE LEITUNG Karen Kamensek INSZENIERUNG nach Piero Faggioni BÜHNENBILD UND KOSTÜME nach Ezio Frigerio CHOR Florian Csizmadia SPIELLEITUNG Holger Liebig Don José Fabio Armiliato · Escamillo Aris Argiris · Remendado Jun-Sang Han · Dancaïro Dong-Hwan Lee · Zuniga Levente Páll · Moralès Viktor Rud · Carmen Nino Surguladze · Micaëla Mirjam Tola · Frasquita Katharina Bergrath · Mercédès Juhee Min Aufführungen 8., 11. Februar 2011 um 19.00 Uhr
Wiederaufnahme »Eugen Onegin«: Karen Kamensek (Diri gen - tin), Tamar Iveri (Tat jana), Dovlet Nurgeldiyev (Lenski) Das Vergangene lässt sich nicht ungeschehen machen Tschaikowskys Meisterwerk »Eugen Onegin« kehrt auf den Spielplan zurück »Ich suche ein intimes, aber starkes Drama, das auf Konflikten beruht, die ich selber erfahren oder gesehen habe, die mich im Innersten berühren können«, schrieb Peter Tschaikowsky an seinen Schüler Tanejew, als er gerade auf der Suche nach einem passenden Opernstoff war. Das Sujet, für das sich der Komponist entschied und das er nicht Oper, sondern »Lyrische Szenen« nannte, basiert auf Episoden des Vers romans »Eugen Onegin« von Alexander Puschkin, dem in Russland ein ähnlich hoher Stellenwert zukam wie Goethes »Faust« in der deutschen Literatur. »Onegin« ist ein typisches Werk russischer Literatur des 19. Jahrhunderts mit schwermütigen und melancholischen Charakteren; es zeigt die Zer rissenheit der Menschen auf, analysiert ihre Zustände und Stimmungen: bald überschäumend euphorisch, bald dumpf fatalistisch, resignativ. Adolf Dresen, Regisseur der Hamburger Inszenierung, bezog sich bei seiner Interpretation des Stückes stark auf Puschkin. Weitab von schwelgerischer Romantik stellt er das innere Drama der Hauptfiguren als im Korsett gesellschaftlicher Konventionen gefangener Menschen dar, das zum Drama der verpassten Chancen wird. »Einen melancholischen und gefährlichen Exzentriker« hat Alexander Puschkin seinen Protagonisten genannt. Und Tschaikowsky äußerte: »Ich liebte Tatjana und war über Onegin, in dem ich einen kalten, herzlosen Gecken sah, empört.« Wir befragten Hamburgs neuen Onegin Lauri Vasar, was er zu Puschkins und Tschaikowskys Kommentaren meint – und wie er selbst über den berühmt-berüchtigten St. Peters burger Dandy denkt. »Puschkins Aussage finde ich passender als Tschaikowskys Auffassung. Mit der Gestalt des dandyhaften Einzelgängers Onegin wollte Puschkin die Dekadenz der damaligen russischen Gesellschaft porträtieren. Und wenn der Komponist sich so negativ über diese Figur geäußert hat, muss man sich eigentlich fragen, warum er die Oper so gestaltet hat, wie sie ist. Denn es gibt durchaus Stellen, die das Gegenteil von dem, was er in dem bewussten Zitat sagt, zum Vorschein bringen. Da zeigt Tschaikowskys Musik ganz klar, dass Onegin, wie die übrigen Figuren, ein um seine Gefühle kämpfender Mensch ist. Als Interpret kann ich keine Bühnenfigur gestalten, wenn ich selber keinen oder einen negativen Bezug zu ihr habe. Ich muss also für mich etwas in dem Charakter finden, das ich mag oder das es mir wenigstens erlaubt zu fragen, warum er so ge - worden ist. Onegin kommt mir vor wie ein verzogenes, zur Arroganz neigendes Einzelkind aus reichem Hause. So wird er ja auch in Puschkins Versroman ausführlich beschrieben. Und ich glaube, hier liegen die Ursachen seiner Einsamkeit und seiner emotionalen Verkümmerung. Tschaikowsky charakte- risiert ihn durch Themen, die etwas in die Länge gezogen sind, paradoxerweise aber doch recht einsilbig klingen. Die gesellschaftliche Enge der russischen Provinz ruft bei Onegin Überdruss hervor. Weil er anders ist, übt er eine er - staunliche Wirkung auf seine Umgebung aus, besonders auf die Frauen, worauf er großen Wert legt und was er genießt. Wenn Tatjana Onegin ihren Brief schreibt und ihm ihre Liebe gesteht, fühlt er sich allerdings total überfordert. Ich denke, dass er sie zu diesem Zeitpunkt schon mag, dass er aber zu einer tieferen Beziehung, wie sie es ersehnt, weder bereit noch in der Lage ist. Die Tragödie, kurze Zeit später, ereignet sich ja fast zufällig: ein Duell zwischen zwei Männern, die gestern noch Freunde waren. Onegins Flirt mit Lenskis Freundin Olga ist doch nur Spielerei, eine oberflächliche Provokation, die aus seiner Überheblichkeit resultieren mag. Lenski versteht One - gins »Humor« aber nicht und fordert ihn zum Duell. So gerät alles außer Kontrolle. In Tschaikowskys Oper ist es der dramatische Höhepunkt, geboren aus einem Streit, in dem es um den Begriff »Ehre« geht. Die Nähe, die kurz vor dem tödlichen Schuss in dem Duett zwischen Onegin und Lenski entsteht, kommt zu spät. Als er dann Jahre später aus dem Ausland zurückkehrt, hat er sich entscheidend verändert. Es gibt eine Schlüsselszene, die viel über Onegins Charakter aussagt. Er befindet sich alleine in einem Raum des Hauses Gremin, und man erfährt in seinem Monolog, wie unzufrieden er mit sich ist: »Ich habe in meinem Leben nichts erreicht, ich habe keine Frau, keine Familie, die Weltenbummelei bringt auch nichts mehr«. Genau an dieser Stelle merke ich bereits, wie verzweifelt er ist. Wenn er wenig später Tatjana als Fürstin Gremin auf dem Ball wiedersieht, fragt er sich zum ersten Mal in seinem Leben: »Mein Gott, was ist in meiner Seele los?« Er ist vollkommen überwältigt von seiner plötzlichen Leidenschaft für diese Frau, die er einst zurückgewiesen hat. Es ist ja auch im wahren Leben gar nicht selten, dass solche Gefühle erst wahrgenommen werden, wenn es zu spät ist. Onegins Empfindungen in dieser Szene sind wirklich echt. Dann schreibt er Tatjana einen Brief, um ihr seine Liebe zu bekennen. Und obwohl sie Onegin noch immer liebt, weist sie ihn ab – die Konvention fordert es von ihr als verheiratete Frau. In der Schlussszene bricht Onegin zusammen, weil ihm plötzlich klar geworden ist: Es ist zu spät, und ich habe alles kaputt gemacht. Seine große Verzweiflung macht wirklich betroffen. Und auch in Tschaikowskys Musik verliert er den Ton arroganter Distanz, wenn er vergeblich um Tatjanas Liebe ringt. Aber das Vergangene lässt sich nicht ungeschehen machen. Die Chance, seinem Leben einen Sinn zu geben, hat er vertan.« aufgezeichnet von Annedore Cordes <strong>Journal</strong> 4 | 13
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